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FAKTEN – QUELLEN – ZUSAMMENHÄNGE – MEINUNGEN

Organspende – Transplantation – Hirntod

zusammenstellung: joachim krause, hauptstr. 46, 08393 schönberg, tel. 03764-3140

 

(Die folgende Materialsammlung können Sie hier auch als PDF downloaden)

 

 

fortlaufend aktualisiert bis Januar 2018
die neuesten Meldungen stehen am Ende farbig gekennzeichnet

begonnen etwa 2005
abgeschlossen mit Stand vom
6.1.2018

 

 

 

·         Q: Ludger Weß (Hrsg.) Schöpfung nach Maß: perfekt oder pervers?, Oberursel 1995

- ein Umgang mit Sterbenden, der eine möglichst lebendfrische Entnahme der Organe garantiert
- Organe müssen durch maschinelle Beatmung "lebendig" erhalten werden; lebendfrisch = gut durchblutet
- Tod: eine kulturell und religiös geprägte zentrale Vorstellung wird zunehmend durch naturwissenschaftlich-technische Kalküle ersetzt
- was ist der Hirntote? keine Leiche - nachmenschlich, belebte Materie, biologische Masse,
Restmensch ?
- wenn der Mensch eine Einheit von Geist, Leib und Seele ist, also auch eine Einheit von Hirn und Körper, dann ist der Hirntod eine entscheidende Etappe im Sterbeprozess, aber nicht identisch mit dem Tod

- Organe werden knapp bleiben: selbst wenn sämtliche für Transplantation geeigneten Organe entnommen würden; bundesweit gibt es nur 2000 Tote pro Jahr, die als Organspender in Frage kommen = 2000 Herzen und Lebern, 4000 Nieren
-
erfreulicher Rückgang schwerster Hirnverletzungen in Deutschland (in letzten 10 Jahren halbiert): verbesserte Schutzmaßnahmen im Straßenverkehr (Anschnall- und Helmpflicht), bessere Intensivmedizin, - Zahl der Transplantationen hat sich im gleichen Zeitraum verdreifacht
-
Medikament zur Unterdrückung der Abwehrfunktion gegen das fremde Organ ist überlebenswichtig, schon eine Erkältung, eine Schramme oder ein eiternder Zahn können zum Verhängnis werden
- Organe
stammen meist von jungen Männern mit schwersten Hirnverletzungen
- ohne
Sauerstoffzufuhr bei leichten Qualitätseinbußen noch verwendbar: Niere 120 Minuten, Herz 15-30, Leber 30
- das Risiko,
Organempfänger zu werden ist 10x höher als selber als Spender in Betracht zu kommen

- in Pittsburgh/USA wurde begonnen, "kontrolliert" verstorbenen Herztoten Organe zu entnehmen; auch lebensmüde Patienten, die Tod wünschen; Absetzen der Beatmung (Entwöhnung);
zweiminütiges Aussetzen des Pulses reicht aus zur Feststellung des Todes
-
Organbank in Illinois: Entnahme von Organen unmittelbar nach "unkontrolliertem Tod" von Menschen in der Notfallabteilung der Kliniken (sofort mit Infusion von Kühlflüssigkeit konservieren, schnelle Zustimmung der Verwandten einholen)

-
Paviane "akzeptieren" die Herzen von Schweinen, weil mit Hilfe eines gentechnischen Tricks die Immunabwehr außer Kraft gesetzt werden konnte

- die
Lebensfunktionen werden bei Hirntoten "nur künstlich" aufrechterhalten...? - andere (intensiv-)medizinische Prothesen: künstlicher Ersatz oder Unterstützung des Blutdrucks, der Atmung, Entgiftungen, Herzschrittmacher
- Hirntod (Harvard): vollständiger und irreversibler Ausfall aller Hirnfunktionen";
genauer
definieren: "irreversibler Ausfall aller messbaren Hirnfunktionen"

- Einwilligung zur Organspende abhängig machen von umfassender Aufklärung durch einen Arzt (soll mit
unterschreiben)

- Transplantation von fötalem Hirngewebe auf Parkinsonkranke (Botenstoff Dopamin soll wieder produziert
werden) - Identitätsaustausch? ("lächelt der Patient oder der Embryo?"

·         Q: FP 23.2.96
- Dresdner
Herzzentrum 1995 12 Herztransplantationen; derzeit 124 Mill DM Neubau Herzzentrum

·         Q: Organspende - eine gemeinsame Aufgabe, Arbeitskreis Organspende 1994
- Nebenwirkungen von Immunsuppressiva: bösartige Tumore könne sich entwickeln
- 1991 19% der
Angehörigen gegen Organspende, 1992 21%, 1993 25%
- in mitteleuropäischen Ländern nur 3-4% der verpflanzten Nieren von lebenden Spendern, in Norwegen, Griechenland, Japan, USA 20-30% (Dialyse nicht kostenlos, restriktivere Einstellung gegen
Organentnahme nach dem Tode)
- Herztransplantation: 4-5 Stunden konservierbar; Bedingung für Anmeldung eines Patienten: sämtliche Möglichkeiten medikamentöser oder chirurgischer Behandlung sind ausgeschöpft, Lebenserwartung unter 1 Jahr, andere Organe wie Niere, Leber sind funktionstüchtig, Alter sollte 55-60 Jahre
nicht überschreiten
-
Lebertransplantation: bis 20 Stunden konservierbar
- Schritte
vor der Transplantation: Arzt berät vor Gespräch mit Angehörigen mit dem Koordinator des nahegelegenen Tr.-Zentrums; Entnahmeteams kommen ins Krankenhaus;
-
Weitergeltung der DDR-Regelung in den neuen Ländern als Landesrecht?, wird in der Praxis nicht mehr angewendet
-
Informationslösung: Dauer der Bedenkzeit ist zwischen Arzt und Angehörigen zu vereinbaren; ist niemand erreichbar, dürfen keine Organe entnommen werden
- Kosten:
Nierentranspl. 50000 DM, Herz 150000, Leber 210000

·         Q: Sonntag 25.2.96
- Experten halten es für unmöglich, dass ein Organ eines in Lateinamerika geraubten Kindes in den Körper eines Nordamerikaners oder Westeuropäers eingesetzt werden könnte: medizinischer Aufwand,
Transport, geringe Eignung für erwachsenen Körper

·         Gesichtstransplantation: Frankreich 2005;
ein Jahr danach Foto; Patientin hat erkennbar bessere Kontrolle;
Transplantat (Nase, Lippen, Kinnpartie) 2 x fast abgestoßen, aber mit Medikamenten verhindert
(Freie Presse Chemnitz 29.11.06)

·         Laut DSO hatten nur 5,8% der Hirntoten, denen in Deutschland Organe entnommen wurden, ihr Einverständnis zu Lebzeiten schriftlich erklärt; für die anderen Entscheidung der Angehörigen;
Memorandum von 8 Experten:
in Deutschland Widerspruchslösung einführen;
bundesweites Register aller Organspender einrichten;
unzureichende Mitwirkung der Kliniken verbessern (auch höhere Vergütungssätze);
Lebendorganspenden Niere und Leber versicherungsrechtlich besser absichern, evtl. auch Bezahlung einführen (staatliche festgelegte Preise, Aufkaufmonopol für öffentliches Gesundheitssystem) – fairer Marktpreis pro Niere 40.000 Dollar;
(taz 19.5.06)

·         Xenotransplantation Kongress in Berlin;
erste präklinische Studien zur Übertragung von Inselzellen des Schweins (Insulinproduktion bei Diabetes durch Schweinezellen im Körper) laufen in USA, Korea, China; in Mexiko sogar schon  eine experimentelle Übertragung auf den Menschen (keine Insulinfreiheit gebracht, aber auch nicht geschadet); Inselzellen des Schweins, weil beim Insulin nur 1 Baustein anders als beim Menschen;
Probleme:
a) immunologische Abstoßungsreaktion,
b) physiologische Inkompatibilität von Mensch und Tier,
c) Risiko der Übertragung von Mikroorganismen;
zu a) gentechnische Veränderungen am Erbgut der Schweinezellen, damit bestimmte Proteine nicht mehr hergestellt werden, auf die die Immunabwehr des Menschen scharf reagiert;
zu c) Viren bisher zwar noch nie auf Menschen übertragen, aber WHO fordert strenge Richtlinien
(Dtsch. Ärzteblatt 24.6.05 S.A1792)

·         §12 Abs.3 TPG:
Organzuteilung (Allokation) erfolgt durch die Vermittlungsstelle nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten. Dabei sind die Wartelisten der Transplantationszentren als eine einheitliche Warteliste zu behandeln.;
… schicksalhaft ungleiche Ausgangschancen …So werden Patienten, die aufgrund medizinischer Merkmale, wie Unverträglichkeiten oder eine seltene Blutgruppe, besonders geringe Chancen haben, ein Transplantat zu erhalten, bei der Organallokation relativ zu anderen Patienten bevorzugt;
Die Chancen auf eine Transplantation müssen von Wohnort, sozialem Status, finanzieller Situation und der Meldung bei einem bestimmten Transplantationszentrum unabhängig sein;
Hohe Dringlichkeit HU (high urgency): Patienten in akut lebensbedrohlicher Situation; Status muss besonders beantragt und begründet werden; gilt für 7 Tage; Als Ausnahme (und Kriterium für HU-Status JK) gilt die akute Re-Transplantation (Zweit-Transplantation JK) bei Transplantatversagen innerhalb der ersten 7 Tage nach Organübertragung;
eine möglichst kurze Transport- und damit Konservierungszeit ist anzustreben und bei der Organallokation zu berücksichtigen;
(Bundesärztekammer: Richtlinie zur Organtransplantation;
Dtsch. Ärzteblatt 3.6.05 S.A1615)

·         (15) potentieller Spenderpool:
verschiedene Erhebungen: 0,39 bis 0,55% aller Todesfälle;
Schätzung:  ca. 0,50% aller Todesfälle (dabei eine Ablehnungsrate von Null vorausgesetzt !);
(BzgA: Der Organspendeprozess: Ursachen des Organmangels und mögliche Lösungsansätze, Köln 2001)

·         fast ein Drittel der Patienten, die auf eine Transplantation warten, sterben, bevor sie ein Organ erhalten.;
auf eine neue Niere warten Patienten inzwischen durchschnittlich 6 Jahre;
12000 Menschen hoffen in Deutschland auf eine Transplantation;
im Gegensatz zur Niere entscheidet bei der Lunge die Dringlichkeit und nicht die Position auf der Warteliste;
bei Nieren 16% der Transplantate von lebenden Spendern; USA: rund jede zweite Niere Lebendspende;
Lebendspenden auch bei Leber und Lunge (Abtrennung von einem der fünf Lungenlappen, zwei Spender sind nötig, um eine neue Lunge zusammenzusetzen; erhebliche Komplikationen, wird in Deutschland nicht durchgeführt);
nur jeder 5. Lunge von hirntoten Spendern wird tatsächlich verwendet;
Unterdrückung der Immunabwehr durch Cyclosporin (seit 1982); Nebenwirkung: Krebsrisiko ist bei Patienten dadurch erhöht
(bdw 4/06 S.62)

·         USA: jährlich fast 7000 Lebendspenden (meist Nieren, seltener Leber);
bei 10% der Nierenspender kleinere Komplikationen, bei 1% schwerwiegende Probleme, einige werden selbst Dialysepatienten; drei von 10.000 Spendern sterben (bei Lebern USA einer von 500);
Deutschland 11900 Patienten auf der Warteliste in Leiden; knapp 9500 Patienten warten auf eine Niere, 2004 nur etwa 2500 Transplantationen;
(ZEIT 11.8.05 S.29)

·         wenn keine Willensbekundung des Betroffenen vorliegt, entscheiden die Angehörigen, wobei sie den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen beachten sollen;
von den befragten Familien lehnen bis zu 45% die Organspende ab;
Umfragen: 82% der Bevölkerung stehen der Organspende positiv gegenüber, 67% würden selbst spenden;
2003 beteiligten sich lediglich 40% aller Krankenhäuser mit Intensivstation durch die Mitteilung wenigstens eines potenziellen Organspenders;
77% der Organspender sind keine Unfallopfer;
absolute Ausschlussgründe für Organspende:
a) nicht kurativ behandelte Malignome mit Neigung zur Metastasierung, Ausnahme sind einige Hirntumoren
b) HIV-Infektionen oder andere aktive, disseminierte und invasive Infektionen
c) Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und andere Prionen-Erkrankungen;
Alter des Patienten ist kein Ausschlusskriterium (Spender 85 Jahre Lebern und Nieren auf 65-jährige Empfänger)
(Dtsch. Ärzteblatt 4.2.05 S.A260)

·         Fall: Arzt hat dem Drängen von Angehörigen eines hirntoten Berliners nachgegeben, die seine Organe nur freigeben wollten, wenn die Ehefrau des Hirntoten, die seit 6 Jahren auf der Warteliste steht, eine seiner Nieren erhält
(Spiegel 7/2006 S.131)

·         Klinik in München kann mit Sondergenehmigung der Deutschen Transplantationsgesellschaft und von Eurotransplant erstmals auch Patienten mit malignen Herztumoren transplantieren;
auch eine HIV-Infektion kein Ausschlusskriterium für Herztransplantation mehr: Voraussetzung: geringe Viruslast und guter Immunstatus
(Dtsch. Ärzteblatt 29.10.04 S.A2932)

·         1968 erste offizielle Hirntoddefinition (Harvard USA);
die Harvard-Kommission zählte in ihrer Definition das zentrale Nervensystem morphologisch zum Gehirn, man fasste Gehirn und Rückenmark noch als eine Einheit auf, also Gehirntod lag dann vor, wenn kein einziger Reflex mehr nachweisbar war; noch im selben Jahr ist diese Definition aufgegeben worden, statt dessen setzte sich die bis heute gültige Definition der irreversiblen Schädigung aller Hirnfunktionen durch, 17 mögliche Bewegungen beim Mann und 14 bei der Frau gelten dabei mit dem Status einer Leiche vereinbar;
es gibt inzwischen weltweit 4 Todesdefinitionen:
Herzkreislauftod, Ganzhirntod, Hirnstammtod (Großbritannien), Tod durch Ausfall des Großhirns;
mit der letzten Unterschrift des Arztes unter das Protokoll der Hirntoduntersuchung „tritt der Tod ein“, als Todeszeitpunkt wird die Uhrzeit der Unterschrift angegeben
(taz 27.12.05)

·         Freistaat Sachsen hat ein „Ausführungsgesetz“ zum Transplantationsgesetz auf den Weg gebracht; so werde festgeschrieben, dass jede Klinik mit Intensivstation oder Beatmungsbetten einen Transplantationsbeauftragten benennen muss; Zuständigkeiten für Aufklärung der Bevölkerung werden neu geregelt
(Freie Presse Chemnitz 21.5.05)

·         China: Exekutionen finden durch Giftspritzen in Wagen statt; den Leichnamen werden dann oft Herz, Leber und Nieren für Transplantationen entfernt
(Spiegel 38/2005 S.103)

·         in Deutschland sind 60.000 schwer nierenkranke Patienten auf regelmäßige Blutwäsche angewiesen
(bdw ???)

·         Ärzten aus Edmonton und Kyoto glückte die erfolgreiche Lebendtransplantation von Inselzellen; sie übertrugen einer 27 Jahre alten Diabetikerin Zellen der lebenden Mutter (dieser vorher Teil der Bauchspeicheldrüse entnommen)
(bdw 7/05 S.27)

·         Tod von zwei Patienten in Deutschland nach Transplantation von Organen von einer Spenderin, die mit Tollwut infiziert war; vorher schon ein ähnlicher Fall in USA;
Restrisiko, das bleibt;
Organspender werden weltweit nicht auf Tollwutviren untersucht (zu langwierig);
Kontraindikationen für Organspende: therapieresistente Sepsis, immunologisch aktive Systemerkrankungen, HIV-Infektion, Krebserkrankungen (deren Behandlung nicht mindestens 3 Jahre zurückliegt), sowie Metastasen und aktueller Drogen- und Alkoholmissbrauch, dazu kommen bei Reisen in Endemiegebiete oder bei Impfkontakten weitere Untersuchungen
(Dtsch. Ärzteblatt 25.2.05 S.A482)

·         eine adäquate Behandlung des potenziellen Organspenders beginnt bereits beim klinischen Eindruck des Hirntodes und nicht erst nach abgeschlossener Diagnostik;
der sorgfältige und „vorausschauende“ Umgang mit dem tief komatösen Patienten … ist eine besondere Pflicht und Aufgabe der Intensivmedizin;
nach der Hirntodfeststellung …. werden die Angehörigen ausführlich informiert. Der Hinweis auf die Möglichkeit der Organspende durch den betreuenden Arzt ist gesetzlicher Auftrag, wobei die Angehörigen – sofern kein Organspendeausweis des Verstorbenen vorliegt – nicht ihre persönliche Einstellung zur Organspende vortragen sollen. Vielmehr muss der gesprächsführende Arzt die Angehörigen als Zeugen befragen, ob sich der Verstorbene zu Lebzeiten zum Thema Organspende geäußert hat und ob er mutmaßlich der Organentnahme zugestimmt hätte.
(Dtsch. Ärzteblatt 4.2.05 S.A281)

·         eine seit 104 Tagen hirntote Mutter hat in Kalifornien einem Jungen das Leben geschenkt; schon 1989 in den USA Geburt 107 Tage nach einem Unfall
(Freie Presse Chemnitz 5.8.1993)

·         geschwächte Immunabwehr bei Transplantierten durch Immunsuppressiva (gegen Abstoßung des Organs verabreicht); etwa 20-30% aller Transplantierten leiden im ersten Jahr mindestens einmal an einer teils schweren Infektion, und die kann im schlimmsten Fall tödlich enden
(bdw 2/05 S.22)

·         Studie der GTZ: Organhandel ist in 12 Ländern ein signifikantes Problem (Lateinamerika, Asien, Afrika, Osteuropa); Käuferseite: USA, Naher Osten, Europa;
Moldawien 50-60 Organfälle;
(taz 15.4.05)

·         (10) rechtliche Regelungen zur Organspende in der EU und den künftigen Beitrittsstaaten:
17 x Widerspruchslösung; 7 x erweiterte Zustimmungslösung;
(21) Prof. Dr. Werner Stroh, evangelischer Krankenhausseelsorger:
Nach christlicher Erkenntnis sind Menschen Diener der Schöpfung und Mithelfer zum Leben. Aufgabe ist und bleibt, dem Tod zu widerstehen und dem Leben die Bahn zu bereiten. Das geschieht in besonderer Weise, wenn Menschen sich als Organspender zur Verfügung stellen ... Durch die Bereitschaft zur Organweitergabe können Menschen ... anderen Menschen, die auf ein Organ warten, zu einer neuen Lebensmöglichkeit verhelfen, weil sie mit ihrem sterblichen Leib oder Teilen davon in der Lage sind, über ihren Tod hinaus Segen zu stiften. ...
Christen tun nichts „Besonderes“, wenn sie sich zur Organweitergabe bereit erklären. Dabei sollte der Begriff der Spende nicht verwendet werden, der immer mit Nächstenliebe und damit auch Hochherzigkeit verbunden ist. ...
Darum reicht der Mensch mit einer Organweitergabe das, was er empfangen hat, dankbar weiter. ...
Mit der Bereitschaft zur Organweitergabe stellen sich Christen zu ihren leidenden Mitmenschen und realisieren christliche Solidarität.;
(28) die Zeit, in der Organe ohne Durchblutung, gekühlt und konserviert überleben können, ist begrenzt; Lungen und Herz müssen innerhalb von 4 bis 6 Stunden transplantiert werden, Leber 8-9 Stunden, Nieren bis 36 Stunden;
(30) Deutschland derzeit 46 Transplantationszentren;
(32,48) Lebendspende von Lebern; dies ist möglich, weil sich Lebergewebe rasch regeneriert und die Leber des Spenders binnen weniger Monate wieder ihr ursprüngliches Volumen hat (selbst nach Entfernung von 70-75% der Lebermasse);
(42) Lebensdauer einer transplantierten Niere heute im Durchschnitt 12-15 Jahre;
(64) etwa 15.000 Fälle pro Jahr, in denen Herzklappen ersetzt werden, entweder durch mechanische oder biologische Prothesen oder zunehmend durch menschliche Herzklappen (Entnahme auch mehrere Stunden nach Kreislaufstillstand möglich);
(Arbeitsgruppe Organspende e.V.; Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hrsg.): „Organspende und Transplantation“, Handreichung für Lehrkräfte, 2004, 84 Seiten mit Folien und CD; Bezug: AGO, Nonnengasse 4, 86720 Nördlingen)

·         Gewebespende;
mehrere zehntausend Patienten in Deutschland profitieren jedes Jahr von der Verpflanzung kleiner oder großer Einzelteile – neben Knochen auch Augenhornhäute, Gehörknöchelchen, Herzklappen, Gefäße, Sehnen oder Hautstücke.;
USA 2003: 1,3 Millionen Verpflanzungen;
(ZEIT 15.2.07 S.15)

·         Interview mit Bruno Reichart, berühmter Herzchirurg und Transplantationsmediziner, München;
Verpflanzung von Tierorganen auf Menschen; es gab Einwände von Virologen, die meinten, es könnte möglicherweise zu gefährlichen Entwicklungen kommen, wenn sich Menschenviren und Schweineviren verbinden. Doch inzwischen können wir diese Gefahr ausschließen. Jetzt gibt es vor allem noch einen Knackpunkt: Der menschliche Körper bildet Antikörper gegen die Antigene des Schweins, stößt also das Organ innerhalb von Wochen ab. Es geht darum, das zu verhindern. Ich schätze, in etwa 5 Jahren werden wir so weit sein.
(gentechnische Veränderungen)
(ZEIT 6.6.07 S.15ff)

·         auch in Österreich (Widerspruchslösung) übergehen die Ärzte vor einer Organspende niemals die Angehörigen der Spender – und sie entnehmen keinem Verunglückten aus dem Ausland die Nieren;
Macht die Familie des Verstorbenen glaubhaft, dass dieser die Organentnahme nicht wollte, wird diese Absage respektiert; in allen westlichen Demokratien, jeder Konflikt würde dem Ruf der Transplantationsmedizin enorm schaden;
Ablehnungsquote durch Angehörige in Deutschland 40 %, in Österreich 10 %, in einigen Regionen Spaniens bei Null;
in Österreich ließen sich 0,2 % der Bevölkerung in das Widerspruchsregister eintragen;
Widerspruchsregelung:
Hat der Verstorbene zu Lebzeiten nicht ausdrücklich einer Organentnahme widersprochen, so können Körperteile zur Transplantation entnommen werden.
In der Praxis haben die Hinterbliebenen immer die Möglichkeit zum Einspruch.
Zustimmungsregelung:
Der Verstorbene muss einer Organentnahme zu Lebzeiten zugestimmt haben, etwa indem er einen Spendeausweis mit sich führt oder bei einem Register gemeldet ist.
Liegt keine Zustimmung vor, können die Angehörigen über eine Entnahme entscheiden (erweiterte Zustimmungsregelung). Grundlage der Entscheidung ist der mutmaßliche Wille des Verstorbenen.
(ZEIT 3.5.07 S.41)

·         Nationaler Ethikrat schlägt vor, Organe dann zu verwenden, wenn kein Widerspruch vorliegt;;
(9) Empfänger eines Spenderorgans bleiben auch heute noch ihr Leben lang auf Medikamente zur Immunsuppression angewiesen, die nicht nur belastende Nebenwirkungen haben, sondern auch sekundäre Erkrankungen begünstigen können.;
in Deutschland wurden seit 1963 ca. 79.000 Organe transplantiert;
(12) 2005 fast 20% der Nieren Lebendspenden; (14) Leber-Lebendspenden 2005: 8%;
(12ff) Fünf-Jahres-Transplantationsfunktionsrate:
Niere 71% (Lebendspende 84); Leber 60 (Lebendsp. 66); Herz 69; Lunge 54, Pankreas 66;
(17) Dünndarmtransplantationen selten, 2005 2 Eingriffe; experimentelle Form;
(19) Zustimmungsrate durch Angehörige 2005: 61 Prozent;
Entscheidungsgrundlage FÜR Organspende 2005: knapp 6 % vorliegender Spendeausweis; 90 % mündlich geäußerter oder von Angehörigen vermuteter Wille des Verstorbenen; 4 % eigenständige Entscheidung der Angehörigen bei fehlenden Anhaltspunkten für mutmaßlichen Willen;
(24) a) eigene Erklärung des Verstorbenen; b) mutmaßlicher Wille c) Erst in einem dritten Schritt können die Angehörigen eine eigene Ermessensentscheidung auf der Grundlage des Totensorgerechtes treffen;
(33) Dem ethischen Gebot, auf der organisatorischen und der rechtlichen Ebene Möglichkeiten des Helfens und Heilens zu nutzen, entspricht auf der individuellen Ebene die Bei­standspflicht, wie sie sich aus dem elementaren Gebot der Nächstenliebe oder der Mitmenschlichkeit ergibt. Die Bereitschaft zur postmortalen Organspende ist in diesem Sinne als praktische Bewährung jener Solidarität anzuse­hen, die einem von schwerer Krankheit oder dem Tod be­drohten Mitmenschen geschuldet ist. Dieses Zeichen der Hilfsbereitschaft verdient Anerkennung und Hochschät­zung.
(37) Angesichts der Möglichkeit, einem Mitmenschen in der extremen Notlage schwerer Krankheit aussichtsreich und wirksam helfen zu können, kann die Verweigerung der Organspende nicht voll und ganz in das Belieben des ein­zelnen gestellt werden. Ihm ist zumindest zuzumuten, sich selbst Rechenschaft darüber abzulegen, warum er diese Möglichkeit nach reiflicher Überlegung ausgeschlagen hat. Dabei hat er nicht nur zu berücksichtigen, dass die aufgrund des Organmangels nicht nutzbaren Möglichkei­ten der Transplantationsmedizin für viele Menschen schwerwiegende Konsequenzen – im äußersten Fall den Tod – nach sich ziehen können. Er sollte auch Überlegun­gen darüber anstellen, wie er die Möglichkeiten der Transplantationsmedizin beurteilen würde, wenn er ihnen nicht in der Rolle eines potenziellen Spenders, sondern als möglicher Organempfänger gegenüberstünde.

(Nationaler Ethikrat: Stellungnahme „Die Zahl der Organspenden erhöhen – zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland“, 2007;
http://www.ethikrat.org/archiv/nationaler-ethikrat/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Organmangel.pdf

·         nur 12 % der Menschen in Deutschland besitzen einen Organspendeausweis; alle Menschen sollten in regelmäßigen Abständen Erklärungen abgeben;
nicht einmal die Hälfte aller Kliniken mit Intensivstation melden potenzielle Organspender; ein Bett auf der Intensivstation ist für ein bis zwei Tage zusätzlich belegt; Ausfall wird nur teilweise erstattet;
Herz muss 4 Stunden nach Entnahme eingepflanzt sein, Niere 24-30 Stunden Zeit
(taz 25.4.07)

·         Deutscher Ärztetag lehnt Änderung des Transplantationsgesetzes ab (Vorschlag des Nationalen Ethikrates); Die Widerspruchslösung sei nicht mit dem deutschen Rechtsgrundsatz „Schweigen ist keine Zustimmung“ vereinbar
(taz 18.5.07)

·         China liefert keine Körperteile von Hingerichteten mehr nach Südkorea;
Niere (nach Kopfschuss) hatte im Sommer 14.000 Euro gekostet; zuletzt auf 20.000 Euro gestiegen;
in Südkorea ist Bereitschaft zur Organspende äußerst gering
(Spiegel 13/2007 S. 135)

·         2006 in Deutschland 1259 Verstorbene für Organspenden, 3925 Organe entnommen; eingepflanzt wurden 4032 Organe (Differenz aus anderen Ländern importiert)
(Sonntag 29.4.07)

·         Handel mit menschlichen Organen blüht; in Brasilien ist Niere für 10.000 Dollar zu haben, in Moldavien kostet sie nur 3000 Dollar
(Die Zeit 28.6.07 S.20)

·         Nach der Widerspruchslösung hat jeder das Recht, einer Organentnahme zu widersprechen. Bei der erweiterten Widerspruchslösung, die wir vorschlagen, haben zusätzlich die Angehörigen das Recht, aufgrund ihres Totensorgerechts einer Organentnahme zu widersprechen.;
dass etwa eine Nierentransplantation einschließlich Nachsorge über einen Zeitraum von 10 Jahren gerechnet etwa 250.000 Euro billiger ist als eine Dialyse während des gleichen Zeitraumes;
in Belgien und Österreich (mit Widerspruchsregelung) werden deutlich über 20 postmortale Organspenden pro Million Einwohner erreicht, in Spanien sogar über 30; in Deutschland stagniert Spenderate bei etwa 15;
Zweistufenmodell:
a) Aufforderung zu einer eigenen Erklärung
b) erst auf 2. Stufe soll Widerspruchsregelung gelten für die, die nicht ausdrücklich JA oder NEIN gesagt haben;
Stellungnahme im NER wurde einmütig (also auch mit Zustimmung der kirchlichen Vertreter JK) verabschiedet
(Nationaler Ethikrat, Infobrief 2/07 S.8ff)

·         Nach weltweiten Protesten soll in China die Entnahme von Organen Hingerichteter für Transplantationen künftig fast vollständig untersagt werden; nur noch Inanspruchnahme durch direkte Verwandte; jeder Handel mit Organen seit 1.5.07 streng verboten;
Vorwurf in Deutschland, dass Privatpatienten bei der Organvergabe bevorzugt werden; Vergabe von Organen an Patienten, die nicht im Bereich von Eurotransplant wohnen?;
(taz 12.10.07)

·         Spezialisierte Teams zur Hirntodfeststellung (mobile Konsiliarteams);
2004 Umgebung Hannover 52 Einsätze: in 21 der Fälle konnten die Fachleute den in der Klinik vermuteten „Hirntod nicht sichern“;
technikgestützte zusätzliche Diagnostik liefert eindeutigere Ergebnisse (in 8 Fällen lagen klinisch die Zeichen des Hirntodes vor, aber zusätzliche apparative Untersuchungen ergaben, dass Erfüllung der Hirntodkriterien nicht gegeben war
(taz 31.8.07)

·         Seit mehr als eineinhalb Jahren liegt Israels Ex-Premier Scharon im Koma;
wird künstlich ernährt; Atmung funktioniert noch weitgehend normal; ein paar einfache Reflexe funktionieren noch (Händedruck);
Zemach“ (Pflanze) nennt man auf Hebräisch einen Komapatienten, bei dem nur noch das Stammhirn funktioniert; Das israelische Gesetz erlaubt in solchen Fällen das Abschalten lebenserhaltender Maschinen
(Spiegel 32/2007 S.107)

·         Südkorea: mit Hilfe von Stammzellen (aus dem Knochenmark) erfolgreich Schweine geklont; erfolgreichere Methode als mit Körperzellen (20% höher);
Ziel: Klonen von kleinen Schweinen für Transplantation der Organe auf Menschen
(Freie Presse 28.12.07)

·         Wandernde Stammzellen;
Australien; nach einer Lebertransplantation hat sich bei einer Patientin die Blutgruppe verändert (Rhesus negativ nach Rhesus positiv); neun Monate nach der Transplantation festgestellt; Vermutung: durch Entzündung ausgelöst, Stammzellen aus der Spenderleber ins Knochenmark eingewandert
(taz 25.1.08)

·         (34) Kosten für eine Lebertransplantation 150.000 bis 200.000 Euro
(Stefan Rehder: Gott spielen – Im Supermarkt der Gentechnik, Pattloch, München, 2007)

·         Kosten Lebertransplantation bis zu 137.000 Euro
(ZEIT 10.4.08 S.44)

·         Totes Rattenherz; Gefäße mit Natriumdodecylsulfat durchspült, Auflösung der Zellen, Struktur-Matrix aus Kollagen, Fibronectin und anderen Proteinen sowie Kohlehydraten bleibt erhalten; Zugabe von lebenden, teilungsfähigen Herz- und Endothelzellen aus den Herzen neugeborener Ratten + Nährstoffen; Zellen besiedeln die Matrix; nach 4 Tagen fingen die Herzen plötzlich an zu schlagen, konnten weitere 4 Tag später Flüssigkeit in die Hauptschlagader pumpen (nur 2-5% der vollen Leistungsfähigkeit); Schrittmacher, um Schläge zu synchronisieren, bis zu 40 Tagen nach Abschalten weiter geschlagen;
(Der Spiegel 15-2008 S.146)

·         Bundesärztekammer:
Richtlinien zur Organtransplantation
Transplantationen sind häufig die einzige Erfolg versprechende Behandlung von Organerkrankungen im Endstadium.
Ziel der Ärzteschaft muss es deshalb sein, die Zahl der Organspenden zu erhöhen.
Daher müssen bei allen Todesfällen auf Intensivstationen die medizinischen und die rechtlichen Voraussetzungen für eine Organspende geprüft werden.
Die Mitteilung von verstorbenen Patienten, die … als Spender in Frage kommen … gehört zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses. …
Die Dringlichkeit postmortaler Organentnahmen für Transplantationen entspricht der von Notfalleingriffen.
(Deutsches Ärzteblatt 7.12.08 S. A3428)

·         Nur 46% der 147 (dafür in Frage kommenden) Krankenhäuser in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stellten 2007 Organe Verstorbener zur Verfügung;
einer der Gründe: Scheu, mit den Angehörigen über eine Organspende zu sprechen
(Freie Presse Chemnitz 6.5.08)

·         Papst Benedikt XVI. hat bereits seit 1980 einen Organspendeausweis, er begreift die Weitergabe der eigenen Organe nach dem Tod als einen „Akt der Liebe, der Zueignung und der Bereitschaft“
(ZEIT 11.9.08 S.41)

·         Singapur: Lebendspender von Organen dürfen seit Mitte März 2009 legal bezahlt werden; neben Organen selbst auch alle Unkosten in Rechnung stellen; zwischen 25.000 und 30.000 Dollar kostet z.B. eine Niere inklusive Operation in China
(GID 193 April 2009 S.40)

·         nur 12 bis 13% der Deutschen besitzen einen Organspendeausweis;
gespendete Organe in Sachsen 2008: Niere 132, Herz 19, Leber 62, Lunge 11, Bauchspeicheldrüse 3, gesamt 227;
in Deutschland gesamt: 2007 4140, 2008 3945 Organe (1198 Spender)
(Freie Presse Chemnitz 4.6.09 S.5)

·         2007 hatten nur 81 der 1313 „Hirntoten“ vorab schriftlich eingewilligt (6,2%); seit Einführung des Transplantationsgesetzes lag die Zustimmungsrate nie höher als 7,3%;
Angehörige entscheiden, obwohl „die überwiegende Mehrheit“ nach einer Untersuchung von IGES angibt, den Willen des potenziellen Spenders gar nicht zu kennen; eine starke Minderheit lehnt ab: 2007 in 530 Fällen (40,4% JK);
bei Gesprächen eines DSO-Koordinators mit den Angehörigen 82,8% Zustimmung, bei Information durch (normale) Ärzte nur 57,4%;
postoperative Komplikationen bei Nieren-Lebendspende 2007: 7,1%;
(taz 22.5.09 S.18)

·         Organspender Deutschland 2007 1313, 2008 1198 (2002 Tiefststand: 1029)
(taz 15.1.09 S.2)

·         Entwicklung eines Kunstherzens im größten Herzzentrum Europas in Bad Oeynhausen;
800 Gramm, Metall, innen Polyurethan, Batterie von außen induktiv aufgeladen; jetzt Erprobung an Schweinen und Kälbern, in zwei Jahren am Menschen; Ziel: 10 Jahre störungsfreier Betrieb im Brustkorb des Patienten
(Der Spiegel 8-2009 S.127)

·         medizinische Hochschule Hannover; präsentierte Patienten, der seit 4 Jahren mit einem künstlichen Herzen lebt; vor vier Jahren starb jeder dritte Kunstherzpatient binnen 90 Tagen, jetzt überleben 9 von 10 Patienten die ersten drei Monate (= 90 Tage)
(taz 10.7.09 S.18)

·         Mann mit transplantierten Armen fährt wieder Fahrrad;
Operation vor 1 Jahr, 40-köpfiges Team in München, 15 Stunden; Arme eines Verstorbenen angenäht; Patient hatte beide Arme 7 Jahre zuvor bei einem Arbeitsunfall mit einem Häcksler verloren;
er kann jetzt an der linken Hand die Finger wieder bewegen; die Nerven sind schneller gewachsen als erwartet
(Freie Presse Chemnitz 23.7.09 S.10)

·         Erlanger Mediziner hielten bei einer Wachkoma-Patientin über fünf Monate eine Schwangerschaft aufrecht und entbanden einen gesunden Jungen;
erst jetzt bekannt geworden; 2007; damals 40-jährige Frau; Herzinfarkt; 13. Schwangerschaftswoche; 156 Tage nach dem Herzinfarkt Junge entbunden; Frau liegt ohne Hoffnung auf Besserung im Pflegeheim;
weltweit sind seit den 1970er Jahren rund 25 Fälle von Schwangeren mit Hirntod oder Koma veröffentlicht worden;
(taz 16.10.09 S.18)

·         Heidelberger Uniklinik; Kunstherz bei einer 50-jährigen Patientin eingepflanzt, das nur 92 Gramm wiegt
(taz 21.8.09 S.18)

·         Handel mit Organen ist in China verboten;
über 1 Million Chinesen warten dringend auf eine fremde Niere, eine Leber, ein Herz; nur etwa 10.000 erhalten jedes Jahr ein Organ;
zwischen 2003 und 2009 erklärten sich nur 130 (!) Bürger bereit, ihre Organe verpflanzen zu lassen; woher kommen die anderen Organe?;
im günstigsten Fall erhalten Patienten ganz legal ihre Niere von lebenden Verwandten (seit 2007 nur noch direkten Verwandten oder Ehepartnern);
Hauptquelle sind jedoch die Hinrichtungsstätten des Landes; 90% der verpflanzten Organe stammen von Exekutierten; Häftlingen dürfen Organe nur entnommen werden, wenn diese vor der Hinrichtung schriftlich zugestimmt haben;
nur lizensierte Ärzte dürfen Organe transplantieren; in 164 anerkannten Kliniken;
Transplantation muss selbst bezahlt werden, mindestens 10.000 Euro;
“Transplantationstourismus“ nach China ist verboten; trotzdem werden immer wieder ausländische Kranke mit falschen Papieren und unter chinesischem Namen aufgenommen;
(taz 10.9.09 S.11)

·         Singapur; Lebendspender von Organen dürfen seit März 2009 legal bezahlt werden; Gesetz verabschiedet; neben den Organen können auch Kosten für Reise und Aufenthalt, Haushaltshilfen, Einkommensausfälle, zukünftige Behandlungen in Rechnung gestellt werden;
zwischen 25.000 und 30.000 Dollar kostet die Verpflanzung einer Niere in China
(GID Nr.193 4-2009 S.40)

·         Das Recht der Gewebespende;
Unter welchen Umständen dürfen Ärzte Verstorbenen Gewebe entnehmen? Grundsätzlich müssen der Betroffene oder seine Angehörigen in die Gewebespende eingewilligt haben. Es reicht nicht aus, wenn der Verstorbene Organspender ist.
Man kann seine eigene Haltung zur Gewebespende zu Lebzeiten auf dem Organspendeausweis dokumentieren (ist genau genommen eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende)
(bild der wissenschaft 8-2009 S.40)

·         der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) zu dem bundesweit mehr als 200 ev. Krankenhäuser und Fachkliniken gehören,  will eine Kampagne zur Förderung der Organtransplantation starten
(Der Sonntag, Kirchenzeitung Sachsen, 23.8.09 S.2)

·         Mehrere CDU-Politiker haben angesichts des Mangels an Spenderorganen gefordert, in Deutschland die Widerspruchsregelung einzuführen; Vizepräsident der Bundesärztekammer widersprach: das würde die Ressentiments in der Bevölkerung verstärken
(Freie Presse Chemnitz 31.8.2010 S.4)

·         12000 Menschen warten in D. auf ein Spenderorgan;
In nur 10% der Fälle haben hirntote Patienten zu Lebzeiten ihren Willen für oder gegen eine Organspende schriftlich niedergelegt
(Freie Presse Chemnitz 14.9.2010 S.3)

·         postmortale Organspenden pro 1 Million Einwohner 2008

Land

Organspenden
pro 1 Mill. Einw.

