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Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen |
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Stellungnahme der Zentralen
Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren
Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer zum
Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen |
(Stand: 01.02.2006) Vorwort Auch wenn sich jüngste wissenschaftliche Erfolgsmeldungen als schlichte Fälschungen erwiesen haben, so darf es als wahrscheinlich gelten, dass das Klonen auch im Humanbereich grundsätzlich möglich ist. Während das Forschungsklonen zu reproduktiven Zwecken nahezu einhellig abgelehnt wird, hält die bioethische Debatte um das Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen, also um das so genannte therapeutische Klonen, unvermindert an. Im Rahmen dieser Technologie sind zwei Konfliktfelder in moralischer Hinsicht besonders umstritten: der Lebensschutz des ungeborenen menschlichen Lebens sowie die Probleme im Rahmen der Eizellgewinnung. Die "Zentrale Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten" bei der Bundesärztekammer (ZEKO) geht nicht davon aus, die fundamentalen Differenzen zum ontologischen, moralischen und rechtlichen Status des ungeborenen, insbesondere des frühesten menschlichen Lebens sowie zur Eizellspende auflösen zu können. Stattdessen versucht sie an dieser Stelle, Konvergenzen im Umgang mit dem ungeborenen menschlichen Leben und bei den Problemen der Eizellspende für einen Konsens nutzbar zu machen. Sie hat dazu ein moralisches Stufenmodell von Handlungsoptionen erstellt. Damit vermeidet sie strikte Ja-Nein-Entscheidungen und spricht sich für ein gradualistisches Denken aus, das den Umgang mit frühestem menschlichen Leben sowie die Zulässigkeit der Eizellspende nach moralischen Kriterien abstuft. Dabei geht es der ZEKO nicht um den Status ungeborenen menschlichen Lebens, sondern um die Bewertung von Handlungen und Verfahrensweisen. Mit diesem Modell will die ZEKO eine differenzierte Diskussion über die Forschung zum Klonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen unterstützen. Beide hier vorgestellten Abstufungen mögen dazu beitragen, die Güterabwägungen zwischen den moralisch problematischen Aspekten und dem möglichen Nutzen der Technologie transparenter zu machen. Sie mögen auf diese Weise die Debatte zu einer gesellschaftlichen Meinungsfindung befördern. Prof. Dr.
med. Dr. phil. Urban Wiesing 1. Hintergrund Klonen im Humanbereich wird in der jüngsten Zeit wieder intensiv ethisch und rechtlich debattiert. Dazu haben auf der einen Seite insbesondere unseriöse oder gefälschte Erfolgsmeldungen beigetragen: Die Ergebnisse einer südkoreanischen Forschergruppe zum sog. therapeutischen Klonen (1) haben sich als Fälschungen erwiesen und einzelne Fortpflanzungsmediziner beunruhigen die Öffentlichkeit mit der bisher unbewiesenen Ankündigung, die Geburt des ersten Klonbabys stehe unmittelbar bevor. Auf der anderen Seite schwelt seit Jahren auf der Ebene der Vereinten Nationen ein Streit, ob nur das Klonen zu Fortpflanzungszwecken oder jede Form des Klonens geächtet werden soll. Auch wenn sich die Vereinten Nationen am 8. März 2005mehrheitlich für ein weltweites Verbot aller Formen des menschlichen Klonens ausgesprochen haben, so hat die vorausgegangene Debatte erneut gezeigt, dass zwischen den Befürwortern und Gegnern tiefgreifende Unterschiede bestehen. Die ZEKO sieht in dieser Situation - über die Darlegungen ihrer Stellungnahme zur Stammzellforschung vom 19. Juni 2002 (2) hinaus - einen ethischen Diskussionsbedarf, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der internationalen, insbesondere europäischen Rechtsentwicklung. Nicht nur in Großbritannien, wo die zuständige Human Fertilisation and Embryology Authority 2003 das erste Forschungsvorhaben zur Herstellung von Stammzelllinien aus geklonten menschlichen Blastozysten zu Forschungszwecken genehmigt hat, sondern auch in anderen europäischen