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Mythen und Legenden (Teil 2)
Der „Fall Percy Schmeiser“
(Quelle: Stefan Rauschen, 26.7.2011;
http://gute-gene-schlechte-gene.de/mythen-und-legenden-teil-2/#more-480;
dort Original-LINKS)
Ich hatte es bereits angekündigt: einige Beiträge schlummern in Ordnern
vorbereitet auf meiner Festplatte. Heute stelle ich einen davon ein, den ich
persönlich besonders wichtig finde. Geht es doch um den “Fall Percy Schmeiser”, der zumindest bei uns in Deutschland zum
Paradebeispiel des Kampfes “David” (einfacher traditioneller Landwirt) gegen
“Goliath” (multinationaler Biotechnologie Konzern) geworden ist.
In Kanada selbst, wo auf rund 95% der Rapsanbaufläche Herbizid-tolerante Sorten
angebaut werden (sowohl gentechnisch veränderte, als auch konventionell
gezüchtete), spielt dieser Fall in der öffentlichen Wahrnehmung gar keine große
Rolle mehr (so erzählte mir das ein kanadischer Kollege, den ich per
glücklichem Zufall auf einer Tagung in der Türkei kennenlernte).
Hierzulande wird die Geschichte aber wie folgt erzählt: Schmeiser
wurde von Nachbarn verpfiffen, weil er gentechnisch veränderten Raps mit
Toleranz gegen das Spritzmittel RoundUp anbaute, der
durch Patente von Monsanto geschützt war, ohne diesen
jemals gekauft und damit einen Vertrag hierüber mit Monsanto
Canada geschlossen zu haben. Oder aber, die
„Saatgutpolizei“ von Monsanto Canada
schlich sich direkt heimlich auf seine Felder, um zu prüfen, was er da anbaute.
Wie auch immer, Monsanto Canada
findet auf seinen Feldern tatsächlich Raps, der durch Patente geschützt ist,
und zitiert Schmeiser deswegen vor Gericht.
Schmeiser allerdings ist Opfer der Auskreuzung von
Nachbarfeldern oder von verwehtem Saatgut geworden. Niemals hat er das Saatgut
selbst ausgepflanzt, er hat ja seine eigene Sorte entwickelt (seit über 50
Jahren, wie er gerne erzählt). Außerdem verwendet er ja kein RoundUp, was soll er also mit dem gegen dieses Spritzmittel
toleranten Raps anfangen? Und natürlich wusste er nichts davon und ihm wurde
der Rechtsstreit von Monsanto Canada
aufgezwungen. Klar musste er sich wehren, steht doch die Freiheit aller Bauern
auf dem Spiel. Nachzulesen etwa hier auf Deutsch, oder auch auf seiner Homepage.
Doch was ist dran an dieser Geschichte? Wo liegen die Fakten, wo fangen Mythen
und Legenden an?
Im Internet findet man die Gerichtsakte
vom Prozess und auch vom anschließenden Berufungsprozess
wo in vielen Einzelpunkten der bisherige Verlauf des Prozess nochmals aufgerollt
und die Hintergründe dargestellt und analysiert werden. Das Ganze ist in
Englisch, daher werde ich hier einige Passagen, die mir erhellend erscheinen,
im Original zitieren und dann selbst zumindest in Teilen übersetzen. Vielleicht
können wir uns damit den Hintergründen der Geschichte nähern. Ich beziehe mich
dabei auf die Einzelpunkte in der Akte des Berufungsprozesses, weil diese
Entscheidung in einer höheren Instanz gefällt wurde und auch eine Prüfung des
vorherigen Prozesses beinhaltet. Ich zitiere dabei den numerierten
Unterpunkt aus der Entscheidung, damit man das unter dem Link oben nochmal selbst nachlesen kann, und übersetze den Abschnitt
dann direkt dahinter.
Zunächst hält das
Berufungsgericht fest:
[19] Mr. Schmeiser testified that he avoids tilling
potentially diseased plants back into the ground in fall, thus reducing the
risk of disease infecting the next crop. He sometimes grows canola in the same
field for a period of up to four years (referred to as back-to-back planting)
because he believes this makes more efficient use of fertilizer applied to that
field. Mr. Schmeiser believes that his farming
practices have led to the development of his own strain of canola that is
relatively resistant to various diseases. He said that he produces better than
average canola yields for the Bruno area.
