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Broschüre: In Würde sterben

 

3. Was geschieht, wenn ich sterbe?
    Der Prozess des Ster­bens aus medizinischer und sozialwissenschaftlicher Sicht

 

3.1. Überlegungen zum Sterben aus medizinischer Sicht

 

Eine 88 Jahre alte Frau ist infolge mehrerer Schlaganfälle und fortschreitender Demenz bett­lägerig und schwerst pflegebedürftig, es bestehen Lähmungen und Schluckstörungen. Auf An­sprechen reagiert sie gelegentlich mit Blickwendungen, Bewegungen bereiten ihr Schmer­zen. Sie wird deshalb seit einiger Zeit in einem Altenpflegeheim betreut. Jetzt tritt nachts hohes Fieber auf, deshalb wird der ärztli­che Notdienst gerufen.

Im geschilderten Fall besteht für den Arzt eine schwierige Situation. Im Regelfall ist es ärztliche Aufgabe, Krankheiten zu heilen und das Leben zu verlängern. Von dieser Pflicht darf abgewi­chen werden, wenn der Patient derartige Maßnahmen nicht wünscht. Über den Willen der Patientin ist ihm jedoch nichts bekannt. Die Pflicht zur Lebensverlängerung besteht ebenfalls nicht, wenn derartige Maßnah­men keine Aussicht auf Erfolg haben, also medizinisch nicht be­gründbar sind. Wo die ethisch an sich gebotene Lebensverlängerung in Sterbe­verlän­gerung umschlägt, ist die Grenze des ethisch Vertretbaren an lebensver­längern­der Therapie erreicht. Bei diesen Patienten ist der Arzt verpflichtet, so zu hel­fen, dass sie in Würde zu sterben vermö­gen. Bei Sterbenden kann, ja muss die mögliche Lebensverlängerung in den Hintergrund treten. Die ärztliche Hilfe besteht nun vorrangig in palliativer (also lei­dens­lindernder) Behandlung und in Beistand und Sorge für Basisbetreuung. Hierzu gehören: menschenwürdige Unterbringung und Körperpflege, Lindern von Luftnot und Schmerz sowie das Stillen von Hunger und Durst. Die Beantwortung der Frage, ob ein Mensch schon ein Sterbender ist, hat also für die medizini­sche Zielsetzung eine richtungsweisende Bedeutung. Auch im Rechtsgefüge markiert der Ster­bebeginn einen wichtigen Punkt: Die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen während des Sterbeprozesses unterliegt dann keiner Genehmigungs­pflicht durch einen Richter. Der Arzt oder der Betreuer sind also nicht  zur Anru­fung des Vormundschaftsgerichtes verpflichtet. Wie also ist im geschilderten Fall­beispiel zu handeln? Bedarf es der Lebensverlängerung oder sind diese Maß­nahmen nicht mehr zu rechtfertigen, weil bei der Patientin der Sterbeprozess be­reits eingesetzt hat?

 

In Deutschland sterben jährlich rund 850000 Menschen. Nur etwa je­dem Zehnten von ihnen ist ein sogenannter schneller Tod „vergönnt“. Man muss davon ausge­hen, dass in Deutschland viele schwerkranke Patienten ohne Aussicht auf Heilung und trotz vorliegender Patienten­verfügung – also gegen ihren Willen – mit inten­sivmedizinischen Mög­lichkeiten am Leben gehalten werden.
(Heilberufe 4/2003, 16)

 