Spanien

34,2

Belgien

25,2

Frankreich

24,7

Italien

21,2

Österreich

20,3

Tschech. Rep.

19,2

England

14,7

Deutschland

14,7

Niederlande

12,3

Polen

11,2

2008 starben in Deutschland 844.000 Menschen, davon spendeten 1198 ihre Organe, nicht einmal 15 Spender pro 1 Million Einwohner
(bild der wissenschaft 7-2010 S.39)

·         drei Patienten der Medizinischen Hochschule Hannover leben seit rund 5 Jahren mit einem künstlichen Herzen (Heartmate II), das ist laut MHH Europarekord, so lange haben es überhaupt nur zwei andere Menschen auf der Welt geschafft;
Ich denke, die Pumpen könnten noch gut zehn Jahre halten, aber die Schläuche zum Beispiel haben da eher Probleme;
die Patienten müssen ein akkubetriebenes Gerät mit sich tragen, etwa alle 2-3 Stunden muss der Akku gewechselt werden
(taz 29.10.2010 S.18)

·         Zahl der Organtransplantationen 2010 einen Höchststand erreicht; 1296 Spendern nach dem Tod Organe entnommen; 79 mehr als 2009;
verpflanzte Organe 2010: 4.326 (2009: 4.051);
(taz 14.1.2011 S.06)

·         Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages setzt sich für eine signifikante Erhöhung der Organspendebereitschaft in Deutschland ein;
nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung liegt die Bereitschaft, nach dem Tod Organe und Gewebe zu spenden, bei 67%; gleichzeitig haben nur 17% ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis dokumentiert
(Das Parlament 29.11.2010 S.10)

·         Deutscher Ethikrat diskutiert: Äußerungspflicht zur Organspende?
(http://www.ethikrat.org/presse/pressemitteilungen/2010/pressemitteilung-09-2010)

·         Organverpflanzungen 2009: 4709; 2010:
Organspenden nach Hirntod 2009: 3897; 2010: 4205
(www.dso.de 31.1.2011)

·         Welche Organe und Gewebe kann man spenden?
Nach dem Hirntod können fast alle Organe und Gewebe entnommen werden, z.B.: Niere, Herz, Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, Darm und Teile der Haut sowie die Hornhaut der Augen, Herzklappen, Teile der Blutgefäße, des Knochengewebes, des Knorpelgewebes und der Sehnen.
Weiß der Empfänger des Organs, wer es gespendet hat?
Nein, die Organspende ist anonym. Auch die Angehörigen de Spenders erfahren nicht, wer das Organ erhält. Auf Wunsch wird ihnen aber mitgeteilt, ob die Transplantation erfolgreich verlaufen ist.
Bis zu welchem Alter kann man Organe spenden?
Es gibt keine feste Altergrenze.
Ist es möglich, Organe von der Spende auszuschließen?
Ja, man kann im Organspendeausweis festlegen, welche Organe oder Gewebe man spenden würde und welche nicht. Begründen muss man das nicht.
Welche Organe kann man spenden, wenn man noch lebt?
In Deutschland können ein Teil der Leber sowie eine der zweifach vorhandenen Nieren lebend gespendet werden. Allerdings erlaubt das Gesetz die Lebendspende nur für Verwandte ersten oder zweiten Grades, zum Beispiel für Eltern oder Geschwister, für Ehepartner und Verlobte oder für andere Personen, die dem Spender persönlich sehr nahe stehen,
(Freie Presse Chemnitz, 9.6.2011, S.A5)

·         Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer:
zwölftausend Menschen in Deutschland warten derzeit auf ein Spenderorgan, drei von ihnen sterben täglich;
Der Bundestag will in diesem Jahr die Organspende neu regeln. Künftig könnte jeder Erwachsene verpflichtet werden, den Behörden mitzuteilen, ob er als potenzieller Spender zur Verfügung steht oder nicht, möglich ein soll auch die Angabe „weiß ich nicht“;
Montgomery: Nötig sei eine bessere Koordinierung in den 2000 deutschen Krankenhäusern
(taz 11.6.2011 S.06)

·         durch eine Transplantation in Stockholm wurde einer Frau aus Kalifornien ihre Stimme wiedergegeben; erhielt in 18-stündiger Operation die Luftröhre, den Kehlkopf und die Schilddrüse des Spenders; konnte nach 13 Tagen erstmals wieder seit 11 Jahren einige Worte sprechen
(Freie Presse Chemnitz 25.1.2011 S.8)

·         Gesundheitsminister mehrerer Bundesländer planen eine Gesetzesinitiative, um die Zahl der Organspender in Deutschland zu erhöhen. Danach soll künftig jeder, der nicht zu Lebzeiten widerspricht, nach seinem Tod als Organspender in Frage kommen. Vorher sollen zwingend die Verwandten des Toten befragt werden und ein Einspruchsrecht bekommen. Eine Mehrheit der deutschen Gesundheitsminister ist nach einem SPIEGEL-Umfrage allerdings gegen die Regelung.;
Postmortale Organspende 2009 (Spender je 1 Million Einwohner):
a) Länder mit Zustimmungsregelung: Großbritannien 15,1; Deutschland 14,9; Schweiz 13,6
b) Länder mit Widerspruchsregelung: Spanien 34,4; Österreich 25,5; Polen 11,0
(taz 30.5.2011, S.06; Der Spiegel 22-2011 S.16)

·         Interview mit Bundesgesundheitsminister Rösler;
Umfragen zufolge wären 74% der Deutschen grundsätzlich bereit, Organe zu spenden. Eine entsprechende Erklärung haben aber nur 25% abgegeben
(Der Spiegel 6-2011 S.44)

·         Forsa-Umfrage: 41% der Befragten für „Entscheidungslösung“ (jeder Bürger würde befragt und das Ergebnis z.B. im Führerschein vermerkt); 23% für „Widerspruchslösung“ (jeder ist Spender, der zu Lebzeiten nicht widersprochen hat); ein Drittel der Befragten bevorzugt die derzeit gültige „Zustimmungslösung“ (potenzieller Spender hat zugestimmt; Organspendeausweis oder positive Äußerung gegenüber Angehörigen)
(taz 1./2.6.2011 S.06)

·         S.3ff. Sabine Müller: Wie tot sind Hirntote?
Die „neurologische“ Todesdefinition wur­de 1968 vorgeschlagen. Anlass war die Ver­urteilung eines Arztes in Japan, der einem hirntoten Patienten Organe zur Transplan­tation entnommen hatte, wegen Mordes. Da­durch war das Problem der Rechtssicherheit in der Organbeschaffung akut geworden. Das daraufhin gegründete Ad Hoc Commit­tee of the Harvard Medical School to Exami­ne the Definition of Brain Death schlug vor, das „irreversible Koma“ als neues Todeskri­terium zu definieren. Als dessen Merkmale wurden festgelegt: (1) keine Rezeptivität und Reaktivität, (2) keine spontanen Bewegungen und Atmung, (3) keine Reflexe und (4) flaches Elektroenzephalogramm (EEG);
Inzwischen wurde der vom Harvard Com­mittee definierte Begriff des irreversiblen Ko­mas durch den Begriff des Hirntods ersetzt.;
Heute gilt in den meisten euro­päischen Ländern der Hirntod als Kriterium für die legale Organentnahme – mit Ausnah­me von Großbritannien: Dort gilt die Hirn­stammtod-Definition.  Ein Patient mit Su­per-Locked-in-Syndrom gilt dort also als tot, obwohl er noch bei Bewusstsein sein kann.;
Einige künstlich beatmete Hirntote zeigen noch eine körperliche Integration: Sie halten ihre Homöostase (Selbstregulierung) durch zahlreiche (endokrine und kardiovaskuläre) Funktionen aufrecht, regulieren selbstständig ihre Körpertemperatur, bekämpfen Infektio­nen (etwa durch Fieber) und Verletzungen, reagieren auf Schmerzreize mit Blutdruckan­stieg, produzieren Exkremente und scheiden diese aus. Hirntote Kinder wachsen und kön­nen sogar ihre Geschlechtsentwicklung fort­setzen.  Hirntote Schwangere können die Schwangerschaft über Monate aufrechterhal­ten und von gesunden Kindern entbunden werden; so wurden bis 2003 zehn erfolgreiche Schwangerschaften von Hirntoten dokumen­tiert.;
Wie der Philosoph Ralf Stoecker bemerkt, ist die entscheidende Frage unbeantwortet geblieben, nämlich ob hirntote Menschen auch tatsächlich tot sind.  Kaschiert worden sei dieser Umstand dadurch, dass die Bundesärztekammer die Deutungshoheit an sich gezogen und konstatiert habe, dass „mit dem Hirntod naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt“ sei.  De facto gilt seitdem der Hirntod (definiert als Ausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm) als Kriterium für eine legale Organentnahme.;
Die Bundesärztekammer hat 1998 den folgenden Ablauf für die Feststellung des Hirntodes vorgeschrieben: Im ersten Schritt ist zu prüfen, welche Art von Hirnschädigung vorliegt. Dabei sind bestimmte Befunde, deren Symptome denen des Hirntods ähneln, aber reversibel sind, auszuschließen (wie Intoxikation, Relaxation, metabolisches Koma, Hypothermie, Hypovolämie, postinfektiöse Polyneuritis). Im zweiten Schritt muss festgestellt werden, dass Koma (im Sinne einer tiefen Bewusstseinsstörung), Areflexie (Regungs- und Reflexlosigkeit) und Atemstillstand vorliegen. Im dritten Schritt ist die Irreversibilität der Hirnschädigung festzustellen. Apparative Diagnostik ist dafür nur bei Kindern bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr sowie bei primärer Schädigung in der hinteren Schädelgrube zwingend vor­geschrieben. Andernfalls reicht eine Beob­achtungszeit von 12 bis 72 Stunden (je nach Art der Hirnschädigung). Die Bundesärz­tekammer legt explizit fest: „Der Hirntod kann in jeder Intensivstation auch ohne er­gänzende apparative Diagnostik festgestellt werden.“;
Es bestehen zahlreiche Unterschiede zwi­schen den Richtlinien zur Hirntoddiagnostik verschiedener Staaten. Diese betreffen vor al­lem Grenzwerte für die diagnostischen Tests (wie zum Pupillenreflex, zum Atemstillstand und zur Kerntemperatur) sowie Bestimmun­gen, unter welchen Bedingungen apparative Diagnostik eingesetzt werden muss. Wäh­rend in vielen Staaten (wie in Norwegen, Lu­xemburg, Frankreich, den Niederlanden, Mexiko und Argentinien) apparative Zu­satzdiagnostik vorgeschrieben ist,  gilt das in Deutschland nur in den oben genannten Spezialfällen.;
In der Schweiz ist Vollnarko­se für hirntote Patienten zur Organentnah­me vorgeschrieben – in Deutschland nicht. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hält eine Narkose für „überflüssig“, schreibt aber vor, dass „der Organspender zur Opti­mierung der chirurgischen Tätigkeit sowie zur Vermeidung dieser spinalen Reflexe rela­xiert und ein Blutdruck- und Herzfrequenzanstieg durch entsprechende Medikamente (z. B. Opiate) behandelt“ wird.;
Der President’s Council on Bioethics (das US-amerikanische Pendant zum Deutschen Ethikrat) hat im Dezember 2008 das Grund­lagenpapier Controversies in the Determi­nation of Death publiziert. Darin kons­tatiert er, dass der anhaltende Dissens zum Hirntodkriterium sowie neue empirische Ergebnisse zum integrierten Funktionie­ren des Körpers von Hirntoten eine erneute Debatte über den Hirntod erforderten. Der Rat räumt ein, dass das integrierte Funkti­onieren des Körpers nicht unbedingt kurz nach Eintritt des Hirntodes aufhört– die Annahme des engen zeitlichen und kausa­len Zusammenhangs war bisher das Hauptargument für die Gleichsetzung von Hirn­tod und Tod.;
1. Option: Neudefinition von Leben und Tod: Um am Hirntodkriterium festhalten zu kön­nen, hat der Rat eine neue „philosophische“ Definition des lebenden Organismus formu­liert. Danach wird als notwendiges Kriterium für das Leben eines Organismus die Arbeit der Selbsterhaltung durch Auseinanderset­zung mit der Umwelt bestimmt. Diese setze drei fundamentale Fähigkeiten voraus: (1) Of­fenheit für die Welt, (2) die Fähigkeit, auf die Welt einzuwirken, und (3) die gefühlte Not­wendigkeit, die zum Handeln antreibt, um zu erlangen, was man braucht und als verfüg­bar erkennt. Diese Fähigkeiten zeigten sich in Anzeichen von Bewusstsein oder Wachheit, in Schmerzreaktionen und im spontanen At­men. Dies entspricht genau den Kriterien des Hirntod-Konzepts.;
2. Option: Abschaffung der Tote-Spender-Regel: Dieter Birnbacher, Philosoph und Mitglied der Zentralen Ethikkommis­sion der Bundesärztekammer, stellt fest, dass „der Hirntod als Kriterium des orga­nismischen Todes klarerweise ungeeignet“ ist. „Bei der Explantation von Organen von Hirntoten werden (…) diese Organe einem lebenden menschlichen Individuum entnom­men.“ Statt Hirntote entgegen der empiri­schen Evidenzen für tot zu erklären, fordert Birnbacher, die Tote-Spender-Regel aufzu­geben, das heißt die Vorschrift, dass nur aus Toten lebensnotwendige Organe entnom­men werden dürfen. Dennoch plädiert Birn­bacher für die Beibehaltung des Hirntod­kriteriums: In ethischer Hinsicht habe das bewusste Leben einen höheren Wert und eine höhere Schutzwürdigkeit als das unbe­wusste. Das Hirntodkriterium sei geeignet, den Bewusstseinstod festzustellen und da­her pragmatisch gerechtfertigt, um den Zeit­punkt für einen Behandlungsabbruch und gegebenenfalls eine Organexplantation zu bestimmen.;
Wenn hirntote Patienten als lebend anerkannt würden und dennoch die zum Tod führende Organentnahme aus ihnen legalisiert werden sollte, bedürfte dies einer höchstrichterlichen Entscheidung – und einer ethischen und gesellschaftlichen Debatte.
3. Option: Verbot von Organentnahme aus hirntoten Patienten: Soll am absoluten Tö­tungsverbot festgehalten werden, muss die Explantation von Organen aus hirntoten Pa­tienten verboten werden. Die Organentnah­me wäre dann nur noch zu erlauben, wenn Hirntod und Herzstillstand nachgewiesen worden sind. Das hätte allerdings zur Fol­ge, dass die „besten Organe“ nicht mehr für Transplantationen zur Verfügung stünden, insbesondere keine Herzen. …
Es sollte sicher ausgeschlossen werden, dass potenzielle Organspender gegen ihren Wil­len durch die Organentnahme getötet werden und dabei leiden. Daher sollten EEG, Angio­graphie und in ungeklärten Fällen funktio­nelle Bildgebung zur Sicherung der Hirntod­diagnose sowie Vollnarkose für die Entnahme gesetzlich vorgeschrieben werden. Eine Or­ganentnahme sollte nur erlaubt sein, wenn ein schriftliches Einverständnis vorliegt. Das bedeutet, dass die derzeit in Deutschland gel­tende erweiterte Zustimmungslösung durch die enge Zustimmungslösung ersetzt werden sollte.;

S.10ff.: Anna Bergmann: Organspende – tödliches Dilemma oder ethische Pflicht?
Auch Ärzte haben Anstrengungen unter­nommen, um das Organaufkommen zu op­timieren: 2008 wurde in den USA der Spen­derkreis um eine vom Hirntod unabhängige Patientengruppe erweitert, die mittlerweile auch in einigen europäischen Ländern (Ös­terreich, Schweiz, Niederlanden, Belgien, Spanien) als Organspender dient: die non heart-beating donors. Hierbei handelt es sich um Patienten mit einem Herzstillstand, der durch eine medizinische Behandlung durch­aus reversibel sein kann. Dennoch wird ohne Reanimationsbemühungen mit der Organ­entnahme bei diesen Patienten schon zwei bis zehn Minuten nach der Todesfeststel­lung begonnen, wobei der Körper durch Be­atmung und Herzmassage weiterhin für den Transplantationszweck versorgt wird.;
Bis 2005 machten in Deutschland 60 Prozent al­ler Krankenhäuser mit Intensivstationen kei­ne Meldungen von hirntoten Patienten. Die klinische Beteiligung konnte auch bis 2009 kaum gesteigert werden.;
Wenn der Herztod eingetreten ist, wird in der Regel noch Gewebe entnommen: Augen, Knochen und selbst eine Häutung kann erfolgen.;
So verfügt der Spenderkör­per zwar weiterhin über Zeichen des Lebens, aber der „Tote“ hat die ihm bisher zugeschrie­benen Wesensmerkmale verloren, denn Still­stand der Atmung und des Herzens, Leichenblässe, Verwesung, Totenstarre und -flecken sind seit der Einführung der Hirntodkriteri­en im Jahre 1968 keine zwingenden Todeszei­chen mehr. Das Herz von Hirntoten schlägt, ihre Lungen atmen mit technischer Hilfe, sie verdauen, scheiden aus, werden bis zu ihrem Herztod medizinisch genährt und gepflegt – und sind von der Erscheinung her nicht von anderen Komapatienten zu unterscheiden.;

S.15ff.: E. Nagel / K. Alber / B. Bayerl: Transplantationsmedizin zwischen Fortschritt und Organknappheit
Nicht beherrschbare Abstoßungsreaktionen blieben aber weiterhin das Grundpro­blem der Transplantationsmedizin, da ad­äquate Methoden der Immunsuppression nach wie vor fehlten. Die nicht zufrieden­stellenden klinischen Ergebnisse führten dazu, dass die Transplantationsmedizin An­fang der 1970er Jahre wieder stagnierte. Erst durch die Entwicklung und klinische Einführung des Arzneistoffs Cyclosporin A gelang im Jahr 1981 ein Durchbruch in der Transplantationsmedizin. Durch dieses Im­munsuppressivum können Abstoßungsreak­tionen reduziert und die Transplantatüberle­bensraten deutlich verlängert werden. Durch die verbesserten Möglichkeiten der Immun­suppression stieg die Zahl der Transplanta­te, die länger als drei Jahre überlebten, bei der Nierentransplantation von 45 Prozent im Zeitraum von 1966 bis 1970 auf 84 Prozent im Zeitraum von 1996 bis 2000. Heute gilt die Transplantation von Spenderorganen als Goldstandard-Therapie bei terminalem Or­ganversagen. So sind alleine in Deutschland von 1963 bis 2010 insgesamt 103 125 Organe transplantiert worden.;
Für Deutschland wird die Allokation von Spenderorganen von der Eurotransplant In­ternational Foundation, eine private, gemein­nützige Stiftung niederländischen Rechts mit Sitz in Leiden, durchgeführt. Eurotrans­plant, das auf Initiative verschiedener Trans­plantationsmediziner 1967 gegründet wurde, war bereits vor dem Inkrafttreten des deut­schen Transplantationsgesetzes ohne formale Rechtsgrundlage für die Vermittlung von Organen an Patienten in deutschen Trans­plantationszentren zuständig. Ein Vertrag im Sinne von Paragraf 12 Absatz 1 und 2 TPG berechtigt Eurotransplant nun offiziell mit der Vermittlung von Organen im Geltungs­bereich des Transplantationsgesetzes.
Eurotransplant vermittelte zu Beginn aus­schließlich Spendernieren, dehnte seine Ak­tivitäten dann auf Leber-, Herz- und Pank­reastransplantationen, mittlerweile auch auf Lungen- und Zwölffingerdarmtransplanta­tionen aus. Am Eurotransplant-Programm nehmen neben den deutschen außerdem noch die Transplantationszentren aus Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Slowenien, Ös­terreich und Kroatien teil.;
Die Feststellung des Todes eines potenziellen Spenders ist einer der zentralen Prozesse in der Transplantationsmedizin. Die diesbezüg­liche Diagnostik ist dabei keineswegs unum­stritten. Grundsätzlich darf die Bestimmung des Todes nicht auf technisch-medizinische Erkenntnisse reduziert werden. Es spielen immer kulturelle, religiöse und soziale Fak­toren eine Rolle, die das Verständnis des To­des oder des Sterbeprozesses prägen.
In Deutschland gilt das Hirntodkriteri­um, um den Tod festzustellen. Diese Per­spektive auf den Tod des Menschen etablier­te sich weltweit durch einschlägige Arbeiten an der Harvard Medical School in den USA im Jahr 1968. Dieses gilt auch als Vorausset­zung für die Entnahme und Transplantation von Organen in Deutschland. Der Wissen­schaftliche Beirat der Bundesärztekammer definierte 1991 den Hirntod als den „Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirn­stamms“ und legt in seiner Fortschreibung 1997 dar, dass „mit dem Hirntod (…) natur­wissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt“ ist.
Anders als in Deutschland dürfen beispiels­weise in Österreich, Belgien und den Nieder­landen Organe von sogenannten non heart-beating donors entnommen werden. Doch diese Herztoddiagnose gilt in vielen Län­dern als überholt, da durch die Möglichkeit der künstlichen Beatmung das Herz-Kreis­lauf-System aufrechterhalten werden kann. Das deutsche Transplantationsgesetz fordert deshalb die Diagnose des Hirntodes als To­desfeststellung für eine Organentnahme.  Dies hat zur Folge, dass Eurotransplant keine Organe, die Patienten mit Herz- und Kreis­laufstillstand entnommen wurden, nach Deutschland vermitteln darf.;
In einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) wa­ren im Jahr 2010 beispielsweise 74 Prozent der Befragten grundsätzlich damit einverstanden, dass man ihnen nach ihrem Tod Organe und Gewebe entnimmt. Gleichzeitig hatten nur 25 Prozent der Befragten einen Organ­spendeausweis. Die Hälfte aller Befragten fühlte sich eher schlecht über das Thema Or­gan- und Gewebespende informiert.
Vor diesem Hintergrund wird in Deutsch­land immer wieder über eine Änderung der gesetzlichen Regelungen zur Organspende diskutiert. Nach den Paragrafen 3 und 4 des Transplantationsgesetzes kann die Entnahme von Organen und Geweben bei toten Spendern in Deutschland entweder mit direkter Einwil­ligung des Spenders (wie durch einen Organ­spendeausweis) erfolgen oder über die Zustim­mung von nächsten Angehörigen, die dann verpflichtet sind, den mutmaßlichen Willen des Organ- beziehungsweise Gewebespenders zu berücksichtigen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der Entnahme von Organen und Geweben bei lebenden Spendern. Der Spender muss nach Paragraf 8 TPG hierbei volljährig und entsprechend aufgeklärt sein. Vorausset­zung für die Lebendspende ist zudem eine po­sitive ärztliche Beurteilung. Sie ist außerdem nur zulässig, wenn zum jeweiligen Zeitpunkt kein Spenderorgan eines verstorbenen Organ­spenders zur Verfügung steht.;
Die momentan in Deutschland herrschende erwei­terte Zustimmungslösung ist darauf angelegt, dass Angehörige im Todesfall gefragt werden müssen und damit auch eine Antwort geben müssen, sei sie nun positiv oder negativ. Wenn für Betroffene eine Äußerungspflicht besteht, so ist es eigentlich nur folgerichtig, dass von jedem selbst eine solche Entscheidungspflicht abverlangt werden kann.;

S.28ff.: Ingrid Schneider: Kann ein regulierter Organmarkt den Organmangel beheben – und zu welchem Preis?
Eine Studie an 305 Nierenverkäu­fern in Chennai (Indien), die sechs Jahre nach der Operation befragt wurden, ergab folgen­de Resultate: 71 Prozent der Nierenverkäu­fer waren Frauen, teilweise wurden sie vom Ehemann zur Veräußerung gedrängt; fast alle Personen waren durch Überschuldung der Fa­milie in den Verkauf getrieben worden; durch­schnittlich erhielt jede Person 1070 US-Dol­lar für ihr Organ; drei Viertel der Befragten blieben weiterhin verschuldet, die Zahl derer, die unter der Armutsgrenze lebten, nahm zu; 86 Prozent berichteten von einem verschlech­terten Gesundheitszustand nach der Nieren­entnahme; die meisten (79 Prozent) rieten vom Verkauf einer Niere ab.;
Iran ist das einzige Land weltweit, das ein staatlich organisiertes Ankaufsystem für die Nierenabgabe seit Ende der 1980er Jahre in­stitutionalisiert hat. Jährlich werden rund 1500 solcher bezahlten Nierentransplantatio­nen durchgeführt. Neben einer staatlich fest­gelegten Summe von rund 900 Euro erhalten Nierenverkäufer ein Jahr lang freie Gesund­heitsversorgung sowie in der Regel nach der Operation einen verhandelbaren Betrag vom Empfänger.;

S.35ff.: E. Küttel-Pritzer / R. Tönjes: Tierorgane und Gewebezüchtung als Alternativen zum Spenderorgan?
In Deutschland liegt die jährli­che Sterberate von Patienten, die auf ein Herz warten, bei 17,1 Prozent. Die durchschnitt­liche Wartezeit für eine Niere beträgt fünf Jahre, was die Aussichten für Nierenpatien­ten erheblich reduziert, da die Transplantat­überlebenszeit nach länger andauernder Dia­lyse deutlich sinkt. Es wurden im Jahr 2010 2937 Patienten Nieren transplantiert, wäh­rend etwa 8000 Patienten auf der Wartelis­te verblieben, es gab 393 Herztransplantati­onen, während mehr als 700 Patienten für die Transplantation neu gemeldet waren, und 298 Lungen wurden transplantiert, während sich 420 Patienten neu registrierten. In den USA zeigen die Daten für alle Organe, dass im Jahr 2010 von 14 505 Spendern insgesamt 28 664 Organtransplantationen durchgeführt wur­den. Demgegenüber standen jedoch im März 2011 110 521 Patienten auf der Warteliste.;
Dem sogenannten anthropozentrischen steht der biozentrische Ansatz gegenüber. Wäh­rend der erste Ansatz die Natur insgesamt auf den Menschen aufgrund seiner „Geistbe­gabung“ hin ausgerichtet sieht, lehnt der bio­zentrische Ansatz eine Wertabstufung zwi­schen Tieren und Menschen grundsätzlich ab. Im Gegensatz zur anthropozentrischen Betrachtungsweise wird Tieren der gleiche Wertstatus wie dem Menschen eingeräumt. In Deutschland wird mehrheitlich ein integratives Konzept vertreten, das beiden Ansät­zen Rechnung trägt. Dem Menschen kommt eine besondere Stellung innerhalb der Natur zu. Tiere werden als Mitgeschöpfe mit eige­ner Würde und einem Anrecht auf deren Res­pektierung betrachtet, deren Wohl durch den Menschen in bestmöglicher Weise zu wahren und zu fördern ist. Wenn es jedoch um Er­haltung, Schutz und Rettung von menschli­chem Leben geht, ist die Nutzung von Tieren zu Versuchen und auch deren Tötung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnis­mäßigkeit erlaubt.;

(Bundeszentrale für politische Bildung; Aus Politik und Zeitgeschichte; 20-21/2011 16.5.2011: „Organspende und Selbstbestimmung“; http://www.bpb.de/files/4PRV56.pdf )

·         Seit dem Inkrafttreten des TPG im Jahr 1997 wird kritisiert, dass trotz der erzielten Rechtssicherheit für alle Beteiligten keine wesentliche Steigerung der Organ- und Gewebespenden zu verzeichnen ist. Insofern ist bei der TPG-Novellierung auch zu prüfen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, die Spenderzahlen zu erhöhen und die Leistungsfähigkeit der Transplantationsmedizin weiter zu fördern. ;
In Wahrnehmung dieser Verantwortung hat sich die Ständige Kommission Organtransplantation auf Veranlassung des Vorstands der Bundesärztekammer in intensiven und zum Teil kontroversen Diskussionen wiederholt mit den Beschlüssen des 110. und des 113. Deutschen Ärztetags befasst und um eine Lösung gerungen, die die positiven Aspekte sowohl der Zustimmungs- wie auch der Widerspruchslösung konstruktiv aufgreift und zusammenführt. Im Ergebnis der dazu veranstalteten Klausurtagung wurde das Modell einer Selbstbestimmungslösung mit Information und Erklärungspflicht entwickelt. Das Modell ist darauf ausgerichtet, die Information der Bürgerinnen und Bürger dauerhaft so zu intensivieren und zu institutionalisieren, dass sich diese in Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts möglichst im Sinne einer Zustimmungslösung zur Organ- und Gewebespendebereitschaft erklären. Wird dieses Recht nicht zu Lebzeiten wahrgenommen und liegt somit keine Erklärung vor, können dem Verstorbenen unter Ermittlung des mutmaßlichen Willens durch Einbeziehung der Angehörigen Organe und/oder Gewebe entnommen werden. Der 114. Deutsche Ärztetag fordert dieses Modell einer Selbstbestimmungslösung mit Information und Erklärungspflicht zur Einwilligung in die Organ- und/oder Gewebespende.
(Beschluss-Protokoll des 114. Deutschen Ärztetages, Kiel 31.5.-3.6.2011, Organspende S. I-03; http://baek.de/downloads/114Beschlussprotokoll20110608.pdf )

·         bei der angestrebten Neuregelung der Organspende unterstützt die katholische Kirche die sogenannte Erklärungslösung … Bischof Fürst, der die Unterkommission Bioethik der katholischen Bischöfe leitet, bezeichnete Organspende als „Akt der Nächstenliebe“
(Der Sonntag, Sachsen, 16.10.2011 S.2)

·         Jährlich warten in Deutschland 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan, aber nur 3.000 können eines bekommen. Pro Tag sterben deswegen drei Menschen. Zugleich sagen in Umfragen 75 Prozent der Deutschen Ja zur Organspende, aber nur 25 Prozent haben einen Spenderausweis.
Wie also die Zahl der Spendewilligen erhöhen? Als fraktionsübergreifender Konsens zeichnet sich eine Neuregelung des Transplantationsgesetzes ab. Danach soll jeder Bürger künftig alle fünf Jahre von seiner Krankenkasse zu seiner Organspendebereitschaft befragt werden und mit "Ja", "Nein" oder "Möchte mich noch nicht entscheiden" antworten können. Gespeichert werden soll das auf der Gesundheitskarte. Bislang war das Tragen eines Organspendeausweises freiwillig.
Eine Pflicht zu antworten soll es nicht geben. Diese würde dem verfassungsrechtlichen Grundsatz widersprechen, wonach das Recht auf Selbstbestimmung auch das Recht umfasst, sich nicht zu verhalten. Wer sich jedoch enthält oder noch nicht entscheiden will, muss damit rechnen, dass seine Angehörigen im Todesfall über eine etwaige Organentnahme entscheiden
(taz 29.9.2011 S.6)

·         Nach monatelangem politischem Ringen ist der Weg für eine gesetzliche Neuregelung der Organspende frei. Die Spitzen aller Bundestagsfraktionen und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) einigten sich am Donnerstag in Berlin darauf, dass künftig jede Bürgerin und jeder Bürger regelmäßig darüber Auskunft geben soll, ob er im Fall seines Hirntods zur Organspende bereit ist. Ein entsprechender, fraktionsübergreifender Gesetzentwurf werde bis Jahresende von den Ethikexperten der Fraktionen erarbeitet. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass die Zahl potenzieller Organspender steigt.
Die Abfrage solle künftig etwa beim Versand der Versichertenkarte erfolgen, und zwar "mit so viel Nachdruck wie möglich, ohne jedoch eine Antwort zu erzwingen oder Sanktionen auszuüben", heißt es in der Erklärung von Union, SPD, FDP und Linkspartei. Wer nicht antwortet, wird also auch nicht bestraft.
Mit der Neuregelung wird die heutige im Transplantationsgesetz verankerte "erweiterte Zustimmungslösung" ersetzt, nach der Organe nur entnommen werden dürfen, wenn der Verstorbene vor seinem Tod zugestimmt hat oder seine Angehörigen in eine Transplantation einwilligen. Künftig soll die "Erklärungslösung" gelten, nach der der Staat die Bürger zu einem Votum anhalten darf.
(taz 25.11.2011 S.7)