Herr Schmeiser hat ausgesagt, dass er das
Unterpflügen möglicherweise kranker Pflanzen zu vermeiden versucht, um das
Risiko, die Folgekultur zu infizieren, zu verringern. Manchmal baut er Raps auf
demselben Feld über eine Periode von bis zu vier Jahren an (sogenannte
Monokultur), weil er glaubt dies mache effizienteren Gebrauch der auf dem Feld
ausgebrachten Dünger. Herr Schmeiser glaubt, dass
seine Anbaupraktiken zur Entwicklung seiner eigenen Rapssorte geführt haben,
welche relativ resistent gegen eine Reihe von Krankheiten ist. Er sagt, er
produziere überdurchschnittliche Rapsernten für die Region um Bruno.
[20] Mr. Schmeiser
also testified that he uses various herbicides and routinely uses Roundup to
clear weeds from summerfallow fields or along road
allowances adjacent to his property. He prefers to spray his fields for weeds
early in the spring, before planting. Roundup is not intended to be used that
way. Rather, it is intended to be sprayed after the crop has emerged, a
practice referred to as “in-crop spraying”. Mr. Schmeiser
does not favour in-crop spraying. His view is that in-crop spraying does
nothing to stop the weeds from consuming fertilizer in the ground, and entails
some risk of damage to the crop from the spraying machinery. He also testified
as to his belief that Roundup sprayed on a growing crop leaves a residue that
kills bacteria in the soil, reducing the yield from back-to-back planting and
increasing the possibility of root diseases in canola.
Herr Schmeiser hat zudem ausgesagt, dass er
verschiedene Herbizide verwendet und regelmäßig RoundUp
verwendet, um Unkräuter auf Sommerbrachen oder entlang von an seinen Besitz
angrenzenden Straßenrändern zu entfernen. Er bevorzugt es, seine Felder wegen
Unkräutern früh im Frühjahr zu sprühen, vor der Aussaat. RoundUp
ist nicht gedacht, auf diese Weise benutzt zu werden. Vielmehr ist es dazu
gedacht, nach dem Auflaufen der Kultur versprüht zu werden, eine Praxis, die
Nachauflaufbehandlung genannt wird. Herr Schmeiser
mag die Nachauflaufbehandlung nicht. Seiner Ansicht nach hält diese nicht die
Unkräuter davon ab, den Dünger aus dem Boden zu verwenden, und bringt ein
Risiko des Schadens für die Kultur auf Grund der zum Sprühen verwendeten Geräte
mit sich. Er sagte zudem bezüglich seiner Auffassung aus, dass RoundUp im Nachauflauf versprüht Rückstände hinterlässt,
die Bodenbakterien töten, was den Ertrag der Monokulturanpflanzung reduziert
und die Möglichkeit von Wurzelkrankheiten im Raps erhöht.
[21] In 1996, there were five
growers in the Rural Municipality of Bayne who grew Roundup Ready Canola under
license. One was Mr. Huber, who grew Roundup Ready Canola on a field north and
west of, and diagonally adjacent to, Schmeiser field
6. In that year Mr. Schmeiser had a total of 370
acres of canola planted in all or part of the Schmeiser
fields 1, 4, 6 and 7. In 1997, a total of 780 acres of canola were planted in
all or parts of six Schmeiser fields (that is, all of
them except fields 4, 7 and 9). Mr. Schmeiser
testified that he believed that field 2 was planted with canola seed saved in
1996 from fields 1 and 6.
Hieraus möchte ich mal nur die Zahlen herausnehmen: im Jahr 1996 pflanzte
Schmeiser auf rund 150 Hektar Raps an, im Jahr 1997
sogar auf rund 315 Hektar. Zu dieser Zeit gab es in der Gegend fünf Landwirte,
die RoundUp Ready Raps
anbauten, auch auf Flächen, die an Schmeisers
angrenzten. Umgerechnet habe ich die Flächenangaben im Web.
Jetzt kommen einige Paragraphen, die meiner Auffassung nach sehr erhellend
sind, und so gar nicht mit dem übereinstimmen, was er hier in Deutschland auf
seinen Tourneen erzählt:
[22] In late June or early July
of 1997, Mr. Schmeiser and his employee
Carlyle Moritz hand sprayed
Roundup around power poles and in the ditches along
the Bruno road where it bordered
fields 1, 2, 3 and 4. This was part of his normal weed control practice. Several days after the
spraying, he noticed that a large number of canola plants had survived the
spraying. To determine why the canola plants had survived the Roundup spraying,
Mr. Schmeiser conducted a test in field 2. Using a
machine sprayer set to spray 40 feet, he sprayed Roundup on a section of field
2 in a strip along the road. He made two passes, the first weaving between and
around the power poles and the second adjacent to the first pass, parallel to
the power poles. He testified that by this means he sprayed a good three acres
of field 2. According to Mr. Schmeiser’s evidence,
after some days, approximately 60% of the canola plants sprayed were still alive, growing in clumps that were thickest near
the road and thinner as one moved into the field.