Wann beginnt das Sterben? In einem Lexikon heißt es dazu: Das Sterben kann sich über Tage hinziehen, es kann sich langsam als Erschöpfungstod entwickeln oder im Todeskampf (Agonie) vollziehen, es kann aber auch plötzlich und uner­wartet auftreten. Beim Sterben können sich eine Reihe von Lebensfunktionen verändern: Sehr auffällig sind die Veränderungen der At­mung. Sie kann sich be­schleunigen, aber auch verlangsamen, große Atempausen können auf­treten. Be­sonders bedrohlich und ängstigend wird das insbesondere in den letzten Stunden eintretende Brodeln, Gurgeln oder Rasseln empfunden. Diese Geräusche entste­hen durch Speichel oder Sekret, welche der Sterbende nicht mehr abhusten kann. Bewusstseinsstörungen sind zu beobachten, von Verwirrtheits- und Unru­hezu­ständen bis zur Bewusstlosigkeit reicht das Bild. Die Pulsfrequenz kann sich be­schleunigen oder verlangsamen, auch Veränderungen der Körpertemperatur kön­nen auftreten. Viele Sterbende schwitzen phasenweise sehr stark. Deutlich sicht­bare Veränderungen der Hautfarbe treten auf. Schließlich werden die Augen oft nicht mehr vollständig geschlossen, der Blick scheint ins Leere zu gehen. Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall und Verstopfung, aber auch Luft­not können den Prozess begleiten. Diese letzte Phase des Sterbens, das Sterben im engeren Sinne, beschreibt die Definition der Bundesärztekammer: „Sterbende sind Kranke oder Verletzte mit irreversiblem Versagen einer oder mehrerer vitaler Funktionen, bei denen der Eintritt des Todes in kurzer Zeit zu erwarten ist.“ Mit dieser Definition kann man aber den Sterbevorgang bei Menschen im hohen Al­ter, bei zunehmender Demenz und bei fortschreitender Tumorerkrankung nur un­genügend beschrei­ben, weil ausschließlich die physiologischen Aspekte des Sterbens in seiner letzten Phase be­tont werden.

Der Begriff des Sterbens muss also weiter gefasst werden, um auch dem Verlauf bei diesen Menschen gerecht zu werden. So finden sich beispielsweise bei Elisa­beth Kübler-Ross Hin­weise auf unterschiedliche Phasen des Sterbens, die einen längeren Verarbeitungsprozess er­fordern (siehe dazu Kapitel 3.2.). In dieser Zeit laufen natürlich auch physiologische Prozesse ab, welche den Todes­zeitpunkt näher rücken las­sen. Medizinische Einflussnahme ist hierbei immer möglich, so dass der Ablauf und die Geschwindigkeit durchaus verändert werden können. Um zu ermitteln, ob das Sterben im angedeuteten weiteren Sinne einge­setzt hat, ist die Wahrneh­mung und Beachtung vieler Phänomene notwendig. Die Beurteilung des Zustan­des durch er­fahrene Ärzte und Ärztinnen verschiedener Fachrichtungen ist zu empfehlen. Dabei lässt sich beobachten, dass die Genauigkeit der Voraussagen mit längerer Berufserfahrung wächst. Al­lerdings werden die Voraussagen mit zuneh­mender (emotionaler) Bindung des Arztes an den Patien­ten wieder unpräziser. Auch die Wahrnehmungen der Pflegenden sollten in die Beurtei­lung einfließen. Mit dem Ethiker Sporken (Lexikon Medizin, Ethik, Recht; 1989, 1082) beginnt der Sterbepro­zess, „wenn der Tod unwiderruflich bzw. in absehba­rer Zeit kommen wird und eine oder mehrere Per­sonen aus der Umgebung des Patienten darüber informiert sind“. Sterben hängt also auch ab von den Reaktionen der Personen im Umfeld des Sterbenden. Diese Reaktionen fallen unterschiedlich aus, sie reichen von der Ein­leitung ver­zweifelter technischer Bemühungen, um das Leben zu erhalten, bis zur hospizlichen Sterbebe­gleitung oder zum Verabreichen von Medikamenten, die Schmerzen oder Beschwer­den lindern - je nachdem, ob das Sterben in dieser Situation als Lebensende akzeptiert wird oder nicht.

Sterben umfasst also physiologische, individuelle, interperso­nelle und weltanschauliche As­pekte. Es ist keine allgemeingültige, trenn­scharfe Definition des Sterbebeginns möglich. Trotz­dem markiert der Sterbe­be­ginn einen möglichen Richtungswechsel. Die Lebensverlängerung ist nicht mehr Hauptziel der ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen, in den Vordergrund tritt nun die Leidenslinderung. Wie kann man mit der Unbestimmbarkeit dieses Zeit­punktes, der weg­weisende Bedeutung besitzt, umgehen?