·         Sterben ist ein Prozess. Der Hirntod ist der Nachweis des Todes nicht durch den Stillstand des Kreislaufs, sondern durch den kompletten Ausfall des Hirnorgans. Dies ist der Fall, wenn das Hirn … länger als 8 Minuten nicht durchblutet (mit Sauerstoff versorgt JK) ist. Dann ist das Gehirngewebe irreversibel geschädigt. … Es geht beim Hirntod um den Zeitpunkt, an dem der Sterbeprozess unumkehrbar ist. Das ist nicht Hokuspokus.
(taz 4.10.2011 S.4)

·         Im Jahr 2009 wurden 1888 potentielle Organspender gemeldet, in 565 Fällen (29,9%) lehnten die Angehörigen die Spende ab;
(Der Spiegel 39-2011 S.46)

·         In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages sagte Bischof Huber, es gebe „eine ethische Entscheidungspflicht“ jedes Einzelnen, die von der Gesellschaft einzufordern sei.
(taz 8.7.2011 S.18)

·         Interview mit dem Organspende-Kritiker Richard Fuchs;
Derzeit gilt die "erweiterte Zustimmungslösung". Spender müssen zu Lebzeiten schriftlich oder mündlich ihre Einwilligung geben, liegt keine Willenserklärung für oder gegen vor, haben die Verwandten das letzte Wort (rund 90 Prozent aller Organspender werden, mangels Einwilligung zu ihren Lebzeiten, von den Angehörigen freigegeben).;
Der kritische Kardiologe und Internist Paolo Bavastro übrigens spricht nicht von Hirntod, er nennt den Begriff eine arglistige Täuschung, weil es sich zwar um einen schwer hirngeschädigten Patienten handelt, der sozusagen ein Sterbender ist, aber noch nicht tot.;
veröffentlichte die Bundesärztekammer eine Erklärung, die besagte: "Nach dem Hirntod gibt es keine Schmerzempfindung mehr. Deshalb sind nach dem Hirntod bei Organentnahme keine Maßnahmen zur Schmerzverhütung (z. B. Narkose) nötig;
(Hirntote) sind ja noch lebende Patienten, die schwitzen, sich bewegen, ihre Wunden könnten verheilen, Frauen können noch ein Kind austragen, Männer könnten im Prinzip noch ein Kind zeugen. Es sind Lebende bzw. Sterbende, die letztlich durch die Organentnahme - ich sage es mal so schlicht - getötet werden. Die, bis das letzte Organ entnommen ist, beatmet werden. Erst dann sind sie wirklich tot;
Also im Land der ,ungebremsten Möglichkeiten' (USA), in dem ja sozusagen der Hirntod ins Leben gerufen wurde, ist er nach 30 Jahren zwar nicht begraben, aber doch stark relativiert worden. Seit 2008 der Nationale Bioethikrat bekannt gab, dass der Hirntod doch nicht der wirkliche Tod des Menschen zu sein scheint, und 2010 die American Academie of Neurology ihm die naturwissenschaftliche Begründung absprach, haben sich viele wissenschaftliche Stimmen gegen die Hirntoddefinition ausgesprochen.
Das hatte aber nur zur Folge, dass man in den USA nun darüber nachdachte, wie man das Problem löst, wie man das Hirntodkonzept umfirmiert, indem man sagt: ,JUSTIFIED KILLING' also ,gerechtfertigtes Töten'. Das stößt natürlich auf ethische und rechtliche Probleme. In den USA ist übrigens, wie auch in einigen europäischen Ländern, die Organentnahme bei Herztoten - den sogenannten Non-heart-beating-donors - erlaubt, wo man dann 2 bis5 Minuten nach Herzstillstand explantiert.;
Die Transplantationen werden ja, wie alle Krankenhausleistungen, über Fallpauschalen abgerechnet. Ich habe mir mal Pauschalen für 2011 besorgt. Da kostet in NRW beispielsweise eine Transplantation von Leber, Herz, Lunge samt Knochenmark oder Stammzellinfusion und 999 Stunden Beatmung schon mal bis zu 215.000 Euro, aufgerundet. Eine Lungentransplantation mit Beatmung 140.000 Euro. Oder eine Nierentransplantation mit Komplikationen - postoperatives Versagen - kostet etwa 25.000 Euro;
Die Organempfänger benötigen ihr Leben lang immunsuppressive Medikamente, damit das fremde Organ nicht abgestoßen wird.; Es gibt eine Statistik, was der Konsum dieser Mittel kostet, und das liegt bei 1 Milliarde 600 Millionen im Jahr (nicht klar, ob auf Deutschland bezogen JK)
(taz 26.9.2011 S.15)

·         Beitrag von Prof. Eckhard Nagel;
In einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung waren im Jahr 2010 74% der Befragten grundsätzlich damit einverstanden, nach ihrem Tod Organe und Gewebe zu spenden. Gleichzeitig hatten weniger als 25% der Befragten einen Organspendeausweis.;
Im Rahmen der Definitionsaufgabe des Transplantationsgesetzes wurde 1997 durch alle medizinisch-naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften in der Bundesrepublik festgestellt, dass „mit dem Hirntod … naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt“ werden kann.
Damit verbunden ist die Aussage, dass es sich um ein sicheres Todeszeichen handelt und ein irreversibler Eintritt des Todes auch medizinisch festgestellt werden kann. Dies ist strittig bei der reinen Herztod-Diagnose, so dass in Deutschland eine Organentnahme von Mensche, deren Herztod festgestellt worden ist, nicht erlaubt ist. Sogenannte „non heart-beating donors“ sind aber nach den gesetzlichen Bestimmungen in Österreich, Belgien und den Niederlanden möglich. Dies hat zur Folge, dass über die europäische Organverteilungszentrale in Leiden (Eurotransplant) Organe, die Verstorbenen nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand entnommen wurden, nicht nach Deutschland vermittelt werden dürfen.;
Auch für die freiwillige Entscheidung zur Organspende gilt die „Goldene Regel“, in der Jesus das Gebot der Nächstenliebe zusammenfasst: Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen (Mt. 7,12)
(Evangelische Verantwortung, Heft 9+10/2011 S.13ff.)

·         Bericht über eine Frau in Belgien, die im Zusammenhang mit aktiver Sterbehilfe ihre Organe spendet;
… der Fall von Carine liegt besonders. Sie will nicht nur sterben, sondern auch ihre Organe spenden. Deshalb verbringt sie ihre letzten Stunden in der Klinik statt in der eigenen Wohnung. Carine wird die tödliche Injektion im Operationssaal erhalten.
Carines Fall ist eine Weltpremiere. Nie zuvor haben Ärzte einen Patienten aktiv getötet und ihm sofort danach Organe entnommen.
Von dieser Premiere soll die Welt allerdings vorerst nichts wissen. Die beteiligten Ärzte vereinbaren Stillschweigen, als sie Carine am 29. Januar 2005 gegen 13.30 Uhr töten und ihr dann die Nieren, die Leber und die Bauchspeicheldrüse entnehmen. Erst 2009 erscheint die erste Publikation über diesen Fall – und drei weitere – in der medizinischen Fachpresse;
In den USA haben Chirurgen todgeweihten Neugeborenen 75 Sekunden nach dem Herzstillstand die Herzen entnommen, um sie anderen Säuglingen zu transplantieren. In Spanien bringen Rettungsteams Menschen, deren Lage aussichtslos ist, in Kliniken, in denen sie unablässig weiter reanimiert werden – um die Organe zu retten. In den Niederlanden wird bewusstlosen Schwerstkranken gemäß ihrem mutmaßlichen Willen das Atemgerät abgeschaltet, sodass Chirurgen wenige Minuten nach dem Herzstillstand die Organe entnehmen können.
Warum sollten belgische Euthanasiepatienten nicht ihre Organe spenden dürfen, wenn sie es doch wünschen? Von Carines Tod, versichert Wyffels der ZEIT, hätten fünf Kinder profitiert. Vier Organe wurden entnommen, die Leber wurde geteilt.;
(Patrick Cras) ist Vorsitzender jener Ethikkommission an der Universitätsklinik Antwerpen, die entscheiden musste, ob die weltweit erste Organentnahme nach aktiver Sterbehilfe zulässig sei. Patiententötungen sind für ihn nichts Ungewöhnliches. Rund 50-mal war er nach eigener Schätzung daran beteiligt. Dennoch versichert er: »Euthanasie fühlt sich nicht richtig an für einen Arzt, sie hinterlässt immer eine Narbe;
Aber darf man einen Menschen töten, der an seiner Behinderung verzweifelt? Das belgische Euthanasiegesetz schließt diese Möglichkeit nicht aus. 2002 erklärte Belgien als zweiter Staat der Welt nach den Niederlanden die Tötung auf Verlangen unter bestimmten Umständen für straffrei. Auch Patienten, deren Tod nicht absehbar ist, können Euthanasie beantragen. So starb 2008 der international angesehene Schriftsteller Hugo Claus durch eine tödliche Injektion, weil er das Fortschreiten seiner Alzheimer-Erkrankung nicht erleben wollte. Das Töten ist bei einem Patienten, der nicht im Sterben liegt, allerdings an besonders strenge formale Vorgaben gebunden. Er muss entscheidungsfähig sein, unerträglich leiden, ohne Aussicht auf Besserung, und seinen Sterbewunsch wiederholt äußern. Und all das muss von drei Ärzten geprüft werden – bei Sterbenskranken nur von zwei;
Eigentlich müsste es eine Kontrolle gegen Missbrauch geben. Jeder Sterbehilfefall in Belgien muss einer Kommission aus Ärzten, Krankenschwestern, Psychologen und Juristen gemeldet werden, damit diese überprüfen kann, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden. Doch nur jeder zweite Fall von geschätzt 1.040 Fällen im Jahr 2007 wird der Kommission überhaupt bekannt, so eine Untersuchung im Landesteil Flandern, die im angesehenen British Medical Journal veröffentlicht wurde. Und bei 17 Prozent der gemeldeten Tötungen fehlt sogar die schriftliche Einverständniserklärung des Patienten. Die Kommission könnte zweifelhafte Fälle zur Ermittlung an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Sie hat es nach Auskunft ihres Vorsitzenden in neun Jahren nicht ein einziges Mal getan;
Der Hausarzt malt das Szenario aus: »Diese extrem reichen Menschen, die eine Bauchspeicheldrüse brauchen, und dann ist da jemand, der ein passendes Organ hat und nicht sterbenskrank ist... Vielleicht würden sie mir zehn Millionen Euro zahlen, um den Patienten zu überreden, seine Organe zu spenden;
In Belgien wurden bislang acht Patienten nach einer Tötung auf Verlangen zu Organspendern. Cras versichert der ZEIT, die Frage nach der Spende müsse stets von den Patienten gestellt werden, nicht von den Ärzten;
Die belgischen Ärzte schätzen das Potenzial zusätzlicher Organspenden hoch ein. 2008 wurden 705 belgische Patienten auf ihren Wunsch hin getötet. 141 davon, also rund ein Fünftel, hatten neuromuskuläre Erkrankungen – solche Patienten wären als Organspender infrage gekommen.
(DIE ZEIT 20.10.2011 S.17ff. - http://www.zeit.de/2011/43/DOS-Euthanasie )

·         Max Siegel ist das Kind einer hirntoten Mutter. Seine Existenz verdankt er der Entschlossenheit von Ärzten, die vor 20 Jahren noch nicht ahnten, dass sie ein ethisches Minenfeld betreten.;
Gaby war eben nicht "tot", nur weil die Ärzte keine Hirnaktivität mehr nachweisen konnten - so zumindest sieht es Karl-Eugen Siegel. Denn wie sollte ein toter Körper das Wunder einer Schwangerschaft vollenden können?
Diese Geschichte hat mein Leben so auf den Kopf gestellt, dass kein Stein auf dem anderen geblieben ist", sagt Paolo Bavastro. Er ist Internist, 62 Jahre alt, ein hochgewachsener Mann mit dichtem weißem Haar, der das R tief rollt, ein Überbleibsel seiner italienischen Herkunft. Damals, 1991, erlebte er als Arzt die letzten Wochen von Gaby Siegel vor der Geburt. Seitdem beherrscht ein Satz sein Leben: "Hirntot ist nicht gleich tot.";
Der Arzt sagt, der Sauerstoffmangel habe ihr Gehirn schwer geschädigt. Sofort denkt Karl-Eugen an das Kind: "Bitte, tun Sie alles Erdenkliche für beide!" In den folgenden Tagen scheint es aufwärtszugehen. Gaby beginnt wieder selbst zu atmen, die Ärzte wollen sie sogar von der Beatmungsmaschine entwöhnen. Sie öffnet die Augen, manchmal glaubt Karl-Eugen, sie lächle - doch ihre Augen blicken ins Leere.
Die Ärzte sagen, dass sie wegen der Schwangerschaft wichtige Medikamente nicht geben könnten, und wollen das Kind abtreiben. Karl-Eugen ist empört - Gaby und er sind aktive Mitglieder in der neuapostolischen Kirche. "Schon der Gedanke an Abtreibung - nie hätte Gaby dem zugestimmt", sagt er. Am Morgen des 14. Juli, zehn Tage nach Gabys Zusammenbruch, reagieren ihre Pupillen nicht mehr auf Licht. Ein Anzeichen für ein Koma des Stadiums vier, die tiefste Form der Bewusstlosigkeit.
Der Sauerstoffmangel hat die Membranen der hochempfindlichen Nervenzellen geschädigt. Gewebswasser strömt ein, Gabys Gehirn saugt sich voll wie ein trockener Schwamm. Aber es kann sich nicht weit ausdehnen, stößt an die starren Schädelknochen. Schließlich tritt der Super-GAU der Intensivmedizin ein: Gabys Hirnstamm wird eingeklemmt und dauerhaft geschädigt. Jetzt sind lebenswichtige Funktionen betroffen.
Drei unendlich erscheinende Tage Hoffen und Bangen, dann schickt ein Neurologe Karl-Eugen vor die Tür und prüft, ob Gabys Hirnstamm noch intakt ist. Mit einem Spatel fährt er in ihren Mund, bestreicht ihren Gaumen und die Luftröhre - sogar Menschen im tiefen Koma reagieren darauf mit dem Würge- und Hustenreflex, Gaby nicht. Er klebt Elektroden auf ihren Kopf und misst die elektrische Aktivität des Gehirns - doch das EEG zeigt nur eine Nulllinie.
Vorgeschrieben wäre jetzt noch, die Beatmungsmaschine abzustellen und zu kontrollieren, ob die Patientin spontan zu atmen beginnt - aber diesen letzten Test, das haben die Ärzte vorher abgesprochen, soll er nicht durchführen, weil der Sauerstoffmangel den Fötus gefährden könnte.
Die Ärzte einigen sich auf Hirntod. Soll die Schwangerschaft jetzt noch fortgeführt werden? "Gaby ist ja jetzt wohl ein menschlicher Brutkasten, sagte ein Arzt zu mir", erzählt Karl-Eugen Siegel.;
Normalerweise erfordert es großen intensivmedizinischen Aufwand, die Körperfunktionen hirntoter Menschen auch nur einige Tage lang aufrechtzuerhalten. Denn ihr Körper strebt dem Tod entgegen. Oft stellt das Gehirn seine Hormonproduktion ein und koordiniert lebenswichtige Körperfunktionen nicht mehr: Blutdruck, Wasserhaushalt und Körpertemperatur können gefährlich entgleisen, manche Patienten bekommen Fieber, das auf kein Medikament anspricht, andere scheiden bis zu zehn Liter Urin am Tag aus. "Gaby Siegels Körper aber hat sich über lange Zeit weitgehend selbst reguliert", sagt Meyer.;
Unheimlich wird denjenigen, die Zeugen der täglichen Musiktherapie sind. Denn Gaby zeigt Reaktionen: Wenn ihr Puls rast und der Blutdruck gefährliche Spitzen erreicht, legt die Musiktherapeutin Monica ihre Hände auf die Brust ihrer Patientin und summt - der Kreislauf beruhigt sich. Täglich, wiederholbar, erzählt der Anästhesist, der damals die Patientin während dieser Phasen per Hand mit einem Beutel beatmet.
Erklären kann diese Reaktionen niemand - manche Ärzte und Wissenschaftler meinen später, vielleicht sei Gaby Siegel noch gar nicht hirntot gewesen, schließlich habe niemand den Atemtest durchgeführt.;
Das bisherige Hirntod-Konzept besagt, dass der Körper nach dem endgültigen Absterben des Gehirns unweigerlich und rasch in seine Einzelteile zerfällt, weil das zentrale Steuerungsorgan, das Gehirn, fehlt. Diese Vorstellung ist schwer zu vereinbaren mit den mittlerweile 30 Fällen von hirntoten Schwangeren, die zum Teil monatelang am Leben gehalten wurden.
Der Bioethikrat der USA erklärte deshalb bereits 2008 das traditionelle Hirntod-Konzept für widerlegt. Trotzdem bekannte sich damals die Mehrheit der beteiligten US-Wissenschaftler dazu, dass es so etwas wie den Hirntod zumindest gibt. Sie versuchten diesen aber nicht mehr streng naturwissenschaftlich, sondern eher philosophisch zu begründen. Demnach fehlen einem Hirntoten drei fundamentale Fähigkeiten des lebenden Menschen: die Empfänglichkeit für Reize aus der Umgebung, die Fähigkeit, auf die Welt einzuwirken, sowie der Drang des Organismus, seine Bedürfnisse zu befriedigen - zum Beispiel Hunger durch Essen zu stillen. Dieses neue Hirntod-Konzept ist jedoch unter Medizinethikern sehr umstritten.;
Am 26. September 1991, 84 Tage nach Gaby Siegels Zusammenbruch, setzen morgens vorzeitige Wehen ein. Ihr Blutdruck sinkt bedrohlich ab. Die Gebärmutter kann nicht ausreichend durchblutet werden.
Medikamente versagen, mittags entscheiden sich die Ärzte für einen Kaiserschnitt.;
Ein Jahr nach Max' Geburt verunglückt die 18-jährige Marion P. bei einem Verkehrsunfall. Diagnose: Hirntod. Sie ist in der 14. Woche schwanger. Die Ärzte der Erlanger Uni-Klinik überreden die Eltern, die Tochter am Leben zu erhalten, bis der Fötus entbunden werden kann.
Fünf Wochen später stirbt das Ungeborene durch eine Infektion der Mutter.;
Der Anästhesist Johannes Meyer hat einen anderen Weg beschritten - heute ist er Transplantationsbeauftragter der Filderklinik und trägt selbst einen Organspendeausweis. "Ich halte ,Hirntod' für ein unglückliches Wort, für mich sind Menschen wie Gaby Siegel irreversibel Sterbende. Aber mit dem Ablauf einer Organtransplantation habe ich kein Problem." Denn unbestritten ist für alle Wissenschaftler, Kritiker wie Befürworter, dass es für einen hirntoten Menschen keinen Weg zurück ins Leben gibt.
Die Frage, ob das Hirntod-Konzept haltbar sei, hat mittlerweile auch die Bundesärztekammer erreicht. Gerade hat sich ihre Zentrale Ethikkommission mit ihr befasst. Sie kommt zum Schluss, dass es unabdingbar sei, "sich einer öffentlichen Debatte über das Hirntod-Konzept zu stellen".
(Der Spiegel 25-2011 S.112 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79051538.html )

·         12.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan; jeden Tag sterben 3 Menschen, denen ein gespendetes Organ hätte das Leben retten können;
Bundestag hat neue gesetzliche Regelungen zur Organspende mit breiter Mehrheit beschlossen:
+ „Entscheidungslösung“
+ Bundesbürger werden künftig regelmäßig zu ihrer Spendenbereitschaft befragt; innerhalb eines Jahres sollen alle Versicherten ab 16 Jahre erstmals Post von ihrer Krankenversicherung bekommen;
+ in dem Schreiben werden sie aufgefordert, sich zu entscheiden, ob sie nach ihrem Tod Organe spenden wollen oder nicht; eine Pflicht zur Entscheidung gibt es nicht;
+ Krankenhäuser, in denen Organe entnommen werden können, benötigen mindestens einen Transplantationsbeauftragten (potentielle Spender melden, Organspendeprozess koordinieren; Gespräche mit Angehörigen Verstorbener führen); 2010 galten etwa 1350 Einrichtungen als sogenannte Entnahmekrankenhäuser;
+ Lebendspender haben künftig Anspruch auf sechswöchige Lohnfortzahlung, für welche die Krankenkasse des Organempfängers aufkommen muss
+ Krankenkassen dürfen Spendebereitschaft auf der Gesundheitskarte verzeichnen
(Freie Presse Chemnitz Pfingsten 2012 S.1)

·         jährlich etwa 700 „Lebendorganspender“ in Deutschland
(taz 6.3.2012 S.6)

·         Deutschland:
laut Umfrageergebnissen sind 70% der Deutschen zur Spende bereit, weniger als 20% haben einen Spenderausweis;
2011 spendeten 1200 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe, 7,4% weniger als 2010
(taz 3./4.3.2012 S.5)

·         einem neunjährigen Mädchen in den USA sind sechs Organe von einem Spender gleichzeitig eingepflanzt worden; litt an einem seltenen und aggressiven Tumor, der sich auf mehrere Organe ausgebreitet hatte
(Freie Presse Chemnitz 6.2.2012 S.8)

·         in China stammen die meisten transplantierten Organe nach wie vor von hingerichteten Häftlingen; dies lasse sich angesichts der hohen Nachfrage nach Organen und der geringen Zahl von Spendern nicht vermeiden, sagte der chinesische Vizegesundheitsminister;
China hatte 2007 den Organhandel verboten; in China werden jedes Jahr rund 10.000 Organe transplantiert; 1,3 Millionen Menschen warten auf ein Spenderorgan;
Amnesty International schätzt die Zahl der Hinrichtungen auf 4000 pro Jahr
(taz 8.3.2012 S.11)

·         in Japan wurde das Hirntodkonzept erst 1997 übernommen;
in Großbritannien und den Niederlanden dürfen Organe auch nach dem Herzstillstand entnommen werden; ein Drittel der Organspender sind dort mittlerweile „Herztote
(taz 23.3.2012 S.18)

·         Vermittlungsorganisation DSO; erhält von den Krankenkassen derzeit knapp 8000 Euro pro transplantiertem Organ; Erfolgsbilanz miserabel: rund 15 Organspender in Deutschland pro 1 Million Einwohner, in Spanien doppelt so viele;
Mangel an Aufsicht:
Fall 1: hirntoter Berliner, Angehörige wollten Organspende nur zustimmen, wenn seine Frau eine der Nieren bekommt, DSO, Eurotransplant und Bundesärztekammer stimmten zu, klarer Verstoß gegen das Transplantationsgesetz; begründet mit „rechtfertigendem Notstand“;
Fall 2: eines der beiden vorgeschriebenen Protokolle zur Feststellung des Hirntodes fehlte; weil sich alle sicher waren, dass es ein zweites Protokoll gäbe und zudem ein Totenschein vorlag, wurde trotzdem explantiert
(Der Spiegel 14-2012 S.116ff.)

·         Organtransplantationen in Deutschland 2011 (Quelle Eurotransplant);
Organ         transplantierte Organe   benötigte Organe
Niere          1862                            7573
Leber         1015                            2064
Herz           341                              992
Lunge         325                              580  (57 einzelne, 268 doppelte Lungen
Pankreas    16                                46
(Das Parlament 26.3.2012 S.3)

·         82-jähriger in Südengland meldet sich freiwillig „Ich möchte eine Niere spenden“;
spendet anonym, kein Geld, er wollte einfach helfen
(Der Spiegel 24-2012 S.47)

·         das Klinikum St. Georg in Leipzig wurde von der DSO mit einem Zertifikat ausgezeichnet für sein Engagement bei Organspenden (Hilfe durch Klinikleitung, Fortbildung Personal, Richtlinien für Akutfall)
(Freie Presse Chemnitz 4.6.2012 S.2)

·         Die Zweifel am Hirntodkonzept spiegeln sich auch in einer bizarren Diskussion, die unter europäischen Anästhesisten geführt wird. Soll man Hirntote bei der Organentnahme narkotisieren, weil nicht völlig auszuschließen ist, dass sie – zumindest auf einer grundlegenden Ebene – Schmerz empfinden können? In der Schweiz ist eine Narkose vorgeschrieben, die Deutsche Stiftung Organtransplantation versichert hingegen: „Eine Narkose zur Ausschaltung des Bewusstseins und der Schmerzreaktion ist beim hirntoten Spender nachweislich überflüssig.“ Nur Opiate und Muskelentspannungsmittel werden hierzulande gegeben, um verstörende Bewegungen des Hirntoten während der Organentnahme zu unterbinden – sie sind als „Lazarussyndrom“ bekannt und werden als Reflexe des Rückenmarks gedeutet.
Der amerikanische Bioethikrat verwirft zwar die bisherigen wissenschaftlichen Begründungen für den Hirntod, hält aber an der Gleichsetzung mit dem Tod des Menschen fest. Gerechtfertigt wird dies auch mit den Bedürfnissen der Transplantationsmedizin: Würde man das Hirntodkonzept scheitern lassen, müsste man entweder auf einen Großteil der Organspenden verzichten oder aber das Prinzip aufgeben, dass lebenswichtige Organe nur Toten entnommen werden dürfen. Beide Konsequenzen hält der Bioethikrat der Vereinigten Staaten für nicht akzeptabel.;
Der frühere Hirntodkonzept-Befürworter Dieter Birnbacher, Mitglied der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer, erkennt zwar mittlerweile an, dass der Hirntod nicht als Tod des Menschen gelten kann, will ihn aber als pragmatische Voraussetzung einer Organentnahme beibehalten.
(bild der wissenschaft 4-2012 S.30)

·         Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz; 12.7.2012
Artikel 1
Änderung des Transplantationsgesetzes
Das Transplantationsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2007 (BGBl. I S. 2206), das durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 1 wie folgt gefasst:
„§ 1 Ziel und Anwendungsbereich des Gesetzes“.
2. § 1 wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„Ziel und Anwendungsbereich des Gesetzes“.
b) Folgender Absatz 1 wird vorangestellt:
„(1) Ziel des Gesetzes ist es, die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland zu fördern. Hierzu soll jede Bürgerin und jeder Bürger regelmäßig im Leben in die Lage versetzt werden, sich mit der Frage seiner eigenen Spendebereitschaft ernsthaft zu befassen und aufgefordert werden, die jeweilige Erklärung auch zu dokumentieren. Um eine informierte und unabhängige Entscheidung jedes Einzelnen zu ermöglichen, sieht dieses Gesetz eine breite Aufklärung der Bevölkerung zu den Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende vor.“
c) Die bisherigen Absätze 1 und 2 werden die Absätze 2 und 3.
3. § 2 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Bundesbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit, insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, sowie die Krankenkassen sollen auf der Grundlage dieses Gesetzes die Bevölkerung aufklären über
·        1. die Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende,
·        2. die Voraussetzungen der Organ- und Gewebeentnahme bei toten Spendern einschließlich der Bedeutung einer zu Lebzeiten abgegebenen Erklärung zur Organ- und Gewebespende, auch im Verhältnis zu einer Patientenverfügung, und der Rechtsfolge einer unterlassenen Erklärung im Hinblick auf das Entscheidungsrecht der nächsten Angehörigen nach § 4 sowie
·        3. die Bedeutung der Organ- und Gewebeübertragung im Hinblick auf den für kranke Menschen möglichen Nutzen einer medizinischen Anwendung von Organen und Geweben einschließlich von aus Geweben hergestellten Arzneimitteln.
Die Aufklärung hat die gesamte Tragweite der Entscheidung zu umfassen und muss ergebnisoffen sein. Die in Satz 1 benannten Stellen sollen auch Ausweise für die Erklärung zur Organ- und Gewebespende (Organspendeausweis) zusammen mit geeigneten Aufklärungsunterlagen bereithalten und der Bevölkerung zur Verfügung stellen. Bund und Länder stellen sicher, dass den für die Ausstellung und die Ausgabe von amtlichen Ausweisdokumenten zuständigen Stellen des Bundes und der Länder Organspendeausweise zusammen mit geeigneten Aufklärungsunterlagen zur Verfügung stehen und dass diese bei der Ausgabe der Ausweisdokumente dem Empfänger des Ausweisdokuments einen Organspendeausweis zusammen mit geeigneten Aufklärungsunterlagen aushändigen.“
b) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:
„(1a) Die Krankenkassen haben, unbeschadet ihrer Pflichten nach Absatz 1, die in Absatz 1 Satz 2 genannten Unterlagen ihren Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, zur Verfügung zu stellen, wenn ihnen die elektronische Gesundheitskarte nach § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ausgestellt wird. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen haben die in Absatz 1 Satz 2 genannten Unterlagen ihren Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, alle fünf Jahre zusammen mit der Beitragsmitteilung nach § 10 Absatz 2a Satz 9 des Einkommensteuergesetzes zur Verfügung zu stellen. Ist den Krankenkassen und den privaten Krankenversicherungsunternehmen ein erstmaliges Erfüllen der Verpflichtungen nach den Sätzen 1 und 2 innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht möglich, haben sie die Unterlagen nach Absatz 1 Satz 2 ihren Versicherten innerhalb des vorgenannten Zeitraums in anderer geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen. Solange die Möglichkeit zur Speicherung der Erklärungen der Versicherten zur Organ- und Gewebespende nach § 291a Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch nicht zur Verfügung steht, haben die Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungsunternehmen die in Absatz 1 Satz 2 genannten Unterlagen ihren Versicherten alle zwei Jahre zu übersenden. Mit der Zurverfügungstellung der Unterlagen fordern die Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungsunternehmen die Versicherten auf, eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende zu dokumentieren und benennen ihnen gegenüber fachlich qualifizierte Ansprechpartner für Fragen zur Organ- und Gewebespende sowie zur Bedeutung einer zu Lebzeiten abgegebenen Erklärung zur Organ- und Gewebespende, auch im Verhältnis zu einer Patientenverfügung.“
c) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:
„(2a) Niemand kann verpflichtet werden, eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende abzugeben.“

(http://www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/bund/krankenhaus/gesetzgebung/gesetz_entscheidungslo__sung_transplantationsgesetz_180712.pdf )

·         Organstransplantationen in Deutschland 2011 (Bedarf an Spenderorganen / 2011 transplantierte Organe):
Niere 7573/1862; Leber 2064/1015; Herz 992/341; Lunge 580/268; Bauchspeicheldrüse 46/16
(taz 10.8.2012 S.2; Freie Presse Chemnitz 21.7.2012 S.1)

·         23 Verdachtsfälle an der Uniklinik in Göttingen, 23 Verdachtsfälle an der Uniklinik in Regensburg;
die gefälschten Krankenakten, die Patienten zu Lebertransplantationen verholfen hätten, gingen offenbar allein auf das Konto eines ehemaligen Oberarztes; soll der Verdächtige in allen Bereichen der Akten Daten manipuliert haben, damit die Patienten mit einem höheren Krankheitsgrad eingestuft werden und eine Spenderleber erhalten;
krankhafter Ehrgeiz und Geltungssucht des Ex-Oberarztes;
seit 2007 keine gefälschten Krankenakten mehr in Regensburg; seitdem mussten einer Akte originale Laborbefunde beigefügt werden
(Freie Presse 3.8.2012 S.5)

·         Zeitspanne zwischen Organentnahme und Verpflanzung: Herz und Lunge maximal 4-6 Stunden; Leber und Bauchspeicheldrüse 10-12 Stunden; Nieren bis 24 Stunden;
Daten eines Spenders, die an EUROTRANSPLANT gemeldet werden: Gewicht, Größe und Blutgruppe des Spenders; Informationen über den Kreislauf, mögliche Infektionen oder Krankheiten und Angaben über die verabreichten Medikamente; Standort des Spenders;
sobald ein passender Empfänger gemeldet ist, wird die Deutsche Stiftung Organspende (DSO) informiert, die den Transport organisiert;
die Organe werden entnommen, mit gekühlter Konservierungslösung durchspült, in sterile Tütensystem verpackt, die in spezielle, mit Eis gefüllte Styroporboxen gelegt werden; während des Transports muss eine Temperatur von vier Grad Celsius konstant gehalten werden;
in Deutschland arbeiten heute 50 Transplantationszentren mit rund 100 Kliniken zusammen, in denen Organe von Verstorbenen entnommen werden
(Freie Presse 10.8.2012 S.4)

·         In Deutschland gelangen immer mehr rettende Spenderorgane per Schnellverfahren zu todkranken Patienten. Allein 2011 wurden rund 900-mal Herz, Lunge, Niere, Leber oder Bauchspeicheldrüse per beschleunigte Vermittlung vergeben, wie aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht.
Dieses Verfahren wird zum Beispiel für schwer vermittelbare Organe etwa von älteren Patienten mit Vorerkrankungen angewendet, die Organe bleiben in der Regel in der Region. Es wird auf kurze Dauer bis zum Einsetzen des Organs geachtet. Wenn ein solches Organ bereits in einem Transplantationszentrum ist und dort als nicht geeignet für einen Patienten bewertet wird, kann es sein, dass es gar nicht mehr allgemein vergeben wird, sondern in der Klinik bleibt. Das sonst gängige System einheitlicher Wartelisten ist so weitgehend außer Kraft gesetzt.
Das Ministerium verwies auf Richtlinien der Bundesärztekammer, nach denen es auch für dieses Verfahren bestimmte Auswahlkriterien gibt. Mit 38,5 Prozent wurde 2011 etwa mehr als jede dritte Leber auf diesem Weg vergeben. Auch fast jedes vierte Herz und sogar jede zweite Bauchspeicheldrüse wird im beschleunigten Verfahren verteilt. 2002 betrug der Anteil der beschleunigten Verfahren bei Herz, Leber und Bauchspeicheldrüse noch unter 10 Prozent.
Das Ministerium begründete den Anstieg mit dem wachsenden Spenderalter, was vermehrt schwer vermittelbare Organe bringe. Es gilt dem Bericht zufolge bei Experten jedoch als manipulationsanfällig. Wiederholt war der Verdacht geäußert worden, Organe würden "kränker" gemacht, um das bestehende System der Organverteilung zu unterlaufen.
(taz 8.8.2012 S.5)

·         Bis zu 102.980,43 Euro für eine transplantierte Leber zahlen die gesetzlichen Krankenkassen, bis zu 123.765,58 Euro für ein Herz.
Die Krux bei der Berechnung: "Transplantationen werden den Kliniken seit 2003 nicht mehr als Gesamtjahresbudget vergütet", wie der Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, sagt, "sondern pro Fall". Werden weniger Organe verpflanzt als vorausgesehen, hat das Folgen für den Sachkostenschlüssel, den Stellenplan und im Zweifel sogar für die Existenz des Zentrums. Die Zulassung behält nur, wer eine bestimmte jährliche Mindestanzahl von Transplantationen nachweist.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur 4.054-mal Organe Verstorbener verpflanzt. Da mutete die Konkurrenz zwischen den 48 Zentren an wie eine - um im Bild zu bleiben - Schlacht um Leben und Tod.;
Etwas länger beatmen
Das fängt an bei vermeintlich objektiven Dingen wie den Fallpauschalen. Eine Lebertransplantation, nach der der Patient kürzer als 180 Stunden beatmet werden muss, wird mit 44.750,30 Euro vergütet. Wird länger beatmet, bekommt die Klinik den Höchstsatz: 102.980,43 Euro. Dahinter steckt die korrekte Annahme, dass künstliche Beatmung auf Intensivstationen ebenso kosten- wie personalintensiv ist.
Was aber, wenn der Patient just nach 177 Stunden Beatmung stabil ist? Nur drei Stunden mehr, und die Klinik bekäme mehr als das Doppelte! "Sie müssen den Patienten nicht einmal regelwidrig an der Beatmungsmaschine lassen", verrät ein Insider. "Es reicht, ihm für die fehlenden drei Stunden eine kleine Atemunterstützungsmaske aufzusetzen, was dann auch als Beatmung abgerechnet werden darf.";
Ganz legal beeinflussen lassen sich auch die Leberwerte: Der Gerinnungswert etwa - einer der drei Werte, die darüber entscheiden, ob der Patient weiter oben oder unten auf der Warteliste landet - ist derzeit abhängig von der Bestimmungsweise des jeweiligen Labors, erklärt der Medizinische Direktor der Stiftung Eurotransplant, Axel Rahmel, zuständig für die Organverteilung in sieben europäischen Ländern.
Ärzte im Dilemma
Die Diskrepanzen seien bemerkenswert. Rahmel: "Ich sehe das durchaus problematisch, aber derzeit verfügen wir über kein besseres System." Dasselbe Blut kann also zu unterschiedlichen Überlebenschancen führen - abhängig davon, an welches Labor der Arzt es zur Untersuchung schickt. Solange nicht genug Organe zur Verfügung stehen, "wird jeder Arzt versuchen, dass der eigene Patient ein Organ bekommt" …;
Als Kompromiss werden zunehmend auch Organe verpflanzt, die man vor 20 Jahren noch verworfen hätte, sagt Helmut Arbogast: Lebern von fettleibigen Alten etwa, Nieren von Verstorbenen mit bestimmten Hirn- oder Hauttumoren, die nach Stand der Wissenschaft jedoch nicht streuen, Bauchspeicheldrüsen von über 50-jährigen mit eingeschränkter Funktionstüchtigkeit. Sogar Organe von Hepatitis-Infizierten und HIV-Positiven werden nicht unbedingt abgelehnt.;
Weiteres Problem: Die beschleunigte Vergabe - ursprünglich als Ausnahme gedacht - wird immer häufiger. Doch die Kriterien für die Zuteilung dieser nichtoptimalen Organe sind nicht transparent. Die Zuteilung erfolgt nach der subjektiven und schwer überprüfbaren Einschätzung des behandelnden Arztes. Die Zahl stieg zwischen 2002 und 2012 dramatisch an: bei den Lebern von 9,1 auf 37,1 Prozent, bei den Herzen von 8,4 auf 25,8 Prozent, bei den Lungen von 10,6 auf 30,3 Prozent und bei den Bauchspeicheldrüsen von 6,3 auf 43,7 Prozent. Das liegt nicht nur daran, dass mehr ältere und kränkere Spender dabei sind als früher. Der Anteil der über 65-jährigen Spender stieg in dieser Zeit nach Angaben der gesetzlichen Krankenkassen lediglich von 20 auf 30 Prozent.
(taz 13.8.2012 S.3; http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2012%2F08%2F13%2Fa0074&cHash=1549d41413 )