Im späten Juni oder frühen Juli 1997 versprühten Herr Schmeiser
und sein Angestellter Carlyle Moritz RoundUp per Hand um Strommasten und in Gräben entlang der
Straße nach Bruno, wo diese an die Felder 1, 2, 3, und 4 angrenzt. Dies war
Teil seiner normalen Unkrautbekämpfungsmaßnahmen. Mehrere Tage nach dem
Versprühen stellte er fest, dass eine große Anzahl an Rapspflanzen die
Anwendung überlebt hatte. Um festzustellen, warum die Rapspflanzen die
Anwendung von Roundup überlebt hatten, führte Herr Schmeiser einen Test in Feld 2 durch. Mit einer Sprühmaschine
einer Breite von 40 Fuß versprühte er RoundUp auf
einem Teil von Feld 2 entlang der Straße. Er machte zwei Überfahrten, die erste
zwischen und um Strommasten herum, die zweite entlang der ersten, parallel zu
den Strommasten. Er sagte aus, dass er auf diese Weise einen guten Hektar von
Feld 2 behandelt hatte. Herrn Schmeisers
Beweismaterial zufolge, nach einigen Tagen, waren etwa 60% der behandelten
Rapspflanzen noch am Leben, in Gruppen wachsend, dichter in der Nähe der
Straße, weniger dicht wenn man ins Feld hineinging.
[23] At harvest time in 1997 Mr. Schmeiser, who was then recovering from a leg injury,
instructed Mr. Moritz to swath and combine field 2. Mr. Moritz did so,
harvesting the canola in the field as well as the surviving canola along the roadside.
The harvested seed was put into the box of a 1962 Ford pickup truck. The box
was covered with a tarp and the truck with its tarped
load of canola seed was stored in one of Mr. Schmeiser’s
buildings over the winter.
Zur Ernte 1997 instruierte Herr Schmeiser, der
sich gerade von einer Beinverletzung erholte, Herrn Moritz das Feld 2 zu mähen
und zu dreschen. Herr Moritz tat dies, und erntete den Raps vom Feld sowie den
überlebenden entlang der Straße. Das Erntegut wurde in eine Box eines 1962 Ford
Pickup Trucks getan. Die Box wurde mit einer Plane
abgedeckt und der Truck mit seiner abgedeckten Ladung von Rapssamen wurde in
einem von Herrn Schmeisers Gebäuden über den Winter
eingelagert.
[24] Mr. Schmeiser
testified that in the spring of 1998 the seed from the Ford truck was
transferred to another truck and taken to the Humboldt Flour Mill for
treatment, a normal process to rid the seeds of disease before planting. The
treated seed, mixed with untreated seed from his granary (“bin-run seed”), was
planted in all or part of each of his nine fields, for a total of 1,030 acres.
Herr Schmeiser sagte aus, dass im Frühjahr 1998
das Saatgut aus dem Ford Truck auf einen anderen Truck umgeladen und zur
Humboldt Mehlmühle zur Behandlung gebracht wurde, ein normaler Prozess, um das
Saatgut vor der Aussaat von Krankheiten zu befreien. Das behandelte Saatgut,
vermischt mit unbehandeltem Saatgut aus seinem Silo, wurde dann auf allen oder
in Teilen seiner Felder verwendet, auf einer Gesamtfläche von 417 Hektar.
Halten wir also fest: Percy Schmeiser versprüht wie üblich RoundUp zur Unkrautbekämpfung und stellt fest, dass da
Rapspflanzen überleben (es gibt Aussagen von Teilnehmern an Veranstaltungen,
auf denen er gesprochen hat, wo er behauptet, niemals RoundUp
benutzt zu haben). Warum auch immer die das tun und wie auch immer sie dort
hingekommen sein mögen.
Er überprüft das Ganze, indem er nochmal gezielt Flächen
mit RoundUp behandelt.