In den Gesprächen zwischen Arzt, Patient und Angehörigen muss möglichst früh diese Begriffs­unschärfe in den Blick genommen werden. Die Festlegung des Sterbebeginns sollte in der Ab­wägung durch viele Beteiligte geschehen. Dabei bestehen immer Momente, die nicht eindeutig zu fassen sind. Im Nachhinein ist die Festlegung dieses Zeitpunktes immer durch andere kriti­sierbar. Trotzdem ist diese Festlegung im­mer eine vom Arzt zu verantwortende Entscheidung. Eine Antwort muss im Inter­esse des Patienten gegeben werden! Sonst besteht die Gefahr, das durch nicht mehr gerechtfertigte lebensverlängernde Maßnahmen der Sterbepro­zess gegen die Interessen des Betroffenen verlängert wird. Dabei wird vom Arzt auch ver­langt, die Unaus­weichlichkeit des Sterbens und des Todes dem Patien­ten, aber auch den Angehörigen zu ver­mitteln. Diese Fähigkeit gehört mit dem Philosophen O. Höffe (Medizin ohne Ethik, Frankfurt am Main, 2002, 142) zu den medizinische Kardinaltugenden: „Weil es nicht leicht fällt, dem Sterbenden sowohl die Einsicht als auch das Sich-Fügen in eine medi­zinisch so gut wie aussichtslose Lage zu vermitteln, bedarf es ... Klugheit, Gelas­senheit, Besonnenheit, Gerechtigkeit und Tapferkeit in Form von Zivilcourage.“

 

 

3.2. Der Prozess des Sterbens aus sozialwissenschaftlicher Sicht

 

Mit Worten des 90. Psalms haben Juden und Christen über Jahrhunderte hinweg bis heute zu Gott gebetet: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müs­sen, auf dass wir klug wer­den“ (Ps. 90,12). In diesen Worten drückt sich die Bitte aus, das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit ins persönliche Lebenswissen eingehen zu lassen. Ein Leben im Bewusstsein der menschlichen Endlichkeit zu führen, ist eine Lebensklugheit, die errungen werden muss. Je nä­her Menschen mit ihrem eigenen Sterben oder dem Sterben naher Angehöriger konfrontiert wer­den, desto mehr stellt sich das Verlangen nach einem solchen Lebenswissen ein. Der Wunsch, in Frieden zu sterben, drückt die Sehnsucht danach aus, den letzten Weg im Einklang mit Gott, den Mitmenschen und sich selbst gehen und so in das eigene Sterben einwilligen zu können. Aber wie kann ich in Frieden sterben? Die Antwort auf diese Frage kann niemand für andere beantworten. So individuell je­des menschliche Leben geführt wird, so individuell ist auch der Prozess des Ster­bens.

Dennoch haben die Menschen immer wieder danach gefragt, ob es für den Pro­zess des Ster­bens bestimmte typische Merkmale gibt. Im späten Mittelalter sind Er­bauungsbücher erschie­nen, die Sterbende und Sterbebegleiter in die „Kunst des Sterbens“ (lateinisch: ars moriendi) einführen wollten. In ihnen wird das Ster­ben als Prozess der Auseinandersetzung mit Anfech­tungen beschrieben, die den Sterbenden herausfordern und die es im Glauben zu bestehen gilt. Zu ihnen ge­hören u.a. auch der Zorn (Ungeduld) und die Verzweiflung. Die mittelalterliche ars-moriendi-Literatur bringt damit bereits Erkenntnisse zur Geltung, auf die in neuerer Zeit For­schungen zum Prozess des Sterbens aufmerksam gemacht ha­ben. So hat beispielsweise Eli­sabeth Kübler-Ross auf der Grundlage einer Viel­zahl von Gesprächen, die sie mit Sterbenden geführt hat, fünf typische Phasen des Sterbens hervorgehoben (Interviews mit Sterbenden, Berlin, 1987, 40-114).