·         Die gekaufte Niere;
Aber im Frühjahr hatte sie am Busbahnhof Tel Aviv ein russischsprachiges Anzeigenblättchen von der Straße aufgehoben. "Nierenspender gesucht", so stand dort, gute Bezahlung wurde versprochen. Dazu eine Telefonnummer. Vera Schewdko hatte die Zeitung damals mitgenommen. Und jetzt erinnerte sie sich daran, kramte das Blatt hervor und rief an. Der Mann versprach ihr 10 000 Dollar. Vera Schewdko stimmte zu, ihre Niere zu verkaufen.;
Nach Zahlen der Vereinten Nationen werden jedes Jahr 10 000 Nieren illegal verpflanzt, manche Forscher halten gar 20 000 für realistisch. Und weil die Menschen weltweit immer mehr und älter werden, wächst die Nachfrage.;
Die Mafia lebt von jenen Menschen, die fürchten, dass ihre Zeit ablaufen wird, bevor sie mit einer Transplantation an der Reihe sind. Von Menschen, die - den Tod vor Augen - moralische Bedenken und das Gesetz ausklammern; die einen anderen Menschen auf die denkbar brutalste Art ausbeuten, um selber noch eine Weile weiterleben zu dürfen. Manche gehen diesen Weg sogar, weil sie lieber ein frisches Organ aus einem vitalen Körper möchten als ein altes aus dem Leib eines Toten.
Organbroker offerieren solchen Kunden "Nierenpakete" zum Preis von bis zu 160 000 Euro - all inclusive, also auch Spesen und Schmiergelder. Bei denen, die sich ausschlachten lassen, kommt nur ein Bruchteil an. 750 Euro bieten Organhändler in Indien oder Bangladesch für den Schnitt, der die Spender aus dem Elend führen soll.;
Jenen Israelis, an die die Familie schließlich geriet, soll Walter nach Erkenntnissen von Ratels Ermittlern schließlich 81 892,72 Euro überwiesen haben - wozu sich weder der Fabrikant noch sein Sohn äußern wollen.;
Tatsächlich ist die Organentnahme sehr gefährlich. Die Empfänger kehren in die Krankenhäuser ihrer Heimat zurück, wo Ärzte nicht viele Fragen stellen und bestmögliche Nachsorge betreiben - auch falls die neuen Organe Hepatitis oder HIV übertragen. Denn ohne Risiko ist das klammheimliche Geschäft natürlich auch für die Käufer nicht.;
Weltweit ist es verboten, Organe zu kaufen und zu verkaufen, einzig Iran erlaubt, dass sogenannte Lebendspender ein Geldgeschenk bekommen dürfen.;
Allerdings ranken um den Organhandel auch viele Großstadtlegenden: So kursieren Gruselgeschichten wie die von einem Geschäftsreisenden, der im Ausland von einer Prostituierten verführt wird und in einer Badewanne voller Eis aufwacht, mit nur noch einer Niere. Es gibt auch das Gerücht, nach dem in Lateinamerika Waisenbabys für ihre Organe getötet und dann ausgeschlachtet am Straßenrand zurückgelassen werden.
Keine dieser Geschichten ist je belegt worden.;
Dass Patienten wie Walter plötzlich von einer Auslandsreise mit einer neuen Niere zurückkehren, erleben Kliniken in Europa und Nordamerika immer wieder. In Deutschland kamen 2002 vier seltsame Vorgänge von mutmaßlichem Organhandel ans Licht: Einem Rentner aus Israel wurde 2001 in einer Klinik in Jena die Niere eines jungen Mannes aus Moldau eingepflanzt. Angeblich war der Spender sein Neffe. Jede Transplantation dieser Art wird vor einer sogenannten Lebendspende-Kommission des jeweiligen Bundeslandes verhandelt, die überprüfen soll, ob tatsächlich Nächstenliebe im Spiel ist oder ob Geld fließt.
In Essen, wo die beiden angeblich Verwandten eigentlich operiert werden sollten, hatte die Kommission Zweifel. Vielleicht auch deshalb, weil zuvor drei Israelis Organe von jungen angeblichen Angehörigen erhalten hatten, die alle aus Osteuropa stammten. Den Operateur kümmerte die Essener Vorsicht kaum, er wich nach Jena aus. Die dortige Kommission stimmte zu.;
Der Unternehmer Walter ist inzwischen an Hautkrebs erkrankt. Er lebt mit Vera Schewdkos Niere nun schon knapp fünf Jahre länger, als die Ärzte ihm gegeben hatten. Sein Sohn sagt, sie hätten vorher überlegt, ob er selbst seinem Vater eine Niere spenden sollte - das wäre juristisch problemlos möglich gewesen. Aber natürlich wusste die Familie, dass es gefährlich ist, eine Niere abzugeben, vor allem für jemanden, der noch relativ jung ist. Dann sagt der Sohn noch, die Familie wolle mit dieser Sache abschließen, den letzten Aktenordner mit Dokumenten dazu habe man auf den Müll geworfen.;
(Spiegel 31-2012 S.22ff.)

·         In Göttingen soll ein Transplanteur Blutproben manipuliert haben, um seinen Patienten zu einer fremden Leber zu verhelfen. Der Fall stürzt das fragile System der Organspende in eine tiefe Krise.;
Der Fälscher hatte eine Lücke im System der Uni-Klinik Göttingen gefunden. Während eines Zeitfensters von zehn Minuten standen die von ihm gefälschten Blutwerte noch in der Klinikdatei, obwohl er sie dem Labor bereits als fehlerhaft gemeldet hatte. Während dieser Zeit druckte der Täter die falschen Werte aus und faxte sie an die zentrale Vergabestelle für Organe im niederländischen Leiden.
Der Transplantationschirurg Aiman O., 45, soll am Göttinger Klinikum auf diese Weise mindestens 23 Patienten zu neuen Organen verholfen haben, obwohl sie noch nicht an der Reihe gewesen wären. Auch der leitende Gastroenterologe Giuliano R., 60, wurde beurlaubt. Der Verdacht habe sich erhärtet, so die Klinik, dass auch er manipuliert habe oder jedenfalls beteiligt war.;
Externe Gutachter haben die Göttinger leberkranken Patienten inzwischen überprüft. Statt 140 stehen nun 66 Göttinger Patienten auf der Eurotransplant-Liste.
(Spiegel 31-2012 S.31ff..)

·         Hannover – Zum ersten Mal in Deutschland haben Lebende Teile ihrer Lungen für eine Organtransplantation gespendet – in diesem Fall Eltern für ihren Sohn; pflanzten einem 12-jährigen Jungen je einen Lungenlappen seiner Mutter und seines Vaters ein
(Freie Presse Chemnitz 8.9.2012 S.8)

·         Ein Team schwedischer Wissenschaftler hat zwei Patientinnen erstmals die Gebärmutter ihrer jeweiligen Mütter eingepflanzt. Die Operationen am vergangenen Wochenende seien bei allen Beteiligten erfolgreich verlaufen, teilte die Universität Göteborg am Dienstag mit. Eine der Patientinnen wurde ohne Gebärmutter geboren. Bei der zweiten Frau habe der Uterus wegen Krebs entfernt werden müssen. Die Mütter, die die Organe gespendet hatten, seien bereits wieder wohlauf.
(taz 20.9.2012 S.02)

·         2011 wurden in Deutschland Verstorbenen 4.054 Organe - darunter Nieren, Herzen, Lungen, Lebern - entnommen und Patienten eingepflanzt. Damit liegen die Deutschen bei den Organspenden im internationalen Vergleich im Mittelfeld. In Spanien werden etwa doppelt so viele Organe verpflanzt.
Ein Mensch, dem nach seinem Tod verschiedene Organe entnommen werden, kann rund sieben anderen helfen. 1.200 Spender gab es 2011 in Deutschland. Nur rund 10 Prozent der möglichen Spender hatten einen Spenderausweis. 76 Prozent der Deutschen möchten nicht spenden.
Wie funktioniert eine Transplantation? Im Krankenhaus stellen Ärzte den Hirntod eines Spenders fest. Das melden sie der Deutschen Stiftung Organspende (DSO), die für die Organisation von Organspenden zuständig ist. Zunächst werden die medizinischen Voraussetzungen für eine Entnahme geklärt - Blutgruppe, Gewicht und Alter des Spenders. Diese Laborwerte werden an die Stiftung Eurotransplant (ET) weitergeleitet. Die Organisation mit Sitz in Leiden (Niederlande) ist zuständig für die Verteilung der Spenderorgane in Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Kroatien und Slowenien.
ET vermittelt die gemeldeten Organspenden an die Patienten. Auf der ET-Warteliste stehen derzeit etwa insgesamt 16.000 Frauen, Männer und Kinder. Der Empfänger wird nach Dringlichkeit ausgesucht: Wer könnte im Laufe der nächsten drei Monate ohne Transplantation sterben?
Erst jetzt wird das Organ entnommen und schnellstmöglich steril und gekühlt bei 4 Grad Celsius in ein Transplantationszentrum transportiert. Herz und Lunge halten etwa vier bis sechs Stunden, Leber und Bauchspeicheldrüse bis zu zwölf Stunden, Nieren bis zu 24 Stunden.
Am häufigsten werden in Deutschland Nieren (2011: 2.055) und Lebern (2011: 1.116) verpflanzt. Der Transport geschieht häufig nachts, wenn die Straßen leerer sind. Notfalls werden Hubschrauber oder Flugzeuge genutzt. In Deutschland gibt es 48 Transplantationszentren und rund 1.400 Krankenhäuser, die eine Intensivstation haben und Transplantationen durchführen könnten.;
Die Operationen sind teuer. So kostet nach Angaben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung eine Lebertransplantation, bei der der Patient über 179 Stunden beatmet werden muss, rund 103.000 Euro. Eine Lungentransplantation mit Beatmung wird mit 106.000 Euro beziffert und eine Herztransplantation mit 124.000 Euro.
Es werden nicht nur Toten Organe entnommen. Auch Lebendspenden sind möglich, etwa bei Nieren, Dünndarm, Leber und Lunge. Praktisch werden in Deutschland nur bei Nieren und Lebern Lebendspenden vorgenommen: 2011 wurden 195 Nieren lebender Spender verpflanzt und 71 Lebern. Die Spender müssen volljährig, einverstanden und gesundheitlich geeignet sein. Meist spenden Verwandte, Ehepartner oder nahestehende Personen.
(taz 28.8.2012 S.02)

·         Auch wenn man es beim Hirntod mit einem Schritt im Sterbeprozess zu tun hätte: Es ist der entscheidende Schritt, hinter den es kein Zurück mehr gibt.
(Der Sonntag, Sachsen, 16.9.2012 S.4)

·         Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind 74% der Deutschen zu einer Organ- und Gewebeentnahme nach ihrem Tod bereit; allerdings besitzen nur 25% einen Spenderausweis
(Freie Presse Chemnitz 2.11.2012 S.4)

·         „Geistliches Wort“ des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider;
sowohl die Entscheidung für oder die gegen eine Organspende ebenso wie die Option für eine Nicht-Entscheidung seien christlich verantwortbar und ethisch zu respektieren;
Nach christlichem Verständnis seien das Leben und damit der Körper des Menschen ein Geschenk Gottes; Aus Nächstenliebe und Solidarität mit Kranken könne ein Christ der Organentnahme zustimmen; Diese verletze weder die Würde des Menschen noch störe sie die Totenruhe; Auch die Hoffnung auf Auferstehung bleibe davon unberührt
(Der Sonntag, Sachsen, 2.12.2012 S.2)

·         Papst Johannes Paul II: „Der Tod ereignet sich, wenn das geistige Prinzip, das die Einheit des Organismus sichert, seine Funktion für den Organismus und in ihm nicht mehr erfüllen kann und dessen sich selbst überlassene Elemente sich auflösen.“
(Publik-Forum Nr.22-2012 S.16ff)

·         Schweineorgane für Transplantationen?
Nicht erst seit dem Göttinger Organspendeskandal ist die Befürchtung verbreitet, das neue Transplantationsgesetz könnte nicht ausreichend BürgerInnen dazu bewegen, ihre Ausweise mit einem „Ja“ auszufüllen. Die Organtransplantation steht auf der Prioritätenliste jedenfalls weiterhin oben - auch in der Forschungsförderung. Ein neuer Anlauf wird derzeit für ein altes Projekt genommen: Mit 13 Millionen Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft für vier Jahre einen Sonderforschungsbereich an der Universität München, in dem es um die Transplantation von Tierorganen zum Menschen geht. Ziel ist es, die menschliche Immunreaktion auf tierisches Gewebe besser zu verstehen und herauszufinden, wie Abstoßungsreaktionen unterdrückt werden können. Um Mechanismen der Immunantwort zu untersuchen, sollen bei einer bestimmten Schweineart aus Neuseeland unter anderem mit Hilfe gentechnischer Methoden bestimmte Gene „ausgeschaltet“ werden. (www.rp-online.de, 24.05.12) (as)
http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/213/kurz-notiert-mensch-und-medizin

·         2013 Deutsches Transplantationsgesetz aktuell vollständiger Text: http://www.organspende-info.de/sites/all/files/files/Gesetzestext%20Transplantationsgesetz.pdf

·         2013 Bundesärztekammer: Richtlinien und Stellungnahmen zur Transplantationsmedizin: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.6.3285

·         2013 Infomaterialien der Deutschen Stiftung Organtransplantation und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur ORGANSPENDE: http://www.organspende-info.de/infothek/infomaterialien

·         S.9:
der erste Patient mit einem fremden Herzen lebte 1967 18 Tage mit dem neuen Organ; Heute liegt die Transplantationsüberlebenszeit beim Herzen bei 9-10 Jahren, in Einzelfällen doppelt so lange;
Niere durchschnittliche Funktionsrate 11 Jahre, Weltrekord über 30 Jahre;
S.11:
Eine Organspende ist in Deutschland nur möglich, wenn ein beatmeter Patient am Hirntod stirbt und eine Zustimmung zur Organentnahme vorliegt.

·         S.13:
Vorschlag einer Formulierung in einer Patientenverfügung, um eine Organspende zu ermöglichen:
„Ich stimme einer Entnahme meiner Organe nach meinem Tod zu Transplantationszwecken zu (ggf.: Ich habe einen Organspendeausweis ausgefüllt). Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem sich abzeichnenden Hirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden, die ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe, dann (Alternativen)
geht die von mir erklärte Bereitschaft zur Organspende vor
ODER
gehen die Bestimmungen in meiner Patientenverfügung vor.

ODER:
Ich lehne eine Entnahme meiner Organe und Gewebe nach meinem Tod zu Transplantationszwecken ab.

Die Patientenverfügung hat bereits vor dem Eintreten des Hirntodes Gültigkeit. Liegt eine aussichtslose Prognose eines Patienten vor und der Eintritt des Hirntodes ist wahrscheinlich, dann kann das Thema Organspende bereits zu diesem Zeitpunkt, also vor der Feststellung des Hirntodes bedeutsam werden. Patientinnen und Patienten, die sich in ihrer Patientenverfügung für eine Organspende ausgesprochen haben, sollten wissen, dass für die Hirntoddiagnostik und eine mögliche Organspende die künstliche Aufrechterhaltung des Kreislaufs und eine vorübergehende Beatmung notwendig sind.

S.15:
Kontraindikationen (Gründe, die eine Organspende ausschließen) sind System- oder Infektionserkrankungen, die eine vitale Bedrohung für den Organempfänger darstellen. Hierzu zählen aktuell:
+ HIV-Infektion
+ Akute Infektionen mit Hepatitis-Viren (HBC, HCV). Eine Hepatitis-B- oder –C-Infektion muss kein Ausschlusskriterium sein, wenn sie nicht aktiv ist
+ Floride Tuberkulose
+ Sepsis bei nachgewiesenen multiresistenten Keimen
+ nicht kurativ behandeltes Malignom

S.16:
Die Entnahme mehrerer Organe dauert in der Regel 4-5 Stunden

S.26:
Hirntodfeststellung
Prüfung des Verlustes der Hirnnervenreflexe; Funktion des Hirnstamms:
+ Pupillenlichtreaktion – Weite und Reagibilität der Pupillen
+ Okulozephaler Reflex (Puppenkopfphänomen)
+ Hornhautreflex
+ Schmerzreaktion im Gesicht
+ Würgreflex
+ Hustenreflex

S.30:
Die Organentnahme wird von den Entnahmeteams der Transplantationszentren durchgeführt, an die EUROTRANSPLANT die Organe vermittelt hat. Als erstes werden Herz und Lunge, anschließend Leber und Nieren entnommen

S.55:
In allen EUROTRANSPLANT-Ländern außer Deutschland und Holland gilt für die Organentnahme die Widerspruchslösung

S.55:
Ärztinnen und Ärzte müssen Patienten nach Transplantationen allerdings in jedem Fall nachbetreuen, auch wenn sie wissen oder ahnen, dass das transplantierte Organ in einem anderen Land gekauft wurde

(Organspende – eine persönliche und berufliche Herausforderung, BZGA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2011¸ http://www.bzga.de/pdf.php?id=2e7870130f68510338e2cdbe2bbe196c )

·         S.6:
Gewebetransplantate:
+ Augenhornhaut
+ Augenlederhaut
+ Haut
+ Herzklappen
+ Gefäße
+ komplette Knochen (Ellenbogen, Schulterblatt, Kniegelenk)
+ Gehörknöchelchen
+ demineralisierte Humane Knochenmatrix
+ Oberschenkelkopf
+ Knorpelgewebe
+ Weichgewebe: Meniskus
+ Weichgewebe: Sehnen
+ Weichgewebe: Faszien

S.7:
pro Jahr werden in Deutschland mehrere tausend Augenhornhäute übertragen; Erfolgsrate bei Transplantation: über 90%

S.21:
Die Entnahme von Geweben ist – ebenso wie die Entnahme von Organen – entsprechend des Vorschriften des Transplantationsgesetzes nur dann zulässig, wenn die Einwilligung der verstorbenen Person oder der Angehörigen vorliegt und vorher der Gesamthirntod durch zwei unabhängige Ärzte festgestellt worden ist.

S.22:
Der Hirntod lässt sich durch verschiedene Untersuchungen zweifelsfrei feststellen. Es handelt sich dabei nicht um eine Prognose über den zukünftigen Zustand des Patienten. Vielmehr stellt der Arzt fest, dass die Gehirnfunktionen bereits unwiderruflich erloschen sind. Damit ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen zweifelsfrei festgestellt.
Das unwiderrufliche Erlöschen der Gehirnfunktion wird
entweder durch die Hirntoddiagnostik (direkter Nachweis des Hirntodes)
oder durch das Vorliegen sicherer äußerer Todeszeichen wie Totenflecke oder Leichenstarre nach Herz-Kreislaufstillstand (indirekter Nachweis des Hirntodes)
nachgewiesen.

S.23:
Im Falle eines Herz-Kreislaufstillstandes mit indirekt nachgewiesenem Hirntod ist die Spende von Gewebe bis zu 72 Stunden nach der Todesfeststellung medizinisch möglich.

(BZGA: Gewebespende, 2012, http://www.bzga.de/infomaterialien/organspende/?addinfo=1 )

·         ungefähr 7000 Organe pro Jahr kann Eurotransplant an die 72 ihm angeschlossenen Transplantationszentren in 7 europäischen Staaten vermitteln – außerdem wird ab diesem Sommer Ungarn mit dazugehören
(Freie Presse Chemnitz 27.3.13 S.3)

·         Interview mit Günter Kirste, medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation; (Auszüge)
Noch eine Befürchtung: Ich sterbe zu Hause an einer Hirnblutung und komme dann nur wegen meines Spenderausweises auf Intensiv.
Unsinn. Nehmen wir als Beispiel einen Motorradfahrer mit schweren Hirnverletzungen nach Unfall. Der Notarzt wird ihn intubieren und in die Klinik bringen. Und in der Klinik wird man alles tun, was überhaupt nur möglich ist, um diesen Menschen zu retten. Niemand wird in dieser Phase auf die Idee kommen, als Erstes die Klamotten nach einem Organspendeausweis zu durchsuchen. Man darf, bitte, den Ärzten nicht unterstellen, dass sie nicht alles für diese Menschen tun wollen.
Weil so eine Unterstellung kränkt?
Das hat nichts mit Kränkung zu tun, die Ärzte würden sich ja strafbar machen.
Jetzt wird bei diesem Patienten auf der Intensivstation festgestellt, dass sein Hirn tot ist. Das ist die Voraussetzung für eine Organspende. Sicherer scheint mir der Stillstand des Herzens, so wie früher.
Wenn der Hausarzt bei der gestorbenen Oma keinen Puls mehr fühlt am Handgelenk und am Hals, dann ist das eine der unsichersten Todesfeststellungen überhaupt. Denn wenn Sie ein EKG (Elektrokardiogramm) anhängen bei einem Herztoten, dann werden Sie feststellen, dass der Puls am Handgelenk schon längst nicht mehr zu spüren ist, weil das Blut nicht mehr zirkuliert, aber elektrische ­Aktivitäten sind noch da. Darum gilt, dass außerhalb der Intensivstation der Tod erst festgestellt werden darf, wenn äußere Todeszeichen eingetreten sind wie Leichenstarre, Erkühlung, Leichenflecken.

Damit ich Organspenderin sein kann, muss zuerst mein Hirn sterben. Gleichzeitig müssen Apparate noch Atmung und Blutkreislauf aufrechterhalten. Wie wahrscheinlich ist so ein Fall?
Das ist etwas sehr Seltenes. 850 000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland, 400 000 davon in Krankenhäusern, aber nur 4000 erleiden zuerst einen Hirntod, weil sie schwere Hirnschädigungen haben. Die häufigste Ursache dafür, dass jemand einen vollständigen und endgültigen Ausfall aller Gehirnfunktionen erleidet, ist eine Hirnblutung, ein Schlaganfall. Nur noch 18 Prozent der Spender hatten einen Unfall.
Es ist also recht unwahrscheinlich, dass ich überhaupt als Organspenderin infrage komme.
Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass Sie selbst ein Organ benötigen, als dass Sie zur Organspenderin werden.
Wie finden Sie raus, dass ein Hirn tot ist?
Wir testen die Reflexe der sieben Nerven, die direkt aus dem Gehirn rausgehen. Reflexe also, die nicht erst übers Rückenmark laufen.
Können Angehörige bei solch einer Hirntoddiagnostik dabei sein?
Viele Untersucher haben überhaupt keine Bedenken, dass Angehörige dabei sind. Und gesetzlich haben die Angehörigen das Recht, die entsprechenden Unterlagen einzusehen.
Spürt so ein hirntoter Körper wirklich nichts mehr?
Ein Hirntoter kann keinen Schmerz mehr wahrnehmen, weil im Gehirn keine Zellen mehr sind, die das Signal annehmen könnten.
Und warum gibt man dann vor der Organentnahme muskelentspannende Medikamente?
Die gibt man gelegentlich, um diese Reflexe, die sich auf der Ebene des Rückenmarks umschalten, zu unterdrücken. Wir wollen bei der Organentnahme ja nicht die Organe verletzen.
Angeblich sollen in der Schweiz hirntote Organspender eine Narkose bekommen.
Nein. Der wissenschaftliche Rat in der Schweiz empfiehlt volatile Narkotika, also flüchtige Narkotika, um die Durchblutung der Organe zu verbessern. Mit dieser Dosierung ist beileibe keine Narkose möglich.
Könnte überhaupt noch jemand was anfangen mit meinen Organen, die sind doch schon ganz schön abgenutzt...
Die älteste Spenderin war 98 Jahre alt. Sie spendete Nieren und Leber. Es kommt auf das biologische Alter an, nicht auf das kalendarische.
Bekommen Alkoholiker eine neue Leber?
Ein Alkoholkranker wird erst dann transplantiert, wenn er sechs Monate absolut abstinent war.

Ich sollte also schon deshalb einen Organspendeausweis ausfüllen, weil ich vielleicht selbst mal ein Organ brauchen könnte?
Jeder will was haben, aber keiner ist bereit zu geben. In Umfragen sagen über 95 Prozent der Menschen, sie würden selbstverständlich ein Organ haben wollen, wenn sie eins brauchen. Aber nur 74 Prozent ­sagen, sie seien bereit zur Organspende. Und 10 Prozent haben dann tatsächlich ­einen Ausweis.
(Chrismon 2-2013, S.45ff. - )

·         In Deutschland 47 Transplantationszentren, in denen etwa 700 Ärzte mit Entscheidungsbefugnissen arbeiten
(Die ZEIT 10.1.13 S.30)

·         erstmals hat die Justiz im Organspendeskandal eine Arzt verhaftet, ein halbes Jahr, nachdem entsprechende Fälle am Göttinger Klinikum bekannt geworden waren
(Freie Presse Chemnitz 12.1.13 S.1)

·         Am Transplantationszentrum des Uniklinikums Leipzig (UKL) sind nach dem bisherigen Ergebnis der Prüfung 38 Patienten fälschlicherweise zu Dialysefällen erklärt worden.
(Freie Presse Chemnitz 3.1.13 S.2)

·         Kriterien für die Leber-Vergabe lassen sich leichter manipulieren als bei anderen Organen;
Egal ob in Göttingen, Regensburg, München oder jetzt in Leipzig - stets betreffen die Manipulationen nur ein einziges Organ: die Leber. Das ist kein Zufall.;
Ein weiterer Grund sind die unterschiedlichen Richtlinien, nach denen einzelne Organe verteilt werden. Seit Jahren beanstanden Transplantationsexperten, dass die Kriterien für die Leber-Vergabe leichter als andere manipuliert werden können und deswegen überarbeitet gehören. "Zu den Leberkranken müssen uns die Transplantationszentren derzeit nur drei Werte übermitteln, den Leber-, den Nieren- und den Gerinnungswert", kritisierte der Medizinische Direktor der für die Organvergabe verantwortlichen Stiftung Eurotransplant, Axel Rahmel, in der taz bereits im August. Rahmel: "Es ist schwierig, allein anhand dieser Werte besondere Verläufe zu charakterisieren."
Zum Vergleich: Kliniken, die ein Herz verpflanzen wollen, müssen an Eurotransplant nicht nur die Laborwerte schicken, sondern auch Röntgen- und Echobefunde, Epikrisenberichte, Kopien der Intensivkurven.
(taz 3.1.13 S.2)

·         Bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) haben sich 2012 mehr als eine halbe Million Menschen neu registrieren lassen. "Noch nie zuvor haben sich so viele Menschen innerhalb eines Jahres als potenzielle Stammzellspender aufnehmen lassen", teilte die DKMS in Tübingen mit. Im Laufe des Jahres 2012 spendeten 5.100 Menschen Stammzellen. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei ist mit mehr als 3,4 Millionen registrierten Spendern die größte Knochenmarkspenderdatei weltweit.
(taz 29./30.12.12 S4)

·         Göttingen … Bald stellte sich heraus: Falsche Angaben hatten Ärzte beileibe nicht nur für den Russen gemacht. Bei einer ganzen Reihe von Patienten war im Universitätsklinikum Göttingen eine Dialyse nur vorgetäuscht worden; bei anderen ließen verfälschte Blutwerte die Patienten kränker erscheinen, als sie waren. Auf diese Weise erhielten in Göttingen, so der Stand der Ermittlungen, knapp 60 Patienten eine Leber, die dafür noch gar nicht an der Reihe waren.;
Trotz dieser furchtbaren Konsequenzen für die übergangenen Patienten ist Göttingen keineswegs das einzige deutsche Universitätsklinikum, an dem in Sachen Lebertransplantation nicht alles mit rechten Dingen zuging. Vier Universitätskliniken sind mittlerweile in den Skandal verstrickt - neben Göttingen auch Regensburg, München rechts der Isar und Leipzig. Es geht insgesamt um rund 180 Verdachtsfälle. In allen Städten ermitteln die Staatsanwaltschaften. Alle beschuldigten Ärzte bestreiten die Vorwürfe. Die Schicksale der übergangenen Kranken machen sprachlos. Wer auch immer für die Manipulationen verantwortlich ist: Wie konnten Ärzte das längere Leid, gar den Tod einzelner Patienten in Kauf nehmen? Man ist geneigt, zuerst an Geld zu denken: Gewiss haben sich die verantwortlichen Mediziner von ihren Patienten bezahlen lassen, damit sie ihnen unter Einsatz unlauterer Methoden eine Leber zuschachern, sind viele Bürger überzeugt. Doch vermutlich ist Geld gar nicht das Motiv gewesen. Außer dem begüterten Russen in Göttingen handelte es sich bei den bevorzugten Patienten fast immer um ganz gewöhnliche gesetzlich Versicherte.
Doch in der Transplantationsmedizin gibt es noch eine andere Währung, die Ärzte erheblich stärker verführen kann als der schnöde Mammon. Diese Währung heißt Renommee. Die Transplantationschirurgie ist ein prestigeträchtiges und hart umkämpftes Feld. Insgesamt werden in Deutschland pro Jahr gerade einmal 4.000 Organe verpflanzt. 47 Zentren konkurrieren um die wenigen Patienten.;
Wer viel transplantiert, hat unter Chirurgen ein hohes Ansehen - häufig allerdings auch beim kaufmännischen Direktor seiner Klinik. Denn die Transplantationsmedizin kann für ein Krankenhaus vor allem dann lukrativ sein, wenn möglichst viele Organe verpflanzt werden. Nicht umsonst hatte das Universitätsklinikum Göttingen mit dem Leiter seiner Transplantationschirurgie eine Bonuszahlung vereinbart: 1.500 Euro bekam der Mann pro verpflanzter Leber, wenn er sein Jahressoll überschritt. Noch dazu hängt die Lizenz für Transplantationen davon ab, dass bestimmte Mindestzahlen erreicht werden. Das ist an sich eine sinnvolle Lösung, denn es kann kaum gut für die Patienten sein, wenn sie von einem Arzt operiert werden, der eine so komplizierte Operation wie eine Herz- oder Lebertransplantation nur zweimal im Jahr vornimmt.
Doch die Mindestmengen setzen die Kliniken unter Druck. In München stand das Programm kurz vor der Schließung, als die Manipulationen dort begannen. Auch in Göttingen und Regensburg befanden sie sich auf extrem niedrigem Niveau und stiegen dann rasant.;

Anzahl der nach dem Hirntod entnommenen Organe in Deutschland
                     2011     2012
Nieren          2035     1789
Lebern         1040       919
Lungen          370       339
Herzen          362       318
Bauchspdr.   160       141

"Eine besondere Form der Nächstenliebe"
WELTRELIGIONEN
Mehrheitlich bekennen sie sich zur Organ- und Gewebespende. Traditionalisten lehnen dies mitunter ab
Christentum
Organspenden sei "eine besondere Form, Nächstenliebe zu zeigen", betonte der in der vergangenen Woche zurückgetretene Papst Benedikt XVI. während eines internationalen Kongresses der Päpstlichen Akademie im November 2008. Und sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte bereits 1995 in seiner Enzyklika "Evangelium vitae" über den "Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens" dargelegt, dass "die in ethisch annehmbaren Formen durchgeführte Organspende besondere Wertschätzung verdient, um Kranken, die bisweilen jeder Hoffnung beraubt sind, die Möglichkeit der Gesundheit oder sogar des Lebens anzubieten."
Eine Einschränkung macht die katholische Kirche allerdings offenbar bei der Person des Papstes. So verfügte Kardinal Joseph Ratzinger laut eigenem Bekunden zwar über einen Organspenderausweis. Mit seiner Wahl zum Papst verlor dieser jedoch seine Gültigkeit. Darauf hatte sein Privatsekretär Georg Gänswein im Februar 2011 verwiesen, nachdem in den Medien mehrfach behauptet worden war, Benedikt verfüge über einen gültigen Spenderausweis.
Auch die evangelischen Kirchen bekennen sich ausdrücklich zur Organspende. Zusammen mit der katholischen Bischofskonferenz hatte der Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland 1990 in einer gemeinsamen Erklärung festgestellt, dass der "Leib ein Geschenk des Schöpfers" sei, "über das der Mensch nicht nach Belieben verfügen kann, das er aber nach sorgfältiger Gewissensüberprüfung aus Liebe zum Nächsten einsetzen darf". Die für das Christentum konstitutive Auferstehung der Toten und das ewige Leben hänge "nicht an der Unversehrtheit des Leichnams", sondern "der Glaube vertraut darauf, dass der gnädige Gott aus dem Tod zum Leben auferweckt". Beide Kirchen bekräftigen dies 1997 im Zuge der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes noch einmal.
Abweichende Standpunkte und kritische Stimmen werden jedoch in konservativeren Kreisen beider Konfessionen - etwa bei Evangelikalen oder der katholischen Piusbruderschaft - im Zusammenhang mit der Hirntoddiagnose laut. Nach deren Ansicht ist ein hirntoter Mensch nicht als Toter sondern als Sterbender zu betrachten. Eine Entnahme der Organe käme somit einer bewussten Tötung gleich.
Judentum
Ablehnend gegenüber der Organentnahme nach dem Hirntod stehen auch orthodoxe Juden. Nach der jüdischen Gesetzesauslegung der Halacha gilt ein Mensch erst dann als tot, wenn sein Herz nicht mehr schlägt und die Atmung ausgesetzt hat. Zudem sieht das Judentum den menschlichen Körper als eine Leihgabe Gottes an, der unversehrt beerdigt werden soll. Ende der 1980er Jahre erteilte das oberste Rabbinat Israels der postmortalen Organspende jedoch seinen Segen und erließ sogar ein religiöses Gebot zur Spende.
Islam
Analog zum Christentum und Judentum gilt auch im Islam der Glaubensgrundsatz, dass der Körper eine Leihgabe Gottes ist. Deswegen lehnen traditionell ausgerichtete Muslime eine Organspende nach dem Tod eher ab. Mehrheitlich wird die Organspende von islamischen Rechtsgelehrten jedoch als gottgefällige Handlung angesehen, um Menschenleben zu retten. Auf der 3. Internationalen Konferenz Islamischer Gelehrter im jordanischen Amman wurden 1986 Herz- und Hirntod als gleichwertig eingestuft. Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland bewertet das Transplantationsgesetz von 1997 als mit dem Islam vereinbar.
Fernöstliche Religionen
Deutlich uneinheitlicher wird die Frage nach der postmortalen Organspende im Buddhismus, Hinduismus und Shintoismus bewertet. In der buddhistischen Lehre wird der Tod als Prozess begriffen, bei dem sich der Geist erst allmählich vom Körper trennt. Herz- oder Hirntod lassen sich deswegen nicht als Endpunkt des Lebens definieren. Allerdings hat der Dalai Lama als oberster Vertreter des tibetischen Buddhismus sich für die Organspende ausgesprochen. Im Hinduismus existieren ebenfalls keine klaren Regelungen, auch wenn die Meinung vorherrscht, dass der Körper unversehrt bleiben sollte. Im japanischen Shintoismus wird eine postmortale Organspende traditionell abgelehnt.
Als unproblematisch wird in den Weltreligionen die Spende von sich selbst regenerierenden Organen und Geweben angesehen. Dazu gehören Blut, Haut und Knochenmark. Auch die Lebendspende einer Niere stellt keinen Verstoß gegen religiöse Vorschriften dar. Ebenso übereinstimmend betonen die Weltreligionen, dass eine Spende immer nur freiwillig und aus Gründen der Humanität und Nächstenliebe erfolgen kann. Kommerzielle Interessen dürften mit einer Spende in keinem Fall verbunden werden.