Dann beauftragt er seinen Helfer, das Feld, auf und an dem diese Pflanzen
vorkommen, abzuernten. Anschließend wird das Erntegut gelagert, behandelt, mit
noch vorhandenem Saatgut vermischt, und zum Anpflanzen von über 400 Hektar Raps
verwendet.
Aus diesen und weiteren Ausführungen folgert dann das Gericht schlussendlich:
[58] In this case, Mr. Schmeiser cultivated glyphosate resistant canola plants. His 1998 canola crop was mostly glyphosate
resistant, and it came from seed that Mr. Schmeiser
had saved from his own fields and the adjacent road allowances in 1997.
Although the Trial Judge did not find that Mr. Schmeiser
played any part initially in causing those glyphosate
resistant canola plants to grow in 1997, the Trial Judge found as a fact, on
the basis of ample evidence, that Mr. Schmeiser knew
or should have known that those plants were glyphosate
resistant when he saved their seeds in 1997 and planted those seeds the
following year. It was the cultivation, harvest and sale of the 1998 crop in
those circumstances that made Mr. Schmeiser
vulnerable to Monsanto’s infringement claim.
In diesem Fall kultivierte Herr Schmeiser Glyphosat resistente Rapspflanzen. Seine Anpflanzung von
Raps im Jahr 1998 war größtenteils resistent gegenüber Glyphosat,
und sie kam von Saatgut das Herr Schmeiser von seinen
eigenen Felder und angrenzenden Randstreifen im Jahr 1997 geerntet hatte.
Obschon der Richter im Hauptsacheverfahren feststellte, dass Herr Schmeiser keinen Anteil an dem ursprünglichen Vorhandensein
dieser Glyphosat resistenten Pflanzen im Jahr 1997
hatte, stellte der Richter als Fakt fest, auf Basis hinreichenden
Beweismaterials, dass Herr Schmeiser wusste, oder
hätte wissen müssen, dass diese Pflanzen gegenüber Glyphosat
resistent waren, als er das Saatgut 1997 erntete und es im Folgejahr aussäte.
Es war der Anbau, die Ernte und der Verkauf der Anpflanzung des Jahres 1998 in
diesen Umständen, die Herrn Schmeiser gegenüber Monsantos Patentverletzungsanschuldigung gegenüber
angreifbar machen.
So urteilte im ursprünglichen Prozess denn auch Richter MacKay,
dass Schmeiser wusste oder hätte wissen müssen, dass
das ausgebrachte Saatgut tolerant gegenüber RoundUp
war. Wo auch immer die Pflanzen herkamen: Pollenflug ist eher unwahrscheinlich,
die lokale Häufung entlang der Straße legt die Vermutung nahe, dass Samen von
Transporten über die Straße auf seinen Flächen landeten.
Dies ist aber für den gegebenen Fall erstmal irrelevant, da Schmeiser
die Pflanzen bewusst selektierte und zur Aussaat verwendete – und eben damit
eine Patentsrechtsverletzung beging. …
Also weitere interessante Nebenaspekte kann man mitnehmen: Schmeiser
ist kein
Kleinbauer, und wohl auch kein Direktvermarkter. Inwiefern er sich daher als Gallionsfigur in der deutschen Bewegung, die ja sehr viel
Wert auf diese Eigenschaften legt, eignet, ist mir schleierhaft. Schmeiser hat jahrelang Raps auf Raps angebaut, also in Monokultur. Auch
das wird in der deutschen Bewegung abgelehnt. Drittens hat Schmeiser
tatsächlich RoundUp benutzt, gerne auch Bodenherbizide. Auch
dies kommt ja in der deutschen Bewegung nicht gut an. Anscheinend schaut man
darüber einfach weg…
Patente auf lebende Organismen
sind eine problematische Sache, vor allem dann, wenn sich aus dem
Patentanspruch weitreichende Konsequenzen ergeben.
Aber was den Fall Percy Schmeiser angeht, sollte man
sich die Hintergründe doch genauer anschauen, bevor man ihn ungeprüft zum Helden
einer Bewegung kürt. Aber zu Patenten im speziellen oder “Intellectual
Property Rights” im allgemeinen, Probleme und Vorteile, bin ich nicht wirklich
kompetent. Ich bin ja kein “Experte”, wie so viele andere da draussen …
(26. Juli 2011 von Stefan Rauschen,
http://gute-gene-schlechte-gene.de/mythen-und-legenden-teil-2/#more-480
)