a)    Nichtwahrhabenwollen und Isolierung. Wenn ein Mensch davon erfährt, dass er eine zum Tod führende Krankheit hat, reagiert er darauf zunächst sehr häufig abwehrend. „Das kann doch nicht sein!“ Die Verleugnung der Krankheit ermöglicht es dem Patien­ten, mit dem Schock dieser Nachricht fertig zu werden. Meist ist das Nichtwahrhabenwollen nur eine vorübergehende Phase, die bald von einer wenigstens teilweisen Ak­zeptanz abgelöst wird. Für die Begleitung Ster­bender ist es wichtig, ihnen die erforderliche Zeit zu lassen, die Gewissheit des eigenen Ster­benmüssens an sich heranzulassen. Ihnen als Gesprächspart­ner zur Verfü­gung zu stehen, die leisen Andeutungen wahr­zunehmen und sie auf dem Weg von der Ungewissheit zur Gewissheit be­hutsam zu begleiten, ist für die Sterbenden er­leichternd und hilfreich.

b)    Zorn. Auf das Nichtwahrhabenwollen folgt in der Regel eine Phase, in der Zorn, Groll und Wut im Mittelpunkt stehen. Während die Sterbenden jetzt ra­tional wissen, dass sie sterben müssen, können die Emotionen mit dieser Ge­wissheit nicht Schritt halten. Die Gefühle bre­chen vielmehr ungesteuert hervor. Aggression entlädt sich, oft ohne erkennbaren Grund, wahllos, an Ärztinnen, Krankenschwestern, Angehörigen oder beliebigen anderen Perso­nen. Wohin die Sterbenden auch blicken, überall sehen sie Menschen, die wei­terleben kön­nen. „Warum denn gerade ich?“ bricht es deshalb aus ihnen heraus. Die Möglich­keit, der eigenen Wut Luft machen zu können, ist für die Sterbenden wichtig, damit sich die Aggres­sion nicht nach innen, gegen sie selbst richtet.

c)    Verhandeln. Als dritte, meist flüchtige Phase beschreibt Elisabeth Kübler-Ross den Ver­such, den unvermeidlichen Tod durch eine Art Handel hinauszu­schieben. In ganz unter­schiedlicher Weise versuchen Sterbende vielfach, der eigenen Lebensspanne noch einige Zeit hinzuzufügen. Oft wollen sie noch ei­nen bestimmten Zeitpunkt erleben: ein wichtiges Fami­lienereignis o.ä. Im me­dizinischen Bereich wird oft nach neuen Therapie­wegen ge­sucht, werden Spezialisten aufgesucht und alternative Medika­mente ins Spiel gebracht. Manche Sterbende versuchen aber auch mit Gott zu verhandeln, wollen ihr Leben Gott widmen oder ihren Besitz einem guten Zweck zukommen lassen. So sehr die Gefahr besteht, sich in dieser Phase finanziell zu verausgaben oder die Auseinandersetzung mit dem Sterben weiter hin­auszuzögern: Die Aktivität des Verhandelns ist ein wich­tiger Zwischenschritt, bevor den Betroffenen die Un­vermeidlichkeit des Sterbens so bewusst wird, dass sie von Verzweiflung ergriffen werden.

d)    Depression. Wenn die Todesgewissheit den Sterbenden in ihrer ganzen Un­vermeidlichkeit zu Bewusstsein kommt und zugleich die Kräfte zum Wi­der­stand allmählich erschöpft sind, tritt meist eine Phase der Depression ein. Die Sterbenden erkennen jetzt in aller Deutlich­keit, was sie bereits verloren haben. Und ihnen tritt vor Augen, was ihnen mit dem Sterben noch alles entrissen wird. Der Schmerz dieses endgültigen Abschieds bringt Trauer und Tränen, Resignation und stille Verzweiflung mit sich. Sterbende brauchen in dieser Phase Begleiter, die über die Traurigkeit nicht hinweggehen sondern sie aus­halten. Sie brauchen Menschen, die einfach nur da sind und zuhören können.