In Pakistan und Nepal bekommen Nieren-„Spender“ zwischen 100 und 1400 Euro für eine Niere

(Das Parlament 18.2.13 S.1,3,5,7 - http://www.bundestag.de/dasparlament/2013/08/Titelseite/42955438.html)

·         Kritische Positionen zur Organspende:
Anthroposophische Mediziner: www.damid.de
Initiative „Christdemokraten für das Leben“: www.cdl-online.de
Kritische Aufklärung über Organtransplantation (KAO): www.initiative–kao.de
Interessengemeinschaft kritische Bioethik: www.organspende-aufklaerung.de 

·         ORGANSKANDAL Der angeklagte Transplantationschirurg wird rechtlich schwer zu belangen sein, sagt der Strafrechtler Bijan Fateh-Moghadam;
Die Muster der Manipulationen ähneln sich, egal, ob an den Universitätskliniken Göttingen, Regensburg, München oder Leipzig: Mal wurden Laborwerte vertauscht, verändert oder falsch an die zentrale Organvergabestelle Eurotransplant übermittelt, mal Dialysen angegeben, die tatsächlich gar nicht stattfanden. Stets ging es darum, die eigenen Patienten kränker erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit waren, und ihre Chancen auf eine Spenderleber zu erhöhen - zu Lasten anderer, bedürftigerer Patienten.;
Für die Rechtswissenschaft interessant wird das Verfahren dadurch, dass die Staatsanwaltschaften sich offenbar nicht einig sind, ob die Manipulationshandlungen überhaupt strafbar sind.;
Es geht nicht um einen ganz normalen Fall der Tötung eines Menschen, sondern die eigenmächtige Umverteilung von Lebenschancen in einem äußerst komplexen Verteilungssystem. Aus Sicht der Patienten auf der Warteliste stellt sich die Manipulation dabei allenfalls als eine Erhöhung des ohnehin bestehenden Risikos dar, nicht mehr rechtzeitig ein Organ zu erhalten.;
Der Gesetzgeber hat die Formulierung der Richtlinien für die Organvergabe an die Bundesärztekammer delegiert. Wer dagegen verstößt, muss mit Sanktionen rechnen?
Genau hier liegt das Problem. Richtlinien der Bundesärztekammer können schon deshalb nicht unmittelbar strafrechtlich abgesichert werden, weil die Bundesärztekammer keine strafrechtliche Normsetzungskompetenz besitzt. Soweit die Bundesärztekammer in ihren Richtlinien nicht nur den Stand der medizinischen Wissenschaft festlegt, sondern normative Regeln für die Organverteilung setzt, ist das zudem durch das Transplantationsgesetz nicht gedeckt.;
Dem Arzt wird auch vorgeworfen, er habe Alkoholiker auf die Warteliste gesetzt, obwohl diese noch gar nicht die vorgeschriebenen sechs Monate trocken waren. Ist das kein medizinischer Regelverstoß?
Bei dieser Frist handelt es sich um eine als medizinische Kontraindikation getarnte rechtswidrige Diskriminierung von alkoholkranken Patienten durch die Bundesärztekammer. Es steht wissenschaftlich außer Zweifel, dass Patienten mit alkoholinduzierter Leberzirrhose unabhängig von der Einhaltung fixer Abstinenzfristen erfolgreich transplantiert werden können. Diese Patienten haben einen Rechtsanspruch auf Zugang zur Warteliste, und wenn dieser nur mittels Falschangaben durchgesetzt werden kann, können sie sich auf ein Recht zur Lüge berufen.;
Erforderlich ist eine große Reform, die das gesetzliche System der Organverteilung auf eine verfassungsmäßige Grundlage stellt.
(taz 17./18.8.2013 S.6 http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=a2&dig=2013%2F08%2F17%2Fa0148&cHash=bea78f95e389619af5b6265a2460bbc3)

·         Der New Yorker Notfallmediziner Sam Parnia beklagt den Ärztepfusch bei der Wiederbelebung, empfiehlt Tiefkühlgemüse zur Rettung absterbender Hirnzellen und berichtet über die seltsamen Nahtoderlebnisse seiner Patienten.
Jeder Mensch erleidet irgendwann einen Herzstillstand - und für die meisten ist dies der Beginn des Todes. Nur in den wenigsten Fällen gelingt es Ärzten, die klinisch Toten mit Reanimationsmaßnahmen ins Leben zurückzuholen. Dabei wären viele Betroffene noch zu retten, wenn die Ärzte das verfügbare Wissen über die Therapie des Herzstillstands nur besser anwenden würden - diesen Vorwurf erhebt der britische Notfallmediziner Sam Parnia in einem vielbeachteten Buch, das jetzt auf Deutsch erscheint(*).;
Parnia: Offenbar. Kürzlich haben Kollegen in einer Studie nachgewiesen, dass die Dauer einer Wiederbelebung bei mindestens 40 Minuten liegen sollte, dass aber die meisten Ärzte innerhalb von 20 Minuten aufgeben. Sie tun das, weil sie fälschlicherweise glauben, dass das Gehirn nach dieser Zeit bereits irreversibel geschädigt und der Kampf verloren wäre.;
SPIEGEL: Auch in Erste-Hilfe-Kursen lernen die Menschen, wie empfindlich das Gehirn ist. Drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoff, so der dort verbreitete Lehrsatz, und schon kann es dauerhaften Schaden davontragen.
Parnia: Das ist ein weitverbreiteter Mythos, sogar unter Ärzten. Der Irrtum geht zurück auf Forschungen Mitte des vorigen Jahrhunderts. Aus den damaligen Experimenten folgerten Mediziner, dass Hirnzellen sehr schnell absterben. Heute wissen wir: Richtig behandelt, dauert es Stunden, bis das Gehirn irreversibel geschädigt ist. Ohne Durchblutung allerdings kann sich der Schaden schon nach fünf Minuten bemerkbar machen. Wir leben noch mit falschen Vorstellungen aus der Vergangenheit. Das fängt schon an mit dem Begriff des Todes. Jahrtausendelang war der Tod ein klar definierbarer Zeitpunkt. Das Herz hörte auf zu schlagen, das war's. Nichts konnte das ändern, entweder man lebte oder nicht. Jetzt ist es nicht mehr so einfach, denn seit über 50 Jahren kennen wir die Reanimation, vor allem die Herzdruckmassage und die Beatmung. Der Tod ist seither kein Augenblick mehr, sondern ein Prozess, der nach dem Herzstillstand einsetzt und sich in unterschiedlichem Tempo in den verschiedenen Geweben des Körpers ausbreitet.
SPIEGEL: Und viel länger als gedacht ist dieser Prozess des Sterbens umkehrbar?
Parnia: Natürlich kommt es darauf an, das Gehirn zu schützen. Eine schnell einsetzende Herzdruckmassage ist unerlässlich, damit Blut ins Gehirn gelangt. Aber kritisch sind auch die ersten Stunden, nachdem wir das Herz wieder in Gang gebracht haben. In einem Hirn, das vorübergehend nicht richtig durchblutet war, wirkt der Sauerstoff toxisch. Das Organ schwillt an und entzündet sich, die Durchblutung nimmt weiter ab. Die gefürchteten Hirnschäden entstehen darum meist nicht während der ersten Minuten der Wiederbelebung, sondern innerhalb der ersten 72 Stunden danach. Aber mit der richtigen Therapie lassen sich die Schäden gänzlich verhindern.
SPIEGEL: Was passiert genau, wenn ein Mensch einen Herzstillstand erleidet, zum Beispiel in Ihrem Krankenhaus?
Parnia: Er verliert schlagartig das Bewusstsein. Die Atmung setzt aus. Innerhalb von Sekunden erlischt alle Gehirntätigkeit, sogar am Hirnstamm. Die Pupillen weiten sich und werden starr. Das EEG zeigt eine Nulllinie. Der Mensch ist tot - allerdings in einem frühen Stadium des Todes. In vielen Krankenhäusern würde jetzt der Totenschein ausgestellt, die Leiche würde bald in den Keller gefahren.
SPIEGEL: Dabei könnte der Mensch noch weiterleben?
Parnia: Das kommt darauf an, woran der Patient gestorben ist, was die Ursache des Herzstillstands war.
SPIEGEL: Was tun Sie, um einen Herztoten zurück ins Leben zu holen?
Parnia: Nötig ist eine ganze Reihe von Maßnahmen, und es kommt auf jeden einzelnen Schritt an. Ein Fehler - und der Tote bleibt tot oder lebt weiter mit schweren Hirnschäden. Wir beginnen so früh wie möglich mit der Herzdruckmassage, erst per Hand, dann mit einer Druckmaschine; denn auch Ärzte können den notwendigen Standard kaum länger als ein paar Minuten halten. Gleichzeitig beatmen wir mit einem Beatmungsbeutel. Die Zahl der Atemzüge darf höchstens bei acht pro Minute liegen. Selbst dies wird auf vielen Intensivstationen noch falsch gemacht. Sobald man zu viel Luft in den Brustkorb pumpt, drückt diese auf das Herz, und als Folge wird es nicht mehr anspringen. Dann bleibt der klinisch Tote tot.
SPIEGEL: Was sind die neueren Behandlungen, die Sie anwenden?
Parnia: Wir kühlen den Körper auf 32 bis 34 Grad Celsius. Ich persönlich gehe meistens auf 32 Grad. Die Patienten bleiben auf dieser Temperatur für 24 Stunden oder länger. Das Kühlen bringt eine Reihe positiver Effekte mit sich: Es reduziert den Sauerstoffbedarf des Gehirns, es verhindert, dass sich dort gefährliche Substanzen wie Wasserstoffperoxid bilden, und es verlangsamt den Prozess des Zelltods. Das Kühlen ist inzwischen eine durchaus bekannte Maßnahme, auch in Deutschland, aber dennoch wird es nicht überall routinemäßig angewandt. Es wird häufig berichtet, dass manche Krankenhäuser das einfach nicht machen.;
SPIEGEL: Sie sagen, Sie holen einen Menschen aus dem Tod zurück. Aber bedeutet die Tatsache, dass Ihnen dies gelingt, nicht vor allem, dass der Mensch noch nicht wirklich tot war?
Parnia: Ich denke, der Zustand des klinischen Todes erfüllt für uns alle das kulturelle Konzept, das wir vom Tod haben. Dies ist der Tod, den wir in Filmen sehen und über den wir in Büchern lesen. Und dieser Tod ist im Jahr 2013 umkehrbar.
SPIEGEL: Das mag stimmen, wenn das Herz aufhört zu schlagen. Aber das wirkliche Ende ist der Hirntod.
Parnia: Genau. Sobald die Zellen im Gehirn zerstört sind, wird keine Intervention, weder jetzt noch in tausend Jahren, sie wieder ins Leben zurückbringen. Dieser Tod ist tatsächlich endgültig. Aber bis zu diesem Punkt haben wir es mit einer Grauzone zu tun. Wir wissen heute nicht, wann genau die Phase des reversiblen Todes in den irreversiblen Tod übergeht. Alle medizinischen Tests, die zur Diagnose des Hirntods angewandt werden, prüfen ja nur, ob die Gehirnfunktion erloschen ist. Sie prüfen nicht, ob die Hirnzellen tatsächlich abgestorben sind.
SPIEGEL: Sehen Sie darin nicht ein Problem für die Organspende, welche in vielen Ländern die Diagnose des Hirntods voraussetzt?
Parnia: Niemand weiß, wann der Hirntod nach dem Ausfall jeglicher Hirnfunktion eintritt. Die Kriterien für den Hirntod unterscheiden sich darum von Land zu Land, in den USA sogar von Bundesstaat zu Bundesstaat. Klar ist nur: Je länger das Gehirn nicht funktioniert, desto wahrscheinlicher wird der Hirntod. Deshalb müssen die entscheidenden Tests bei der Diagnose innerhalb einer bestimmten Zeitspanne wiederholt werden. Das Gehirn mag trotzdem noch nicht ganz tot sein, weil man einzelne Zellen herausnehmen und im Labor zum Wachsen bringen könnte. Der Organentnahme steht dann aber nichts entgegen.
(Der Spiegel 30-2013 S.92ff. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-104058659.html)

·         In China sollen die Organe hingerichteter Gefangener nicht mehr für Transplantationen genutzt werden. Von November an werde das Gesundheitsministerium darauf dringen, dass nur noch die Körperteile von freiwilligen Organspendern verpflanzt würden; bis Ende 2012 stammten 64% der in China verpflanzten Organe von hingerichteten Gefangenen
(Freie Presse Chemnitz 16.8.2013 S.5)

·         (S.138) „Das Argument, man habe „in der Diskussion um das Transplantationsgesetz 1997 und davor eindringlich erlebt, wie die Debatte um ethisch-moralische Grundprinzipien letztendlich zur Verwirrung und Verunsicherung der Bevölkerung führte“, und müsse deswegen alles vermeiden, was die Ängste der Menschen schüren könnte (Frank Ulrich Montgomery 2011), ist nicht nur aus ethischer Sicht fragwürdig …
(Ruth Denkhaus / Peter Dabrock: „Grauzonen zwischen Leben und Tod – ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit in der Debatte um das Hirntod-Kriterium“, Zeitschrift für medizinische Ethik 58 (2012) S.135ff.)

·         (S. 5f.)
Die Evangelischen Frauen in Deutschland fordern
von den politisch Verantwortlichen die Organisation eines breiten gesellschaftlichen Diskurses zum Hirntodkonzept als Grundlage der Transplantationsmedizin in Deutschland;
vom Gesetzgeber die Veränderung der „Erklärung zur Organ- und Gewebespende“ (Organspendeausweis) dahingehend, dass die Bestimmung „nach meinem Tod“ ersetzt wird durch „nach Feststellung meines Hirntodes“;
vom Gesetzgeber die Festschreibung, dass Organentnahme nach festgestelltem Hirntod nur unter der Bedingung einer Vollnarkose, d.h. Bewusstseinsverlust, Schmerzausschaltung und Muskelentspannung erlaubt ist; …
(S.8)
Grundsätzlich käme daher im Fall einer Organexplantation, sofern dies gewünscht wird, die Begleitung des Sterbeprozesses bis zur Wahrnehmbarkeit des Todes in Frage. Würde es Angehörigen ermöglicht, einen hirntoten Menschen in den Operationssaal zu begleiten, könnten sie, am Kopfende sitzend, dabeibleiben und wahrnehmen, wenn das Herz in dieser Brust aufhört zu schlagen. Dies könnte dem starken Gefühl vieler Angehöriger entgegenwirken, sie hätten ihre_n Liebste_n im schwächsten Moment allein gelassen.
(S.28)
Hintergrund
Auf die zunehmenden, auch medizinisch-naturwissenschaftlich begründeten Zweifel an der Gleichsetzung von Hirntod und Tod eines Menschen hat das US-amerikanische Pendant zum Deutschen Ethikrat (The President’s Council on Bioethics) bereits 2008 mit dem Vorschlag reagiert, im Falle der Organexplantation die dead-donor-rule aufzugeben und von einem justified killing, einer gerechtfertigten Tötung, auszugehen.
(JK: Entscheidung zum Behandlungsabbruch mit vorheriger Organentnahme)
(S.32)
Die Evangelischen Frauen in Deutschland fordern vom Gesetzgeber die Modifikation des Gesetzeszieles im Transplantationsgesetz, „die Bereitschaft zur Organspende zu fördern“, dahingehend, dass die Bereitschaft zur Entscheidung bezüglich einer Erklärung zur Organspende gefördert wird
(S.33f.)
Organspendeausweis und Patient_innenverfügung
Zwischen Eintritt des Hirntodes und dem Absterben der übrigen Organe liegen höchstens Minuten. Dieser Sterbeprozess kann nur dann aufgehalten werden, wenn die Patientin/der Patient unmittelbar nach Eintritt des Hirntodes künstlich beatmet und intensivmedizinisch behandelt wird oder dies bereits vor Eintritt des Hirntodes wurde. Erst dann kann eine Hirntoddiagnostik durchgeführt werden.
Organspender_in kann also nur werden, wer eine intensivmedizinische Versorgung uneingeschränkt für sich akzeptiert. Dies steht – und das ist vielen nicht bewusst – im Konflikt mit einer Patient_innenverfügung, sofern dort lebenserhaltende Maßnahmen und intensivmedizinische Versorgung explizit ausgeschlossen wurden.
Widersprüchliche Willensbekundungen in Organspendeausweis und Patient_innenverfügung ziehen erhebliche ethische und auch rechtliche Probleme nach sich bei der Entscheidung, ob bei einer Patientin oder einem Patienten mit (möglichem) Hirntod die intensivmedizinische Behandlung zum Zweck der Organ- und Gewebeentnahme fortgeführt werden darf.
Die Bundesärztekammer geht zurzeit von folgender Annahme aus: In dem Fall, wo der Eintritt des Hirntodes vermutet wird, ist der „in der Patientenverfügung ausgedrückte Wunsch nach Therapiebegrenzung […] mit der Bereitschaft zur Organspende und der dafür erforderlichen kurzzeitigen Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen vereinbar“.
Wird hingegen ein Hirntod erwartet (was bedeutet, dass nicht vorhersehbar ist, ob und wann er tatsächlich eintritt), könne nicht schon aus der Organspendeerklärung abgeleitet werden, dass die Patientin oder der Patient mit der Fortführung der intensivmedizinischen Maßnahmen einverstanden sei. Daher sei hier die Entscheidung der Patient_innenvertreter_innen und Angehörigen zu suchen.
Um Sicherheit zu gewinnen, empfiehlt die Bundesärztekammer, eine Entscheidung über die Organentnahme zu Transplantationszwecken in der Patient_innenverfügung ausdrücklich zu dokumentieren. Falls die Organentnahme zu Transplantationszwecken nicht ausdrücklich abgelehnt werde, könne die Patient_innenverfügung zum Beispiel so ergänzt werden, dass „ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende medizinisch in Frage kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage umfassende) Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen zur Bestimmung des Hirntodes nach den Richtlinien der Bundesärztekammer und zur anschließenden Entnahme der Organe“ gestattet wird – und dass dies „auch für die Situation [gilt], dass der Hirntod nach Einschätzung der Ärzte in wenigen Tagen eintreten wird“.
(S.71)
Die Perspektive der Angehörigen
Noch viel zu wenig im Blick ist bislang – jedenfalls im öffentlichen Gespräch – die Perspektive von Angehörigen, die durch die  transplantationsmedizinische Praxis auf unterschiedliche Art und Weise betroffen sind.
Im vorliegenden Positionspapier ist die Bedeutung thematisiert, die die Begleitung des Sterbens eines geliebten Menschen bis zum Ende für Angehörige hat, nicht zuletzt für die Bewältigung der Trauer.
Nicht hinreichend untersucht ist, was es (auch langfristig) für Angehörige bedeutet, wenn diese Begleitung aufgrund einer Organ- und/oder Gewebespende nach festgestelltem Hirntod nicht möglich ist. Während die Aufklärungsmaterialien der Deutschen Stiftung Organtransplantation betonen, wie sehr es die Hinterbliebenen tröste, zu wissen, dass andere Menschen mit den gespendeten Organen/Geweben weiterleben können, legen vereinzelte Untersuchungen nahe, dass die Unanschaulichkeit des Hirntodes und die damit einhergehenden Fragen Angehörige oftmals lange Zeit intensiv beschäftigen und zum Teil auch belasten. Angebote für Angehörige, für die die Zustimmung zur Organ- und Gewebespende eine belastende und keineswegs trostspendende Erfahrung war und ist, gibt es nach Kenntnis der Evangelischen Frauen in Deutschland bislang nicht. Auch hier sehen die Evangelischen Frauen in Deutschland dringenden Diskussions- und Handlungsbedarf.
(Evangelische Frauen in Deutschland e.V.: „Organtransplantation“ – Positionspapier 2013)

·         … Vor der Abstimmung warben noch einmal gut anderthalb Stunden lang Abgeordnete aller Fraktionen in ihren Reden für ihre Positionen. Reden von Abgeordneten, deren Redewunsch nicht berücksichtigt werden konnte, wurden zu Protokoll gegeben. Angesichts dessen, dass bereits über 400 von insgesamt 620 Abgeordneten den Gesetzentwurf zur Entscheidungslösung unterzeichnet hatten, herrschte dabei seltene Einigkeit. Gleichwohl gab es im Gegensatz zur ersten Lesung am 22. März (siehe dazu das Themenspecial vom 24.03.12) mehrere kritische Stimmen, auch die Diskussion über den Hirntod wurde erwähnt. …
Danach wurde über den überfraktionellen Gesetzentwurf zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz (Drucksache 17/9030) abgestimmt. Dieser wurde in zweiter und dritter Lesung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und der Mehrheit der Fraktion Die Linke und der Grünen bei jeweils einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen aus der Fraktion der Linken und jeweils einer Enthaltung bei den Grünen und der FDP angenommen. …
Anschließend stand die Entscheidung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Transplantationsgesetzes (Drucksache 17/7376) in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung (Drucksache 17/9773) an. Dieser wurde in zweiter und dritter Lesung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen und einer Enthaltung aus den Reihen der FDP angenommen. …
(http://www.organspende-aufklaerung.de/organspende_news-organspenderegelung-verabschiedet-26-05-12.html  26.05.12, ergänzt am 17.06.12:
Bundestag verabschiedet Gesetz zur Entscheidungslösung bei Organspenden und Änderung des Transplantationsgesetzes - Zustimmung des Bundesrates am 15.06.12)

·         2013 Deutsches Transplantationsgesetz aktuell vollständiger Text: http://www.organspende-info.de/sites/all/files/files/Gesetzestext%20Transplantationsgesetz.pdf 

·         2013 Bundesärztekammer: Richtlinien und Stellungnahmen zur Transplantationsmedizin: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.6.3285

·         2013 Infomaterialien der Deutschen Stiftung Organtransplantation und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur ORGANSPENDE: http://www.organspende-info.de/infothek/infomaterialien

·         Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:
Gewebespende - Eine Einführung für Ärztinnen, Ärzte sowie Patienten- und Selbsthilfeverbände; Bestellnummer: 60285044
http://www.bzga.de/pdf.php?id=e5c1f46d37d3b97173195339ff6696e1

·         In einer Unterrichtung der Bundesregierung vom 1.4.2009 wird ein Erfahrungsbericht 10 Jahre nach Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes gegeben (Drucksache 16/12554). Dort wird festgestellt (S.5):
„Nach § 3 Absatz 2 Nummer 2 TPG setzt die Entnahme von Organen voraus, dass bei dem Organspender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms festgestellt worden ist. Die aktuellen Forschungsergebnisse geben nach der von IGES durchgeführten Befragung keinen Anlass, die Hirntoddiagnostik in Frage zu stellen. Die von der Bundesärztekammer auf der Grundlage von § 16 Ab-satz 1 Nummer 1 TPG 1998 erlassene Richtlinie zur Feststellung des Hirntods hat sich in der Praxis bewährt; …“
(Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/12554; Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zur Situation der Transplantationsmedizin zehn Jahre nach Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes“)

·         Für den Fall der Organspende akzeptiert die „Christliche Patientenvorsorge“ den Hirntod als Kriterium für die Todesfeststellung und lässt Organentnahme NACH der Hirntodfeststellung ausdrücklich zu:
„Es ist mir bewusst, dass Organe nur nach Feststellung des Hirntodes bei aufrechterhaltenem Kreislauf entnommen werden können. Deshalb gestatte ich ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende medizinisch in Frage kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage umfassende) Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen zur Bestimmung des Hirntodes nach den Richtlinien der Bundesärztekammer und zur anschließenden Entnahme der Organe.“
„Christliche Patientenvorsorge“, 2011, Formular S.6: (http://www.ekd.de/download/patientenvorsorge.pdf   )

·         Hirntod
Hirntod bezeichnet den Organtod des Gehirns und somit einen unwiederbringlichen Verlust der Gesamtfunktion des Gehirns. Da das Gehirn neben dem Denken, Handeln und Wahrnehmen auch wesentliche Körperfunktionen wie die Atmung, den Kreislauf und die Temperaturregulation steuert, ist der Körper in seiner Gesamtheit im Falle des Hirntods nicht mehr funktionsfähig. Lediglich durch Beatmung und Medikamente kann die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich aufrechterhalten werden.
(Internetseite der AOK zur Organspende - Glossar http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/organspende-glossar-191457.php#192583 )

·         (S.117) Der Hirntod wird … zunächst als sicheres Indiz und reales Zeichen für den Tod des Menschen erkannt. Gegenüber den diskutierten Kriterien (Grundfähigkeit des Organismus zum Austausch mit seiner Umgebung) schlägt der Autor vor, als Kriterium des Todes einzuführen, ob ein Organismus die für ihn charakteristischen Prozesse der Integration nach innen und der Wechselwirkung nach außen in eigener Aktivität erbringt. Der Hirntod bildet so nicht etwa ein Entnahmekriterium, sondern ein gültiges Todeskriterium.
(S.121) Dabei ist die Präzisierung unerlässlich, dass nicht das Gehirn oder das Herz sterben, sondern der Mensch, dessen Tod durch die Diagnose des Hirntodes oder des Herzstillstandes festgestellt wird.
(JK: „der durch Versagen des Gehirns / des Herzens eingeleitete / verursachte Tod“)
(S.122) Dem Dilemma, den Tod definieren zu müssen, kann daher keine Gesellschaft entrinnen, auch wenn er ein Geheimnis bleibt und der Übergang vom Leben zum Tod sich der genauen Beobachtung entzieht.  Diese Aufgabe stellt sich der modernen Intensivmedizin in neuer Weise, weil ihre Fortschritte das früher geltende Kriterium des Herz- und Kreislaufstillstandes durch die Möglichkeit einer künstlichen Substitution dieser Funktionen unterlaufen haben. Es waren nicht allein die Erfordernisse der Transplantationsmedizin und die Interessen der Organempfänger, sondern auch die Entwicklung der Intensivmedizin selbst, die den Übergang zu einem neuen Todeskonzept notwendig machten. …
Wenn der Ausfall der zentralen Steuerungsvorgänge im Gehirn irreversibel geworden ist und dies mit der besten, nach dem jeweiligen Stand medizinischer Diagnostik erreichbaren Gewissheit feststeht, wertet das Hirntodkonzept dies als ein sicheres Indiz für den bereits eingetretenen Tod des Menschen. Es geht von diesem Zeitpunkt an davon aus, es nicht mehr mit einem sterbenden Patienten, sondern mit einem Toten oder mit einem menschlichen Leichnam zu tun zu haben, in dem Organfunktionen von außen durch die künstliche Beatmung aufrechterhalten werden. Diese Annahme steht im Widerspruch zur phänomenalen Wahrnehmung des Hirntoten, der von seinen Angehörigen und Pflegenden als ein bewusstloser und sterbender, aber nicht als ein toter Mensch angesehen wird.
Solche subjektiven Eindrücke und spontanen Reaktionen sind ernst zu nehmen; die Übermittlung der Todesnachricht und die Erläuterung der Bedeutung des Hirntodes erfordern daher große psychologische Behutsamkeit. Dennoch sind subjektive Wahrnehmungen und Empfindungen kein sicheres Kriterium, um zu entscheiden, ob ein Mensch tot ist oder nicht. Die erforderliche Sensibilität gegenüber den Gefühlen der Angehörigen und ihrer phänomenalen Wahrnehmung des künstlich durchbluteten Körpers eines Hirntoten ändert nichts daran, dass das angewandte Verfahren der Todesfeststellung, wenn es medizinisch valide und anthropologisch gut begründet ist, in ethischer Hinsicht akzeptabel ist. Auch wenn es sich von der phänomenalen Erscheinungsweise des Organismus her nicht erkennen lässt, ob bestimmte Körperfunktionen (Atmen, Durchblutet-Sein, Schweißaussonderung und dergleichen) durch die spontane Eigenaktivität des Organismus, das heißt von diesem selbst her ausgelöst, oder künstlich durch maschinelle Interventionen von außen aufrechterhalten werden, ist dieser Unterschied für die Todesfeststellung von erheblicher Bedeutung. Nur im ersten Fall erscheint das Urteil begründet, dass wir einen noch lebenden Menschen vor uns haben, während dieser im zweiten Fall bereits tot ist, obwohl er dem (künstlich induzierten) Anschein nach noch lebt.
Die medizinischen Parameter, deren Vorliegen in einem aufwändigen Diagnoseverfahren festgestellt werden muss, erscheinen so sorgfältig ausgewählt, dass die Möglichkeit einer Fehldiagnose, durch die ein noch lebender Mensch für hirntot erklärt würde, mit moralischer Sicherheit ausgeschlossen werden kann . Der Vorwurf einer unzureichenden diagnostischen Abgrenzung des vollständigen Ausfalls aller Hirnfunktionen von anderen Zuständen, die nicht als Hirntod bezeichnet werden, trifft nur für Teilhirntodkonzepte, nicht aber für den Ganzhirntod zu. …
(S.124) Durch die empirische Beobachtung des Sterbeprozesses können wir deshalb nicht den exakten Zeitpunkt des Todes bestimmen, sondern nur vom Vorhandensein bestimmter Indizien darauf zurückschließen, ob der Tod eines Menschen bereits eingetreten ist. Das Hirntodkonzept der modernen Medizin identifiziert keinesfalls den Gehirntod mit dem Tod des Menschen, wohl aber deutet es den endgültigen Zusammenbruch aller Gehirnfunktionen als ein zweifelsfreies Anzeichen, das auf den bereits erfolgten Eintritt des Todes verweist. …
Vielmehr wird der irreversible Ausfall der integrativen Leitungs- und Steuerungsfunktionen des Gehirns als terminus ad quem (Zeitpunkt, bis zu dem etwas gilt JK) gewertet, der einen Rückschluss auf den bereits eingetretenen Tod des Menschen erlaubt.
(S.125) Fällt die Gehirntätigkeit aus, kann auch von einer selbstgesteuerten Wechselwirkung der einzelnen Organe innerhalb des Organismus nicht mehr die Rede sein. …
(Jan P. Beckmann:) „Das Hirntodkonzept besagt nicht, was der Tod ist, wohl aber, welches das medizinisch-wissenschaftlich gesicherte Kriterium für das Ende des menschlichen Lebens in seiner ganzheitlichen Struktur ist. Unter dieser Hinsicht stirbt der Mensch weder am Herz- noch am Hirntod: Er stirbt, wenn die Einheit seines Organismus in seiner Ganzheit unwiderruflich zerbrochen ist.“
(S.126f.) US-amerikanischer Presidents Council 2008: „Der hirntote Patient wird nie wieder die essentielle Fähigkeit erlangen, mit seiner Umgebung zu interagieren, was für lebende Organismen charakteristisch ist.“ …
Die eigentliche Problemlinie, anhand derer sich beurteilen lässt, ob Hirntote noch leben oder bereits tot sind, verläuft … entlang der Frage, ob diese Fähigkeiten einer selbstgesteuerten Eigenleistung des Organismus entspringen und so die Präsenz eines vitalen Prinzips (in der aristotelisch-thomanischen Tradition Seele genannt) belegen, oder ob sie als Teilzustände durch maschinelle Intervention von außen induziert sind. … Tatsächlich ist die zentrale Frage … die, ob ein Organismus die für ihn charakteristischen Prozesse der Integration nach innen und der Wechselwirkung nach außen in aktiver Eigenaktivität erbringt oder ob diese Prozesse nur noch in ihm durch externe Verursachung bewirkt werden können.
(S.130) Deshalb kann der Körper eines Hirntoten, in dem für begrenzte Zeit einzelne Lebensfunktionen künstlich aufrechterhalten werden, nicht mehr als ein lebendiger Organismus bezeichnet werden. …
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass hirntote Menschen nicht mehr als Sterbende bezeichnet werden sollten.
(Eberhard Schockenhoff: „Hirntod“, Zeitschrift für medizinische Ethik 58 (2012) S.117ff.)

·         (S.3) In Analogie zum medizinischen Sprachgebrauch müssten wir anstatt von „Hirntod“ korrekterweise von irreversiblem Hirnversagen sprechen.
(Paolo Bavastro: „Der ,Hirntod´ – eine Erfindung der Transplantationsmedizin“, erziehungskunst – Waldorfpädagogik heute, Oktober 2013 http://www.erziehungskunst.de/artikel/zeichen-der-zeit/der-hirntod-eine-erfindung-der-transplantationsmedizin/  )

·         (S.15) Der Hirntote ist eben nicht mehr im juristischen Sinne lebendig, weil er alle Zustände, die wir mit Personalität verbinden – Denken, Fühlen, Handeln, sprachlich und expressiv kommunizieren zu können, sich bewegen, emotional reagieren zu können, von sich aus die Beständigkeit des Organismus aufrechterhalten zu können – unwiederbringlich verloren hat. …
Es gibt unumkehrbar Sterbende zwischen Leben und Tod. Mit diesem neuen Status müssen wir lernen, verantwortlich umzugehen. …
(Peter Dabrock: „Tot oder lebendig“, Zeitzeichen 12 (2011) S.14f.)

·         (S.58) Zwar ist der Hirntod nicht gleichzusetzen mit dem Tod des Menschen im umfassenden Sinn. Er kann aber wie der Atem- oder der Herzstillstand ein akzeptables Todeskriterium sein, ein Realsymbol dafür, dass der Tod eines Menschen irreversibel eingetreten ist. – Hier sei ausdrücklich eingefügt, dass das Hirntodkriterium nicht erst zum Zweck der Organspende eingeführt wurde. Im Gegenteil – es dient schon seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Kriterium für die Beendigung einer zwecklos gewordenen Intensivbehandlung. …
(S.59) Es ist zu bezweifeln, ob Seelsorgende, die selbst das Hirntodkriterium ablehnen, Angehörige angemessen begleiten können. Wenn die Medizin Möglichkeiten anbietet, für die die Gesellschaft einen juristischen Rahmen geschaffen und die Medizin Standards entwickelt hat, steht es den Menschen frei, sich für oder gegen diese Möglichkeiten zu entscheiden. …
Ein Schlüsselproblem bei der Organspende ist, dass „der Tod“ von Ärzten, Pflegenden und Angehörigen jeweils unterschiedlich wahrgenommen und eingeordnet wird.
+ Die Mediziner sind nach der Hirntodfeststellung mit ihrem Wissen uns ihrer medizinischen Erfahrung bereits hinter der Todesschwelle.
+ Viele Angehörige sind aber in ihrem Erleben – und damit auch in ihrem Hoffen – noch vor dieser Schwelle. Das gilt im abgewandelten Sinne auch für viele Pflegende auf der Intensivstation …
(S.60) … kann der Mediziner seine Vorstellungen objektiv überprüfen: Er weiß, wie das Gehirn eines Menschen bei Hirntod beschaffen ist: irreversibel zerstört, nekrotisch und daher – anders als beim Herztod – grundsätzlich nicht wiederbelebbar. …
Der Patient wird medizinisch für tot erklärt, während er aber durch die Intensivbehandlung vegetativ noch „am Funktionieren“ gehalten wird. …
weiter: einfühlsame seelsorgerliche Begleitung in den einzelnen Stufen bis zur Organentnahme – Abschiedsrituale ermöglichen …
(Erhard Weiher / Karl-Heinz Feldmann: „Bericht – Seelsorge und Krisenbegleitung bei Hirntod und Organentnahme“, Zeitschrift für medizinische Ethik 56 (2012) S.57ff.)

