1. Glaube und Naturwissenschaft im dritten Jahrtausend?
Unser Alltag ist ganz entscheidend geprägt von Naturwissenschaft und Technik.
Die Wissenschaft präsentiert uns immer neue faszinierende wie verwirrende Erkenntnisse über den materiellen Aufbau der Welt und über das Funktionieren und das Zusammenspiel ihrer Teile. Technik – als angewandte Naturwissenschaft – hat dem Menschen immer mächtigere Instrumente in die Hand gegeben, um die Welt nach seinen Vorstellungen zu verändern und in Besitz zu nehmen.
Der alte Holzschnitt symbolisiert den Drang nach Erkenntnis. Der Mensch balanciert auf und mit den vier Elementen (Feuer, Wasser, Luft und Erde). Er möchte verstehen, was die Welt zusammenhält. Er greift nach den Sternen, und zugleich lebt er gefährlich: er könnte bei seinem Balance-Akt das Gleichgewicht, die Kontrolle über sein Tun verlieren.
Welche Bedeutung, welche Aufgabe hat in der heutigen Welt – mehr als zweitausend Jahre nach der Entstehungszeit der Bibel – der christliche Glaube, das Bekenntnis zum Schöpfer und das Nachdenken über Schöpfung? Können wir, sollen wir von Schöpfung reden trotz Darwin? Oder sind Glaube und Naturwissenschaft eben doch grundsätzlich verschiedene Sichtweisen der Welt, einander feindliche Elemente wie Feuer und Wasser, zwischen denen wir uns entscheiden müssen, geht es um Entweder-Oder?
Auf zwei Herausforderungen, die sich aus der Begegnung von Glaube und Naturwissenschaft ergeben, soll im weiteren genauer eingegangen werden:
Kap. 2.: Christlicher
Schöpfungsglaube in der Begegnung mit den Weltbildern der Naturwissenschaften –
dargestellt an der Frage „Schöpfung contra Evolution ?“
Kap. 3.: Ethische Anfragen an Naturwissenschaft und Technik - dargestellt am Beispiel von Stammzell-Therapien und Forschung an menschlichen Embryonen
2. Schöpfung contra Evolution (!?)
Christlicher
Schöpfungsglaube in der Begegnung mit den Weltbildern der Naturwissenschaften
2.1. Das Erleben der Welt als „Schöpfung“
Ein möglicher Zugang zur Welt kann sich von daher öffnen, dass die Welt als „Schöpfung“ erfahren wird.
Christen sprechen von der Welt, von der Natur als SCHÖPFUNG. Was meinen wir damit?
„Schöpfung“ – das ist ein Begriff mit vielen Farben. Er wird in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet: Christen bekennen sich zum „Schöpfer“, wenn sie das Glaubensbekenntnis sprechen. Aber auch in der Verfassung des Freistaates Sachsen kommt der Begriff vor: dort, wo es um die Bewahrung der natürlichen Umwelt geht. Oder ein drittes Beispiel: Als 1987 das Klon-Schaf DOLLY in die Schlagzeilen der Weltpresse kam, fragten manche Zeitungen, ob nun der „achte Tag der Schöpfung“ angebrochen sei. Wir könnten uns ja auch selbst die Frage stellen, ob der Begriff „Schöpfung“ uns etwas bedeutet, und was an ganz konkreten Inhalten ich damit verbinde. Hier sei stellvertretend das Ergebnis einer spontanen Umfrage in einer Gesprächsgruppe dargestellt:
bebauen und bewahren
Klonschaf DOLLY 7 Tage
Anfang und Ende Jahreszeiten
Musik Blumen
Liebe Gott
Arbeit Ordnung
Freude SCHÖPFUNG ? Kiefernwälder
Urknall
Leben
Morgenröte
Adam
Entfaltung
Vielfalt
Zufall
oder Absicht? bedrohte Schöpfung
Wasser schöpfen
Da entsteht ein vielfarbiges Bild, da wird das ganz Große (Kosmos) wie ganz Geringes (Blumen) benannt, der Ursprung der Welt und des menschlichen Daseins kommen genauso in den Blick wie „moderne“ Fragen nach dem verantwortungsbewussten Umgang mit der Welt (Gentechnik, Umweltprobleme), es geht um Staunen, Fragen und um Verantwortung. Es wird deutlich: das Thema „Schöpfung“ hat mit MIR und es hat mit GOTT zu tun, neben gewichtigen Fragen nach dem Urgrund des Seins gehört das konkrete Erleben der Welt hier und heute, gehören ganz persönliche Lebens-Erfahrungen verschiedener Menschen dazu.
Sich diese Vielfalt der Zugänge zum Thema „Schöpfung“ deutlich zu machen, ist wichtig, und sie hat auch gute biblische Tradition. In immer neuen Bildern und Gleichnissen bringt die Bibel das Thema „Schöpfung“ ins Gespräch: Da schildert die gewichtige Lehrerzählung im ersten Kapitel der Bibel, dass Gott diese Welt will und wie er sie Schritt um Schritt ins Dasein ruft. Nach der Darstellung im zweiten Kapitel findet sich der Mensch in dieser Welt als einem Garten vor mit dem Auftrag, diesen anvertrauten Lebensraum zu „bebauen und zu bewahren“, die Welt zu gestalten, sie aber auch als gute Heimat für die Mitgeschöpfe zu erhalten. Oder denken wir an die Psalmen, die Liedersammlung der Bibel: dort sind Erfahrungen des Menschen in der Natur Anlass, dem Schöpfer für die gute Ordnung der Welt zu danken. Ganz anders am Schluss des Hiob-Buches: Dort ist der Hinweis auf die unbegreiflich großartige Schöpfung die Antwort auf das für Menschen nicht erklärbare Handeln Gottes, der auch Leid und Katastrophen zulässt. Gleichnisse, die Jesus im Neuen Testament erzählt, nehmen Naturbilder auf und machen an konkret erlebter Alltagserfahrung Wichtiges vom Reich Gottes deutlich. Noch im letzten Kapitel der Bibel, der Offenbarung, ist von Schöpfung die Rede, und wieder kommen ganz neue Bilder in den Blick: der neue Himmel und die neue Erde, die als neue Schöpfung kommen sollen, werden nicht geschildert im nostalgischen Rückblick auf das Natur-Paradies des Anfangs, sondern die Kulturerfahrung der Erzähler fließt ein: sie verwenden in ihrer Vision Bilder einer Stadt (das neue Jerusalem), um von Schöpfung zu erzählen.
Herr, wie sind deine Werke so groß und viel.
Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Geschöpfe.
Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde.
Gibst du ihnen, dann werden sie satt an Gutem.
Nimmst du ihnen den Atem, so kehren sie zurück zum Staub der Erde.
Du lässt die Quellen hervorsprudeln in den Tälern, allen Tieren des Feldes spenden sie Trank.
Im Schutz der Bäume bauen die Vögel ihr Nest, die hohen Berge gehören dem Steinbock.
Du lässt Gras wachsen für das Vieh, auch Pflanzen für den Menschen, damit er Brot gewinnt von der Erde.
Sehe ich den Himmel, das Werk deiner Hände, den Mond und die Sterne, die du gemacht hast ...
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? Du hast den Menschen mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt, hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Schöpfung.
Du hast ihm alles zu Füßen gelegt: all die Schafe, Ziegen und Rinder, auch die wilden Tiere, die Vögel des Himmels und die Fische im Meer.
Ewig währe die Herrlichkeit des Herrn, der Herr freue sich seiner Werke.
(Die Bibel, aus den Psalmen 8 und 104)
Das Reden von, das Nachdenken über „Schöpfung“ kann also sehr verschiedene Ausdrucksformen finden und sich in vielfältigen Inhalten verdeutlichen.
Auch im Jahre 2005 können die Ansätze, sich dem Thema zu nähern, sehr unterschiedlich aussehen:
· Staunen, Loben, Danken (Wahr-Nehmen der Natur; Ausdruck in Liedern, Gedichten, Gebeten)
· Wie erfüllen Menschen den Auftrag, „die Erde zu bebauen und zu bewahren“? (Umwelt-Verantwortung)
· Leben ist in der modernen Medizin und Gentechnik in ganz neuer Weise in die Hand, in die Verfügung des Menschen gegeben, und das führt zu neuen ethischen Fragestellungen (Retortenbabys, Organspende, Gentechnik, Sterbehilfe)
· Auseinandersetzung mit Weltbildern und Menschenbildern, Weltanschauungen und Ideologien
Neben den traditionellen Fragestellungen, etwa zur Vereinbarkeit von Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie, kommen zunehmend ethische Dimensionen in den Blick. Es geht um eine Güterabwägung bei der Nutzung neuer Technologien, die Entscheidung über Befürwortung oder Ablehnung der Atomenergie oder von Angeboten der Gentechnik. Im Hintergrund stehen deutlich Fragen nach dem Sinn und dem Ziel des menschlichen Daseins.
Wenn Menschen
die Welt als „Schöpfung“ erfahren – dann sehen wir uns die Welt nicht neutral
von außen an, da stehen wir Menschen mittendrin, da sind wir unmittelbar
beteiligt und betroffen: wir leben in Beziehungen (zur Natur, zu anderen
Menschen, zu Gott), wir staunen, wir haben Gefühle.
Und wenn wir uns der Welt als „Schöpfung“ nähern, gehen die Fragen, die uns
begegnen, in die Tiefe. Wir fragen nach dem Sinn und dem Ziel unseres Daseins:
Wer bin ich?
Woher komme ich und wo gehe ich hin?
Warum gibt es das Böse?
Was wird nach diesem Leben sein?
Hat das Leben einen Sinn?
Wohin führt es?
Christen suchen in ihrem Glauben, in der Bibel Antworten auf diese Fragen, sie erhoffen sich eine Deutung der verwirrenden Welt und Orientierung für ein gutes gelungenes Leben.
2.2. Der naturwissenschaftliche Blick auf die Welt
Wenn es um das Zurechtfinden in der Welt geht, haben Menschen auch ganz andere Fragen und Interessen. Wir können die Welt auch unter dem Blickwinkel der Naturwissenschaft betrachten (dazu gehört z.B. auch die Biologie mit ihrem Evolutionsmodell).
Wenn
wir Naturwissenschaft betreiben, erleben wir die Welt nicht von innen, sondern
wir betrachten sie mit Abstand, von außen her, und wir möchten Wissen gewinnen
(im Sinne von Tatsachen, Fakten, Formeln):
WIE können wir uns die Welt erklären (Aufbau, Funktionen), wie können
wir sie verstehen, wie sie in Besitz nehmen?
Zwei wichtige Begriffe aus der Naturwissenschaft unserer Zeit sind dabei in der Physik „Urknall“ (als Modell für das kosmische Drama, das sich seit 14 Milliarden Jahren abspielt), und in der Biologie: „Evolution“ (als Modell für die Entwicklung des Lebens auf unserem blauen Planeten).