Ländern, wie z. B. Schweden, sind Rechtsgrundlagen für das Klonen zu biomedizinischen Zwecken geschaffen worden. Eine erneute Beschäftigung ist auch insofern erforderlich, als unter Juristen zunehmend umstritten ist, welche Formen des Klonens durch das deutsche Embryonenschutzgesetz aus dem Jahre 1990 in einer dem Bestimmtheitsgebot entsprechenden Weise verboten sind und ob hierzu auch das Klonen im Wege des Zellkerntransfers gehört. Da das Klonen im Bereich des Menschen elementare Werte wie die Achtung vor dem menschlichen Leben, den besonderen Status des menschlichen Embryos, die Forschungsfreiheit und - soweit es in der therapeutischen Praxis zur Anwendung kommen sollte - die Rechte von Kranken und das ärztliche Ethos berührt, darf die Diskussion nicht auf die engere scientific community beschränkt bleiben. Sie muss sowohl auf gesellschaftlicher Ebene als auch in der Ärzteschaft geführt werden. In Deutschland haben insbesondere der Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Recht und Ethik der modernen Medizin" vom November 2001 (3) und die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates vom September 2004 "Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken" (4) die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. Mit vielen anderen einschlägigen Stellungnahmen, wie insbesondere dem US-amerikanischen "Report of the President's Council on Bioethics: Human Cloning and Human Dignity" aus dem Jahre 2002 (5), fordern sie ein uneingeschränktes Verbot des Klonens zu Fortpflanzungszwecken. Hierzu wurde in den genannten Stellungnahmen auf Begründungen unterschiedlicher Reichweite und Tiefe zurückgegriffen, die im Einzelnen allerdings überwiegend strittig sind. Es gibt jedoch auch Gemeinsamkeiten. Alle Kritiker des Fortpflanzungsklonens stimmen darin überein, dass - wie immer man zu den weitergehenden Verbotsgründen steht - bereits die hohe Schädigungswahrscheinlichkeit des möglichen Klonbabys ein apodiktisches Verbot der klinischen Anwendung des Verfahrens rechtfertigt. Wegen der hohen Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen muss jedoch auch bereits die Forschung zum reproduktiven Klonen beim Menschen als ethisch unzulässig gelten, auch dann, wenn das Verfahren bei anderen Säugetierarten bis zur Anwendungsreife vervollkommnet sein sollte. Deshalb beschäftigt sich die ZEKO in dieser Stellungnahme nicht näher mit dem Klonen zu Fortpflanzungszwecken und verweist zu möglichen Begründungsformen seiner Ablehnung auf die einschlägigen Stellungnahmen. Auch auf das Verfahren des sogenannten Embryosplittings, sei es zu reproduktiven oder zu biomedizinischen Forschungszwecken, geht die Stellungnahme im Folgenden nicht ein. Sie beschränkt sich auf die Erzeugung von Stammzellen aus geklonten menschlichen Blastozysten zu biomedizinischen Forschungszwecken. 2. Zum Stand der Debatte Der einhelligen Ächtung des Klonens zu Fortpflanzungszwecken entspricht keine auch nur annähernde Einmütigkeit im Umgang mit dem vom President's Council und dem Nationalen Ethikrat übereinstimmend als "Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken" bezeichneten Verfahren. In seiner Bewertung brechen vielfältige weltanschauliche und religiöse Differenzen auf, die weder in den USA noch in Deutschland oder in anderen Ländern harmonisiert werden konnten. Auch im Nationalen Ethikrat war lediglich ein mehrfach gespaltenes Votum erreichbar. Einmütig hat sich allerdings die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Recht und Ethik der modernen Medizin" im Jahr 2001 für einen Verzicht auf das Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken ausgesprochen. Die Meinungsverschiedenheiten setzen bereits bei der Wortwahl ein. Es ist umstritten, wie das Verfahren des "Somatic Cell Nuclear Transfer" (SCNT, "Zellkerntransfer") umgangs-sprachlich zu bezeichnen ist: als "therapeutisches Klonen" oder als "Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken"? Zum Streit um die rechte Wortwahl gibt