·         (S. 175) hat sich das Kriterium Hirntod als Tod des Menschen in der westlichen Welt in den letzten dreißig Jahren durchgesetzt. …
Wollte man den Tod des Menschen mit dem Ausfall auch der letzten Lebensvorgänge gleichsetzen, müsste man mit der Todesfeststellung bis zur Verwesung warten. Eine Todesfeststellung zu früherem Zeitpunkt wird aber von niemandem ernsthaft bestritten. Lebensvorgänge in einzelnen Zellen sind noch lange Zeit nach der traditionellen Todesfeststellung (Eintritt der Leichenstarre, dauerhafter Ausfall der Herz-Kreislauf-Funktion) nachweisbar.
(S.176) ist der Tod … keine medizinische Diagnose. Die medizinische Wissenschaft kann Kriterien feststellen, die den Schluss erlauben, dass der Tod eingetreten sei. …
(S.178) President´s Council on Bioethics 2008:
… dass der Organismus als Ganzes nur existieren kann, wenn er vollführen kann, was al „fundamental work“ bezeichnet wird’s, Unter dem fundamental work, der basalen Lebensäußerung eines Organismus, versteht das Council erstens eine Offenheit gegenüber der Welt, d.h. die Rezeptivität auf Stimuli hin – die Fähigkeit, Signale aus der Umwelt wahrzunehmen. Zweitens die Fähigkeit, auf die Umwelt einzuwirken und ihr selektiv zu entnehmen, was der Organismus benötigt. Drittens das basale Gefühl des Bedarfs, gleichsam ein appetitives Verhalten, das den Organismus nötigt und ihm Anstoß gibt zu handeln, wie er muss, um Bedürfnisse zu stiellen und seine Offenheit gegenüber der Umwelt zu erhalten.
Die Fähigkeit des Austausches mit der Umwelt, einer Form der Kommunikation, in den Worten des Councils: ein Akt des commerce (des Austausches, des Handls mit der Umwelt), wird zum wesentlichen Merkmal der Ganzheit eines Organismus. Dabei komme der Atmung eine herausragende Bedeutung zu. Das Bedürfnis zu atmen, der Lufthunger, und die Fähigkeit ihrer Steuerung, die an das Atemzentrum im Gehirn gebunden ist, werden als ein wesentliches Merkmal von Leben gedeutet. Ihr Ausfall wird dann zu einem notwendigen, aber nicht alleine hinreichenden Kriterium der Todesfeststellung erklärt. …
Erst wenn Bewusstsein und die Fähigkeit zum spontanen Atmen ausgefallen sind, … fehlt die wesentliche Offenheit zur Umwelt, die einen lebenden Organismus charakterisiert. … dann …sei die Person tot.
(Stephan Sahm: „Hora incerta – zur neuen Rechtfertigung des Hirntods als Zeichen des Todes durch das President´s Council on Bioethics“, Zeitschrift für medizinische Ethik 58 (2012) S.173ff.)

·         (S.3) Aber auch wenn man sie teilt, wird man von der phänomenologischen, der Ebene des unmittelbaren Erlebens her sagen dürfen oder müssen, dass der Prozess zum Tode bzw. das Geschehen im Umfeld des Todes in hohem Maße technisch „manipuliert“ wird. Damit kommt der Eindruck auf, dass der Tod erst durch die Organentnahme von Menschen verursacht wird. Tatsächlich liegt die Ursache des Todes aber auch dann in einem durch Krankheit oder Unfall bedingten „Schicksal“. Der Körper hat die Fähigkeit, eigenständig und ganzheitlich zu leben, bereits endgültig verloren, doch wird der Eintritt des endgültigen Todes des Lebensträgers durch menschliches Handeln verhindert und dieser erst mit und unter der Organentnahme endgültig zugelassen. Dennoch wird der Tod des Menschen damit nicht erst durch die Organentnahme verursacht, der Mensch durch sie nicht erst getötet.
(S.4) Für die Angehörigen ist es dabei insbesondere belastend, dass der Sterbeprozess nicht mehr in seiner Ganzheit bis zu seinem Ende erlebbar ist. Dies verhindert eine Sterbebegleitung bis zum „natürlichen“ Erlöschen des Lebens,  ein Erleben des Todes und in der Regel auch ein Abschiednehmen vom Toten. Das kann bei ihnen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der seelischen Verarbeitung des plötzlichen Verlustes und der Trauer führen. Unbestreitbar sind auch die Frage nach einem menschenwürdigen Umgang mit Sterbenden und Toten und die Frage berührt, ob die dem Sterbenden in Liebe verbundenen Menschen ein Recht haben, seinen „natürlichen“ Tod zu erleben.
Die für die Angehörigen seelisch meist traumatisierend wirkende  Situation verschärft sich dadurch, dass überwiegend sie selbst gemäß den Bestimmungen des TPG eine Entscheidung über die Organentnahme zu fällen haben. Daraus kann sich ein schwerwiegender seelischer und ethischer Konflikt ergeben zwischen den Bedürfnissen der Angehörigen, den geliebten Menschen bis zu seinem „natürlichen“ Ende zu begleiten und dann Abschied zu nehmen, und der Herausforderung, die Zustimmung zur Organentnahme zu geben. Ethisch gesehen stellt sich daher die Frage, inwieweit die Menschen, die mit dem potenziellen Organspender bis zum Tod in liebender Verbundenheit gelebt haben, aufgrund ihrer eigenen seelischen Bedürfnisse und ethischen Überzeugungen eine Organentnahme auch ablehnen dürfen. Daraus ergeben sich weitergehende Fragen, vor allem, ob eine Organentnahme auch gegen die Überzeugungen und Bedürfnisse der Angehörigen vorgenommen werden sollte, wenn der Wille des potenziellen Organspenders dem nicht entgegensteht. Diese Fragen stellen das näher zu erörternde Thema einer ethischen Beratung der Angehörigen bei Gesprächen über die Organentnahme dar.
(S.4) hat nach dem TPG ein Angehöriger die  Entscheidung zu treffen und dabei „einen mutmaßlichen Willen des möglichen Organspenders zu beachten“. Das Gesetz fordert in Fällen eines nur mutmaßlich ermittelbaren Willens des möglichen Organspenders nicht, dass der Angehörige nur gemäß dem mutmaßlichen Willen entscheidet. Er darf sich auch von eigenen Überzeugungen, Einschätzungen und Bedürfnissen leiten lassen;
(S.4) Für die Angehörigen ist es dabei insbesondere belastend, dass der Sterbeprozess nicht mehr in seiner Ganzheit bis zu seinem Ende erlebbar ist. Dies verhindert eine Sterbebegleitung bis zum „natürlichen“ Erlöschen des Lebens,  ein Erleben des Todes und in der Regel auch ein Abschiednehmen vom Toten. Das kann bei ihnen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der seelischen Verarbeitung des plötzlichen Verlustes und der Trauer führen. Unbestreitbar sind auch die Frage nach einem menschenwürdigen Umgang mit Sterbenden und Toten und die Frage berührt, ob die dem Sterbenden in Liebe verbundenen Menschen ein Recht haben, seinen „natürlichen“ Tod zu erleben.
Die für die Angehörigen seelisch meist traumatisierend wirkende Situation verschärft sich dadurch, dass überwiegend sie selbst gemäß den Bestimmungen des TPG eine Entscheidung über die Organentnahme zu fällen haben. Daraus kann sich ein schwerwiegender seelischer und ethischer Konflikt ergeben zwischen den Bedürfnissen der Angehörigen, den geliebten Menschen bis zu seinem „natürlichen“ Ende zu begleiten und dann Abschied zu nehmen, und der Herausforderung, die Zustimmung zur Organentnahme zu geben. Ethisch gesehen stellt sich daher die Frage, inwieweit die Menschen, die mit dem potenziellen Organspender bis zum Tod in liebender Verbundenheit gelebt haben, aufgrund ihrer eigenen seelischen Bedürfnisse und ethischen Überzeugungen eine Organentnahme auch ablehnen dürfen. Daraus ergeben sich weitergehende Fragen, vor allem, ob eine Organentnahme auch gegen die Überzeugungen und Bedürfnisse der Angehörigen vorgenommen werden sollte, wenn der Wille des potenziellen Organspenders dem nicht entgegensteht. Diese Fragen stellen das näher zu erörternde Thema einer ethischen Beratung der Angehörigen bei Gesprächen über die Organentnahme dar.
(S.4) hat nach dem TPG ein Angehöriger die  Entscheidung zu treffen und dabei „einen mutmaßlichen Willen des möglichen Organspenders zu beachten“. Das Gesetz fordert in Fällen eines nur mutmaßlich ermittelbaren Willens des möglichen Organspenders nicht, dass der Angehörige nur gemäß dem mutmaßlichen Willen entscheidet. Er darf sich auch von eigenen Überzeugungen, Einschätzungen und Bedürfnissen leiten lassen
(S.7) Daher muss auch die Frage berechtigt sein, ob Angehörige aufgrund ihrer eigenen Bedürfnisse und begründeten ethischen Überzeugungen gegen den mutmaßlichen oder gar den eindeutigen Willen des möglichen Organspenders ihre Zustimmung zur Organentnahme verweigern dürfen. …
Geht man davon aus, dass das Selbstbestimmungsrecht (Autonomie) der primäre oder gar einzige Inhalt der Menschenwürde in Art.1.1 des GG ist, so käme jede Missachtung des Willens eines Menschen in Bezug auf die Organentnahme einer Missachtung seiner Persönlichkeitsrechte, ja seiner Menschenwürde gleich, wenigstens dann, wenn eine eindeutige Willensäußerung vorliegt. Diese These geht allerdings von einigen, gerade aus christlich-ethischer Sicht  kritisch zu hinterfragenden Prämissen aus, erstens der Gleichsetzung von Menschenwürde mit autonomer Selbstbestimmung und damit einem individualistischen Menschenbild, zweitens einem uneingeschränkten Verfügungsrecht des Menschen über sein Leben und seinen Körper und drittens einer Wirksamkeit dieses Verfügungs-rechts über den Tod hinaus.
Stellt man diese Prämissen in Frage, so stellen sich grundsätzliche ethische Fragen wie  die, inwieweit der Wille eines Menschen über den Tod hinaus so wirksam ist, dass er ein uneingeschränktes Verfügungsrecht über den eigenen Körper impliziert, ob der Wille eines Menschen auch gegen den Willen seiner Angehörigen für diese verbindlich ist, wenn sie ihm in Liebe bis zum Tod verbunden sind. …
(S.9) Daher sollte kein Mensch vorsorgend Entscheidungen über sein Lebensende fällen, ohne diese mit den in Liebe verbundenen Angehörigen besprochen und ihre Einstellung dazu angehört und bei seiner Entscheidung berücksichtigt zu haben, um möglichst eine einvernehmliche Regelung zu finden, ja man sollte auch bei Zustimmung der nächsten Angehörigen zu einer Organentnahme die eigene Entscheidung unter den Vorbehalt stellen, dass diese ihr in der konkreten Lebenssituation zuzustimmen in der Lage sind. In den Fällen, in denen eine Zustimmung des möglichen Organspenders vorliegt, diese den Angehörigen auch vorher bereits bekannt war, sie dieser Entscheidung aber in der konkreten und von ihnen in keiner Weise absehbaren belastenden Situation aus seelischen und moralischen Gründen nicht zustimmen können, entsteht für die Angehörigen eine ethische Konfliktsituation, in der sie abwägen müssen, ob es ihre unbedingte Pflicht ist, dem Willen des „Verstorbenen“ gemäß zu entscheiden, oder ob sie in dieser für sie schwierigen Situation auch ihren eigenen seelischen Bedürfnissen und ethischen Überzeugungen folgen dürfen. …
Auch gibt es – nicht nur aus christlicher Sicht - gute Gründe, dass man die Rücksichtnahme auf den Willen der Toten nicht über die Sorge für die Lebenden stellt.
(Ulrich Eibach: „Organ- und Gewebespende – ethische und rechtliche Überlegungen zum beratenden Gespräch mit Angehörigen über Organentnahmen, erschienen in: Medizinrecht 23 (2005), S.64-70)

·         (S.9f.) Bei den Beratungen zum Transplantationsgesetz ging mein Vorschlag dahin, dass Organe entnommen werden dürfen, wenn eindeutige Kriterien für den unwiderruflichen Tod des gesamten Gehirns vorliegen, ohne dass man damit behauptet, dass der gesamte Lebensträger tot sei. Das lehnten aber vor allem die Transplantationschirurgen und auch die Juristen ab, vor allem weil sie dann dem Verdacht ausgesetzt wären, dass sie den Menschen dann erst mit der Organentnahme töten. Ein mir gut bekannter Chirurg sagte: „Das Geschäft der Organentnahme ist für mich belastend genug, da will ich mich nicht noch mit dem Gedanken quälen, ob ich damit jemand töte!“ Und Juristen sagen: Wenn der Hirntod nicht der Tod des Menschen ist, dann dürfen wir keine Organe von Hirn toten entnehmen, denn dann wäre das Tötung von Menschen. Diese theoretische wie praktische Problematik ist bis heute nicht endgültig geklärt. …
(S.10) Der Tod ist damit nur als „kognitiver Akt“ gegenwärtig, wird aber nicht unmittelbar auf der sinnlichen Ebene, sondern nur über Apparate vermittelt erlebt.
Die Angehörigen sind in diesen Fällen meist mit einem plötzlichen Tod konfrontiert. In dieser oft schockierenden und  dramatischen Situation sollen sie zugleich mit der Frage belastet werden, ob sie einer Organentnahme zustimmen. Eine beabsichtigte Organentnahme verhindert eine Sterbebegleitung und das Erleben des Sterbens  und Todes bis zu einem „natürlichen“ Ende und – in der Regel - ein dem folgendes Abschiednehmen. Dies kann die seelische Verarbeitung  eines plötzlichen Todes erheblich beeinträchtigen und gibt zu der Frage Anlass, ob man Menschen in einer solchen Lebenssituation überhauptmit der Frage nach einer Organentnahme behelligen darf. Sie zu verschweigen, stellt aber auch keine Möglichkeit dar. Ebenso wenig kann es menschlich und ethisch gerechtfertigt werden, sie gegen den Willen der Angehörigen vorzunehmen, wenigstens dann, wenn der Spender einer Organentnahme nicht ausdrücklich zugestimmt hat. …
(S.10) Der Tod ist damit nur als „kognitiver Akt“ gegenwärtig, wird aber nicht unmittelbar auf der sinnlichen Ebene, sondern nur über Apparate vermittelt erlebt.
Die Angehörigen sind in diesen Fällen meist mit einem plötzlichen Tod konfrontiert. In dieser oft schockierenden und  dramatischen Situation sollen sie zugleich mit der Frage belastet werden, ob sie einer Organentnahme zustimmen. Eine beabsichtigte Organentnahme verhindert eine Sterbebegleitung und das Erleben des Sterbens  und Todes bis zu einem „natürlichen“ Ende und – in der Regel - ein dem folgendes Abschiednehmen. Dies kann die seelische Verarbeitung  eines plötzlichen Todes erheblich beeinträchtigen und gibt zu der Frage Anlass, ob man Menschen in einer solchen Lebenssituation überhauptmit der Frage nach einer Organentnahme behelligen darf. Sie zu verschweigen, stellt aber auch keine Möglichkeit dar. Ebenso wenig kann es menschlich und ethisch gerechtfertigt werden, sie gegen den Willen der Angehörigen vorzunehmen, wenigstens dann, wenn der Spender einer Organentnahme nicht ausdrücklich zugestimmt hat. …
(S.14f.) Es stellt sich dann noch die Frage, ob die Zustimmung eines Spenders zur Organentnahme immer besagt, dass ihm auch  Organe entnommen werden dürfen. Von einem Menschenbild aus gesehen, in dem die Autonomie das ist, was das Menschsein ausmacht und die Autonomie der entscheidende oder gar als der alleinige Inhalt der Menschenwürde ausgeben wird, wäre die Zustimmung des Spenders immer allein ausschlagend. Ihre Nichtbeachtung würde vielleicht sogar als Missachtung der Menschenwürde betrachtet. Man dürfte dann  ohne weiteres gegen die eindeutige Einstellung der nächsten Angehörigen und ihre evidenten Bedürfnisse eine Organentnahme vornehmen. Die Angehörigen und ihre Bedürfnisse spielen dann keine Rolle. Ich  habe Menschen kennengelernt, die daran sehr gelitten haben und deren Trauerprozess da-durch sehr belastet war, die ihren Verstorbenen Vorwürfe machten, dass sie ohne Rücksichtnahme auf die nächsten Angehörigen eine solche Entscheidung gefällt haben, und vor allem Menschen, die glaubhaft versichern konnten, dass wenn ihre Verstorbenen gewusst hätten, welche schwere Belastung das für sie ist, sie dem niemals zugestimmt hätten. …
Alle Zustimmungen zur Organentnahme sollten daher unter den Vorbehalt gestellt wer-den, dass die dem Toten in Liebe verbundenen Menschen dem in der jeweiligen Situation wirklich zustimmen können.
Ich weiß aus Erfahrung, dass viele Ärzte/innen, Pflegekräfte und selbst erfahrene Transplantationskoordinator/innen diese Ansicht teilen und entsprechend verfahren, obwohl das die meisten an einer Ethik der Autonomie orientierten Ethiker und Juristen anders sehen. Tragische Lebenssituationen sind aber oft nicht mit einer normativen Ethik oder gar dem Recht in menschlich zuträglicher Weise zu lösen, sondern nur durch Einfühlungsvermögen und Rücksichtnahme auf die betroffenen Menschen in einer konkreten tragischen Lebenssituation, also durch eine Form der Anteil nehmenden Wahrnehmung des anderen und – im Falle der Organspende – der Einordnung einer autonomen Entscheidung in die übergeordnete Dimension der von der Liebe bestimmten mitmenschlichen Beziehungen. In meiner Patientenverfügung (=PV) steht daher zu dem Absatz hinsichtlich der Organentnahme folgende Verfügung: „Ich stimme zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser PV der Organentnahme zu. Diese Zustimmung ist allerdings nur verbindlich, wenn meine nächsten Angehörigen, in erster Linie meine Ehefrau und dann auch meine Kinder …. in der konkreten Situation der Organentnahme ebenfalls zustimmen können. Ich untersage ausdrücklich, dass mein hier geäußerter Wille dann gegen den Willen und die Bedürfnisse meiner Ange-hörigen durchgesetzt wird.“
(S.7f.) Der Eintritt des Todes, man kann auch sagen der Endphase des Sterbens, wird aber unter den Bedingungen der Organentnahme mit aufwändigen medizin-technischen Mitteln manipuliert, durch die der natürlicherweise meist schnell eintretende Tod des Lebensträgers bis zur Organentnahme verhindert wird. um die Organe möglichst lebensfrisch entnehmen zu können. Es entsteht dadurch der irrige Eindruck, der Tod werde durch die Organentnahme erst verursacht, tatsächlich wird er aber bis dahin nur verhindert und dann erst endgültig zugelassen. Niemand wird durch eine Organentnahme erst getötet. Der Tod wird durch sie nicht verursacht, sondern durch Abbrechen lebenserhaltender intensivtherapeutischer Methoden nun erst zugelassen. Ohne sie wäre er, wenn der Hirn-tod eindeutig festgestellt ist, schon früher eingetreten. Das Tötungsverbot ist also dadurch nicht berührt. Bedingung ist allerdings, dass der Hirntod und damit der Tod des gesamten Gehirns, des Großhirns, des Mittelhirns, des Kleinhirns und des Stammhirns wirklich eingetreten ist.
Die Angst, es würden Organe von Menschen entnommen, die als Organismus aus sich heraus noch lebensfähig sind, ist unberechtigt, wenn die von der Bundesärztekammer festgelegten Kriterien zur Feststellung des Hirntods genau beachtet werden. Wenn die Kriterien nicht eindeutig gegeben sind und der Tod des gesamten Gehirns mit ihnen nicht eindeutig ermittelbar ist, müssen zusätzliche Methoden angewendet oder die Organentnahme unterlassen werden, denn dann könnte die Organentnahme ein Akt der Tötung, wenigstens der ursächlichen  vorzeitigen Herbeiführung des Todes sein. Man kann aber nicht behaupten, dass – weil diese Möglichkeit bestehe – jede Organentnahme eine Form der Tötung sei. …
(Ulrich Eibach: „Organentnahme und Organspende aus theologisch-ethischer und seelsorgerlicher Sicht“, Vortrag am 5. Bioethikforum der Evangelischen Kirche im Rheinland, Bonn, 21.9.2011)

·         (S.31f.)
Was ist das Hirntodkonzept?
„Hirntodkonzept" bezeichnet die Übereinkunft, dass der irreversible Ausfall der Gehirnfunktionen mit dem Tod des Menschen identisch ist. In Deutschland dient es seit 1997 medizinisch und rechtlich als unbedingte Voraussetzung zur Organentnahme bei hirntoten PatientInnen – auch wenn es nicht explizit im Transplantationsgesetz verankert ist. Der Gesetzgeber überantwortet es der Medizin, die Gleichsetzung von Hirntod und Tod eines Menschen zu begründen. Zwar muss als Voraussetzung zur Organentnahme „der Tod des Organ- oder Gewebespenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen" festgestellt worden sein (§ 3 (1), 2 TPG). Zudem muss vorab der Hirntod festgestellt sein, der als „nicht behebbarer Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms" bezeichnet wird, und ebenfalls nach Verfahrensregeln zu diagnostizieren ist, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen (vgl. § 3 (2), 2 TPG). …
Entsprechend stellt der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer In seinen „Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes" fest: „Mit dem Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt." Warum der Ausfall des Gehirns mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen wäre, wird auch dort nicht begründet. Kann es auch nicht. Denn es ist nicht die Aufgabe der Medizin, den Tod zu definieren. Was als Tod – und Leben – verstanden wird, ist vielmehr eine kulturelle, eine religiöse, eine gesellschaftliche Frage. Die Medizin kann den Tod zwar feststellen, definieren kann sie ihn nicht. …
Seither gilt in Deutschland die „erweiterte Zustimmungslösung" als Kriterium der Organentnahme bei hirntoten PatientInnen: Jeder und jede sollte für sich frei und ohne Druck entscheiden können, ob er bzw. sie das Hirntodkonzept – also die Annahme, dass hirntote PatientInnen tot sind – für sich akzeptieren kann und unter diesen Bedingungen einer Organentnahme am Lebensende zustimmen möchte. …
(S.38ff.)
Tabuthema Gewebespende
Wer der Organspende uneingeschränkt zustimmt, willigt damit auch in die Entnahme von Geweben ein. Der Mensch kann so zum Lieferanten von Knochenmehl, Haut und Sehnen werden – und es darf bezweifelt werden, dass sich alle potenziellen Spender dessen bewusst sind. Es ist nahezu unbekannt, dass gespendetes Gewebe … gereinigt, aufbereitet und weiterverarbeitet wird. Knochen beispielsweise werden zu Knochenmehl gemahlen oder in gebrauchsfertige Formate zerstückelt. Das Endprodukt gilt de jure als Arzneimittel und wird Ärzten auf den üblichen Vertriebswegen zur Verfügung gestellt. …
die notwendige Differenzierung von Organ- und Gewebespende …
dass Teile des eigenen Körpers als Arzneimittel auf den Markt kommen und damit gehandelt wird wie mit allen Arzneimitteln … die Rede vom menschlichen Ersatzteillager …
Zumal diese Praxis anders als bei der Organspende kaum der Vorstellung einer lebensrettenden „Spende“ entspricht, eines Geschenks also an eine einzelne, vielleicht vom Tode bedrohte Person. …
Kein Zweifel: bei all dem handelt es sich um medizinisch nutzbringende Mittel, die dazu beitragen können, das Leiden Kranker zu mildern …
wenn man denn davon ausgehen könnte, dass diejenigen, die ihre Zustimmung zur Organ- wie auch Gewebespende kundtun, wissen, welchen Verfahren und Praktiken sie eigentlich zustimmen. …
(S.52f.)
Eine pragmatische Definition
Bevor Mitte des 20. Jahrhunderts die moderne Beatmungstechnologie entwickelt wurde, gab es die Vorstellung nicht, dass ein Mensch tot sein könne, obwohl sein Körper noch lebt. Menschen galten als tot, wenn ihr Herz stillstand und sie nicht mehr wiederbelebt werden konnten. Innerhalb von Minuten kam es dann zum Sauerstoffmangel im Gehirn, der das Absterben dieses Organs wie aller anderen Organe zur Folge hatte. Eine Trennung zwischen dem toten Menschen als Individuum und seinen noch lebenden Organen war weder faktisch möglich noch von medizinischem Interesse. Es war immer der ganze Mensch, der verstarb.
Das sollte sich mit der der Entwicklung der Beatmungstechnologie ändern. Bei PatientInnen, deren Atemfunktion im Gehirn aus Krankheits- oder Unfallgründen ausgefallen war, konnte man die Atmung dauerhaft maschinell ersetzen. Auf diese Weise ließ sich das Leben des/der PatientIn weiter aufrechterhalten. Es entstand jedoch ein neuer Krankheitszustand, das Coma depassé. Menschen, die im irreversiblen Koma lagen, starben nicht – wachten aber auch nicht mehr auf. Für die Medizin stellte sich damit die Frage nach dem Behandlungsabbruch: Durfte man PatientInnen weiterbehandeln, die nie mehr erwachen, geschweige denn genesen würden, deren Sterben man vielmehr technisch unterbrochen hatte?
(JK: der Sterbeprozess ist – aus anderen Gründen als mit dem Ziel der Transplantation – künstlich unterbrochen worden, nun, nach der Feststellung des Hirntodes, soll/kann das Sterben zugelassen werden ODER es kann über Organentnahme gesprochen werden)
Hier brauchte es ein Kriterium, das den Abbruch der sinnlosen Beatmungstherapie gestattete, ohne, dass die MedizinerInnen dafür rechtlich belangt werden konnten. Zudem weckte das irreversible Koma neue Begehrlichkeiten der Transplantationsmedizin. …
Um beide Probleme zu lösen, formierte sich an der Harvard Medical School 1968 eine Expertenkommission, die pragmatisch formulierte, was die Transplantationsmedizin in ihrer heutigen Form erst ermöglichte: das Hirntodkonzept. Das irreversible Koma sollte als neues Todeskriterium fungieren, damit die PatientInnen und ihre Angehörigen, wie es heißt, „von einer schweren Last befreit" würden, aber auch die Beschaffung von Organen zur Transplantation eindeutig geregelt und erleichtert würde. Seither gilt nahezu weltweit der irreversible Ausfall der Gehirnfunktionen als der Tod des Menschen und bildet in vielen Ländern die rechtliche Voraussetzung zur Entnahme von Organen. …
(S.55)
Neue Zweifel am Hirntodkonzept
Eben diese Gleichsetzung von Hirntod und Tod wird nun durch neue medizinische Erkenntnisse in Frage gestellt. War die anthropologische Begründung des Hirntodkonzeptes seit jeher umstritten, wird in den neuen Studien auch das biologische Integrationsargument widerlegt. Sie zeigen, dass die Integrationsfähigkeit des Organismus mit dem Erlöschen der Hirnfunktionen keineswegs beendet ist. Durch mindestens 175 dokumentierte Fälle wurde allein bis 1998 wissenschaftlich belegt, dass bei hirntoten PatientInnen nicht kurzfristig der Tod eintritt. Zwischen Hirntod und Herzstillstand lag vielmehr ein Zeitraum zwischen einer Woche und 14 Jahren. …
Zudem gibt es neue technische Verfahren der funktionalen Bildgebung, die Aktivitäten des Gehirns noch zu einem Zeitpunkt feststellen könnten, an dem der Hirntod schon vermeintlich sicher diagnostiziert ist. In der Fachliteratur werden etliche Fälle benannt, die klinisch zwar als hirntot diagnostiziert wurden, bei denen jedoch mit apparativer Diagnostik eine Durchblutung des Gehirns nachgewiesen werden konnte. Damit lässt sich nun auch medizinisch belegen, warum Hirntote bei der Organentnahme oft Reaktionen zeigen, die bei anderen bewusstlosen PatientInnen als Schmerz- und Abwehrreaktionen gedeutet werden: Blutdruck und Herzfrequenz steigen sprunghaft an, das Gesicht rötet sich, Schweißperlen treten auf, Arme und Beine werden bewegt. In der Schweiz und Großbritannien etwa werden OrganspenderInnen bei der Entnahme deshalb narkotisiert, in Deutschland nicht. Schmerzmittel zu geben hieße anzuerkennen, dass es sich bei Hirntoten nicht um Tote handelt, sondern um schwerkranke Sterbende. …
Dass hirntote PatientInnen Arme und Beine bewegen können, ist schon lange bekannt. „Spinale Reflexe" oder „Lazaruszeichen" werden diese Bewegungen genannt. Laut DSO treten sie bei 75 Prozent aller Hirntoten auf. Hier handele es sich jedoch nicht um Lebens-, sondern um Todeszeichen, konstatiert die DSO und empfiehlt deshalb, zur „Optimierung des chirurgischen Eingriffs" bei der Organentnahme das vegetative Nervensystem auszuschalten. Verhindert werden so jedoch nicht die möglichen Schmerzen der OrganspenderInnen, sondern nur ihre Bewegungen und körperlichen Reaktionen. Diese Maßnahme dient vielmehr der Beruhigung des assistierenden OP-Personals; denn für das Pflegepersonal – ebenso wie für viele ÄrztInnen und vor allem für die Angehörigen am Sterbebett – ist die lebendige Erscheinung der hirntoten PatientInnen unerträglich. Hirntote haben einen warmen, durchbluteten Körper, man misst ihre Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Temperatur etc.), sie werden ernährt und scheiden aus, sie können Fieber entwickeln, ihre Wunden heilen, hirntote Kinder können wachsen und allein bis 2003 wurden zehn Fälle von schwangeren hirntoten Frauen dokumentiert, die über Monate ihre Schwangerschaft aufrechterhalten konnten und von einem Kind entbunden wurden. Nicht von ungefähr sprechen viele von der „Unanschaulichkeit" des Hirntodkonzepts. …
(S.60f.) Niemand kann garantieren, dass hirntote Menschen – auch nach gewissenhaft und korrekt durchgeführter Diagnostik – absolut schmerz- und empfindungsfrei sind. Daher muss aus Sicht der Spender_innen verlangt werden, dass jede Explantation unter Vollnarkose (d.h. Bewusstseinsverlust, Schmerzausschaltung, Muskelentspannung) stattfinden muss. EU-weit wird es unterschiedlich gehandhabt, ob und wenn ja, in welchem Umfang Narkosemittel gegeben werden. Nach Aussagen der Bundesärztekammer ist eine vollständige Narkose in Deutschland nicht üblich. In der Regel werden nur muskelentspannende Medikamente gegeben, um die als unwillkürliche Nervenreflexe gedeuteten Bewegungen, die nicht vom Gehirn, sondern vom Rückenmark des Sterbenden ausgehen, zu verhindern, weil sie die Operation erschweren würden. Wenn es der psychischen Gesundheit der Angehörigen oder des medizinischen Personals diene, sei es aber auch in Deutschland möglich, die Spender_in vollständig zu narkotisieren, so Prof. Angstwurm, Neurologe und Mitglied verschiedener Kommissionen zum Thema Hirntod und Organtransplantation. …
(S.62) Für das OP-Personal stellt sich dieser Konflikt noch erheblich deutlicher dar. Auch sie nehmen die zu Explantierenden optisch als lebendig wahr, müssen aber an ihnen eine Operation vornehmen, in der lebenswichtige Organe entfernt werden und in der durch die Explantation auch der wahrnehmbare Tod eintritt bzw. der/die Hirntote zu einer Leiche wird. Emotional erleben viele Pflegekräfte, aber auch Anästhesist_innen Organexplantationen als schwere Eingriffe in den Sterbeprozess bzw. als aktive Beteiligung an einem Tötungsvorgang. Das rationale Wissen, dass dieser Eingriff an einem/einer Hirntoten erfolgt und zugunsten eines anderen schwerkranken Menschen durchgeführt wird, oder der Hinweis auf die Rechtslage, die dieses Verfahren ausdrücklich erlaubt, mindert nicht den inneren Konflikt. Das medizinische Personal, das an Explantationen teilnimmt, muss permanent die eigene sinnliche und intuitive Wahrnehmung (die einen lebenden menschlichen Körper wahrnimmt) für ungültig erklären und zugleich auch jeden Zweifel an der Tragfähigkeit der Hirntoddefinition verdrängen, um das Entnahmeverfahren durchführen zu können.
(Evangelische Frauen in Deutschland e.V.: Arbeitshilfe zum Weitergeben „Organe spenden?“, 2013)

·         (S.3) 1. Die historische Hirntod-Debatte
In der Wahrnehmung der meisten Menschen dürfte im Rahmen eines natürlichen Sterbeprozesses immer noch  der Atem-  und Herzstillstand mit dem endgültigen Tod verbunden werden. Der Herzstillstand hat unter natürlichen Bedingungen innerhalb von Minuten das Absterben des Gehirns zur Folge. Medizinische Entwicklungen wie die Technik der Wiederbelebung, die maschinelle Beatmung und Kreislaufunterstützungssysteme bis hin zur Herzlungenmaschine haben allerdings diese Grenze überwindbar gemacht.
Im Ergebnis dieser Entwicklung erschien es notwendig, eine neue Definition des Todeszeitpunktes zu finden, die z.B. das Beenden von vordergründig sinnlos erscheinenden Therapiemaßnahmen ermöglicht. …
(S.4) 4.
Sterben ist ein Prozess, dessen Ende nicht eindeutig bestimmt werden kann.
Der Hirntod ist nicht der Endpunkt des Sterbens, sondern eine „Zäsur intra vitam“. Der Organspender stimmt damit einer künstlichen Lebensverlängerung bzw. Sterbeverlängerung zu. …
(S.5) Weiterhin geben Studien mit fMRT und PET an hirntoten Patienten Anlass, an der Reliabilität der üblichen Hirntoddiagnostik zu zweifeln. Aus ethischen Gründen sollte eine Hirntoddiagnostik auf dem Stand der besten verfügbaren Technologie gesetzlich vorgeschrieben werden, also zumindest die Angiographie, in Zweifelsfällen auch fMRT oder PET. …
(S.12) 8.  Theologischer Diskurs – Abwägungen
Moraltheologisch kaum relevant ist die Explantation von Organen aus wirklich Verstorbenen, wenn diese aus humaner Absicht und  zur Rettung eines Lebenden geschieht. Es ist allein die Organspende von noch nicht (endgültig) Gestorbenen, die schwerwiegende Fragen aufwirft. Und zwar deshalb, weil die Explantation von Organen in den Sterbeprozess des Spenders eingreift. Für die Transplantation werden ja gut durchblutete, lebendige Organe gebraucht, die letztendlich nur von noch nicht ganz gestorbenen Menschen entnommen werden können.
D.h.: um transplantationsfähige Organe zu erhalten, muss der Sterbeprozess zum einen verlängert werden, bis die Organe entnommen worden sind, und andererseits verstirbt der Spender dann nicht infolge eines „natürlichen“ Prozesses, sondern aufgrund der Organentnahme. Es ist erst der Herztod, der durch die Unterbrechung des Blutkreislaufes das Absterben aller übrigen Organe und damit den Gesamt-Tod einleitet.
Eine Möglichkeit, diesen beiden Problemen aus dem Wege zu gehen, besteht darin, den Sterbenden ab einen bestimmten Zeitpunkt, vor der Unterbrechung des Blutkreislaufes für tot zu erklären. Das geschieht nun in der Weise, indem das Absterben des Gehirns zum Gesamttod des Menschen erklärt wird.
Dafür gibt es einerseits gute Gründe, andererseits (wie weiter oben ausgeführt wurde) schwerwiegende Einwände.
Nach heutigem medizinischem Kenntnisstand sind mit dem Versagen des Großhirns alle geistigen Fähigkeiten des Menschen erloschen. Somit gilt als unbestreitbar, dass mit dem Hirntod ein entscheidender und unumkehrbarer Abschnitt im Sterbeprozess eingesetzt hat. …
(S.34) Nun versterben allerdings von den rund 850 000 Menschen, die jährlich in  Deutschland sterben, nur etwa 400 000 in Krankenhäusern. Von diesen wiederum erleiden etwa 4000 den „Hirntod“ (d.h. in der Reihenfolge des Organversagens ist es das Gehirn und nicht das Herz, das als erstes unwiederbringlich versagt). Und von diesen eignen sich nur die als Organspender, deren Organe nicht durch Verschleiß, Infektionen oder Tumore geschädigt sind. In der Regel sind das Opfer von Unfällen. „Die idealen postmortalen Organspender mit Schädelhirntrauma ohne Schäden an  inneren Organen machen nur noch circa drei Prozent der Spender aus“, so Dr. Thomas Breidenbach von der Deutschen Stiftung Organtransplantation.
Es lässt sich nicht ausschließen, dass es der Pharmaindustrie, die maßgeblich an der Erhöhung der Transplantationsraten interessiert ist, noch um ein ganz anderes, bisher nicht öffentlich diskutiertes Ziel geht und zwar um die Ausweitung des gewerblichen Handels mit Gewebe-»Spenden«.
Wie auf dem amtlichen Organspendeausweisen zu lesen ist, wird bei der Spende zwischen Organen und Gewebe nicht unterschieden, obwohl bei der Vermarktung wesentliche Unterschiede bestehen. …
(Rolf-Michael Turek: „Das neue Transplantationsgesetz“, Dezember 2012
http://humorakademie.files.wordpress.com/2013/01/das-neue-transplantationsgesetz-a4.pdf  )