Wie aber
geht es mir, wenn die Begriffe aus der Welt des Glaubens und aus der der
Naturwissenschaft unmittelbar nebeneinander stehen? Wie komme ich damit zu
Recht?
Viele Menschen erleben auch heute die Begegnung zwischen Glaube und Naturwissenschaft
als konfliktbeladen. Manchmal begegnet das an unerwarteter Stelle. Mitte der
1990er Jahre war das Bundesverfassungsgericht aufgefordert, darüber zu entscheiden,
ob es weiterhin statthaft sei, in bayerischen schulischen Unterrichtsräumen
(auch im Physik- oder Biologiekabinett) Kruzifixe an der Wand aufzuhängen. In
diesem eigentlich ganz anderen Zusammenhang stand folgender Leserbrief in
der Zeitung:
Wie
fühlt sich ein Biologielehrer im Anblick des Gekreuzigten, wenn er über die Entwicklung
des Menschen aus dem Tierreich spricht? Wird im bayerischen Geschichtsunterricht
im Anblick des Kreuzes auch über Hexenverbrennungen, Folterungen und
Verbreitung des christlichen Glaubens mit Feuer und Schwert gesprochen?
Die Religion im Klassenzimmer zwingt doch Schüler und Lehrer zur Heuchelei.
(FREIE PRESSE Chemnitz 6.9.1995)
Eine klare Aussage: christliche Symbole (der christliche Glaube) und moderner Biologieunterricht (Naturwissenschaft) passen nicht zusammen, und diese Trennung sollte auch konsequent vollzogen werden! Unterliegt der Leserbriefschreiber einem Missverständnis, das man in Ruhe bereden und aufklären könnte? Oder wagt er es einfach, einen schwelenden Konflikt endlich einmal deutlich auszusprechen, stellt Fragen, die eben nur diese eine Schlussfolgerung zulassen?
Stelle ich mir manchmal vielleicht selbst die Frage, ob sich das Reden von Schöpfung nicht doch schrittweise erledigt hat, überflüssig geworden ist – seit Naturwissenschaftler wie Kopernikus, Darwin oder Einstein uns die Welt ganz anders erklärt haben, als das in den Geschichten der Bibel geschieht? Hat die Bibel nicht doch recht märchenhafte Züge, verbreitet veraltete Vorstellungen, ist unwissenschaftlich? Und war Kirche, jedenfalls als sie noch Macht hatte, nicht immer wieder auch wissenschaftsfeindlich (klassisches Beispiel: Der Prozess der päpstlichen Inquisition gegen Galileo Galilei)?
Wie reagiere ich auf solche unbequemen Fragestellungen, die mich unsicher machen können?
Habe ich dann zwei säuberlich getrennte Schubladen: die eine mit der Aufschrift „Naturwissenschaft“, in der ich alles ablege, was ich in der Schule und in den Medien über die Welt erfahre, und eine zweite Schublade, in der alles aufbewahrt wird, was mit meinem Glauben zu tun hat? Sind Glaube und Naturwissenschaft letztlich unvereinbar? Und muss ich dann im Konfliktfall als Christ jede Aussage der Bibel verteidigen – auch gegen die Weltbilder der Naturwissenschaft?
Oder erlebe ich das Verhältnis ganz anders? Sind für mich gerade die Erkenntnisse der Naturwissenschaft ein immer neuer Hinweis auf die Größe Gottes, auf die Schönheit seiner Werke, Anlass zum Staunen oder zur Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer?
? 7 Tage
Adam und Eva 10.000 Jahre
Sintflut Schöpfung Himmelsgewölbe
?
allmähliche Entwicklung ?
?
Ich denke, jeder von uns bringt da seine ganz eigenen Erfahrungen und Einsichten mit. Mancher erlebt die Naturwissenschaft als Gegner, als Feind des christlichen Glaubens, ein anderer als anregenden und wichtigen Gesprächspartner.
Irritation: Darwin redet vom Schöpfer (!?)
„Es
ist wahrlich etwas Erhabenes um die Auffassung, dass das Leben mit seinen
verschiedenen Fähigkeiten vom Schöpfer ursprünglich nur wenigen oder gar nur
einer einzigen Form eingehaucht wurde und dass, während dieser Planet nach dem
ehernen Gravitationsgesetz seine Kreise zieht, aus einem so schlichten Anfang
eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entwickelt wurden
und immer weiter entwickelt werden.“
(Charles Darwin, Biologe, letzter Satz in seinem Hauptwerk: „Die Entstehung der
Arten ...“, 1859;
der Zusatz „vom Schöpfer“ wurde von Darwin von der 2. Auflage an eingefügt)
2.4. Wie bestimme ich mein Verhältnis zu Glaube und Naturwissenschaft?
Als grobes Raster ergeben sich drei Aspekte, die für die eigene Meinungsbildung wie auch in Gesprächen eine wichtige Rolle spielen:
A) Zum einen wird danach zu fragen sein, wie weit naturwissenschaftliche Erkenntnis reicht, welche Möglichkeiten sich ihr bieten, aber auch, welche Grenzen ihr gesetzt sind (Kapitel 2.4.1).
B) Zum zweiten geht es um mein persönliches Bibelverständnis. Wie lese und verstehe ich biblische Texte? Wo helfen sie mir zum Leben? (Kapitel 2.4.2.)
C) Zum dritten geht es bei unserem Thema um die Fragestellung, ob und wie eine Begegnung zwischen Glaube und Naturwissenschaft stattfinden kann – ist Konfrontation unausweichlich (und welche Rolle spielen dabei Ideologien), oder sind Ergänzung und gegenseitige Bereicherung möglich, ein (wenn auch vielleicht kritisch zu führendes) Gespräch auf einer Blumenwiese und anderswo? (Kapitel 2.4.3.)
Es wird wichtig sein, dass ICH mir klar werde, wie MEINE Antworten in den drei Bereichen aussehen, und dass ich vielleicht entdecke (und schmerzlich aushalten muss), dass andere Menschen in ihrem Nachdenken zu anderen Einsichten und Schlussfolgerungen finden. Bei Konflikten kann es sehr wichtig sein, ICH-Sätze zu sagen („Ich erlebe, verstehe, deute das so...“), aber nicht mit dem Anspruch aufzutreten, gleich „für alle Christen“ oder „für alle vernünftigen Menschen“ mit zu sprechen und damit dem Gesprächspartner – wenn er anderer Meinung ist als ich – automatisch das Christ-Sein abzusprechen oder ihn als dumm einzustufen ...
Im weiteren wollen wir einer konkreten Frage nachgehen, die Menschen sich immer wieder gestellt haben:
Woher kommen wir - wir Menschen - und im weiteren Sinne: Woher kommt das Leben?
Was haben
die Biologie und die Bibel dazu in ihrem jeweiligen Kontext zu sagen?
Es folgen jeweils einige allgemeinere Ausführungen zur Reichweite
naturwissenschaftlicher Erkenntnis und zu Fragen des Bibelverständnisses.
2.4.1. Naturwissenschaftliche Erkenntnis
Zunächst stellen wir unsere Frage an die Naturwissenschaft, an die Biologie als Wissenschaft vom Leben.
Wir blättern in Fachbüchern und Zeitschriften und erfahren: Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist unsere Erde vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden, zunächst als ein glühender Ball, auf den ein ständiges Bombardement von Meteoriten niedergeht, auf dem Vulkanausbrüche alltäglich sind, die Ozeane kochen, in dessen Atmosphäre heftige Gewitter toben mit gewaltigen elektrischen Entladungen, und der ganze Planet ist umgeben von einer nicht gerade lebensfreundlichen Atmosphäre: sie enthält keinen freien Sauerstoff !
Und trotzdem berichten die Geologen von fossilen Funden, die darauf hinweisen, dass es bereits „kurze Zeit“ später – vor 3,8 Milliarden Jahren - erste Lebensformen gab, noch sehr einfach, aber das Leben hatte begonnen, die Erde zu erobern. Was war da passiert? Wie konnte aus unbelebter Materie Leben entstehen?
Die Lehrbücher bieten (im Kapitel „Evolution“) Erklärungen an, wie die ersten Schritte ausgesehen haben könnten. Hier ein konkretes Beispiel – es wurden die Originalüberschriften übernommen:
(Biologie
heute, Lehrbuch für die Sekundarstufe II, SCHROEDEL Hannover, 2004, S.423ff.)
4. Chemische Evolution und die Anfänge des Lebens
4.1. Die Ursuppe
(Bildung von organischen Stoffen in der reduzierenden Atmosphäre)
4.2. Die Schwarzen Raucher
(Bildung von organischen Substanzen unter Mitwirkung von schwefelhaltigen
Verbindungen in der Nähe unterseeischer Vulkanschlote)
4.3. Leben an Kristallen?
( Entstehung von organischen Stoffen an Pyrit-Kristallen (FeS2) im
Ur-Ozean)
4.4. Viele Theorien – viele Fragen
(kritische Argumente gegen die zuvor aufgeführten Theorien; weitere
Erklärungsansätze, z.B. unter Mitwirkung von Tonmineralien; „Wahrscheinlich
ist, dass keine der Theorien allein richtig ist und dass möglicherweise alle
Theorien einen Beitrag zu der endgültigen Vorstellung über die Entstehung des
Lebens gegen werden.“
1)
URSUPPE
(Suche
nach Möglichkeiten der Entstehung von Lebensbausteinen unter den Bedingungen
der Ur-Erde an der Erdoberfläche; man hat z.B. versucht, die oben
geschilderten Bedingungen der Ur-Erde im Labor nachzubauen; nach wenigen Tagen
Versuchsdauer bildeten sich Lebensbausteine wie Aminosäuren, Fettsäuren,
Harnstoff, Milchsäure, Zucker ...)
2) SCHWARZE RAUCHER
(an Vulkanschloten auf dem Grund der Weltmeer sind eine Fülle von verschiedenen
Lebensformen entdeckt worden, obwohl es dort absolut dunkel und weit mehr als
hundert Grad heiß ist und Schwefelverbindungen das Wasser vergiften; sind dort
in der Tiefe vielleicht auch die ersten Lebensbausteine und Lebensformen
entstanden?)
3) Oder ist das LEBEN AN KRISTALLEN entstanden, an deren Oberfläche bestimmte chemische Prozesse haben bevorzugt ablaufen können?
Das alles sind spannende Spekulationen. Viele
Theorien werden in der Fachwissenschaft kontrovers diskutiert. Viele Fragen sind
ungelöst, werden sich vielleicht nie eindeutig beantworten lassen.
Selbst wenn eines der vorgeschlagenen Modelle richtig sein sollte, wäre das
nur die Erklärung für die Bereitstellung der notwendigen Bausteine für
Lebewesen, das ist noch kein Leben! Wie dann Eiweiße und Lebensmoleküle
(DNS,RNS) sinnvoll zusammenspielen, dafür gibt es weitere spannende und
komplizierte Modelle (z.B. Hyperzyklen – Kreisläufe), die in der Fachwelt
diskutiert werden und umstritten sind.