die ZEKO Folgendes zu bedenken: Richtig ist, dass das Klonen zu Forschungszwecken noch weit entfernt ist von Anwendungen, die den Titel "therapeutisches Klonen" ohne Zusatz rechtfertigen. Zugleich ist aber auch die Formulierung "Klonen zu Forschungszwecken" zu undifferenziert. Schließlich befinden sich einerseits auch die Versuche zum Fortpflanzungsklonen einigen unseriösen Versicherungen zum Trotz im "Forschungsstadium". Andererseits kommt durch die Wortwahl "Forschungsklonen" zwar zum Ausdruck, dass der Grundlagenforschung ein moralisch und verfassungsrechtlich hoher Rang zukommt. Sie verdeckt aber, dass über die Analyse entwicklungsbiologischer Steuerungsmechanismen hinaus ein weiteres wesentliches Ziel des Forschungsklonens in der Erzeugung immunverträglichen Gewebeersatzes für die regenerative Medizin besteht. Diese von dem Fortpflanzungszweck verschiedene Intention bei der Verwendung von Klon-Verfahren sollte auch in der umgangssprachlichen Wortwahl zum Ausdruck kommen. Anderenfalls setzen sich diejenigen, die nicht zu Unrecht bei der Verwendung des Terminus "therapeutisches Klonen" beschönigende Konnotationen kritisieren, ihrerseits dem Vorwurf der Begriffspolitik aus. Um eines der wesentlichen Ziele des Forschungsklonens gerade in Abgrenzung zum Fortpflanzungsklonen nicht aus dem Blick zu verlieren, könnte man beispielsweise von "Forschungsklonen zu therapeutischen Zwecken" oder (wie im Folgenden) von "Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen" sprechen. Das Fortpflanzungsklonen wäre demgegenüber als "Forschungsklonen mit dem Ziel der Erzeugung geborener Menschen" zu bezeichnen. Die unterschiedlichen ethischen Einschätzungen des Forschungsklonens mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen betreffen insbesondere zwei strittige Punkte: einerseits die Frage der Art der Beteiligung und des Selbstverständnisses der am Klonen beteiligten Akteure, andererseits die Frage des Status und der Schutzwürdigkeit der durch den Zellkerntransfer erzeugten Blastozyste und ihrer Vorstadien [1]. Im Zusammenhang mit dem ersten Punkt wird vielfach gefragt, wie weit davon gesprochen werden kann, dass bei der Spende von Eizellen für das Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken die Bedingungen der freiwilligen und aufgeklärten Zustimmung erfüllt sind. Sind solche, nach geltendem Recht auch in Deutschland zulässigen Spenden zumutbar oder sollten sie verboten werden? Die Verbotsforderung wird gelegentlich damit begründet, dass Frauen sich kaum ohne massiven Druck zu einer solchen Spende bereit erklären würden. Darüber hinaus könnte durch eine mögliche Ausweitung des Klonens und durch einen damit einhergehenden steigenden Bedarf an Eizellspenden eine unerwünschte Kommerzialisierungsdynamik insbesondere durch "Eizellhandel" in Gang kommen, die dazu führen könnte, dass insbesondere Frauen in materiellen Notlagen und hier insbesondere Frauen in ärmeren Ländern die Hauptlast der Spende aufgebürdet wird. Gleichzeitig könnte es zu bedenklichen Verschiebungen in der Arztrolle kommen. Mit der Entnahme von Eizellen zu Zwecken des Klonens nehme der Arzt angesichts des bei der notwendigen Hormonstimulation gegebenen Risikos bewusst unverhältnismäßige Schädigungen gesunder Frauen in Kauf, die auf diese Weise durch ärztliches Handeln zu Patientinnen würden. Aus der Sicht der ZEKO sind diese Einwände, zumal in ihrer kumulativen Wirkung, ernst zu nehmen. Allerdings folgt aus ihnen aus mehreren Gründen kein unumstößliches Verbot. Erstens würden alle genannten Argumente hinfällig, sollte sich die Gewinnung von Eizellen auf anderem Wege als möglich erweisen. Entsprechende Vermutungen sind, wie es der Nachweis von eizellähnlichen Gewebestrukturen in embryonalen Stammzellen gezeigt hat, nicht unbegründet. Zweitens existieren bereits heute Wege zur Gewinnung von Eizellen, bei denen von einer dem ärztlichen Heilauftrag widersprechenden Schädigung oder Instrumentalisierung der betreffenden Frauen nicht gesprochen werden