e)    Zustimmung. Wenn der sterbende Mensch die eigene Kraft und die nötige Be­gleitung hatte, um die vorherigen Phasen zu bestehen, kann er schließ­lich dazu kommen, sein eige­nes Sterben anzunehmen. Vielfach sind die betroffe­nen Menschen bereits sehr schwach und haben das Bedürfnis, oft und in kur­zen Abständen zu schlafen. Ihr Kampf gegen das Sterben ist vorüber. Es ist die Zeit der „letzten Ruhe vor der langen Reise“. Die Sterbenden haben ein gewisses Einverständnis mit ihrer Situation erreicht. Ihre Interessen engen sich immer mehr ein. Oft möchten sie in Ruhe ge­lassen werden. Die Kommu­nikation erfolgt in dieser Phase vielfach wortlos. Schweigend bei ihnen zu sein, ihnen zu verstehen zu geben, dass sie nicht reden müssen, Gesten, Blicke und die Art körperlicher Berührung, die die Betreffenden wollen – das ist die wichtigste Begleitung der Sterbenden, bevor sie die Augen für immer schlie­ßen.

Die von Elisabeth Kübler-Ross beschriebenen Sterbephasen dürfen nicht starr interpretiert wer­den. Das Sterben jedes Menschen ist anders. Phasen können gleichzeitig oder in anderer Rei­henfolge ablaufen. Aspekte können sich wieder­holen oder überhaupt nicht beobachtet werden. Vor allem: Es ist nicht gesagt, dass jede Person alle Phasen durchläuft.

In den letzten Jahren ist sogar die Beschreibung des Sterbeverlaufs in Phasen kritisch hinter­fragt worden. Nach Untersuchungen des Heidelberger Gerontologen Andreas Kruse (Kruse, A.; Schmitz-Scherzer, R.: Sterben und Sterbebegleitung, in: Psychologie der Lebensalter, Darm­stadt, 1995, 289-299) verändert sich die Art und Weise, wie sich Menschen mit ihrem Sterben auseinan­dersetzen, weit weniger als dies Elisa­beth Kübler-Ross herausgearbeitet hat. Auf der Grund­lange von Interviews mit fünfzig Krebspatienten im Endstadium ihrer Erkrankung be­schreibt Kruse fünf Formen der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Eine erste Gruppe von Men­schen akzeptierte das eigene Sterben und suchte gleichzeitig nach Möglichkeiten, die das Le­ben noch bot. Eine zweite Gruppe empfand in zunehmenden Maße Resig­nation und Verbitte­rung. Sie sahen das eigene Leben nur noch als Last. In einer dritten Auseinanderset­zungsform wurden die Todesängste durch die Erfahrung eines neuen Lebenssinns und die Überzeugung, noch wichtige Aufgaben wahr­nehmen zu können, gelindert. Für eine vierte Per­sonengruppe stand das Bemü­hen im Vordergrund, die Bedrohung der eigenen Existenz nicht in das Zentrum des Erlebens treten zu lassen. Eine fünfte Gruppe durchschritt Phasen tiefer De­pression bis zur Hinnahme des Todes.

Zu welcher Auseinandersetzungsform ein Mensch neigt, hängt nach Kruse so­wohl von biogra­phischen als auch von sozialen, strukturellen und medizinischen Faktoren ab. Menschen mit einem positiven Lebensrückblick, so arbeitete er her­aus, tendierten eher zur Annahme oder der Suche nach neuen Aufgaben. Perso­nen wiederum, die an starken chronischen Schmerzen lit­ten, reagierten eher mit Resignation und Verbitterung.

Für die Begleitung sterbender Menschen ist es wichtig, die verschiedenen Fakto­ren gleicher­maßen im Blick zu haben: die persönliche Lebensrückschau und Sinnorientierung ebenso wie die sozialen Beziehungen, die strukturellen Bedin­gungen und eine effektive Schmerzkontrolle.