Woher kommt das Leben? Wir bekommen auf unsere Frage durch die Biologie keine klaren endgültig überzeugenden Antworten, eher erzeugt die Vielzahl der Erklärungsmodelle Verwirrung ...
Was sagt die Wissenschaft zu dieser Lage? Wir lesen dazu in einem modernen (und guten) Schullehrbuch:
Kapitel 6.7: Probleme in der Theorie von der Entstehung des Lebens
· „Viele der Gedanken, die hier in den letzten Abschnitten besprochen wurden, beruhen auf Vermutungen und Spekulationen ...“
· „... reproduzierbare Experimente sind nicht möglich ... so sind wir auf die Auswertung von Indizien angewiesen ...“
· „... muss man feststellen, dass die Evolutionstheorie über die Entstehung des Lebens auf der Erde noch kein gesichertes Bild bieten kann ...“
(Schroedel Schulbuchverlag Hannover 1995, Materialien für den Sekundarbereich II, Lehrbuch BIOLOGIE, Kapitel EVOLUTION, S.103)
Die ungelösten Fragen werden nicht ausgeklammert, sondern gezielt thematisiert. Der hypothetische Charakter gängiger Erklärungsmodelle („Ursuppe“ à organische Moleküle à „Selbstorganisation“ à Leben) wird hier als „Vermutungen und Spekulationen“ benannt. Wir werden vielleicht nie eindeutig wissen, welche Ereignisse vor langer Zeit zur Bildung der ersten Lebensformen geführt haben. Wissenschaftszweige wie Abstammungslehre und Evolutionsbiologie sind in der gleichen schwierigen Lage wie Historiker. Sie müssen versuchen, einen einmaligen Vorgang, der in der Vergangenheit abgelaufen ist (ohne noch lebende Zeugen, die befragt werden könnten), zu rekonstruieren, wobei die Zahl und die Qualität der Befunde (der Fundstücke) in der Regel unbefriedigend ist und verschiedene Deutungen der „Indizien“ möglich sind. Die Schwierigkeit soll an folgendem Beispiel skizziert werden: Wenn man beispielsweise alle wichtigen Fundstücke zu Vorfahren des heutigen Menschen (versteinerte Knochen, Zähne, Schädel, Fußabdrücke) auf der (in der Biologie akzeptierten) zugehörigen Zeitachse von einigen Millionen Jahren anordnet, liegt etwa aller 10000 Jahre ein solches Fundstück. Habe ich nun typische Zeitzeugnisse zur Verfügung, sind sie zeitlich richtig eingeordnet – oder besteht das Puzzle, das ich mir lege, zum Teil aus falschen oder nur schlecht zusammenpassenden Bausteinen? Es ist sicher ein spannendes Unterfangen, so die Geschichte der Menschheit zu rekonstruieren, aber es bleiben Unsicherheiten, das Bild ist „kein gesichertes Bild“.
Noch allgemeiner und ganz grundsätzlich gilt für die Erkenntnismöglichkeiten der Naturwissenschaften:
Naturwissenschaftliche Erkenntnis führt nicht zu endgültigen Wahrheiten. Das Wissen bleibt immer unvollkommen, vorläufig und ist verbesserungsbedürftig. Die Ergebnisse sind Modelle, Hypothesen, Theorien.
Eine
letzte Einsicht ist besonders wichtig: aus naturwissenschaftlichen
Erkenntnissen kann und darf man keine weltanschaulichen Deutungen herleiten
oder sie damit begründen. Aus den Erkenntnissen der Biologie oder Physik ergeben
sich keine zwingenden, „wissenschaftlich begründeten“ Schlussfolgerungen über
den Sinn und das Ziel des menschlichen Daseins. Dieser Satz gilt für
philosophierende Physiker und Biologen generell, unabhängig davon, ob ihre
Äußerungen mir genehm sind (meine Weltsicht bestätigen) oder nicht. Auch
Nobelpreisträger äußern sich in philosophischen Fragen nur als nachdenkliche
Menschen und nicht mit der Autorität ihrer naturwissenschaftlichen Verdienste.
Abschließend seien noch zwei Zitate aus naturwissenschaftlichen Lehrbüchern
mitgeteilt, die grundlegende Grenzen für den naturwissenschaftlichen Zugang zur
Welt aufnehmen und deutlich sagen, dass auch im Zeitalter moderner Naturwissenschaft
weltanschauliche Deutungen des Daseins „dem persönlichen Glauben überlassen
sind“.
Offene
Naturwissenschaft
(a) Wissenschaftstheorie
„Das naturwissenschaftliche Weltbild
kann nur ein Teilbild der Welt sein, und es kann nur ein vorläufiges Bild sein
...
Was ist der Sinn der Evolution? ... Warum hat sie zum Menschen geführt, einem Wesen mit Geist? ...
Was steckt hinter dem, was die Naturwissenschaft als „Zufall“ beschreibt? ...
Willensfreiheit und Sinn des Seins vermag die Biologie nicht zu deuten. ...
Solche
Fragen lassen sich mit den Mitteln der Naturwissenschaft nicht lösen, Antworten
darauf sind dem persönlichen Glauben überlassen.“
(Linder Biologie; Bayerhuber/Kull: Lehrbuch für die
Oberstufe, Stuttgart 1994, S.453,456)
(b) Kosmologie – Urknall
„Was oder wer hat die Ausgangsbedingungen gesetzt? ... physikalische Letztbegründungen sind nicht möglich ...
Man kann das Auftauchen der Energie als „Schöpfungsakt“ aus dem „Nichts“ im Sinne der christlichen Religion deuten ... Das Urknall-Modell schließt einen „Schöpfer“ nicht aus ...
Hat unser Leben in diesem
Universum einen Sinn?
Eine Antwort kann nicht aus den physikalischen Erkenntnissen abgeleitet
werden.“
(W. Kuhn: Physik, Klasse 12/13 Band 2, Westermann, 1992)
Gewarnt wird hier vor unerlaubten Grenzüberschreitungen: mit der Ableitung von weltanschaulichen Deutungen wird der Geltungsbereich der Naturwissenschaften verlassen.
Sie können die folgenden Hintergrundinformationen auch überspringen und gleich in Kapitel 2.4.2.1. weiterlesen: Woher kommt das Leben? – Welche Antwort gibt die Bibel?
2.4.1.2. Hintergrund
2.4.1.2.1. Anspruch und Grenzen der Naturwissenschaft
Wie sieht es mit dem Anspruch, mit den Möglichkeiten, aber auch mit den Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis aus?
Auf dem Holzschnitt wird symbolhaft das Suchen der Naturwissenschaft deutlich. Die immer neu gestellte Frage heißt: Was steckt dahinter? Naturwissenschaftler sind besonders neugierige Menschen. Sie möchten wissen, was hinter den Kulissen des Welttheaters geschieht, was die Welt im Innersten zusammenhält, welche Kräfte ihren Lauf bestimmen. Sie bezweifeln, dass unser Augenschein uns die Welt so zeigt, wie sie wirklich ist. Auch allgemein akzeptierte Weltbilder werden immer neu hinterfragt. Gibt es vielleicht noch ganz andere Erscheinungen, die wir bisher nicht kannten? Könnten sich im Lichte neuer, besserer Erklärungen und Theorien die vertrauten Weltbilder der Vergangenheit doch als falsch oder wenigstens unvollkommen erweisen?
Neugier ist eine tolle Begabung, mit der wir Menschen beschenkt sind. Nach dem Verständnis der Bibel haben wir auch unseren suchenden Verstand von Gott erhalten. Menschen dürfen ihre Begabungen nutzen, um die Welt zu entdecken, aber auch, um sie umzugestalten und zu nutzen.
Der Auftrag Gottes an den Menschen:
„Und Gott segnete die Menschen und sprach zu ihnen:
Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“
(1.
Buch Mose 1,28)
Der Mensch im Garten
Gottes:
„Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebauen und bewahren sollte“.
(1. Buch Mose 2,15)
Im ersten Kapitel der Bibel steht der Auftrag an den Menschen, sich die Erde „untertan zu machen“. Das ist zu manchen Zeiten missverstanden worden als Ermächtigung zur gnadenlosen Ausbeutung und Unterdrückung der Schöpfung. Im biblischen Kontext wird aber deutlich, dass es hier nur um fürsorgliche Herrschaft im Auftrag Gottes gehen konnte. In ihrem zweiten Kapitel gibt die Bibel dem Menschen eine zweite „Gebrauchsanweisung“ mit für den Weg in der Welt. Hier wird die Welt im Bild eines Gartens beschrieben, in den der Mensch gestellt wird mit dem Auftrag, diesen Lebensraum „zu bebauen und zu bewahren“ – er darf und soll ihn also gestalten (untersuchen, verändern, nutzen), aber zugleich als lebenswerte Heimat für Pflanzen, Tiere und Menschen erhalten.
Problemanzeige
Naturwissenschaft hat mit ihrem Suchen und Fragen in den letzten Jahrhunderten beeindruckende Erfolge gefeiert. Sie hat versucht, in immer neuen Anläufen den materiellen Aufbau der Welt und das Funktionieren ihrer Teile zu erklären, und das Publikum hat diesen Prozess mit Staunen, Faszination oder auch Verwirrung begleitet. Zum anderen ist es der Naturwissenschaft in ihrer praktischen Umsetzung, in Gestalt der Technik, gelungen, die Welt für den Menschen in Besitz zu nehmen und diese (manchmal mit zwiespältigem Ergebnis) zu verändern.
„Ich will die Welt retten.“
Craig J. Venter; Biochemiker,
(maßgeblich beteiligt an der Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes)
Die Erfolge (und Folgen) der Naturwissenschaft sind gewaltig und führen für viele Zeitgenossen zu einer regelrechten Wissenschafts-Gläubigkeit. Gerade für Menschen, die mit Gott nichts mehr anfangen können, sind die moderne Naturwissenschaft und Medizin („Halbgötter in Weiß“) an seine Stelle getreten. Wo man früher von Gott erhoffte und erwartete, dass er die Probleme dieser Welt (auf-)lösen und Not und Leid heilen werde, da werden heute übermächtige Erwartungen an die Naturwissenschaft herangetragen und von manchen ihrer Vertreter auch geschürt: sie soll nicht nur alle Fragen beantworten, sie soll auch in eine lichte, sorgenfreie Zukunft, in eine heile Welt führen.
2.4.1.2.2. Das Ergebnis
wissenschaftlichen Suchens -
statt endgültiger Wahrheiten: Modelle, Hypothesen, Theorien
Auch wenn Naturwissenschaft von vielen Menschen als allmächtig bestaunt oder beargwöhnt wird, ist ganz deutlich zu sagen: Naturwissenschaft ist weder allwissend noch ist sie allmächtig!