kann. Bei der Entnahme von Eizellen nach hormoneller Stimulation im Zuge von In-vitro-Fertilisation fallen vielfach mehr Eizellen an, als zur Einpflanzung verwendet werden. Darüber hinaus können Eierstöcke, die aus therapeutischen Gründen entnommen werden sollen, zur Eizellgewinnung genutzt werden. Drittens kann auch dann, wenn Eizellen von Spenderinnen verwendet werden sollen, von einer Instrumentalisierung kaum gesprochen werden, solange die Spende - ähnlich wie bei anderen klinischen Forschungsvorhaben - unter der Voraussetzung der freiwilligen Zustimmung nach Aufklärung über die Risiken der Stimulation und Entnahme erfolgt und von einem Verbot der Kommerzialisierung begleitet wird. Diesen Sachargumenten gegen ein umfassendes Verbot der Eizellspende entspricht ein grundlegendes formales Argument, an das insbesondere in Deutschland immer wieder erinnert werden muss: Nicht die Erlaubnis, sondern das Verbot einer Technologie ist juristisch rechtfertigungsbedürftig. Darauf hat die ZEKO bereits in ihrer Stellungnahme "Zum Schutz nicht-einwilligungsfähiger Personen in der medizinischen Forschung" (6) hingewiesen. In der Konsequenz dieses Rechtsgrundsatzes muss derjenige die Argumentationslast tragen, der für ein Verbot der Eizellspende eintritt.Die ZEKO geht davon aus, dass es zum Selbstbestimmungsrecht der Frau gehört, über die Eizellspende zu entscheiden. Ein generelles Verbot der Spende wäre mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht zu vereinbaren. Überdies ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten im Zweifel der nicht durch Gesetzesvorbehalt beschränkten Forschungsfreiheit Vorrang einzuräumen. Dies gilt um so mehr, als durch das Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen möglicherweise Chancen für die Heilung verbreiteter Krankheiten eröffnet werden und der Staat insofern durch die Grundrechte der Kranken und wohl auch durch das verfassungsrechtliche Sozialstaatsgebot verpflichtet ist, entsprechende Forschungen zumindest nicht zu verhindern. Noch schärfere Divergenzen bestehen hinsichtlich der Bewertung der Schutzwürdigkeit des Produkts des Zellkerntransfers, der geklonten Blastozyste, bei der es sich ungeachtet aller weiteren Differenzen jedenfalls um eine Form menschlichen Lebens handelt. Die einen sehen darin ein nicht nur im biologisch-gattungsmäßigen, sondern auch im moralischen und rechtlichen Sinn vollgültiges menschliches Wesen, dem in keinem geringeren Sinne Menschenwürde und Lebensschutz zukommt als entwickelteren Formen menschlichen Lebens. Zur Begründung wird in der Regel eine Kombination unterschiedlicher Argumente vorgetragen: Gattungs- oder Speziesargument, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potenzialitätsargument. Andere widersprechen dieser Interpretation. Sie leugnen dabei weder die Kontinuität der Entwicklung menschlichen Lebens im Embryonalstadium noch (in der Regel) die Identität des frühen Embryos mit dem späteren entwickelten Menschen, unterscheiden jedoch qualitativ unterschiedliche Phasen, die sich ihrer Auffassung nach auch in den normativen Regeln für den Umgang mit diesen Phasen niederschlagen müssen. Gegen eine volle Zuerkennung von Menschenwürde und Lebensschutz von der Fertilisation an fordert diese Position einen gestuften, graduell zunehmenden Lebensschutz des werdenden menschlichen Lebens. Eine solche Abstufung entspreche einer verbreiteten moralischen Intuition und komme überdies in vielfältigen Regelungen des geltenden Rechts zum Ausdruck. Die Tatsache, dass Spätabtreibungen als ethisch problematischer angesehen werden als Abtreibungen in einem frühen Stadium der Schwangerschaft, und die Tatsache, dass das Abtreibungsrecht für die ersten 12 Wochen nach der Nidation eine andere Regelung enthält als für die Zeit danach (Straflosigkeit der nicht von einer konkreten Begründung seitens der Frau abhängigen Abtreibung bis zur 12. Woche, Rechtmäßigkeit einer späteren Abtreibung nur bei Vorliegen bestimmter Gründe) zeige, dass die