·         (S. 24)
Schmerzempfinden bei Hirntoten – Narkose bei der Organentnahme ?
Zur Organentnahmeoperation ist … auch keine Narkose erforderlich. Es werden allenfalls Medikamente verabreicht, die eine Erschlaffung der Muskeln erzielen und damit die im Rückenmark umgeschalteten Reflexe unterdrücken.
In der öffentlichen Diskussion wurde in der vergangenen Zeit angeführt, in der Schweiz würde bei der Organentnahme eine Narkose empfohlen und dies sei sogar gesetzlich verpflichtend. Das ist nicht richtig. Vielmehr gibt es eine Empfehlung der »Schweizerischen Akademie für Medizinische Wissenschaften (SAMW)«, die für die Organentnahme eine Gabe von sogenannten volatilen Anästhetika empfiehlt, mit dem ausdrücklichen Ziel, die Durchblutung der zur Entnahme vor-gesehenen Organe zu verbessern. …
Zeichen von Leben – trotz „Hirntod“?
… zeigen sich gelegentlich bei Hirntoten Reaktionen, die sich mit der Vorstellung vom Tod vordergründig nicht in Einklang bringen lassen. So kann bei der Organentnahme plötzlich der Blutdruck ansteigen oder sich der Puls erhöhen; es kann zu Muskelzuckungen oder Hautrötungen kommen.
Empfinden Hirntote also doch Schmerzen?
Der Schein trügt. … tierexperimentelle Untersuchungen … beweisen, dass es sich hierbei lediglich um Reaktionen handelt, die durch das Rückenmark vermittelt werden.
Infolge einer äußeren Berührung kann es zu einem Rückenmarksreflex, beispielsweise zu einer unwillkürlichen Bewegung des Armes oder Beines, kommen. Da im Hirntod die hemmende Wirkung des Gehirns auf das Rückenmark fehlt, treten diese Reflexe oft verstärkt auf.
(S. 29)
Kann ein Hirntoter wieder erwachen?
Nein. Der zweifelsfreie Nachweis des eingetretenen Hirntodes beweist, dass alle Funktionen des Gehirns unwiederbringlich erloschen sind. Die Ursache hierfür ist ein Ausfall der Hirndurchblutung. Dies führt nach kurzer Zeit zum Absterben des Gehirns. Deshalb sind Aktivitäten des Gehirns oder gar ein Wiedererwachen aus dem Hirntod – ebenso wie jede Form von Bewusstsein nach Eintreten des Hirntodes – definitiv nicht möglich.
Gleichwohl gibt es anders lautende Medienberichte über einzelne Fälle. Hierbei handelt es sich ausnahmslos um Patienten, bei denen die Untersuchung nicht sachgerecht, nicht vollständig und/oder unter Missachtung der wesentlichen Voraussetzungen durchgeführt wurde. Keiner der behaupteten Fälle hat bisher einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten.
… ist es in diesem Zusammenhang nie zu einer Organentnahme gekommen.;
(S. 31) Ist eine Erklärung zur Organspende möglich, wenn gleichzeitig eine Patientenverfügung existiert?
Hierzu empfiehlt sich eine Formulierung wie folgt:
»Grundsätzlich bin ich zur Spende meiner Organe und Gewebe bereit. Es ist mir bewusst, dass Organe nur nach Feststellung des Hirntodes bei aufrechterhaltenem Kreislauf entnommen werden können. 
Deshalb gestatte ich ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende medizinisch in Frage kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage umfassende) Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen
+ zur Bestimmung des Hirntodes nach den Richtlinien der Bundesärztekammer
+ und zur anschließenden Entnahme der Organe
(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Kein Weg zurück …“, 2012, S.24)
http://www.bzga.de/pdf.php?id=81af76d916533abe0489d7f74eefb780  

·         S.22:
Der Hirntod lässt sich durch verschiedene Untersuchungen zweifelsfrei feststellen. Es handelt sich dabei nicht um eine Prognose über den zukünftigen Zustand des Patienten. Vielmehr stellt der Arzt fest, dass die Gehirnfunktionen bereits unwiderruflich erloschen sind. Damit ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen zweifelsfrei festgestellt.
Das unwiderrufliche Erlöschen der Gehirnfunktion wird entweder durch die Hirntoddiagnostik (direkter Nachweis des Hirntodes) oder durch das Vorliegen sicherer äußerer Todeszeichen wie Totenflecke oder Leichenstarre nach Herz-Kreislaufstillstand (indirekter Nachweis des Hirntodes) nachgewiesen.
(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Gewebespende“, 2012, http://www..de/infomaterialien/organspende/?addinfo=1 )

·         3. Geht es vielleicht nicht um Organe, sondern um (handelbares) Gewebe?
(Es lässt sich nicht ausschließen, dass es der Pharmaindustrie, die maßgeblich an der Erhöhung der Transplantationsraten interessiert ist, auch um ein ganz anderes, bisher nicht öffentlich diskutiertes Ziel geht und zwar um die Ausweitung des gewerblichen Handels mit Gewebe-»Spenden«. Wie auf dem amtlichen Organspendeausweisen zu lesen ist, wird bei der Spende zwischen Organen und Gewebe nicht unterschieden, obwohl bei der Vermarktung wesentliche Unterschiede bestehen. Das Gesetzentwurf weitet (von der Öffentlichkeit fast unbemerkt) gegenüber dem Transplantationsgesetz von 1997 die Spende auf Knochenmark sowie auf embryonale und fötale Organe, Gewebe und menschliche Zellen aus. Und hier eröffnet sich jenseits der Kontroversen um den „Hirntod" ein ganz neues Feld:
Während eine Organentnahme nur bei „hirntoten" Sterbenden infrage kommt, können Gewebe auch noch von wirklich Verstorbenen entnommen werden. Das trifft dann theoretisch für alle etwa 850 000 jährlichen Sterbefälle in Deutschland zu, wenn eine Einwilligung (zur Organentnahme, die eng mit der Gewebeentnahme auf der Erklärung verknüpft ist) vorliegt.
Vor diesem Hintergrund lässt sich der Druck, einen Organ- und Gewebespendeausweis zu unterschreiben - wie jetzt mit dem neuen Transplantationsgesetz -, neu verstehen. Über den Aspekt der möglichen Entnahme und Vermarktung von Geweben wird im Moment weder öffentlich diskutiert noch aufgeklärt. Die berechtigte Vorsicht speist sich aus der Ahnung, dass manche Menschen vor einer Zustimmung zur Gewebeentnahme zurück schrecken würden, wenn sie über das ganze Ausmaß der dem Körper entnommenen „Ersatzteile", deren Verarbeitungsprozeduren wie auch der Vermarktung aufgeklärt würden.
Es war die Süddeutsche Zeitung, die am 31. Mai 2012 darüber berichtet hatte, wie die entnommenen Körperteile bzw. das gespendete Gewebe in dem Deutschen Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG) [1] gereinigt, aufbereitet und weiterverarbeitet werden.
„Knochen beispielsweise werden zu Knochenmehl gemahlen oder in gebrauchsfertige Formate gestückelt. Das Endprodukt gilt de jure als Arzneimittel und wird den Ärzten auf den üblichen Vertriebswegen zur Verfügung gestellt. Der aktuelle DIZG-Katalog hat ein entsprechendes Angebot: hochwertige Knochenchips, gemahlen mit der Spierings Bone Mill. Komplette Achillessehnen und Patellasehnen mit vorgeformten Knochenansätzen. Menschliche Haut, zellfrei und gefriergetrocknet in Größeneinheiten von einem Quadratzentimeter bis hin zu Gewebeflächen von 16 mal 24 Zentimetern. Weichgewebe, knorpelfreie Oberschenkelknochenköpfe, Teile des Schienbeins in Span- und Keilform«[2].
Ganz im Sinne der Kommerzialisierung der Spende von Körperteilen wurde ein Entwurf des sogenannten Gewebegesetzes („Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichem Gewebe und Zellen") erarbeitet. Menschliches Gewebe wird in der Vorlage wie ein normales Arzneimittel aufgefasst, mit dem auch Handel getrieben werden kann. Die Sorge der Kritiker (Krankenkassen, Ärzte, Krankenhäuser, pharmazeutische Industrie) angesichts des Gesetzentwurfs war, dass dann eine Gewebespende nicht den erreiche, der sie brauche, sondern den, der sie bezahlen könne.
Interessant für die Pharmaindustrie ist diese Sparte allein schon deshalb, weil sich bei Mangelgewebe, wie zum Beispiel Hornhaut, Spitzenpreise erzielen lassen. Wenn für die rund 4000 Menschen in Deutschland, die auf eine Hornhautspende warten, nur 2000 Spenden zur Verfügung stehen, so würden sich bei einer erhöhten Zustimmung zur Organ- und Gewebespende ein gewinnträchtiger Markt eröffnen. Und zwar allein deshalb, weil als „Spender" auch die zur Verfügung stehen, die nicht auf einer Intensivstation aufgrund eines Hirnversagens versterben.)
(Rolf-Michael Turek; E-Mail 28.8.2013)

·         DBK und ACK beziehen sich in ihrer Stellung zur Organspende weiterhin auf die gemeinsame Erklärung von 1990:
„Die christlichen Kirchen kennen keine moralische Verpflichtung zur Organ- und Gewebespende, sehen in ihr gleichwohl eine Möglichkeit, über den Tod hinaus Nächstenliebe zu praktizieren; sie treten zugleich für eine sorgfältige Prüfung der Organverpflanzung im Einzelfall ein (Näheres siehe in: Gott ist ein Freund des Lebens .Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des  Lebens, hg .vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Gütersloh/Trier 1989 u.ö., 102–105; Organtransplantationen, Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen  Kirche in Deutschland, Gemeinsame  Texte 1, Bonn/ Hannover 1990).“
(„Christliche Patientenvorsorge“, 2011, Text S.25; http://www.ekd.de/download/patientenvorsorge.pdf )

·         Jüdische Religion und die Frage der Organspende
„Zur Frage, wann der Mensch tot ist, gibt die Halacha, die verbindliche jüdische Gesetzesauslegung, zwei Definitionen: Aussetzen der Atemtätigkeit und Aussetzen des Pulschlags. Dem Gehirntod wird in der Halacha keinerlei Bedeutung zugemessen. Hingegen sind nach unserem Standpunkt selbst ungesteuerte Reflexe des autonomen Nervensystems als Leben zu werten ... Bei der Transplantation von lebenswichtigen Organen, wie zum Beispiel dem Herzen, ist gemäß der jüdischen Vorschrift die Transplantation nur dann möglich, wenn die Funktion dieser Organe beim Spender wie beim Empfänger nicht mehr gegeben ist. Jede Transplantation dieser Organe, solange das Herz funktioniert, bedeutet nach jüdischer Auffassung einen doppelten Mord: Mord des Spenders – denn gemäß unserer Definition lebt er noch – sowie des Empfängers – denn die Entfernung seiner funktionstüchtigen Organe, auch wenn sie kurz vor dem Stillstand stünden, bedeutet Mord.“
(Landesrabbiner Joel Berger, Zentralrat der Juden, Stellungnahme vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages 25.9.96;
nach: Siegmund-Schultze: Organtransplantation, Rowohlt Hamburg 1999, S.248)

·         Künstliches Herz soll Spenderorgan ersetzen;
Ein neu entwickeltes Kunstherz ist in Paris erstmals einem Patienten eingesetzt worden.
Die Operation mit dem Hightech-Kunstherzen wurde in aller Diskretion kurz vor den Weihnachtsfeiertagen im Pariser Georges-Pompidou-Krankenhaus durchgeführt. Der Patient, ein schwer herzkranker 75-jähriger Mann, lebt.;
Es sei "bloß eine große Pumpe", meinte hingegen der 80-jährige Erfinder Alain Carpentier auf einer Pressekonferenz, auf der das von ihm entwickelte künstliche Organ vorgestellt wurde. Erstmals soll ein künstliches Herz nicht nur vorübergehend, sondern für viele Jahre das Original ersetzen. Schon bisher gab es Maschinen und Kunstherzen, die es ermöglichten, die Zeit bis zu einer Transplantation eines Spenderherzens zu überbrücken. Neu ist an Carpentiers "intelligenter" Hightech-Pumpe, dass sie dank einer Batterie mindestens fünf Jahre funktionieren kann. Mit den eingebauten Sensoren und der Elektronik soll sie sich zudem an die unterschiedlichen körperlichen Leistungen anpassen können.
Das soll aber nicht der einzige "bahnbrechende" Vorteil sein: Der Mantel des künstlichen Organs besteht aus einem biosynthetischen Material, das die Risiken einer Abstoßung durch Immunreaktionen vermeidet. Das mache eine entsprechende kostspielige medikamentöse Behandlung überflüssig, heißt es. Noch hat das Carpentier-Herz eine Dimension, die es vor allem für Männer mit einem größeren Thorax geeignet erscheinen lässt.
(taz 3.1.2014 S.18 - )

·         Anzahl der Organspender in Deutschland 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 16% eingebrochen; 876 Spender – niedrigster Wert seit Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes 1997;
gespendete Organe 3034 – minus 14%;
(Freie Presse Chemnitz 16.1.2014S.1)

·         Ist wirklich „in der Schweiz bei der Organspende (Organentnahme) eine (Voll-)Narkose verbindlich / gesetzlich vorgeschrieben“, wie das in vielen Publikationen und im Internet zu lesen ist?
Kurze und deutliche Antwort: NEIN!

In der Schweiz gibt es kein Gesetz, das eine Vollnarkose bei der Organentnahme vorschreibt. Und wenn eine Allgemeinanästhesie bei verstorbenen (hirntoten) Personeneingesetzt wird, dann nicht mit dem Ziel der Schmerzausschaltung, sondern allein um „zu verhindern, dass während der Organentnahme Reflexe aus dem Rückenmark (spinale Reflexe) zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz führen“.
Ich hatte folgende Anfrage an das Schweizer Bundesamt für Gesundheit BAG geschickt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den meisten Veröffentlichungen, die ich als (Fach-)Publikationen oder aus dem Internet kenne, wird sinngemäß mitgeteilt, dass „in der Schweiz bei der Organentnahme eine (Voll-)Narkose verbindlich - per Gesetz - vorgeschrieben" sei, mit der Begründung, mögliche Schmerzempfindungen auszuschließen. Auf der Internetseite des BAG lese ich das anders: "keine Narkose". Wie sieht die Praxis im Operationssaal in der Schweiz tatsächlich aus?
Gibt es zur Narkose bei Organentnahme eine gesetzliche Regelung?
Und wenn Narkose häufig oder immer eingesetzt werden sollte, mit welcher medizinisch-fachlichen Begründung geschieht dies?
Ich würde gern mit "echten Schweizer Argumenten" argumentieren können!
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Krause (krause.schoenberg@t-online.de )
Das Schweizer BAG hat mir nach intensiven Recherchen am 17.1.2014 folgende Antwort zukommen lassen
Sehr geehrter Herr Krause
Besten Dank für Ihre Anfrage, die wir Folgendermaßen beantworten:
In der Schweiz schafft das Transplantationsgesetz die rechtliche Grundlage für die Transplantationsmedizin (hier ein link aus unserem Portal zu den rechtlichen Grundlagen der Transplantationsmedizin http://www.bag.admin.ch/transplantation/00694/index.html?lang=de ).
Die Aussage, dass in der Schweiz bei einer Organentnahme eine (Voll)Narkose gesetzlich verbindlich ist, ist nicht korrekt. Die Frage der Narkose bei einer Organentnahme ist im Transplantationsgesetz nicht geregelt.
Ziel einer (Voll)Narkose (=Allgemeinanästhesie) bei lebenden Personen ist die Schmerzausschaltung, die Aufhebung des Bewusstseins, die Dämpfung vegetativer Funktionen bzw. Reaktionen (Bsp. Blutdruckanstieg) und eine Muskelrelaxation während eines chirurgischen Eingriffs. Diese Ziele können durch die kombinierte Applikation verschiedener Medikamente erreicht werden. Zur Einleitung oder Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie können Inhalationsanästhetika eingesetzt werden. Zudem werden bei einer Allgemeinanästhesie präoperativ zur Sedation einleitend auch Beruhigungsmittel verabreicht.
Bei einer Organentnahme ist die Person verstorben und daher funktionieren die zu blockierenden Rezeptoren im Gehirn nicht mehr. Deswegen kann eine Allgemeinanästhesie nicht im klassischen Sinne wirken. Sie kann bei verstorbenen Personen aber verhindern, dass während der Organentnahme Reflexe aus dem Rückenmark (spinale Reflexe) zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz führen.
Zur Vermeidung spinaler Reflexe empfiehlt in der Schweiz die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften in ihrer medizinisch-ethischen Richtlinien "Feststellung des Todes mit Bezug auf Organtransplantationen (2011)" bei der Organentnahme die Verabreichung von Inhalationsanästhetika (http://www.samw.ch/de/Ethik/Richtlinien/Aktuell-gueltige-Richtlinien.html).
Für Informationen zum Vorgehen in der Praxis, können Sie sich an die Transplantationszentren in der Schweiz wenden (http://www.bag.admin.ch/transplantation/00696/02573/02958/index.html?lang=de).
Freundliche Grüße
Dr. Elvira Del Prete
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit BAG
Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit
Seilerstrasse 8, CH-3003 Bern
Tel. +41 31 324 78 88
Fax +41 31 322 62 33
mailto:elvira.delprete@bag.admin.ch
http://www.bag.admin.ch/

·         (Organentnahme bei verunglückten deutschen Touristen in Österreich???)
Widerspruchsregister
In Österreich darf einem potenziellen Spender ein Organ, Organteil oder Gewebe nur dann entnommen werden, wenn zu Lebzeiten kein Widerspruch abgegeben wurde.
Zur wirksamen Dokumentation eines Widerspruchs wurde das Widerspruchsregister eingerichtet. Neben dem dokumentierten Widerspruch im Widerspruchsregister werden auch andere Formen der Entscheidung bezüglich einer postmortalen Organ- bzw. Gewebespende respektiert (etwa ein bei den Ausweispapieren gefundenes Schreiben oder ein bezeugter mündlicher Widerspruch im Kreise der Angehörigen).
Das Widerspruchsregister ist primär für die österreichische Wohnbevölkerung eingerichtet worden, die Abfrage-Identifikation erfolgt hauptsächlich über die österreichische Sozialversicherungsnummer. Personen, die sich nur kurzzeitig in Österreich aufhalten (Urlaub, Kongress, Familienbesuch), wird empfohlen, ihre persönlichen Willensbekundungen schriftlich bei den Ausweispapieren zu deponieren (z. B. Zustimmung: »Ich will Organspender sein«; Ablehnung: »Ich will kein Organspender sein«). Dieser erklärte Wunsch wird im Fall des Ablebens respektiert. Darüber hinaus wird ein Gespräch mit den Angehörigen gesucht.
Falls Sie sich in das Widerspruchsregister ein- bzw. wieder austragen lassen wollen, können Sie die entsprechenden Formulare downloaden oder bei uns anfordern. Ein- und Austräge im Widerspruchsregister können ab einem Alter von 14 Jahren unterfertigt werden. Für etwaige Namens- oder Adressänderungen verwenden Sie bitte das Änderungsformular.
Formulare mit Originalunterschrift bitte an die GÖG/ÖBIG,
Widerspruchsregister, Stubenring 6, A-1010 Wien.
Kontakt: Susanne Likarz, Tel.: 01/515 61, wr(at)goeg.at
Formular für Erwachsene für die Aufnahme in das österreichische Widerspruchsregister:
http://www.goeg.at/cxdata/media/download/wr_aufnahme_erwachsene_ab_14.pdf 
(Quelle: http://www.goeg.at/de/Berichte-Service/Widerspruch.html  )

·         Österreich
In Österreich gilt die Widerspruchsregelung. Die gesetzliche Grundlage dafür bietet seit 1957 das Krankenanstaltengesetz.
Das österreichische Transplantationsrecht gilt auch für Ausländer, unabhängig von ihrem Herkunftsort. Deswegen sieht das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen als zentrale Widerspruchsstelle auch die Aufnahme von Ausländern in die (Nicht-)Spenderdateien vor.
(Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Organspende#.C3.96sterreich )

·         Übersichtsartikel:
Spanien, Italien, Österreich
Im Urlaub unfreiwillig Organspender?
Das gilt im Ausland in Sachen Organspende
Berlin. Bei einem Unfall im Urlaub sein Leben zu verlieren ist eine schreckliche Vorstellung. Allerdings lohnt es sich, vor dem Urlaub über das Thema Unfall nachzudenken. In vielen Ferienländern könnten Urlauber sonst unfreiwillig zum Organspender werden. Von Tanja Walter
In Deutschland ist die Organspende klar geregelt: Noch zu Lebzeiten muss man seine Zustimmung erteilen, wenn man nach dem Tod alle oder einzelne Organe spenden möchte. Im nahen europäischen Ausland jedoch gelten andere gesetzliche Regelungen. Deutsche können dort zu Organspendern werden, obwohl sie sich dazu nie bereit erklärt haben. Denn Grundlage für den Umgang mit einem potenziellen Spender sind nicht die Regelungen im Herkunfts-, sondern im Aufenthaltsland.
In vielen Ländern wird der Wille vorausgesetzt
Spanien, Italien und Österreich – der Deutschen liebste Reiseziele – verfahren bei der Entnahme von Organen nach der sogenannten "Widerspruchsregelung". Sie lässt zu, dass bei jedem Toten nach Eintritt des Hirntods, Organe entnommen werden dürfen. Das gilt auch bei Touristen. Wer das nicht möchte, der sollte vor der Urlaubsreise entsprechende Vorkehrungen treffen und seinen Widerspruch unzweifelhaft bekunden. Denn rein rechtlich haben Angehörige in diesen Ländern auch im Ernstfall kein Widerspruchsrecht. Wer also vor den Erholungsferien in Sachen Organspende für sich keine Entscheidung getroffen hat, für den wird sie bei einem Unfall vom Personal im Krankenhaus getroffen. Glück hat, wer nach Belgien, Norwegen oder Finnland fährt, dort behalten Angehörige ihr Widerspruchsrecht.
In Frankreich ist jeder Organspender
Noch anders geschieht es in Ländern wie Dänemark, Großbritannien oder den Niederlanden. Nach der dort geltenden "erweiterten Zustimmungslösung" muss der Verstorbene zu Lebzeiten einer Entnahme zugestimmt haben. Hat er das nicht, müssen es die Angehörigen entscheiden.
In Frankreich geht der Gesetzgeber grundsätzlich immer vom Willen zur Organspende aus, es sei denn, man hat zu Lebzeiten widersprochen. Die Besonderheit bei der sogenannten "Informationsregelung": Zwar müssen die Angehörigen hier vor der Organentnahme benachrichtigt werden. Sie können sie jedoch nicht mit einem Einspruchsrecht verhindern.
So kann man vorbeugen
In Deutschland gilt abweichend von all diesen Ländern die Entscheidungslösung, nach der jeder seine Bereitschaft zur Organspende in regelmäßigen Abständen prüfen und dann schriftlich auf einem Organspendeausweis dokumentieren soll. Was viele allerdings nicht wissen: Einen solchen Ausweis sollte man nicht nur besitzen, wenn man sich als Spender zur Verfügung stellt. In dem kleinen Zusatzpass wird auf gleiche Weise dokumentiert, wenn man lediglich der Entnahme bestimmter Organe zustimmt oder eine Spende grundsätzlich ablehnt. Das entbindet im Fall der Fälle sowohl in Deutschland, als auch im Ausland vor allem die Angehörigen davon, in einer ausgesprochen schwierigen Situation eine vorschnelle Entscheidung über Dinge zu treffen, die unumkehrbar sind.
"Die Erfahrung zeigt, dass gerade dann, wenn Ausländer in einen Unfall verwickelt sind, versucht wird mit den Angehörigen Kontakt aufzunehmen", sagt Dr. Marita Völker-Albert, Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Gleichwohl empfiehlt sie bei jedem Urlaub eine in Englisch oder der jeweiligen Landessprache abgefasste Erklärung bei sich zu tragen, die eine klare Aussage zu den eigenen Vorstellungen nach dem Tod Auskunft gibt. Diese rät Völker-Albert in der Brieftasche mit sich zu führen.
Solche vorgefassten Schriftstücke kann man zum Beispiel auf der Seite der BZgA in neun verschiedenen Sprachen downloaden. In Österreich kann man sich kostenlos in das "Widerspruchsregister gegen Organspende" aufnehmen lassen. Im Falle einer Organentnahme, wird dort vorher geprüft, ob der Hirntote auf dieser Liste zu finden ist.  Eine Aufnahme empfiehlt das österreichische Forschungs- und Planungsinstitut im Gesundheitswesen allerdings nicht bei kurzzeitigen Aufenthalten im Land. In jedem Fall rät die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung jedem, mit seinen Angehörigen über den eigenen Willen zu sprechen, unabhängig davon, ob ein Urlaub ansteht oder nicht.
(Quelle: http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/im-urlaub-unfreiwillig-organspender-aid-1.3553650  9. Juli 2013 | 08.47 Uhr)

·         Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet ein übersetztes Beiblatt zum Organspendeausweis in 24 Sprachen an.
Grundsätzlich gilt immer die Regelung des jeweiligen Landes. In der Regel werden im Todesfall aber die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person befragt. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die gesetzlichen Regelungen in Europa. Einen Überblick dazu finden Sie hier http://www.organspende-info.de/sites/all/files/files/Gesetzliche%20Regelungen%20in%20Europa.pdf (PDF 53 kB).
In Europa haben danach laut Eurotransplant 2011 als gesetzliche Regelungen für die Entnahme von Organen zur Transplantation:
5 Länder eine Zustimmungslösung
22 Länder eine Widerspruchslösung
1 Land (Deutschland) eine Entscheidungslösung
Zustimmungslösung:
Der Verstorbene muss zu Lebzeiten, z.B. per Organspendeausweis, einer Organentnahme zugestimmt haben. Liegt keine Zustimmung vor, können die Angehörigen über eine Entnahme entscheiden. Entscheidungsgrundlage ist der ihnen bekannte oder der mutmaßliche Wille des Verstorbenen.
Widerspruchslösung:
Hat der Verstorbene einer Organentnahme zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen, z.B. in einem Widerspruchsregister, so können Organe zur Transplantation entnommen werden. In einigen Ländern haben die Angehörigen ein Widerspruchsrecht.
Entscheidungslösung:
Jede Bürgerin und jeder Bürger soll die eigene Bereitschaft zur Organ- und Gewebespende auf der Grundlage fundierter Informationen prüfen und schriftlich festhalten. In Deutschland stellen die gesetzlichen und privaten Krankenkassen ihren Versicherten derzeit noch alle zwei Jahre einen Organspendeausweis zur Verfügung, verbunden mit der Aufforderung, seine persönliche Entscheidung in diesem Dokument schriftlich festzuhalten. Dabei kann die Entscheidung sowohl für oder gegen eine Organ- und Gewebespende getroffen werden oder ganz auf eine Entscheidung verzichtet werden.
(http://www.organspende-info.de/organspendeausweis/beiblaetter  )

·         Die Not treibt Flüchtlinge aus Syrien dazu, Organe zu verkaufen. Es sind schon so viele Spendernieren, dass die Preise auf dem Schwarzmarkt fallen.;
Früher waren es vor allem mittellose Palästinenser, die ihre Organe verkauften. Dann kam der Krieg in Syrien, mit ihm kamen die Flüchtlinge. Jetzt konkurrieren die Gruppen. Und die Preise fallen.
"Bei Nieren haben wir inzwischen viel mehr Anbieter als Bestellungen", sagt Abu Hussein. Er und vier weitere Anwerber des "Big Man" hätten in den letzten zwölf Monaten etwa 150 Nieren vermittelt. Andere Banden machten angeblich ebenso gute Geschäfte.
Schätzungen von Organhandel-Experten zufolge werden weltweit pro Jahr 5000 bis 10 000 illegale Nierenverpflanzungen vorgenommen. "Viele unserer Produkte gehen ins Ausland, etwa an den Persischen Golf", behauptet Abu Hussein. Doch auch in den USA und Europa habe Big Man inzwischen Abnehmer.
7000 Dollar hat er für seine Niere bekommen. …
(Der Spiegel 46-2013 S.117ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-120780563.html )

·         Die türkische Polizei ist nach einem Zeitungsbericht bei der Bekämpfung des illegalen Organhandels im Internet auf Spender gestoßen, die ihre Nieren mit dem Hinweis auf ihr gesundes Landleben anpriesen. Im Netz sei mit der frischen Luft in der anatolischen Provinz geworben worden, berichtete die Zeitung Habertürk am Montag und schrieb: "Dorf-Nieren zu verkaufen." Spender aus insgesamt acht Provinzen hätten aus Geldnot ihre Nieren im Internet angeboten. Die Preise liegen bei 55.000 Euro pro Niere. (afp)
(taz 3.12.14 S.10 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=au&dig=2013%2F12%2F03%2Fa0064&cHash=99be44d1b0fa0e45726d5f8fc6a64c87 )

·         China will sich von der Praxis verabschieden, Organe exekutierter Strafgefangener zu transplantieren. Doch der Handel mit Nieren, Lebern und Lungen floriert noch immer.;
Heißt das, ausländische Patienten mit entsprechend dickem Portemonnaie kommen in China tatsächlich an neue Organe? Wer dies überprüfen will, muss nur ein bereitgestelltes Formular auf der Cntransplant-Website ausfüllen - etwa mit den Daten eines fiktiven 47-jährigen Patienten namens Hartmut Schmidt, der eine neue Niere braucht, aber noch bei so guter Gesundheit ist, dass er in Deutschland wenig Chancen auf eine baldige Transplantation hat.
Nur Stunden später antwortet ein Arzt der chinesischen Agentur, es sei "kein Problem hier", eine neue Niere zu bekommen, nur der Preis sei aufgrund der Knappheit etwas gestiegen: 350 000 Dollar, inklusive Klinikkosten und Unterbringung. Falls der Patient einen eigenen Spender mitbringe, gestalte sich die Sache deutlich billiger: 55 000 Dollar.;
Spenderorgane sind in China extrem knapp. Zwar liegt das Land, was die absolute Zahl von Nieren- und Lebertransplantationen betrifft, weltweit auf Platz zwei, hinter den USA. Inzwischen verzeichnen die zuständigen Stellen in der Regierung aber einen Abwärtstrend: Während 2004 noch mehr als 12 000 Nieren und Lebern verpflanzt wurden, waren es im vorigen Jahr nur noch knapp 7900.
Offiziellen Schätzungen zufolge warten rund 1,5 Millionen Chinesen auf eine Transplantation - weniger als ein Prozent der Patienten dürfen in China auf ein neues Herz, eine Niere oder Leber hoffen.;
Für einen ersten medizinischen Check solle er einfach nach Peking fliegen, wo er auf Wunsch am Flughafen abgeholt werde: "Informieren Sie mich ein paar Tage vor Ihrem Flug." Die Kosten für die Untersuchungen lägen bei 3500 Dollar, Hartmut Schmidt solle sie bar begleichen: "Die Geldübergabe an mich erfolgt, wenn Sie im Hotel sind.";
International geächtet ist die chinesische Methode der Organbeschaffung: Noch heute stammen mehr als die Hälfte aller Nieren, Lebern oder Lungen, die transplantiert werden, von exekutierten Häftlingen. Insgesamt wurden in China seit 1969 nach zurückhaltender Schätzung mehr als 100 000 Organe getöteten Häftlingen entnommen.;
Aus dieser Schmuddelecke will China jetzt raus: Mehrmals verkündete der frühere Vize-Gesundheitsminister Huang Jiefu bereits, man wolle die "Abhängigkeit" von den Organen Exekutierter beenden. Langfristig bleibt China auch gar nichts anderes übrig, denn die Zahl der Hinrichtungen geht zurück. Zudem sind Strafgefangene häufig mit Hepatitis B infiziert.
Bisher folgten den chinesischen Versprechungen oft keine Taten. Die jüngste Ankündigung jedoch hat den Segen von höchster Stelle: Die chinesische Gesundheitsministerin Li Bin erklärte, dass China ab Mitte nächsten Jahres gar keine Organe hingerichteter Häftlinge mehr verwenden wolle. Auch der Organhandel solle unterbunden werden.;
Wie kommt China aber nun zu Spenderorganen, wenn die Hauptquelle dafür versiegt? Wenn aus den Gefängnissen kein Nachschub mehr kommt?
Als 2010 erstmals die bürgerbasierte Organspende in einem Pilotprojekt propagiert wurde, gab es zunächst klägliche Ergebnisse. Ganze 63 Organspender wurden im ersten Jahr rekrutiert. Die Sache nahm erst Fahrt auf, als das Rote Kreuz die Angehörigen von Verstorbenen im Gegenzug für eine Organspende finanziell zu unterstützen begann; mehrere tausend Dollar erhalten die Familien. In den ländlichen Regionen Chinas, wo die meisten Spender rekrutiert werden, ist das ein Vermögen. Viele Menschen dort leben unter der Armutsgrenze, mit einem Einkommen von rund 280 Euro im Jahr.
So kann die Erfolgsmeldung von Ministerin Li Bin, wonach man dieses Jahr bereits 3175 Organe von 1161 verstorbenen Spendern verzeichnen könne, nicht wirklich überzeugen. "Angehörigen Geld für Organe zu bezahlen", sagt TTS-Präsident Delmonico, "das widerspricht den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation und der TTS."
(Der Spiegel 48-2013 S.140ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-122579530.html )

·         Eine erste umfassende Konvention des Europarats über den Kampf gegen den Organhandel könnte schon 2014 in Kraft treten. Der ständige Ausschuss der parlamentarischen Versammlung soll den Entwurf der Konvention am Freitag in Wien verabschieden. Die wichtigsten Bestimmungen darin: Es wird unter Strafe gestellt, menschliche Organe unter Zwang oder gegen Geld zu entnehmen und damit illegalen Handel zu treiben. Auch illegale Implantationen bei zahlungskräftigen Patienten sollen bestraft werden. Alle Länder können der Konvention beitreten. Das Ministerkomitee der Staatenorganisation mit 47 Mitgliedsländern soll in einem letzten Schritt die Konvention noch in diesem Jahr verabschieden. Sie tritt in Kraft, sobald fünf Länder sie ratifiziert haben, von denen drei Europaratsmitglieder sein müssen. Klar ist in dem Text, dass in erster Linie Organhändler und Chirurgen, die sich an diesen illegalen Praktiken beteiligen, bestraft werden sollen. Den Regierungen wird allerdings überlassen, wie sie mit Menschen umgehen, die aus bitterer Not ihre Organe gegen Geld entnehmen lassen. Gleiches gilt für diejenigen, die sich Organe "kaufen".
(taz 22.11.2014 S.18)

·         Organspende aktuell
(Quelle: Die Zeit 6.2.2014 S.37)
Zahlen für 2013 Deutschland

Organ

Verpflanzte Organe

von verstorbenen Spendern

Lebend-spender

Patienten auf der Warteliste
(Stand Ende 2012)

Maximale Zeit zwischen Entnahme und Verpflanzung (Std.)