Gute Naturwissenschaftler haben zu allen Zeiten gewusst, dass sie „kleine Brötchen backen“, dass sie nicht für die ganze Wirklichkeit der Welt zuständig sind, dass sie nicht auf alle Fragen eine Antwort geben können (und müssen).
Naturwissenschaft zu betreiben ist eine bestimmte Art, sich mit der Wirklichkeit der Welt auseinanderzusetzen. Dafür gibt es nicht nur klare Spielregeln (die naturwissenschaftliche Methode), sondern diesem Zugang zur Welt sind auch Grenzen gesetzt, von denen hier nur einige knapp benannt werden sollen.
·
Zum ersten geht (auch) die Naturwissenschaft in ihrem Tun von Annahmen
aus, deren Gültigkeit und Richtigkeit vorausgesetzt werden, die sich aber
nicht beweisen lassen (Axiome): So wird – ohne diese Annahme kann Naturwissenschaft
einfach nicht sinnvoll arbeiten – vorausgesetzt, dass die Naturgesetze zu
allen Zeiten und an jedem Punkt des Universums in gleicher Weise gelten (so,
wie wir sie heute auf der Erde erkennen). Oder es wird vorausgesetzt, dass der
Kosmos „homogen und isotrop“ ist (d.h. dass Materie etwa gleichmäßig verteilt
ist und wir deshalb im uns zugänglichen Nahbereich „typische Verhältnisse“
vor-finden). Allerdings unterliegen Axiome in der Natur-wissenschaft
grundsätzlich immer der vorläufigen Geltung und der Überprüfbarkeit - wenn sie
sich als falsch erweisen (dazu genügt eine entgegenstehende Beobachtung),
muss ihr Geltungsbereich neu definiert oder es müssen die auf ihnen aufbauenden
Theoriemodelle auf den Prüfstand gestellt und den neuen Einsichten angepasst
werden.
Wir wissen auch nicht, ob im Universum nur die von uns bisher nachgewiesenen
Teilchen existieren. Derzeit gehen die meisten Astrophysiker davon aus, dass
nur etwa 5 Prozent unseres Universums aus Stofflichkeiten
bestehen, die wir kennen, und dass 73% aus „dunkler Energie“ und 22% aus
„dunkler Materie“ bestehen („dunkel“ steht hier schlicht für das Nicht-Wissen).
Wir wissen auch nicht, ob unser Kosmos nur von den vier uns bekannten Kräften
beherrscht wird (diese sind: die starke und die schwache Kraft oder
Wechselwirkung im Bereich atomarer Dimensionen, die elektromagnetische Kraft
und die Schwerkraft) und ob diese in einer einheitlichen Theorie erklärt werden
können.
Die Naturwissenschaft arbeitet mit Grundbegriffen (z.B. Energie, Masse,
Materie, Raum oder Zeit), die eigentlich Abstraktionen sind, denen keine
eindeutige Wirklichkeit entspricht.
· Zum zweiten ist Naturwissenschaft von ihrem Anspruch her der Versuch, die Welt mit den Mitteln des menschlichen Verstandes zu erklären. Es ist sehr fraglich, ob die zwei Pfund grauer Gehirnzellen, die unser Schädel einschließt, in der Lage sind, das ganze Universum mit der Fülle und Vielfalt seiner Erscheinungen wahrzunehmen, zu verstehen und umfassend zu erklären. In unseren naturwissenschaftlichen, von Menschen erdachten Modellen und Theorien wird die Natur überschaubar (gemacht). Wir wissen jedoch, dass die Struktur, die wir der Welt damit auferlegen, in den Grenzen unserer menschlichen Vorstellungskraft erfolgt und schon deshalb nicht vollkommen ist.
· Zum dritten erweist sich als Arbeitsgegenstand der Naturwissenschaft, was man sehen und anfassen kann, was sich zählen, wiegen und messen lässt. Dabei ist es grundsätzlich geblieben, auch wenn wir das Leistungsvermögen unserer Sinnesorgane mit technischen Hilfsmitteln - z.B. beim Sehen mit Mikroskopen oder Teleskopen – deutlich ausweiten konnten. Wir wissen auf der einen Seite, dass das „Netz“, mit dem die Naturwissenschaft das „Meer der Wirklichkeit“ durchfischt, viele interessante Funde erfasst und festgehalten hat. Aber manches, was auch zur Wirklichkeit gehört, schlüpft einfach durch die viel zu groben Maschen dieses Netzes.
Naturwissenschaft hört die Realität gewissermaßen nur auf wenigen, ausgewählten Frequenzen ab.
Die Physik kann uns nur sagen, was ist. Wenn wir wissen wollen, was wir tun sollen, lässt sie uns im Regen stehen. Naturwissenschaften machen keine Aussagen über die vielfältige Welt der persönlichen Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle, die unser Leben so reichhaltig sein lassen und bestimmen.
Nicht alle Aspekte von Wirklichkeit lassen sich mit naturwissenschaftlichen Methoden fassen
Ein Beispiel: MUSIK gehört zur Wirklichkeit vieler Menschen. Auch wer damit überhaupt nichts anfangen kann, auf den wirkt sie, indem er das Radio ausschaltet oder ihr anderweitig entflieht. Musik beeinflusst unsere Stimmung, macht uns nachdenklich oder beschwingt, manchmal bringt sie uns auch in Bewegung (im Tanz, beim Schunkeln, als Marschmusik). Musik hinterlässt unbezweifelbar Wirkungen, gehört also zur Wirklichkeit. Um das Phänomen Musik besser zu verstehen, könnte nun ein Physiker um Aufklärung gebeten werden, der in Messungen und Erläuterungen Spannendes zu schwingenden Saiten und Luftmolekülen, zu Resonanzen und Frequenzen und Amplituden berichten könnte. Dann wäre vielleicht ein zweiter Naturwissenschaftler, ein Neurophysiologe, zu bitten, der erklären könnte, was vom schwingenden Trommelfell an sich im Inneren des Gehirns abspielt an chemischen und elektrischen Vorgängen. Interessant sicher. Aber es wäre völlig irreführend anzunehmen, dass sich das Phänomen „Musik“ so angemessen erfassen ließe. Wollte man das Erlebnis einer Beethoven-Symphonie mittels der im Konzertsaal gemessenen Luftdruckkurven darstellen, wäre das offenkundig eine Abbildung mit nicht angemessenen Mitteln. Ihr Geheimnis und ihre Wirklichkeit lassen sich (allein) mit den weiten Maschen des Netzes der Wissenschaft nicht „ergreifen“.
Viele Menschen meinen – durch das Lernen von „Gesetzmäßigkeiten“ in der Schule entsprechend geprägt –, Naturwissenschaft sei nicht nur der einzig richtige Weg zur Erkenntnis der Welt, sondern ihre Einsichten seien auch „objektiv“ (verstanden als allgemein gültig) und „wahr“ (nicht hinterfragbar).
Die Wissenschaftstheorie sagt dazu anderes: Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften können nie den Status endgültiger, bewiesener, nicht mehr hinterfragbarer Wahrheiten beanspruchen. Sie sind – das gilt jedenfalls grundsätzlich - vorläufige Einsichten, nicht nur verbesserungsbedürftig, sondern auch verbesserungsfähig. Was Naturwissenschaft sagen kann, ist immer nur mit dem heutigen Datum gültig, und jeder Fachartikel, jedes dicke Lehrbuch müssten eigentlich mit der Einschränkung schließen, dass hier nach bestem Wissen und Gewissen dargestellt wird, was im Moment die überzeugendste Erklärung eines Sachverhalts zu sein scheint, dass aber morgen oder in zehn oder in hundert Jahren jemand eine bessere und vielleicht ganz andere Deutung für den gleichen Befund geben könnte. Und so besteht folgerichtig der Wissensfundus der Naturwissenschaft nicht aus endgültigen Wahrheiten, sondern aus Modellen, Hypothesen und Theorien. Natürlich muss neben diesen grundsätzlichen Feststellungen deutlich sein, dass naturwissenschaftliches Forschen inzwischen in vielen Einzel-Bereichen zu Entdeckungen geführt hat, die wenigstens eine gute Annäherung an die Wirklichkeit darstellen und vielleicht auch nicht mehr verbessert werden können und müssen. So reicht die klassische Newton´sche Physik aus, um verlässliche Umlaufbahnen für Satelliten zu berechnen. Auch zuverlässig funktionierende Technik in unserem Alltag ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass viele Erkenntnisse doch einen hohen Wahrheitsgehalt erreicht haben.
Jedenfalls gibt es im Wissenschaftsbetrieb oft viel mehr offene Fragen als (wenigstens vorläufig) befriedigende Antworten.
Eigenschaften |
Wert |
Unsicherheit |
Alter des Universums (Milliarden Jahre) |
13,7 |
± 0,2 |
Anteil der „normalen“ Materie (Prozent) |
4,4 |
± 0,4 |
Anteil der (kalten) „dunklen Materie“ (Prozent |
23 |
± 4 |
Anteil der gesamten Materie (Baryonen und „dunkle“ Materie) an der Gesamtdichte (Prozent) |
27 |
± 4 |
Anteil der „dunklen Energie an der Gesamtdichte (Prozent) |
73 |
± 4 |
Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung (Kelvin) |
2,725 |
± 0,002 |
b) „Das würde ich eine Krise nennen“ (Lee Smolin)
„Nur
zu ein paar Prozent besteht unser Universum aus sichtbarer Materie. Für
schätzungsweise 95 Prozent des kosmischen Inventars haben Forscher bislang
wenig mehr als Namen, und schon die sind mysteriös genug: Dunkle Materie und
Dunkle Energie. Das All ist erfüllt von etwas, was wir nicht sehen, und wird
getrieben von einer Kraft, die wir nicht verstehen. ... Die Grundlagenphysiker
driften zusehends weg von der Naturwissenschaft, hin zu reinen Mathematik ...
Immer kühner türmen die Theoretiker ihre Gedankengebäude. Immer weiter
entfernen sie sich von den Möglichkeiten der Experimentalphysik. ... Heute ist
das meiste, was Theoretiker über die Grundlagen der Physik publizieren, nicht
überprüfbar.“ …
„Heute zweifelt kaum noch ein Kosmologe an der Urknall-Theorie.“
(Die Zeit 29.3.07 S.29, 32)
Erkenntnisweg und Grenzen der Naturwissenschaft
Das Ziel bei der Behandlung der Wirklichkeit ist die Reduktion von Komplexität und das Aufsuchen von regelmäßig in gleicher Weise ablaufenden Vorgängen und von Zusammenhängen.