Schutzwürdigkeit des werdenden menschlichen Lebens und die Abwägbarkeit gegen die Interessen der Schwangeren ethisch und rechtlich nach der zunehmenden Entwicklung des Embryos/Fötus differenziert wird. Wenn sich die ZEKO im Folgenden zu diesem Widerstreit äußert, gibt sie sich nicht der Illusion hin, diesen bis in tiefliegende Glaubens- und Wertvorstellungen hineinreichenden Konflikt lösen zu können. Auch beabsichtigt sie keine erneute Durchsicht und Abwägung der unterschiedlichen Positionen und ihrer Argumente sowie der sich daraus herleitenden ethischen und rechtlichen Konsequenzen. Dies ist u.a. vom President's Council on Bioethics, dem Nationalen Ethikrat, aber auch der Enquete-Kommission der 14. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages "Ethik und Recht der modernen Medizin" bereits ausführlich geleistet worden. Diese tiefgreifenden Unterschiede in der moralischen Bewertung sind Kennzeichen einer pluralen Gesellschaft. Diese muss sich, nachdem sich verbindliche Orientierungsmuster im Zuge von Aufklärung und wachsender kultureller Uneindeutigkeit zunehmend aufgelöst haben, immer wieder erneut über ihre kulturellen Grundlagen verständigen. Man kann in dieser Notwendigkeit, die nicht nur für die Gesellschaft im Ganzen, sondern auch für die Ärzteschaft gilt, eine Last, aber auch eine Chance sehen. 3. Ein gestuftes Modell Im Blick auf den ethischen Konfliktbereich des Umgangs mit frühestem menschlichen Leben empfiehlt die ZEKO für die weitere Diskussion ein differenzierendes Vorgehen. Diesseits der fundamentalen Divergenzen zum ontologischen, moralischen und rechtlichen Status des frühesten menschlichen Lebens plädiert die ZEKO dafür, die vielfach vorhandenen, aber im Streit der Deutungen leicht vernachlässigten Konvergenzen auf mittlerer Ebene für einen Konsens fruchtbar zu machen. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden der Vorschlag eines gestuften Modells im Umgang mit frühestem menschlichen Leben gemacht, das das Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen im Gesamtzusammenhang der Nutzung menschlicher embryonaler Stammzellen verortet und sich darauf beschränkt, den relativen normativen Status dieses Verfahrens im Vergleich zu funktional verwandten Verfahren festzustellen. Ein mit dieser Zugangsweise verwandtes Vorgehen wurde kürzlich auf einer Sitzung des Bioethics Advisory Council der USA diskutiert. [2] Zunächst ist bei allen Unterschieden hinsichtlich der Zuerkennung von Menschenwürde und Lebensschutz bei frühestem menschlichen Leben in dem folgenden Punkt ein breiter Konsens festzustellen: In unserer Gesellschaft wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass Formen menschlichen Lebens eine qualitativ andere Achtung zukommt als anderen für schützenswert gehaltenen Entitäten. Eine solche, im Übrigen auch interkulturell nachweisbare und fast als allgemein-anthropologische Konstante zu charakterisierende Achtung zeigt sich nicht nur im Umgang mit menschlichen Embryonen und Föten, sondern auch im Umgang mit menschlichen Leichnamen und Körperteilen, etwa in den formellen und informellen Verhaltenskodizes der praktischen und theoretischen Medizin, z. B. in der Anatomie. Diese Achtung gilt für jede Form humanen Lebens und wird von Allen, unabhängig von ihren sonstigen Positionen, geteilt. Gegenstand der Achtung ist die Qualität des Menschlichen an sich, ungeachtet seiner organismischen Lebendigkeit, seiner individuellen Potenzialität und seiner aktuellen Fähigkeiten. Auf die darin zum Ausdruck kommende "Gattungssolidarität" gänzlich zu verzichten, würde von den meisten Menschen als eine ethische und kulturelle Verarmung empfunden. Diese "Gattungssolidarität" gilt nicht absolut, sondern ist gegen andere Güter und Werte abwägbar. So schließt etwa auch die Achtung, die wir menschlichen Leichnamen entgegenbringen, nicht aus, dass sie zugunsten der öffentlichen Sicherheit (auch ohne Einwilligung des Verstorbenen und der Angehörigen) obduziert, bestimmten Anforderungen