Funktionierende Organe nach 5 Jahren in Deutschland in Prozent

Niere

1547

726

7645

24

74

Leber

801

86

1815

12

54

Herz

313

0

972

6

64

Lunge

371

0

459

6

49

Bauch-speichel-drüse

128

0

28

12

67

Dünndarm

6

0

0

6

 

(Summen)

(3166)

(812)

(10919)

 

 

 

 

 

 

 

 

Verstorbene Deutsche als Organ-spender

2010: 1315;
2013: 900

 

 

 

 

Verstorbene Spender pro 1 Mill. Einwohner

Deutschland 11; Ungarn 13, Luxemburg 15, Niederlande 15, Slowenien 22, Österreich 22, Belgien 27, Kroatien 32

 

 

 

 

 

·         ein 61.jähriger Libanese hat in Spanien mittellosen Immigranten 40.000 Euro für eine Transplantation von Teilen ihrer Leber geboten; der Mann und vier mutmaßliche Helfer wurden festgenommen
(Freie Presse Chemnitz 13.3.14 S.8)

·         Ein schwedischer Arzt hat vier Frauen mit transplantierten Gebärmüttern Embryos eingesetzt. Das teilte Mats Brännström, Gynäkologe an der Universität Göteborg, mit. Den Frauen seien zuvor eigene Eier entnommen worden, die vor der Einpflanzung künstlich befruchtet worden seien. "Aufgrund von Tierstudien und unserer Vorarbeit sind wir optimistisch, dass eine Schwangerschaft klappen wird", sagte der Mediziner. Nach maximal zwei Schwangerschaften werde den Probandinnen die Gebärmutter wieder entfernt;
Jede der Frauen, bei der das Experiment glückt, bekommt nach Angaben des Arztes eine kleine Dosis an Medikamenten. Damit will er vermeiden, dass der Körper den Uterus abstößt. Die Frauen verloren entweder ihre Gebärmutter durch Krebs oder wurden ohne Uterus geboren. Eins von 4.500 Mädchen weltweit kommt ohne Gebärmutter zur Welt.
(taz 7.3.14 S.18)

·         Als Reaktion auf die bundesweiten Organvergabeskandale will die Bundesärztekammer ihre Politik gegenüber alkoholkranken Patienten verschärfen: Beim Zugang zu lebensrettender medizinischer Versorgung sollen Menschen mit alkoholbedingter Leber-Zirrhose "für mindestens sechs Monate völlige Alkoholabstinenz einhalten", bevor sie auf die Warteliste für ein Spenderorgan aufgenommen werden dürfen. Das galt bereits bisher. Jedoch: Nachgewiesen werden soll die Abstinenz nicht mehr im Arzt-Patienten-Gespräch, sondern nun auch durch "Laborparameter zur Beurteilung des Alkoholkonsums". Konkret: durch Untersuchungen von Urin und Haaren, und zwar "bei jeder ambulanten Vorstellung des Patienten".
Das geht aus dem Entwurf für eine geänderte "Richtlinie für die Wartelistenführung zur Lebertransplantation" hervor, die die "Ständige Kommission Organtransplantation" (StäKO) der Bundesärztekammer in erster Lesung verabschiedet hat.;
Gegen die Richtlinienpolitik der Ärztekammer zu Alkoholkranken gibt es seit Jahren verfassungsrechtliche Bedenken, weil so eine ganze Patientengruppe von medizinischer Versorgung faktisch ausgeschlossen wird. "Die Bundesärztekammer verfolgt weiterhin die Politik, lebensunwertes Leben zu definieren, das nicht gerettet werden dürfe", sagte der Münsteraner Juraprofessor Thomas Gutmann
(taz 25.2.14 S.9)

·         Der Skandal um manipulierte Patienten-Wartelisten hat das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende nachhaltig erschüttert. In den westdeutschen Ländern sei die Zahl der Spender auf dem niedrigsten Stand seit Gründung der Deutschen Stiftung Organtransplantation vor 30 Jahren … In den ersten 9 Monaten spendeten bundesweit nur noch 649 Menschen nach ihrem Tod Organe. Im vergleichbaren Zeitraum waren es im vergangenen Jahr 675, im Jahr 2012 noch 829.
(Freie Presse Chemnitz 4.11.14 S.1)

·         Australischen Ärzten ist es gelungen, ein Herz zu transplantieren, das nicht mehr geschlagen hat, bisher konnten nur Herzen von Hirntoten verpflanzt werden, die mit technischer Hilfe funktionsfähig waren;
Operation in Sidney bisher 3x erfolgreich durchgeführt;
zwei Erfindungen ermöglichten es, Herzen zu verpflanzen, die nicht mehr schlagen:
eine Konservierungslösung für das Organ und eine Herz-Transport-Box, in der es in einen sterilen Kreislauf eingebunden wird, der es schlagen lässt und warm hält
(Freie Presse Chemnitz 25.10.14 S.10)

·         Sex, Nieren, Eizellen, Leihmütter – alles ist für Geld zu haben, die Regeln für diese Geschäfte mit dem Körper aber sind schwammig. Oder sie fehlen völlig. …
Für einen gut verdienenden Europäer oder Amerikaner mit einer schweren Krankheit sind gesunde Körperteile nur ein paar Mausklicks entfernt. Der deutsche Journalist Willi Germund hat vor Kurzem in einem Buch geschildert, wie er sich in Mexiko die Niere eines jungen afrikanischen Spenders einsetzen ließ. Organhandel ist in Deutschland zwar verboten, aber Fälle wie der von Germund werden toleriert. Der Journalist konnte seine Erlebnisse unbehelligt in Talkshows schildern. …
Der Markt für Körperteile wächst ständig. Im Libanon beispielsweise sinken die Preise für Nieren gerade, weil immer mehr verzweifelte Flüchtlinge Organe zum Verkauf anbieten. Zwischen 800 und 1500 Euro bekommen sie dafür. Vor Kurzem berichteten Vertreter der irakischen Regierung, dass auch die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in großem Umfang mit menschlichen Organen handele. Ärzte, die sich an den nötigen Operationen nicht beteiligen wollten, sollen getötet worden sein. …
Doch der Blick auf den Körper hat sich geändert. Früher war er Schicksal. Die Schönen und die Kräftigen hatten bessere Chancen im Leben, damit hatte man sich abzufinden. Wer krank war, musste sich arrangieren, Frauenbiografien wurden durch die Zahl der Schwangerschaften bestimmt. Dann kamen die Pille und andere Fortschritte in der Medizin. Im 20. Jahrhundert haben sich die Menschen im wohlhabenden Teil der Welt konsequent von ihren physischen Voraussetzungen emanzipiert.
Damit wurde jeder zunehmend selbst dafür verantwortlich, ob er gesund bleibt, gut aussieht und jugendlich wirkt. Nicht nur Glück und Gene entscheiden darüber, sondern Disziplin, Bildung und, vor allem: das Einkommen. Botox, Schönheitschirurgen und gute Ernährung muss man sich leisten können und wollen, Gesundheit ist käuflich und deshalb zunehmend ein Statussymbol. …
(Die Zeit 1.4.15 S.4 - http://www.zeit.de/2015/14/koerper-kommerzialisierung-essay/komplettansicht  )

·         Katholische Deutsche Bischofskonferenz: Handreichung „Hirntod und Organspende“, 27.4.15, Broschüre, 40 Seiten,
Bestellung: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Kaiserstr. 161, 53113 Bonn, Tel. 0228-103-111 http://www.dbk-shop.de/de/hirntod-organspende.html (dort auch Download)

·         Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens, Handreichung „Organ- und Gewebespende“, Januar 2015, Broschüre, 40 Seiten, http://www.evlks.de/doc/LKA_Organspende_web.pdf

·         Woher kommen Chinas Nieren?
Etwa 10.000 Organe werden in China jedes Jahr transplantiert. Gemessen an der Zahl, liegt das Land damit nach den USA weltweit an zweiter Stelle. Nicht verwunderlich also, dass der Schweizer Pharmakonzern Novartis in diesem Jahr eine dreijährige Beobachtungsstudie zu Nierentransplantationen in China begonnen hat, das ein großer Markt ist. Dafür sucht das Unternehmen 500 Patienten, denen eine Niere neu transplantiert wurde. Es möchte untersuchen, wie die Probanden auf das Präparat Myfortic reagieren, das die körpereigene Immunabwehr gegen ein Transplantat unterdrückt.
Solche Beobachtungsstudien dienen oft auch dem Marketing, weil ein Pharmakonzern das untersuchte Medikament später überzeugender bewerben kann. Die Herkunft der Organe für die Patienten der Novartis-Studie wirft allerdings Fragen auf: Noch 2013 stammte der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, die sich auf Angaben der chinesischen Regierung bezog, mehr als die Hälfte aller in China transplantierten Organe von hingerichteten Strafgefangenen. …
Tatsächlich waren mit der Erklärung von Hangzhou große Hoffnungen verbunden. Die chinesische Gesundheitsministerin persönlich versprach seinerzeit, China werde ab Mitte 2014 keine Organe von hingerichteten Häftlingen mehr verwenden. Doch China ließ den großen Versprechungen keine ebenso großen Taten folgen. Im Frühjahr 2014 wandten sich führende Funktionäre der Transplantation Society aus den USA und Australien in einem offenen Brief an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und beklagten die fortdauernde Korruption und den Missbrauch im chinesischen Transplantationssystem.
Die chinesische Führung versucht bereits seit 2010, ein Transplantationssystem aufzubauen, das internationalen Ansprüchen genügt. Grund dürfte auch sein, dass zahlreiche Gefangene mit Hepatitis B infiziert sind. Ein Pilotprojekt, das unter den Bürgern von elf Provinzen darum warb, die Organe verstorbener Angehöriger zu spenden, lieferte im ersten Jahr aber klägliche Ergebnisse: Nur rund 60 Spender waren zu verzeichnen. Erst seit das chinesische Rote Kreuz spendewillige Angehörige mit großzügigen Geldbeträgen lockt, wurde das Programm in der Bevölkerung besser angenommen – und 2013 auf ganz China ausgeweitet. In diesem Jahr soll es bis August immerhin 1.590 Spender gegeben haben. …
versprach Huang Jiefu, Leiter des chinesischen Transplantationskomitees, Ende 2014 erneut, dass von Januar 2015 an keine Organe von Hingerichteten mehr verwendet würden. …
mehr als 95% der in China transplantierten Organe stammten vor 10 Jahren von hingerichteten Gefangenen …
etwa 10000 Organe werden in China jährlich transplantiert
(Die Zeit 29.10.15 S.26 - http://www.zeit.de/2015/44/novartis-organtransplantation-china )

·         Organspende?
Der Neurochirurg Dag Moskopp und die Lungentransplantierte Insa Krey über die Frage, wie tot ein Hirntoter ist – und was Angehörigen helfen könnte …

Herr Moskopp, Sie behandeln unter anderem Menschen mit schweren Hirnverletzungen oder Hirnblutungen. Und manchmal hilft alles nichts mehr.
Dag Moskopp: Ja. Eine Intensivstation ist wie eine Brücke von einer lebensgefährlichen Verletzung oder Erkrankung zurück ins Leben. Als Arzt betrete ich diese Brücke mit dem Anspruch, diesen Menschen zu retten. Manchmal muss ich mitten auf der Brücke erkennen, dass es das andere Ufer nicht gibt, dass es sinnlos ist weiterzugehen. Pro Jahr stelle ich bei etwa 20 Patienten den Hirntod fest, das heißt, die Funktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm sind vollständig, zweifelsfrei und unbehebbar erloschen.
Warum machen Sie eine Hirntoddiagnostik? Wegen einer möglichen Organspende?
Moskopp: Nein, sondern primär der Klarheit wegen. Es ist ge­boten, jemandem Ruhe zu gewähren, wenn die Seele den Körper verlassen hat. Dazu bedarf es der Feststellung des Hirntodes. Erst dann darf die Frage nach einer Organspende gestellt werden.
Wie diagnostizieren Sie den Hirntod?
Moskopp: Es gibt eine Richtlinie, und wenn man Details daraus vernachlässigt, kann man nicht von Hirntod sprechen. Unter anderem gehört dazu: Es untersuchen zwei Fachärzte mit langjähriger Erfahrung in der intensivmedizinischen Behandlung schwerst hirnerkrankter Patienten. Der eine darf dem anderen nicht weisungsbefugt sein. Wenn einer zweifelt, gilt das. Beide Ärzte sind nicht im Transplantationsteam. Und der Patient muss zum Beispiel normalen Blutdruck haben, keine Entzündung des Nervensystems, er darf nicht unterkühlt sein, keine Drogen konsumiert haben. Sonst sind die Voraussetzungen zur Fest­stellung des Hirntodes nicht gegeben.
Was testen Sie?
Moskopp: Zum Beispiel, ob ein Mensch auf Schmerzreize in der Nase reagiert; ob die Pupillen sich verengen, wenn man einen Lichtstrahl darauf richtet; ob der Patient wirklich keinen Impuls zum Luftholen mehr hat. Fehlen diese Reflexe, deutet das auf einen Ausfall des Hirnstamms hin. Weil das alles nur eine ­Momentaufnahme sein kann, müssen die Tests nach einer de­finierten Zeit wiederholt werden. Oder man nutzt apparatemedizinische Zusatzuntersuchungen. …

Moskopp: Man hat 2013 die Angehörigen von 402 Hirntoten gefragt, warum sie einer Organspende nicht zustimmten. Nur ein Prozent der Leute sagte, sie vertrauten dem Hirntodkonzept nicht. In den meisten Fällen hatte sich der Patient früher gegen eine Organspende ausgesprochen, oder die Angehörigen wussten nichts über seine Haltung.…
Herr Moskopp, welches Gegenargument hören Sie häufig?
Moskopp: Auf Veranstaltungen geht die Diskussion meist dahin, dass niemand „Tod“ definieren könne. Stimmt, das kann niemand, denn der Tod tritt nicht fallbeilartig ein. Es dauert lange, bis auch die letzte Knochenzelle oder Bindegewebszelle inaktiv wird und zerfällt. Auch ein Arzt, der bei einem Menschen außerhalb einer Intensivstation den Herztod feststellt, macht irgendwo einen Schnitt. Und zwar am Punkt der Unumkehrbarkeit. Das ist wie bei einem, der vom Zehnmeterturm springt: Wenn er oben abgesprungen ist, gibt es kein Zurück mehr, er wird unten ankommen. …

Moskopp: Damit sagen Sie aber auch, dass unser Wesen vom Gehirn gesteuert ist. 1990 haben die evangelische und die katholische Kirche in einer gemeinsamen Erklärung gesagt: Ein hirn­toter Mensch könne nie mehr eine Beobachtung machen oder eine Wahrnehmung haben, nie mehr eine Gefühlsregung empfinden und zeigen; deshalb bedeute der Hirntod ebenso wie der Herztod den Tod eines Menschen. Heute wird das plötzlich alles wieder infrage gestellt, auch in der evangelischen Kirche.
Es gibt doch das geistliche Wort des scheidenden Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider: Christen und Christinnen können und dürfen der Organspende zustimmen.
Moskopp: Aber die Evangelischen Frauen in Deutschland e. V. haben – offenbar mit gutem Ansinnen – 2013 eine sehr problematische Stellungnahme veröffentlicht, die dringlich und der Sache angemessener überarbeitet werden sollte. …

Könnte man auf dem Organspendeausweis dazuschreiben, dass man eine Vollnarkose möchte bei der Organentnahme?
Moskopp: Hirntote können im Gehirn keine Schmerzreize mehr empfangen. Bei einer Organentnahme ist aber immer auch ein Anästhesist dabei, der alles koordiniert – zum Beispiel das Abklemmen der Gefäße. Und der Anästhesist führt das biologische Wesen, das da liegt, so, dass auch keine Reaktionen auftreten, die an Stress erinnern könnten, wie etwa erhöhter Herzschlag oder Schwitzen. Aber wenn jemand eine Narkose wünscht, würden wir das machen. Es wäre von der Sache her nicht erforderlich, das Anliegen ist aber menschlich verständlich.
Darf man Menschen moralisch kommen? Nach dem Motto: Du würdest deine Organe nicht spenden wollen – würdest du dann auch selbst keines annehmen, solltest du eines brauchen?
Krey: Wenn ich nicht spenden will, dann muss ich auch konsequent sein und sagen: Sollte es mir selbst schlecht gehen, werde ich auch keine Spende wollen. …
Krey: Ja! Ich habe im Bekanntenkreis zwei Familien, die sich für die Organspende eines Angehörigen entschieden haben, aber sie sagen heute: Wie das im Krankenhaus gelaufen ist, dass wir keine feste Ansprechperson hatten, wie dann der Arzt mit uns zwischen Tür und Angel gesprochen hat, der war überfordert, wir waren überfordert – diese Situation war unwürdig.
(chrismon 11-2014 S.28 - http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2014/organspende-22534 )

·         Seit Jahren wird erforscht, ob Organe Von Schweinen auch Menschen eingesetzt werden könnten. Ein Langzeitversuch zeigt ermutigende Ergebnisse.
BETHESDA - Dank eines speziellen Wirkstoffcocktails hat ein Schweineherz im Körper eines Affen gut zweieinhalb Jahre geschlagen – so lange wie nie zuvor. 945 Tage lang arbeitete das in den Bauchraum des Pavians implantierte Organ, wie US-amerikanische und deutsche Forscher berichten. … Das größte Problem dabei sind bisher die heftigen Abstoßreaktionen bei speziesfremden Implantaten. Diese Reaktionen hat das Team um Muhammad Mohiuddin von den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda (US-Staat Maryland) nun bei fünf Pavianen vergleichsweise lange verhindern können. Den zwei bis drei Jahre alten Affen wurden Herzen genmodifizierter, sechs bis acht Wochen alter Schweine eingesetzt. Im Schnitt arbeiteten die Organe 298 Tage. Sie waren im Bauchraum der Affen an deren Blutversorgung angeschlossen, pumpten aber, ohne deren normale Herzfunktion zu ersetzen.
(Freie Presse Chemnitz 11.4.2016 S.A4)

·         Seite 8 – Karl Waldeck, Akademiedirektor
… Ich will zudem eine einschlägige Statistik vom Juni diesen Jahres als – nicht neue – Problemanzeige anführen: In einer Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung antworteten auf die Frage: Man kann ja Organ- und Gewebespender werden, wenn man sich bereit erklärt, nach dem Tod seine Organe, z.B. für Nieren-, Leber-, oder Herzverpflanzungen oder seine Gewebe zur Verfügung zu stellen. Was halten Sie generell von Organ- und Gewebespende? Stehen Sie dem eher positiv oder eher negativ gegenüber? – Eher positiv 81 %, Eher negativ 9 %, Neutral 10 %. 81 Prozent haben »generell« eine positive Einstellung zur Organ- und Gewebespende; allerdings nur 32 Prozent der Befragten einen Organspendeausweis ausgefüllt. …

Seite 65
… Teilnehmerin: In diesem Zusammenhang möchte ich auch nochmal erwähnen: Bei einem Patienten, der zwar nicht Organspender ist, bei dem trotzdem der Hirntod festgestellt worden ist, beenden die Krankenkassen das Verhältnis zum Patienten genau in diesem Moment. Wenn jetzt einer kommt und sagt: Ich möchte aber nicht, dass die Geräte abgestellt werden, dann wird einem die Privatrechnung zugestellt. Und dieser Patient, wo der Hirntod festgestellt worden ist, ist noch elf Tage weiter behandelt worden, beatmet, fiebersenkend, antibiotische Behandlung und da waren 27.000 Euro fällig, die mussten die Angehörigen bezahlen und bei der Gerichtsverhandlung Wurde das mäßigend auf 10.000 Euro heruntergesetzt. Das heißt also, viele wissen natürlich auch nicht, dass mit dem Hirntod auch die Behandlung oder vielmehr die Kosten nicht mehr übernommen werden. Da muss man auch ethisch schauen, sind die Angehörigen jetzt schon in der Lage Abschied zu nehmen, wenn man in dem Moment jetzt sagt »hirntot«. Denn dann müssen die Geräte abgestellt werden, weil ansonsten ja das Krankenhaus die Kosten tragen muss oder die Angehörigen. Da läuft praktisch die Parkuhr. …

Seite 68
…Teilnehmerin: Ich wollte etwas zu dem »Anderen Organspendeausweis« sagen und zwar zu der Ankreuzmöglichkeit, dass man die zu Explantierenden bis in den OP hinein begleitet. Das finde ich eigentlich unglaublich. Denn wer ist mit »eine stellvertretende Person« gemeint? Das müsste ja nicht nur eine OP-Schwester sein. Auch eine Seelsorgerin wäre doch absolut überfordert, bei einer Explantation dabei zu sein. Mal abgesehen davon, dass das nie im Leben erlaubt werden Würde im OP. Das finde ich total irreführend und auch nicht in Ordnung in dem Ausweis. Das muss erklärt werden, um Missverständnissen vorzubeugen.
Dr. Wollrad (Evangelisches Zentrum für Männer und Frauen): Es gibt ja den Fall, dass z.B. bei einem Kaiserschnitt der Ehemann mit in den OP darf. Den eigentlichen Eingriff kann er nicht sehen – es werden entsprechende Vorhänge aufgebaut, er schaut nicht auf den OP-Tisch – aber er darf z.B. den Kopf seiner Frau halten. Das ist möglich. Unsere Idee war analog dazu zu sagen, natürlich je nachdem, Was die Angehörigen auch verkraften oder wenn die Seelsorgenden sagen, es wäre für sie vorstellbar, dass eine Person mit in den OP geht und genau diese Situation vorfindet, dass es abgehängt wird aber er oder sie die Möglichkeit hat, stellvertretend für die Angehörigen den Kopf zu halten. Warum ist das so ausgeschlossen?
Teilnehmerin: Weil das eine hohe Stresssituation für das OP-Team ist. Da leiden selbst die erfahrensten Profis drunter und das ist Hochstress. Das würde denjenigen tagelang verfolgen, der das nicht gewohnt ist, der das ganze Setting nicht kennt. Das finde ich äußerst problematisch. …

Seite 70ff. – Margot Papenheim, Evangelische Frauen in Deutschland
Kampagne für einen anderen Organspendeausweis
… + Die Unanschaulichkeit des Hirntodes
Wer jemals einen Menschen im Sterben begleitet hat, weiß, dass Sterben ein Prozess ist. In diesem Prozess ist das Erlöschen der Hirnfunktionen mit dem Ausfall des Atemzentrums ein – auch intensivmedizinisch – nicht mehr umkehrbares Ereignis. Für Angehörige bedeutet das, dass sie sich – im Falle einer Einwilligung zur Organentnahme – von ihrer oder ihrem Lieben verabschieden müssen, während die Haut noch warm ist, das Herz schlägt, die Brust sich atmend hebt und senkt. Erst nach der Explantation, die oft viele Stunden nach der Hirntoddiagnose abgeschlossen ist, sind die Todeszeichen sichtbar, die Wir sinnlich wahrnehmen können: Der Körper ist kalt und leblos, es ist kein Herzschlag zu spüren.
Dieses Unbehagen macht auch Pfleger innen auf der Intensivstation zu schaffen –Vielen von ihnen leuchtet die Behauptung, das seien nur »scheinbar lebende«, in Wirklichkeit aber tote Menschen, nicht ein. Untersuchungen zufolge empfindet knapp die Hälfte der Pflegenden die Pflege von Patient_innen mit diagnostiziertem Hirntod als belastend. Denn die Versorgung einer hirntoten Person bis zur Explantationsoperation unterscheidet sich in weiten Teilen nicht von der Versorgung einer schwer hirnverletzten Person. Zudem müssen Pflegende und behandelnde Ärzt_innen unmittelbar nach Feststellung des Hirntodes und Freigabe der Explantation die Zielrichtung ihrer Tätigkeit ändern: vom Wohl der/des zu Behandelnden beziehungsweise zu Pflegenden zur Erhaltung und Optimierung der Organe im Interesse der Empfänger innen – Was individuell als schwerer Konflikt mit den Maßgaben des beruflichen Ethos erlebt werden kann. Darum wollen wir eine Regelung im TPG, dass niemand verpflichtet ist, an spendeoptimierender Pflege und Explantation hirntoter Patient_innen mitzuwirken.
+ Medizinische Zweifel
Das Unbehagen angesichts der Unanschaulichkeit des Hirntodes kann nicht einfach als »irrational« weggeredet werden. Auch medizinische Forschungsergebnisse lassen die Gleichsetzung von Hirntod und Tod als fragwürdig erscheinen. Können Wir von »Toten« sprechen, wenn künstlich beatmete Hirntote Infektionen durch Fieber bekämpfen oder auf Schmerzreize mit Blutdruckanstieg reagieren? Wenn hirntote Kinder Wachsen und sogar ihre Geschlechtsentwicklung fortsetzen und hirntote Männer Erektionen haben können? Wenn Schwangerschaften hirntoter Frauen über Monate aufrechterhalten und diese dann von gesunden Kindern entbunden werden können.
Nehmen wir die auch im naturwissenschaftlichen Bereich zunehmend Raum greifende Erkenntnis, dass Hirntote keine Leichen, sondern sterbende Menschen sind, für wahr, dann bedeutet das: Bei der Explantation von Organen von Hirntoten werden diese Organe einem sterbenden Menschen entnommen. …
Der Ausweis ist anders, weil er auf die Bedeutung einer Organspende für die Angehörigen aufmerksam macht. Die Möglichkeit, der Organentnahme nach Hirntod unter der Bedingung einer Begleitung (durch eine_n Angehörige_n oder, sicher eher, eine andere Person) in den OP zuzustimmen, Wirkt dem – in manchen Fällen traumatisierenden – Gefühl von Angehörigen entgegen, ihre Liebsten letztlich doch beim Sterben allein gelassen zu haben. Zu wissen, dass ihr oder ihm bei der Entnahmeoperation ein Mensch den Kopf gehalten hat, der nur für ihn oder sie da war und keine anderen Interessen hatte, könnte bei der Trauerverarbeitung helfen. Und es würde dem Verdacht mancher entgegenwirken, dass bei der Entnahmeoperation nicht angemessen würdevoll mit den Organspender innen umgegangen wird.

Seite 76ff. – Plenumsdiskussion auf der Tagung des Evangelischen Juristenforums
… Reinhard Merkel, Philosoph:
Man darf aber die Dinge, die hier stattfinden, nicht mit Euphemismen vernebeln. Wir würden eine Grundnorm dieser Gesellschaft antasten: Dass niemand zugunsten Dritter getötet werden darf – selbst wenn er seine Einwilligung gegeben hat. Diese Grundnorm ist auch Strafrechtlich geschützt. Die Tötung auf Verlangen ist verboten.
Ich möchte einmal wissen, wie die Evangelische Kirche mit dem Problem Sterbehilfe umginge, wenn sie durchsetzen könnte, dass der Hirntote, der zwar angeblich lebt und nach der Organentnahme durch den Arzt ganz sicher tot ist, dass dieser also getötet werden darf, wenn er vorher seine Einwilligung gegeben hat.
Damit komme ich zu meinem Zweiten Punkt. Dass diese Art der Organentnahme eine Tötung auf Verlangen ist – denn wenn der Spender Vorher gelebt hat und hinterher tot war, dann ist der Akt, der diese beiden Zustände kausal verbunden hat, eine Tötung gewesen – daran kommt man nicht recht vorbei. Was Sie dann aber auf jeden Fall zwingend und vollständig abschaffen müssten, ist die Organexplantation bei kleinen Kindern. Meinetwegen mag man ja sagen, dass der Erwachsene mit dem Argument der Verfügung über das eigene Sterben einwilligen dürfe, wenn ihm mit tödlicher Folge als noch Lebendem ein Organ entnommen werden soll. Aber ganz sicher darf das niemand für Dritte, die ihrerseits nicht einwilligungsfähig sind. Selbstverständlich dürfen Eltern nicht in die Tötung ihrer Kinder einwilligen.
Ich bin aber insofern auf Ihrer Seite, als man in der Frage des Todes ehrlich sein soll. Nur bin ich dann auch konsequenter Weise ehrlich im Hinweis auf die Folge, die es hat, Wenn der Hirntod als Tod des Menschen nicht akzeptiert wird: Dann müssen wir die Organtransplantation verbieten. …
Margot Papenheim: … Was die Frage »Wer darf dann darüber entscheiden betrifft, würde ich die Grenzen anders ziehen. Da ist nicht die Frage Eltern über Kinder, sondern grundlegender die Frage: Darf es so eine weitgehende Regelung geben, dass Angehörige diese Entscheidung treffen? Ich hatte vorhin die Zahlen genannt: 12 Prozent. Das heißt de facto, dass nur in 12 von 100 Fällen die Entscheidung der oder des Sterbenden vorliegt bei der Entscheidung über die Entnahme von Organen. In 8 von 100 Fällen entscheiden die Angehörigen und in einem Viertel der Fälle ohne den geringsten Anhaltspunkt – das sind DSO-Zahlen, die kann man nachlesen –, was die oder der Verstorbene gewollt hätte. Das ist in der Tat ein relativ großer Skandal, ebenso wie ich es für einen Skandal halte, dass die Entscheidung Organe zu spenden in unserer Gesetzgebung von 16-Jährigen getroffen werden kann. Sie dürfen sich als 16-Jährige keinen Zahn ziehen und kein Nabelpiercing machen lassen ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten, Wohl aber die nicht mehr anfechtbare Entscheidung zur Organspende treffen. …
Merkel: … Also: die Mediziner haben festzustellen, ob die Kriterien des Hirntods im Einzelfall erfüllt sind.
Aber ob das dann der Tod des Menschen ist, ist keine medizinische Frage. In diesem Fall hat der Gesetzgeber sich gedrückt im Transplantationsgesetz, das kann man so sagen. Wohl gab es eine Neigung zu sagen, der Hirntod sei als menschlicher Tod plausibel. Aber so richtig getraut, das reinzuschreiben, haben sie sich nicht. Also haben sie eine Zweifache Umschreibung gemacht, das haben wir gehört: Erstens, keine Entnahme vor vollständigem Erlöschen aller Hirnfunktionen; und Zweitens keine Entnahme vor dem Tod des Menschen. Dass beides aber deckungsgleich sei, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Das zu konstatieren hat der Gesetzgeber dann tatsächlich halb unentschlossen und meines Erachtens ganz unplausibel den Ärzten zugeschoben. …
Ferbert: … Ich hatte ja selber gesagt, dass ein breiter gesellschaftlicher Konsens erforderlich ist. Trotzdem glaube ich, muss der Arzt, wenn er den Kittel anzieht, nicht seine Meinung zu den Konzepten ablegen und nur noch den Reflexhammer nehmen. Der Gesetzgeber hat diese Richtlinie nicht im Bundestag abgestimmt, aber sehr wohl hat es Monate gedauert, bis der Entwurf, den wir erstellt haben, Vom Bundesgesundheitsministerium und Vom Justizministerium Wieder Zurückkam. Beide Ministerien haben da mitgearbeitet. Es ist kein Gesetz in dem Sinn, aber es war nicht nur die Bundesärztekammer, sondern die hat schon auch die Politik mit einbezogen. …
Herr Roth: Ich bin ärztlicher Mitarbeiter einer neurologischen Klinik und ich möchte aus der Praxis berichten. Es ist ganz wichtig, dass wir diese Definition des Hirntodes haben für uns als Mediziner. Warum? Weil wir trennen müssen Zwischen Organexplantation und Hirntod. Der Hirntod bedeutet, der Patient ist in dem Moment tot. Was bedeutet das? Wir beenden die Therapie, und zwar aktiv. Wir stellen die Beatmungsmaschine ab, wir setzen die Medikamente ab, wenn wir den Hirntod festgestellt haben. Das wird immer verknüpft, dass der Hirntod etwas mit Organexplantation zu tun hat. Das hat er primär erstmalgar nicht.
Für eine Reihe von Patienten kommt dann ein definitiver und klarer Schlussstrich, sowohl für uns als Ärzte, auch als Pflegepersonal, auch für die Angehörigen, für die dann ganz klar und eindeutig ist: Jetzt ist der Patient gestorben, indem wir den Hirntod festgestellt haben und indem die Richtlinien, so wie sie sind in Deutschland, relativ streng und klar sind. …
Merkel: … Wenn die Ärzte nicht wissen, dass der Hirntod als Tod des Menschen gesellschaftlich akzeptiert wird, dann entnehmen sie keine Organe mehr. … Wir sollten ganz vorsichtig sein mit dem Antasten einer solchen gesellschaftlichen Grundnorm. Dass niemand getötet werden darf zugunsten Dritter. Wie wollen Sie denn die Sterbehilfediskussion noch ernsthaft führen? Zu seinen eigenen Gunsten kann der Schwerstleidende auf Verlangen nicht getötet werden, aber Zugunsten Dritter, als Organspender, soll er getötet werden dürfen? Das ist alles nicht konsistent durchzuhalten. …
Ferbert: … Sobald die künstliche Beatmung eingestellt wird, tritt der Tod des Gesamtorganismus ein. Da bleibt das Herz stehen, es stellen andere Organe ihre Funktion ein. … Das dauert, das wissen wir ziemlich genau, etwa drei Minuten, denn drei Minuten kann das Herz ohne Sauerstoff auskommen. Da gibt es noch Sauerstoffreste im Blut, da Schlägt das Herz noch. Aber nach drei Minuten ohne Sauerstoffzufuhr ist der Patient gestorben. Es können vielleicht auch mal fünf Minuten sein, aber in diesem kurzen Zeitbereich bewegt sich das. …

(epd-Dokumentation 10. Januar 2017
Hirntod und Organspende – Impulsvorträge und Diskussion. Tagung des Evangelischen JuristenforUmS, Kassel, 19. April 2016
Zwischen Leben und Tod – grundlegende Aspekte der Organspende. Tagung der Evangelischen Akademie Hofgeismar, Kassel, 14. September 2016)

·         Rund 82 Prozent der Deutschen sind einer Umfrage zufolge grundsätzlich offen für eine Organspende: 30 Prozent der 14- bis 64-Jährigen wären »bestimmt« und weitere 21 Prozent »wahrscheinlich« zur Spende von Organen bereit, heißt es. 31 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie »eventuell« nach ihrem Tod Organe Spenden würden. Nur knapp jeder Fünfte würde dies »bestimmt nicht« Oder »wahrscheinlich nicht« tun. Die Barmer Krankenkasse befragte 1000 ihrer Versicherten im Alter von 14 bis 64 Jahren. Dabei habe sich gezeigt, dass Menschen eher zur Organspende bereit sind, wenn sie sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hätten, hieß es.
(Sonntag11.6.17 S.2)

·         Transplantation von Händen
… Das Kind hatte mit zwei Jahren eine von Bakterien ausgelöste Blutvergiftung erlitten, die unter anderem zu Nierenversagen und dem | Verlust der Hände, von Teilen der Unterarme und der Füße führte. Als | ihr Sohn vier Jahre alt war, spendete die Mutter ihm eine Niere. Später wurden dem Jungenüber eine Spenderliste Hände zugewiesen. Über den Spender ist nichts bekannt. - Eineinhalb Jahre lang bereiteten Arzte, Kinderpsychologen und Sozialarbeiter den kleinen Zion Harvey auf die schwierige Operation und die langwierige Behandlung vor. Aus medizinischer Sicht war vor allem die Verbindung der kleinen Nerven und Blutgefäße eine Herausforderung. Die OP dauerte dann auch fast elf Stunden. In den Wochen und Monaten nach der Transplantation trainierte der Junge seine neuen Hände. Nach und nach nahm er immer mehr Reize über die neuen Gliedmaßen wahr und konnte Sie bald immer besser bewegen und einsetzen. Inzwischen geht es für Zion Harvey darum, sich wieder in Sein soziales Umfeld einzugliedern und auch zur Schule zu gehen. Der positive Verlauf der Hand- Transplantation bei einem Kind sei eine Premiere, schreiben die Autoren. Schon häufiger sei es gelungen, ganze Gliedmaßen zwischen eineiigen Zwillings-Kindern zu übertragen. Noch nie seien jedoch Extremitäten zwischen nicht verwandten Kindern erfolgreich übertragen worden. Ein solcher Versuch sei zuletzt mit dem Tod eines Jugendlichen gescheitert. Der Fall des zehnjährigen Jungen lässt sich in eine ganze Reihe von spektakulären Transplantationen stellen, zu denen Ärzte mittlerweile in der Lage sind. Schon im Jahr 2000 hatten Sie einem erwachsenen Mann neue Hände verpflanzt. Drei Jahre später transplantierten Arzte in Wien erstmals eine Zunge. Einer Französin wurden bereits Mund und Nase eines toten Spenders übertragen und im Jahr 2014 erhielt ein 21-jähriger Südafrikaner einen neuen Penis. Wenige Monate später zeugte er ein Kind.
(Freie Presse Chemnitz 24..7.17 S.A4)

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