Die aus Beobachtungen abgeleitete Erkenntnis führt den Naturwissenschaftler zu einer Hypothese, die weiterentwickelt wird zur Formulierung eines (Natur-)Gesetzes bzw. einer Theorie. Eine Theorie soll nicht nur beschreiben, sondern auch begründet werden und Ursachen angeben. Die Angabe eines klar begrenzten Anwendungsbereiches gehört dazu. Theorien sind nicht an der Erfahrung ablesbar, sie werden letztlich erraten. Theorienbildung wird in vielen Fällen durch Hintergrundüberzeugungen geleitet („Zeitgeist“). Allerdings müssen sich Theorien in harten Prüfungen bewähren: So müssen sie intersubjektiv (unabhängig von der Person des Experimentators) überprüfbar sein und dürfen nicht im Widerspruch zu Experiment und Wirklichkeit stehen. Naturgesetze beschreiben die Natur nicht als solche, sondern so, wie sie unter den Voraussetzungen objektiver Erkenntnis erscheint. Grundsätzlich gilt dabei, dass die gefundenen Gesetze jederzeit falsifizierbar sind (sich als „falsch“ erweisen können, z.B. durch nur einen widersprechenden Befund), nie aber für alle Zukunft verifizierbar sind (sich als endgültig „wahr“ erweisen, in ihrer Richtigkeit bewiesen werden können).
Ein naturwissenschaftliches Gesetz gilt genau so lange, bis es durch neue Erkenntnisse erweitert oder durch ein neues Gesetz abgelöst wird. Nachfolgetheorien heben ihre Vorläufer in der Regel nicht auf; die Vorläufer haben sich nicht als falsch erwiesen, die Nachfolgetheorien grenzen nur ihren Anwendungsbereich ein.
Die naturwissenschaftliche Erkenntnis kann im Detail sehr präzise sein, gilt aber nur für genau die Rahmenbedingungen (Fragestellungen), unter denen die Beobachtungen gemacht wurden.
(Auch die) Naturwissenschaft ist eine Wahrheit im historischen Gewand.
(nach Schwarke/Biewald S.38, Audretsch S. 18ff)
Die
Frage nach dem Anfang und Ursprung ist natürlich keine wissenschaftliche Frage.
... Denn , genau gesagt, geben die Wissenschaften darauf keine Antwort ...
Ursprung des Universums ...
Ursprung des Lebens ...
Entstehung des Menschen (welches Kriterium für das Menschsein?) ...
Ursprung des Bewusstseins ...
... dass der wissenschaftliche Diskurs über die Welt bestenfalls eine theoretische Erklärung liefert, die für den Augenblick Geltung beansprucht, aber jederzeit durch neue Beobachtungen und Experimente widerlegt werden kann.
Auch
wenn eine Theorie ... ein allgemeines Weltbild darstellt, in dessen Rahmen
wissenschaftliche Methoden Anwendung finden, handelt es sich dennoch um eine
Hypothese, die man in den Rang einer Theorie erhoben hat, weil sie so umfassend
ist und so viele Fachgebiete sich in ihrem Rahmen bewegen können.. Zu diesen
umfassenden Theorien gehören etwa die Darwinsche
Evolutionstheorie, die Theorie des expandierenden Universums und das Standardmodell
der Quantenphysik.
(ohne Relativitätstheorie kein GPS, ohne Quantenmechanik keine Kernspintomographie
oder CD-Player JK)
„unmöglich“
... dass jede Wissenschaft ihren Gegenstandsbereich präzise abgrenzen muss. Da Wissenschaften niemals die Gesamtheit des Wissens über die Gesamtheit aller Objekte in sich vereinigen, bestimmen sie durch die Abgrenzung ihres Gegenstandbereiches stets auch jenen Bereich, über den sie mit ihren Methoden unmöglich etwas auszusagen vermögen. Hierzu gehören z.B. alle Fragen, die den Ursprung der Dinge betreffen.
...
Oft bezeichnet man jede Information als wissenschaftlich, die durch Beobachtung
und Experiment bestätigt wird. Implizit bedeutet diese Sichtweise, dass der
wissenschaftliche Diskurs die Wirklichkeit der uns umgebenden Welt so objektiv
und passiv wie möglich beschreibt. ... Tatsächlich spiegelt aber (nach Karl
Popper) die wissenschaftlich Erkenntnis die Realität der Welt nicht (objektiv
und richtig) wider, sondern ist eine von unserem Verstand aufgestellte
Hypothese, die wir vielfältigen Prüfungen unterziehen, damit die Außenwelt sie
widerlegt oder bestätigt. Sagt die Natur „ja“, so ist es meist lediglich ein
„vielleicht ja“. Sagt sie dagegen „nein“ – widerlegt sie also die Hypothese -,
so geschieht dies kategorisch.
(Besteht eine Theorie einen Test nicht, mag ihr Erklärungspotenzial noch so groß
sein – sie muss aufgegeben werden – bdw 12/03 S.48).
(Thesaurus der exakten Wissenschaften, Zweitausendeins Verlag, Frankfurt/Main, 2001)
2.4.2. Wie lese und verstehe ich die Bibel?
2.4.2.1. Eine konkrete Frage: Woher kommt das
Leben ?
–
Welche
Antwort gibt die Bibel ?
Woher kommt das Leben? Viele Christen würden sagen: Das steht doch in der Bibel, gleich am Anfang, unter der Überschrift „Schöpfung“!
Wir machen also einen zweiten Anlauf: Wir lesen das erste Kapitel der Bibel. Die Bibel erzählt in gewaltigen Bildern, die in der folgenden nüchternen Kurzfassung nicht angemessen wiedergegeben werden können.
(Zusammenfassung von 1.Buch Mose Kap.1 bis Kap.2 Vers 4;
die Zahlen geben den jeweiligen „Schöpfungstag“ an):
+
Der „Grund“ (der Wille, der Anfang, das Fundament) dafür, dass es überhaupt
eine „Schöpfung“ und darin Leben gibt, liegt in GOTT. Er ist ALLMÄCHTIG.
(Es gibt nur einen Gott, Sonne und Mond, Blitz und Donner, mächtige Tiere und
Bäume sind keine Götter; alles ist Geschaffenes – der Mensch kann sich der
Natur ohne Angst nähern, auch naturwissenschaftliche Fragen stellen!)
+ Gott ist SCHÖPFER (die Bibel verwendet hier ein besonderes Wort, das
allein für das Handeln Gottes reserviert ist!);
Er schafft Ordnung und bringt Struktur in das Chaos des Anfangs (es gibt Licht
und Finsternis 1, mit Himmel und Erde oben und unten 2, Land und Meer 3,
Gestirne als Zeitgeber 4).
+ Die Erde wird ein geschützter (Wohn-) Raum für Leben.
+ Gott beteiligt die Geschöpfe an seinem Werk – geliehene, begrenzte Kompetenz
- beauftragt das Land (den fruchtbaren Boden), Pflanzen hervorzubringen 3;
später ergehen Aufträge an die Gestirne, dann auch den Menschen
+ Gott schafft die Wassertiere und Vögel 5.
+ Das Land wird beauftragt, die landlebenden Tiere hervorzubringen 6.
+ Am Ende will Gott, dass es Menschen gibt 6 (als sein Gegenüber; und er
schafft sie als Mann und Frau - das heißt, der Mensch ist Mensch nur in Beziehung
zu anderen).
+ GOTT gibt den Menschen einen AUFTRAG, er setzt sie als verantwortliche
Haushalter in seine Schöpfung ein.
+ Das ganze Schöpfungshandeln wird im Rhythmus von sechs „Tagen“ geschildert.
+ Gott meint es gut mit seinen Geschöpfen. Er handelt wie ein fürsorglicher VATER.
Das (Wert-)Urteil Gottes über seine Schöpfung lautet „es war alles sehr gut“.
+ Der siebente Tag ist heilig und ein Tag der Ruhe.
Es lassen sich Kernaussagen heraus-„destillieren“, die der Text vermitteln will; einige Stichworte sind im vorstehenden Text hervorgehoben.
Das christliche Glaubensbekenntnis nimmt den „Extrakt“ dieser Glaubensaussagen auf und fasst – noch knapper und in nüchternen Worten - zusammen:
„Ich glaube an GOTT den VATER, den ALLMÄCHTIGEN, den SCHÖPFER des Himmels und der Erde.“
Es geht hier nicht darum, einen trockenen Merksatz „nachzubeten“: Meine Antwort ist gefragt. Das Bekenntnis ist als Ich-Satz formuliert. Wenn ich es mir zu eigen mache, sage ich eine ganz persönliche Erfahrung aus, die ich nur sagen kann, wenn ich auch meine Welt als gute Heimat erfahre und bereit bin, mich unter den Auftrag des Schöpfers zu stellen. Dann gilt die „alte Geschichte“ nicht nur für „damals“, sie gewinnt BEDEUTUNG FÜR MICH HIER UND HEUTE! Genau in diesem Verständnis geht es in der Erklärung Martin Luthers zum 1. Artikel im christlichen Glaubensbekenntnis nicht um abstrakte Fragen zur WELT-Schöpfung, sondern um die Frage, was Schöpfung für mein ICH, für meine Existenz als Mensch bedeutet (ausführlicher dazu auf Seite 22):
„Ich
glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der
Erde.“
Was ist das?
Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat …“
Ich
bekomme Antworten auf ganz wichtige Fragen, das Bekenntnis im ersten Kapitel
der Bibel enthält ein Angebot für die Deutung meines Daseins in dieser Welt.
Es geht in dem Text der Bibel um den Urgrund, den Ursprung, es geht um den Sinn
und um das Ziel meines Daseins. Woher? Warum? Wozu? Wohin? Diese Fragen
finden hier eine Antwort. Der Text will mir Mut machen, daran zu glauben und
darauf zu vertrauen, DASS ich Gott mein Dasein verdanke und dass ich bei ihm
gut aufgehoben bin.
Ich bekomme keine Antwort auf unsere Wissensfragen: WIE ist das alles ganz konkret passiert? Das Geschehen wird nicht so genau erklärt, dass ich es als Mensch verstehen und naturwissenschaftlich einordnen kann.
ICH
verstehe die Bibel so, dass sie mir vorrangig Orientierung und Maßstäbe
vermitteln will für ein gutes gottgefälliges Leben in dieser Welt. Die Bibel
ist nicht geschrieben zur Belehrung über naturwissenschaftliche Zusammenhänge,
sie ist damit auch kein brauchbares Lehrbuch für den Physik- oder
Biologieunterricht im Jahr 2005!
Auch hier gilt also: keine unzulässige Grenzüberschreitung !
2.4.2.2. Hintergrund: Was habe ich für ein Bibelverständnis?
Für manche klingt diese Frage vielleicht unverständlich. Ist nicht für jeden Christen die Bibel das „Buch des Glaubens“, bringen die dort niedergelegten Texte nicht jedem Leser die gleichen Wahrheiten des Glaubens nahe?