an die Bestattung unterworfen oder ihnen ohne persönliche Zustimmung des Verstorbenen transplantierbare Organe zu fremdnützigen Zwecken entnommen werden. Aber auch über diese Grundkonvergenz hinaus steht man hinsichtlich Art und Umfang des Schutzes frühesten menschlichen Lebens nach Auffassung der ZEKO nicht vor einer Alles-oder-Nichts-Alternative. Statt eines streng binären Denkens spricht viel für ein gradualistisches Denken, das die moralische Akzeptabilität des Umgangs mit frühestem menschlichen Leben nach bestimmten Kriterien abstuft. Auch in anderen Bereichen kennen Moral und Recht nicht nur Ja-Nein-Urteile, sondern verfügen über ein vielfach abgestuftes Spektrum normativer Beurteilungen von Handlungen im Umgang mit menschlichem Leben. Dies zeigt sich etwa in der unterschiedlichen moralischen und rechtlichen Bewertung der Tötung eines Menschen (Mord, Totschlag, fahrlässige Tötung). Dabei geht es nicht um den ontologischen Status eines Menschen, sondern um die Bewertung von Handlungen und Verfahrensweisen. In ähnlicher Weise schlägt die ZEKO vor, auch bezogen auf den Umgang mit Formen frühesten menschlichen Lebens, die möglichen unterschiedlichen Gesichtspunkte einer Bewertung von Handlungen in ihrem jeweiligen Kontext offen zu legen. Der Vorteil eines Modells, das diesen Differenzierungen folgt, besteht u.a. darin, dass ihm möglicherweise sowohl diejenigen zustimmen können, die gegenwärtig das Forschungsklonen uneingeschränkt befürworten, als auch diejenigen, die das Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen in jeder Form ablehnen. In diesem Sinne schlägt die ZEKO folgendes gestuftes Modell vor, das aus zwei parallelen Säulen besteht. Die Kriterien der ersten Säule sind einerseits die Entwicklungsfähigkeit der Blastozysten, aus denen Stammzellen zu therapeutischen Zwecken entnommen werden, andererseits die Art ihrer Herstellung. Die Gesichtspunkte der zweiten Säule betreffen die Probleme des Eizellbedarfs. 3.1. Probleme des Umgangs mit der Blastozyste
3.2. Probleme der Eizellgewinnung Eine Abstufung lässt sich ferner für die Frage der Eizellgewinnung angeben.
4. Fazit
Literatur:
Hinweis: Der Text der Stellungnahme ist auch im Internet unter der Adresse http://www.aerzteblatt.de/bekanntgaben und unter der Adresse www.zentrale-ethikkommission.de abrufbar. Mitglieder der Zentralen Ethikkommission Prof. Dr. phil. D. Birnbacher, Düsseldorf (federführend) Prof. Dr. theol.P. Dabrock, Marburg Frau Dr. med. A. Dörries, Hannover (Enthaltung) Prof. Dr. med. B. Gänsbacher, München Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. G. Geißlinger, Frankfurt/M. Frau Dr. rer. nat. S. Graumann, Berlin (Ablehnung) Prof. Dr. jur. F. Hufen, Mainz Prof. Dr. med. D. Niethammer, Tübingen/Berlin Frau Prof. Dr. rer. soz. I. Nippert, Münster Prof. Dr. med. Dr. phil. H. H. Raspe, Lübeck Prof. Dr. theol. habil. J. Reiter, Mainz (Ablehnung) Dr. med. J. Schuster, Würzburg Prof. Dr. jur. J. Taupitz, Mannheim Prof. Dr. med. Dr. phil. J. Vollmann, Bochum Frau Prof. Dr. med. I. Walter-Sack, Heidelberg Prof. Dr. med. Dr. phil. U. Wiesing, Tübingen Korrespondenzadresse Zentrale Ethikkommission bei der Tel.: 030 / 4004 56 - 460 [1] Wenn in den folgenden Ausführungen zum Umgang mit Blastozysten gesprochen wird, schließt dies deren Vorstadien jeweils mit ein. [2] http://www.bioethics.gov/transcripts/dec04/session6.html [3] In Südkorea stammten die Eizellen in der 2004 publizierten Studie (8) unter anderem von Frauen, die in der Forschungseinrichtung beschäftigt waren. Von manchen wird ein Beschäftigungsverhältnis als Grundlage von Abhängigkeit angesehen, so dass von Freiwilligkeit der Eizellspende in einer solchen Situation nicht ausgegangen werden könne. [4] Denkbar sind neben einer Aufwandsentschädigung auch die partielle Kostenübernahme für die eigene (reproduktions-)medizinische Behandlung oder die Übernahme von Kosten der Krankenversicherung der Spenderin. |
Quelle: http://www.zentrale-ethikkommission.de/10/20ForschKlonen.html