zur startseite
weitere Infos Gentechnik und Biomedizin

 

Begriffsverwirrung?
Was meinen wir eigentlich mit
 

        Gentechnik
                   Genmanipulation
            Biotechnologie
Fortpflanzungsbiologie
                    Klonierung
    Stammzellforschung
            genetische Diagnostik
 

                            ???

Was gehört in welche "Schublade"?
 
 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

aus gegebenem Anlass möchte versuchen, einen Vorschlag für die Zuordnung verschiedener neuer Techniken aus Biologie und Medizin in geeignete „Schubladen“ zu machen.

0. „Genmanipulation"

Im 20-bändigen dtv-Lexikon von 1990 (Textbasis: Brockhaus) steht unter dem Begriff "Gentechnik"nur der Verweis: 
---> Genmanipulation, und dort findet sich als Definition:

Der Begriff "Genmanipulation" wird also noch 1990 als nüchterner Fachbegriff verstanden und verwendet (heute hat das Wort durchweg einen "manipulierenden" Beigeschmack).

Im gleichen Sinne hieß der Titel eines populärwissenschaftlichen Fachbuches in der DDR "Genmanipulation - Frevel oder Fortschritt?" (Autor: R. Piechocki, Urania Verlag Leipzig 1983), und Manipulation wird auch hier noch als ein mit  positivem Inhalt gefüllter (Fach-)Begriff verwendet.

1. „Gentechnik“ (Gentechnologie)

Die Gentechnik-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat 1987 in ihrem Abschlußbericht definiert:
 


Diese Definition ist weit verbreitet – sie steht z.B. auch so im Glossar der Broschüre „Grüne Gentechnik“ - und wird auch in neuesten Publikationen sinngemäß übernommen (Beispiel: Thesaurus der exakten Wissenschaften, Verlag 2001, Frankfurt/Main 2001, S.316ff.).
Auch unsere AGU hat in ihrem Heft „Bewahrung der Schöpfung – praktisch: GENTECHNIK“ diese Definition fast im Wortlaut übernommen (siehe Glossar Seite 46).

Zählen zur Gentechnik damit auch Methoden, die in der pränatalen genetischen Diagnostik und in der Präimplantations-Gen-Diagnostik eingesetzt werden?

Im „Lexikon der Medizin“ stehen unter dem Stichwort „Gentechnologie“ als Beispiele (hier verkürzt):

(Zetkin/Schaldach: Lexikon der Medizin, Ullstein, Wiesbaden 1999)

Im Pschyrembel steht unter „Gentechnologie ... Anwendungsgebiete der G.“ u.a.:

(Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, de Gruyter Berlin 1994)

Demnach gehören pränatale Diagnostik und Präimplantationsdiagnostik (soweit es um molekularbiologische „Aufklärung“ von Erbkrankheiten z.B. mit Hilfe von Gensonden geht) zur echten Gentechnik dazu.
Wir haben auch in unserem AGU-Heft so argumentiert: ab Seite 32 geht es um Anwendungen in der Humanmedizin, und da steht, dass die „...Gentechnik ... in großem Umfang ... Einzug in die moderne Humanmedizin gehalten hat“ und dann ist als erstes von „vielen diagnostischen Verfahren“ die Rede

Natürlich ist mir klar, dass es auch andere, engere Definitionen von Gentechnik gibt.

Aber selbst dann, wenn man solche „engen“ Definitionen findet, passiert in der Regel folgendes: Die enge Definition steht zwar irgendwo in der Einleitung oder in der Sachworterklärung, aber im Text gibt es dann trotzdem lange Kapitel, die über die „Anwendung der Gentechnik in der medizinischen Diagnostik“ berichten.

Summa Summarum:
Ich denke, wir sollten uns alle auch weiterhin an die verbreitete Sprachregelung halten.
Das hieße. dass für uns
a) die weiter gefasste Definition gilt und
b) auch molekulargenetische diagnostische Verfahren  zur „Gentechnik“ zählen
 

2. Fortpflanzungsmedizin
    (Reproduktionsbiologie, Reproduktionsphysiologie)

Dazu gehören nach meinem Verständnis z.B. Techniken wie

Kriterien:
+ Ziel ist die menschliche Fortpflanzung und
+ das Erbgut wird nicht verändert.
Zur „Gentechnik“ besteht kein unmittelbarer Zusammenhang.
Auch die Zuordnung zur „Biotechnologie“ ist nach der derzeitigen Definitionslage nicht gegeben (s.u.).
 

3. Biotechnologie

Beim Gebrauch des Begriffes Biotechnologie herrscht wohl die größte Sprachverwirrung.
Hier zunächst ein paar Definitionen:


Auch in den Definitionen zeigt sich eine „enge“ und eine „weite“ Sicht der Dinge:

Da gäbe es dann als mögliche Unter-Kategorien zur Generalüberschrift Biotechnologie:
+ erstens die Sparte „traditionelle, klassische Methoden der Biotechnologie“
   (Bier, Käse usw.)
+ zweitens die Sparte „moderne Biotechnologie“, in der dann z.B.
   gentechnische Methoden mit gemeint wären“; hier sollten dann aber auch
   die modernen Methoden der Fortpflanzungsmedizin mit hineinpassen
   (z.B. Klonen durch Embryosplitting oder nach der „Dolly-Methode“,
   Reagenzglasbefruchtung);
Aber dann wäre immer noch zu klären, ob die gleichen Methoden – am Menschen angewandt – mit unter „Biotechnologie gehören.
Ich habe in keiner Definition des Begriffes „Biotechnologie“, die ich kenne, etwas davon gelesen, dass die Anwendung der neuen Techniken am Menschen mit gemeint und in der Definition eingeschlossen ist.
 

Das klingt nach einer extrem weitherzigen Nutzung des Begriffes „Biotechnologie“. Und genau danach wäre auch mir zumute.

Arbeitsvorschlag für eine Definition:
Unter Biotechnologie verstehen wir die Summe aller technischen Verfahren, die es ermöglichen, Lebensprozesse zu verstehen, nachzuvollziehen und zu verändern mit dem Ziel, daraus Nutzen für den Menschen zu ziehen.

Damit wäre Biotechnologie der übergreifende Dach-Begriff, unter den sich alles andere (z.B. Gentechnik, Fortpflanzungsbiologie) als Teil-Rubrik unterordnet.

So weit ein paar Gedanken.
Für Rückmeldungen, andere Einsichten, andere Definitionen wäre ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen !

Joachim Krause
(Hauptstr. 46, 08393 Schönberg, Tel. 03764-3140;  krause.schoenberg@t-online.de)

(Seite erstellt Anfang des Jahres 2000)