Im Gespräch mit anderen Christen ergibt sich dann aber die (manchmal schmerzliche) Einsicht, dass es das eine, für alle Christen gleichermaßen verbindliche Bibelverständnis nicht gibt. Deswegen wird es wichtig sein, dass ich mir selbst klarmache, wie ICH die Bibel verstehe, was die Glaubenszeugnisse aus meiner Sicht bewirken (wollen). Und welche Rolle kommt dann den eindrücklichen Bildern zu, die die Bibel verwendet, den Sprachbildern, den Weltbildern? Wie verstehe ich die Schilderung der „FESTE“ (Firmament), die nach biblischer Darstellung (im 1. Buch Mose Kapitel 1) als feste Trennwand den Lebensraum Erde vor der zurückgedrängten Urflut schützt? Wie ordne ich die „SIEBEN TAGE“ ein, den zeitlichen Rhythmus, in dem das Schöpfungswerk Gottes geschildert wird? Wie ist das mit ADAM und EVA als den ersten Menschen zu verstehen? Je nachdem, wie ich einzelne Bibeltexte lese und verstehe, ergeben sich mehr oder weniger „heiße“ Reibungsflächen beim Vergleich mit der naturwissenschaftlichen Beschreibung der Welt.
Es könnte sein, dass Menschen im Streit über Darwinismus oder Urknall entdecken, dass sie ein unterschiedliches Bibelverständnis haben, und dass es vielleicht viel wichtiger wäre, darüber ein Gespräch zu führen, als sich gegenseitig davon zu überzeugen, welche Modelle der Naturwissenschaft schlüssiger sind (was nebenbei gesagt auch erfordert, sich mit der nötigen Gründlichkeit sachkundig zu machen!).
Ich möchte im Folgenden zwei Sichtweisen für das Verstehen der Bibel nebeneinander stellen. Beide Bibelverständnisse sind verbreitet und werden hier verkürzt und vergröbert dargestellt, um die Unterschiede deutlicher hervortreten zu lassen.
2.4.2.2.1. Das Bibelverständnis des Kreationismus (Schöpfungs-Wissenschaft)
Da ist zunächst das Bibelverständnis des „Kreationismus“. Hier werden die biblischen Aussagen zum Handeln Gottes in der Schöpfung (creatio) als Dokumentarbericht verstanden und sind damit Ausgangspunkt für wissenschaftliche Erklärungsmodelle der Welt auf streng biblischem Fundament.
Bibelverständnis I:
Kreationismus, Schöpfungs-Wissenschaft
· Die Bibel ist von Gott Menschen „in die Feder diktiert“ worden; sie ist im uns vorliegenden WORTLAUT verbindlich.
· Wo die Bibel sich konkret äußert (Geschehensabläufe, Zeiträume, naturkundliche Mitteilungen), ist auch das heilsgeschichtlich verbindliche Wahrheit und eine Aussage, die geglaubt werden muss.
·
Beispiele:
Kosmos, Erde und Mensch sind in 6 Tagen (nach unserem Zeit- und
Kalenderverständnis) geschaffen worden.
Das Alter der Welt beträgt nach den Zeitangaben der Bibel höchstens 10000
Jahre.
Die Sintflut hat als weltumgreifende Total-Katastrophe auch die höchsten Berge
überflutet, Noahs Arche ist auf dem Berg Ararat (heute Türkei) gestrandet.
Für alle in der Bibel genannten Fakten können naturwissenschaftliche Beweise gesucht
werden.
· Biblische Darstellungen (z.B. zum Werden der Welt im 1. Buch Mose) sind Aussagen, die auch naturwissenschaftliche Sachverhalte richtig wiedergeben, und sie sollten als christliche wissenschaftliche Alternative in den Physik- und Biologie-Unterricht der Schule eingebracht werden.
In einem solchen Bibelverständnis finden viele Menschen eine tiefe Gewissheit und Geborgenheit. Der Wortlaut der Bibel bildet ihr festes Glaubens-Fundament. Weil der Glaube ihr Leben trägt, ist die ganze Bibel wichtig; kein Punkt, kein Komma dürfen verrückt, keine Aussage hinterfragt oder relativiert werden. Die Angst ist: wenn auch nur ein kleines Stück aus dem biblischen Fundament herausgebrochen, in Frage gestellt, relativiert oder interpretiert wird, könnte dadurch der ganze Bau zum Einsturz gebracht werden.
Dass es in diesem Bibelverständnis notwendigerweise zu Widersprüchen zu den Erklärungsmodellen der Naturwissenschaft kommt (Urknall-Hypothese, Evolutions-Theorie, Entwicklung in Milliarden von Jahren), ist klar: „Die Aufgabe (einer biblisch orientierten Schöpfungsforschung) ist ... nicht geringer, als eine alternative Kosmologie, Biologie, Geologie auf heilsgeschichtlicher Grundlage zu erstellen ... Evolutionskritik ist nur ein erster Schritt im Rahmen einer unermesslichen Aufgabe ... Konkret: Wer das Gerichtshandeln Gottes in Bezug auf die biblisch und außerbiblisch bezeugte Sintflutkatastrophe in seiner ganzen Schwere ernstnimmt, muss die Geologie umschreiben.“ (H.W. Beck: Biologie und Weltanschauung, Reihe „Wort und Wissen“, Hänssler Neuhausen-Stuttgart, 1979).
Anfragen an das „kreationistische“ Bibelverständnis:
Wenn man sich auf den „eindeutigen Wortlaut der Bibel“ bezieht, ist zunächst zu
fragen, welche Übersetzung der Gesprächspartner vor sich hat. In allen
Übersetzungen sind immer auch Interpretationen, Verstehenshilfen,
Deutungen, Auslegungen des Übersetzers mit eingeflossen. Außerdem machen
bereits die in verschiedener Fassung vorliegenden Ur-Texte zum Teil sehr
unterschiedliche Angaben. So summieren sich in der hebräischen, samaritanischen
und griechischen Fassung des Alten Testaments die für die Zeit von Adam bis
Noah gemachten Zeitangaben zu 1656, 1307 bzw. 2242 Jahren. Nicht einmal der
Umfang der Bibel ist in der Christenheit einheitlich festgelegt. Die von Katholiken
gebrauchte Bibel enthält im Alten Testament mehr Bücher als die Luther-Bibel.
Und es gab in den ersten Jahrzehnten nach Jesus mehr als die uns überlieferten
vier Evangelien, von denen aber einige „redaktionell ausgesondert“ wurden. Der
uns verbliebene „Kanon“ aufbewahrter biblischer Texte beruht also auf
menschlicher Übereinkunft.
Kritisch anzufragen ist, ob in der kreationistischen Sichtweise letztlich nicht doch versucht wird, Gottes Handeln wissenschaftlich zu beweisen („Gottesbeweise“ - wo doch Gottes Handeln „unsere Vernunft übersteigt“). Ist der Zeithorizont der Bibel mit unserem Kalenderverständnis angemessen zu fassen? Was heißt das, wenn zum Beispiel in Psalm 90,4 steht: „Vor dir, Herr, sind tausend Jahre wie ein Tag“? Gilt bei Gott vielleicht doch ein anderes Zeitmaß? Wie gehe ich – als Wissenschaftler - intellektuell z.B. mit dem Tatbestand um, dass Bohrungen im Eis der Arktis eindeutige Jahresschichten zeigen, die lückenlos aufeinander folgen, und dass dabei 900.000 Jahre Erd-Geschichte „archiviert“ sind? Hieß der erste Mensch wirklich Adam, wenn doch in der Bibel in 1.Mose 5,2 steht: „Als Mann und als Frau erschuf er sie und nannte sie (beide!) „ADAM“ (das heißt: „Mensch“)?
Fazit: Eine kreationistische Sicht der Bibel hat spezifische Konsequenzen und führt ziemlich zwangsläufig zum Konflikt mit dem Weltbild der Naturwissenschaft.
2.4.2.2.2. Das historisch-kritische Bibelverständnis
Im historisch-kritischen Verständnis wird davon ausgegangen, dass man sich mit der Bibel auch wissenschaftlich („kritisch“) als einem Zeitzeugnis („historisch“ überlieferte Textsammlung aus der Antike) auseinandersetzen kann.
Bibelverständnis II:
historisch-kritisches Verständnis
· In biblischen Texten können die zeitgeschichtlichen Umstände der Entstehung, ihr „Sitz im Leben“ für die damaligen Menschen, erschlossen werden. Oft ist es hilfreich, die verschiedenen literarischen Ausdrucks-Formen von den übermittelten Glaubens-Inhalten zu unterscheiden.
· In der Bibel legen verschiedene Menschen Zeugnis ab von ihren persönlichen Glaubenserfahrungen. Sie reden in einer konkreten Zeit und in einer konkreten Situation zu anderen Menschen, und sie verwenden die damals (selbst-)verständlichen Weltvorstellungen.
· Reden von Gott ist uns Menschen anders nicht möglich als in der unvollkommenen Sprache von Bildern, Metaphern, Gleichnissen. Der erzählerische Rahmen, die Art der literarischen Darstellung (Lieder, Chroniken, Parabeln, Paradoxa, Lehrtexte) haben sich im Laufe der Geschichte immer wieder gewandelt. Der Kern der Glaubensaussagen, die tiefen Grundwahrheiten, die in immer neuer Weise erlebt und überliefert wurden, bleiben dennoch zeitlos wichtig.
· Die Bibel ist ein Buch des Glaubens, das zum Leben helfen will, das Werte und Orientierung vermittelt. Die Bibel ist nicht geschrieben und geeignet als Lehrbuch für den naturwissenschaftlichen Unterricht.
Von diesem Herangehen erhofft man sich ein besseres Verständnis der Texte. Es stellt den Versuch dar, die Bibel in dem gleichen Geist zu lesen, in dem sie geschrieben wurde. Der „Schatz“ des Glaubens wird von Menschen, „in irdenen Gefäßen“ (Paulus), aufbewahrt und weitergegeben.
Hier wird das Reden von Gott als offenes Geschehen verstanden, das nie zu fertigen, endgültigen Antworten kommt. Man könnte sagen – vergleiche dazu die Aussagen zu den Ergebnissen naturwissenschaftlichen Forschens im Kapitel 2.4.1.2.2. – dass auch der Glaube, die Theologie immer neue „Hypothesen über Gott“ bilden, die stammelnd und stotternd und suchend in Gleichnissen, in Bildern wiedergegeben und weitergegeben werden, die aber unvollkommene Annäherungen bleiben und nie endgültige Wahrheiten (verstanden als Gewissheiten über Gott und sein Handeln im Sinne von Definitionen) darstellen. Allerdings gibt es auch hier eine Prüfinstanz: Religiöser Glaube muss sich genauso wie eine physikalische Theorie im Leben bewähren, zum Leben helfen.
Der Gedanke, dass religiöse
Menschen in ihrem Glauben „Hypothesen über Gott“ bilden,
ist nicht neu. Der Theologe Heinz Zahrnt hat ihn schon vor Jahren zum Titel
eines Buches gemacht:
„Soll ich meinen Glauben als Christ auf einen kurzen Satz bringen, so kann ich sagen: Ich habe eine gute Vermutung zu Gott. Denke ich aber über diese gute Vermutung nach, so ergeben sich nur Mutmaßungen über Gott. Das geht jedoch nicht allein dem Theologen so, sondern jedem Christen, der über seinen Glauben nachdenkt - und wer täte dies nicht? …
Dem Anliegen des Buches entspricht sein Titel »Mutmaßungen über Gott«. Der Ausdruck geht nicht auf Uwe Johnsons Roman »Mutmaßungen über Jakob« zurück, sondern stammt von Nikolaus von Kues (»coniecturae Dei«). Für den Kusaner ist Gott in seinem Wesen vom Menschen nicht zu erkennen und zu benennen. Weil er unsichtbar ist, gibt es nur Ansichten von ihm - Projektionen, je aus der Perspektive des Betrachters verschieden und entsprechend vielfältig und ungenau. Die Vielfalt und Ungenauigkeit bedeutet jedoch keine Beliebigkeit! Weil das Unendliche im endlichen Erkennen gegenwärtig ist, gibt die Welt dem Menschen Anhaltspunkte für seine Bilder von Gott an die Hand.
Mutmaßungen über Gott sind demnach keine grundlosen Behauptungen, sondern Aussagen mit Wahrheitsgehalt. Bieten sie auch keine endgültige Erkenntnis Gottes, so gewähren sie doch Teilhabe an seiner Wahrheit. Diese ständige Unfertigkeit aller Gotteserkenntnis versetzt den Menschen in Unruhe; sie nötigt ihn zu immer neuen Revisionen. Es gibt keine abgeschlossene kartographische Erfassung des Wesens Gottes - das Gelände muss immer neu erkundet und vermessen werden. …“
(Quelle: Q56 Zahrnt, Heinz: Mutmaßungen über Gott, Piper Verlag München Zürich, Taschenbuch 1997, S.11ff.)
Im historisch-kritischen Verständnis ist der Glaube kein abgeschlossenes, sondern immer ein offenes System. Nicht zu jeder Frage, die sich uns Menschen in dieser Welt stellt, steht eine endgültige und erschöpfende Antwort in der Bibel (zum Beispiel zu der Frage, ob wir Gentechnik oder Atomenergie nutzen dürfen). Die Bibel bietet grundsätzliche Wertmaßstäbe zur Orientierung an – aber ich darf und muss in meiner konkreten Lebens-Situation selbst nach Antworten suchen, Entscheidungen treffen und auch die Verantwortung für mein Handeln übernehmen.
Anfragen an das „historisch-kritische“ Bibelverständnis:
Darf man die Bibel, in der die zentralen Glaubenszeugnisse der Christenheit aufbewahrt sind, so lesen, analysieren, kritisch hinterfragen wie ein beliebiges anderes Schriftzeugnis der Antike?
Historisch-kritische Exegese (Bibelauslegung):
„Historisch
muss eine Exegese sein, weil nicht nur Gott sich historisch feststellbar
offenbarte, sondern diese Offenbarung ausgerechnet in Gestalt historischer
Texte hinterließ: in der Bibel, deren Bücher von bestimmten Personen zu
bestimmten Zeiten unter bestimmten Umständen zu Papyrus gebracht wurden.
Kritisch muss Bibelauslegung sein, weil nicht alles, was früher zur Bibel
gesagt wurde, deshalb auch richtig sein muss. Vielmehr ist die Bibel mit stets
neuen Augen zu lesen, und das bedeutet vor allem, selbstkritisch und auslegungsgeschichtskritisch
zu sein.“
(Georg Steffens, Leserbrief, IdeaSpektrum 6/2001)
Es kann sein, dass am Ende nur noch ein erbitterter Streit darum geführt wird, ob dieser halbe Satz nicht von einem späteren Redakteur hinzugefügt wurde, oder ob jene Erzählung nicht an falscher Stelle in der Bibel eingeordnet wurde. Im wissenschaftlichen Suchen nach Genauigkeit im Detail besteht die Gefahr, dass die eigentlich wichtigen Inhalte, die dem Leser vermittelt werden sollen, zunehmend aus dem Blick geraten. Im Extremfall kann es sein, dass ein Theologe als Wissenschaftler biblische Texte immer weiter seziert, Satzfetzen immer neu ordnet – aber für seinen Glauben nichts gewinnt.
Der Schöpferglaube – als Teil des christlichen Glaubens insgesamt – stellt eine
bestimmte und unverwechselbare Weise dar, die Wirklichkeit wahrzunehmen. Er staunt
über das Wunder des Daseins, klärt die Rätsel des Daseins auf, nutzt
das nichtmenschliche Dasein zu menschlichen Zwecken und nimmt zugleich Rücksicht
auf das nichtmenschliche Dasein.
(H.P. Gensichen)
2.4.3. Begegnung von Glaube und Naturwissenschaft –
Gespräch oder Kampf?
2.4.3.1. Gespräch
Wenn wir anderen Menschen begegnen, dann wird bald deutlich: Wir haben
nicht alle die gleiche Welt-Sicht. Jeder von uns hat seinen eigenen Zugang zum
Erfahrungsbereich der Naturwissenschaften, er hat aber auch seine eigenen
Glaubenserfahrungen, sein persönlich geprägtes Bibelverständnis.
Menschen machen Erfahrungen in der Welt (abhängig davon, wie neugierig sie
sind, wofür sie sich interessieren, was ihnen an Bildung und Erziehung angeboten
oder vorenthalten wird), setzen sich mit ihr auseinander, denken über ihr
eigenes Dasein nach, kommen zu ihrer persönlichen Deutung der Welt und leben
in und mit ganz persönlichen Weltbildern. Diese sind so verschieden wie die
Menschen – und daraus ergibt sich Gesprächsbedarf, manchmal auch
Auseinandersetzung.
Auf dem
nebenstehenden Bild wartet draußen vor dem Fenster die große Wirklichkeit der
ganzen Welt, die uns umgibt, wartet darauf, entdeckt zu werden. Und daneben
stehe ICH vor dem Bild, das ich mir im Laufe meines bisherigen Lebens von
dieser Welt gemacht habe, meinem „Weltbild“. Wenn nun andere Menschen neben
mir stehen – muss dann (kann dann) jeder das gleiche Weltbild haben wie ich,
oder ist da nicht eine Galerie sehr unterschiedlicher Bilder zu erwarten:
wissenschaftlich exakte Fotografien neben naiven, lebensfrohen Farbklecksereien, Notenblätter neben Collagen, poetische
Texte neben einer nüchternen Zusammenstellung von Fakten?
Menschen glauben vor allem (sie halten für wahr), was sie sehen. Deshalb haben
und brauchen wir Weltbilder. Unsere Weltbilder enthalten immer ein
Stück von uns selbst – in einer Ecke sind wir quasi selbst mit abgebildet.
Bilder sind (von einem Rahmen) begrenzt: sie enthalten damit eine begrenzte
Weltsicht. Und (Welt-)Bilder, die in Lehrbüchern in Form von bildlichen
Darstellungen Gestalt gewonnen haben oder in Lehrsätzen niedergelegt sind, beinhalten
eine Gefahr. Sie legen den Betrachter fest: so ist die Welt, ein für allemal!
Ich stelle mir vor: Eine Gruppe von Menschen trifft sich zur gleichen Zeit am
gleichen Ort, auf einer Blumenwiese. Alle sind in der gleichen natürlichen
Umwelt aufgewachsen, in der gleichen Gesellschaft erzogen und geprägt worden.
Und doch nehmen sie das kleine Stück Welt – diese Blumenwiese – ganz unterschiedlich
wahr.
Der Biologe holt vielleicht sein Bestimmungsbuch aus der Tasche, um als Wissenschaftler genau zu erfassen, was da kreucht und fleucht. Im ebenfalls naturwissenschaftlich geprägten Geologen findet er einen willkommenen Gesprächspartner, der anhand der vorkommenden Pflanzen genau sagen kann, welche Boden- und Gesteinsqualitäten hier vorherrschen. Vielleicht gesellt sich ein Landwirt dazu, dem wieder andere Gesichtspunkte wichtig sind: die Blumen auf der Wiese sind zwar ganz nett anzusehen, aber damit hier in Zukunft ordentliche Futtererträge wachsen, sollte mal kräftig mit Kalk und Dünger nachgeholfen werden! Musisch begabte Menschen (ein Maler, denken Sie an Dürers „Kleines Rasenstück“; ein Musiker – Smetana hat einmal „einen Fluss komponiert“, die „Moldau“) sehen die Welt durch ihre „Brille“. Ein Grundstücksmakler hat handfeste wirtschaftliche Interessen, die seinen Blick auf die Wiese bestimmen: er schätzt Fläche und Hangneigung ab und entwirft im Kopf den Plan für ein Gewerbegebiet. Eine Person aus der Gruppe ist gerade verliebt, und ihre Weltsicht reduziert sich auf eine Blüte, deren Blätter sie nachdenklich zerpflückt: sie liebt mich, sie liebt mich nicht ... Und dann ist da noch ein „sinnender Gast“, ein Mensch, der besonders empfänglich ist für philosophische oder religiöse Gedankengänge, der sich auf die Wiese legt, alle Sinne „auf Empfang“ gestellt hat, und dem ein Danklied durch den Kopf geht.
Wer von ihnen allen hat nun mit seiner Weltsicht recht, hat das richtige Weltbild? Ich meine, hier wird sehr schnell klar, dass Kategorien wie „richtig oder falsch“, „wichtig oder unwichtig“ nicht passen. Jeder Mensch hat seinen Zugang zur Welt, er hat in „seinem“ Weltbild (in seinen Vorstellungen, seinem Verständnis und seiner Deutung der Welt) die für ihn prägenden, bedeutsamen Erfahrungen und Eindrücke zusammengestellt in der Erfahrung und mit der Erwartung, dass sein Weltbild ihm hilft, sich in der Welt zurechtzufinden.
Diese ganz persönlichen Erfahrungen und Einsichten müssen einander jedoch – trotz ihrer Verschiedenartigkeit – nicht zwangsläufig ausschließen, sondern sie können sich auch fruchtbar wechselseitig ergänzen und bereichern, und vielleicht auch zu (kritischen) Fragen anregen.
Ich meine, Christen dürfen neugierig sein auch auf die Aspekte der Wirklichkeit, die in den Naturwissenschaften entdeckt und untersucht werden. Und vielleicht können sie in das Gespräch mit Naturwissenschaftlern Maßstäbe des Glaubens einbringen, aus der biblischen Tradition, wenn es beispielsweise um den Sinn des menschlichen Daseins geht oder um die Verantwortung des Menschen beim „Untertan-Machen“ dieser Welt.
Warnung vor der Macht von (Welt-)Bildern ?
„Du sollst
dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel
droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“
(Die Bibel, Fassung der Zehn Gebote nach 2. Mose 20,4)
Übrigens: Berührungsängste oder gar Feindschaft zwischen der jüdisch-christlichen Glaubenstradition und der aufstrebenden Naturwissenschaft hat es nicht schon immer gegeben. Es sei daran erinnert, dass in vergangenen Jahrhunderten in den Klöstern und an den theologischen Fakultäten der Universitäten immer auch die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Fragen ihren Ort hatte und befördert wurde (so entdeckte der Mönch Gregor Mendel bei Experimenten in seinem Klostergarten Grundregeln der Vererbung und wurde zu einem der „Väter“ der modernen Genetik). In Deutschland standen bis ins 20. Jahrhundert die Schulen unter der Obhut der Kirchen, was die Beschäftigung mit Naturwissenschaften nicht behindert hat. Religionsgeschichtlich steht fest, dass gerade der Monotheismus der jüdisch-christlichen Religion (es gibt nur einen Gott, und er steht seiner Schöpfung gegenüber) die Welt frei gemacht hat für die angstfreie Erforschung durch den Menschen. In der Schöpfungserzählung 1. Mose 1 werden z.B. Sonne und Mond – in den antiken Kulturen durchweg als mächtige Gottheiten verehrt – zu Beleuchtungskörpern „degradiert“. Hinter Blitz und Donner verstecken sich keine Gottheiten, der Mensch darf die Natur neugierig befragen.
Der Bibel wohnt ein Impuls zur klarsichtigen Wahrnehmung der Wirklichkeit, zur Enträtselung der Welt und damit zum rationalen Umgang mit ihr und zu ihrer Nutzung inne.
Geht es – wenn sich Glaube und Naturwissenschaft begegnen – darum, zu klären, sich zu entscheiden, wer recht hat und wer nicht? Im vorstehenden Kapitel war bereits deutlich gemacht worden, dass sich unterschiedliche Sichtweisen der Welt und ihrer Deutung nicht ausschließen müssen, sondern einander auch sinnvoll und fruchtbar ergänzen können. Einen glaubenden Menschen können gerade neue Erkenntnisse der Naturwissenschaft zum Staunen und zu noch tieferer Dankbarkeit gegenüber seinem Schöpfer führen. Und ein Naturwissenschaftler hätte die Möglichkeit, in der Begegnung mit Werten und Maßstäben des Glaubens ethische Orientierung für sein Handeln bei der Veränderung der Welt zu finden. In dieser Sichtweise konkurriert der Glaube nicht mit dem naturwissenschaftlichen Wissen, er nimmt ihre Einsichten zur Kenntnis, aber er fügt die Aussage hinzu: „Gott hat das erschaffen.“ Dieser Satz hebt die bloße Feststellung, dass etwas ist, hoch hinaus aus dem Bereich der Selbstverständlichkeit. Und er ist mit einer anderen Tinte geschrieben als die Schrift der Wissenschaft. Man kann sagen, dass der Glaube die Melodie ist zum Text des Wissens.
2.4.3.2. Kampf
Es gibt
die Begegnung zwischen Glaube und Naturwissenschaft auch als knallharte
Konfrontation, als Kampf. Die beiden Kontrahenten werden dann erlebt wie Feuer
und Wasser, wie einander feindliche Elemente, die nicht miteinander
verträglich sind. Wo eine solche Kampfsituation begegnet, hat man es in der
Regel mit IDEOLOGEN zu tun, auf einer Seite oder auch auf beiden.
Ein Ideologe erhebt immer den Anspruch, allein zuständig zu sein für die
Erklärung und Deutung der Wirklichkeit. Er hat erschöpfende, endgültige
Antworten auf alle Fragen, er verwaltet „ewige Wahrheiten“. Wenn doch
verunsichernde Neuigkeiten auftauchen, gibt es nichts zu diskutieren, alle
Antworten sind bereits vorgegeben (in der Dogmenweisheit unantastbarer
„heiliger“ Bücher – in dieser Weise wurde in DDR-Zeiten z.B. das „Kapital“ von
Marx und Engels benutzt – oder mit dem Hinweis auf die Autorität von „Führern“
oder „Lehrern“, oft mit deutlichen Zeichen von Personenkult). Die „richtigen“
Antworten zu haben: das ist eine Frage des „Standpunktes“, oder es ist
„Glaubenssache“. Die Welt von Ideologen ist klar geteilt in schwarz oder weiß,
gut oder böse, richtig oder falsch. Es gibt kein (eigenes) Nachdenken und
Prüfen und Abwägen. Es gibt nur den Weg der Entscheidung: ENTWEDER stehst Du
hier (bei uns, auf der richtigen Seite) ODER dort (auf der letztlich falschen,
feindlichen Position). Ideologie erweist sich als erstarrte Weltanschauung,
die nicht (mehr) offen ist für neue Einsichten und Erfahrungen. Bücherweisheit
steht vor und über der konkreten Wirklichkeitserfahrung. Und die Begegnung mit
Andersdenkenden wird schnell zu Auseinandersetzung und Kampf, in dem es oft
nicht mehr um die Wahrheit, sondern um Herrschaft und Macht geht.
Jeder von uns ist in der Gefahr, zum Ideologen zu werden, oder er könnte für
ideologische Zwecke missbraucht werden. Dieser Gefahr sind auch christlicher
Glaube und Naturwissenschaft immer wieder erlegen. Zwei Beispiele seien in
Erinnerung gerufen:
Beispiel 1: Der Fall
Galilei
Der klassische
„Krisenfall“ in der Auseinandersetzung der Kirche des Mittelalters mit der
aufstrebenden Naturwissenschaft ist mit dem Namen des Physikers Galileo
Galilei verbunden. Galilei hatte als erster beim Blick durch das neu
entwickelte Fernrohr entdeckt, dass der Mond eine zerklüftete Oberfläche
besitzt, darüber hinaus auch, dass der Planet Jupiter von vier Monden
umkreist wird (wir wissen heute, dass der Jupiter sogar mehr als 50 Monde
besitzt), dass die Sonne dunkle „Flecken“ aufwies, dass der Saturn Ringe hat
und die Venus veränderliche mondähnliche „Phasen“ zeigt, welche auf einen
Umlauf um die Sonne hindeuteten. Solche Entdeckungen passten aber nicht in das
Weltbild seiner Zeit. Astronomen und (Natur-)Philosophen beriefen sich dabei
auf den antiken Philosophen Aristoteles, nach dessen Vorstellungen der Stoff
der himmlischen Sphären („Quintessenz“) von grundsätzlich anderer
Beschaffenheit sei als irdisches Material, und dass alle Himmelskörper ideale
runde Körper seien. Die Krater und Furchen, die Galilei zu sehen meinte,
mussten also Trugbilder sein. Nach dem Weltbild des Aristoteles stand die
Erde im Mittelpunkt der Welt. Sie war umgeben von „Kristallsphären“, Glasschalen,
die sich eine um die andere wölbten, und mit je einer dieser Schalen kreisten
Sonne und Mond sowie die Planeten, die „Wandelsterne“, um die Erde. Auch dem
Jupiter war eine solche Sphäre zugeordnet. Und nun war es einfach schwer
vorstellbar, dass ihn eigene Monde umkreisen sollten – diese hätten sich ja bei
jedem ihrer Umläufe um einen anderen Mittelpunkt als die Erde bewegt, und sie
hätten die fest gedachte Kristallschale durchstoßen müssen. Und weil nicht
sein konnte, was (nach Lehrmeinung) nicht sein durfte, weigerten sich die
Kritiker, durch das Fernrohr zu schauen. Ihr Motto lautete: „Ich habe mir meine
Meinung bereits gebildet, bitte beunruhigt mich nicht mit neuen Fakten!“
Gegen die Appelle Galileis zur Beobachtung stellten sie ihre dogmatischen
Prinzipien. „Eine bezeichnende Episode aus jenem Kampf schildert Galilei selbst
mit folgenden Worten: „Als ich den Professoren am Gymnasium zu Florenz die
Jupitermonde zu zeigen wünschte, wollten sie weder diese noch mein Fernrohr
sehen. Diese Menschen suchen die Wahrheit nicht in der Natur, sondern nur in
der Vergleichung der Texte.“ Den meisten war maßgebend, was Aristoteles über
astronomische und physikalische Dinge geschrieben hatte. So erklärte ein
geistlicher Würdenträger, als man ihm von den Sonnenflecken erzählte, er könne
daran nicht glauben, weil er dreimal den Aristoteles durchgelesen und darin
nichts über Sonnenflecken gefunden habe.“ (Fr. Dannemann: Wie unser Weltbild
entstand, Kosmos, Franckh´sche Verlagshandlung,
Stuttgart 1912, S.57)
Die Philosophen zogen zu ihrer Unterstützung die Theologen mit in den Konflikt hinein.
Im Fall
Galilei verteidigte die Kirche nicht theologische Erkenntnisse, sondern das
damals herrschende aristotelische Weltbild. Wie noch oft in der Geschichte
machte sich die Kirche damit zum Anwalt des gerade waltenden „gesunden
Menschenverstandes“.
(Schwarke/Biewald S.14)
Der offizielle Grund für die Verurteilung Galileis durch die Inquisition war nicht sein Eintreten für das kopernikanische Weltbild an sich (das die Sonne ins Zentrum gesetzt hatte), sondern weil Galilei angab, damit die Wahrheit zu vertreten, statt das neue Weltbild - angemessen – als Hypothese zu lehren (die Richtigkeit seiner Überzeugung konnte er damals tatsächlich noch nicht durch Messungen beweisen). Daraus ergaben sich aber schwierige Deutungen für manche Aussagen in der Bibel (z.B. das Wunder des Josua Jos.10,12). Und für die Verkündigung von „Wahrheit“ fühlte sich allein die Kirche zuständig. (Stillman Drake: Galilei, Herder Freiburg o.J. S. 68ff)
Durch den Streit aber, wer die Wahrheit verkünden durfte, kamen noch ganz andere Dinge ins Wanken. Das neue Weltsystem stellte, wenn es als Wahrheit verstanden wurde, das bisherige Weltverständnis auf den Kopf. Was sollten Begriffe wie „oben“ und „unten“ (Himmel und Erde) nun noch meinen? Wenn der Himmel nicht mehr vollkommen war, wo war dann der Ort für das Heil? Ordnungen – auch in Bezug auf das „oben“ und „unten“ in der menschlichen Gesellschaft - drohten ins Wanken zu kommen. Vielleicht haben die Kardinäle ja auch geahnt oder gewusst, dass Galileis Beobachtungen die Tatsachen besser wiedergaben als die bisherigen Weltvorstellungen, und sie haben nur - zu seinem eigenen Schutz - das gemeine Volk mit solchen Neuigkeiten nicht beunruhigen, die Ordnung nicht stören wollen. Derartige Bevormundung und Machtspiele gegenüber der aufkommenden Naturwissenschaft sind aber auch Kennzeichen für ein selbstgerechtes und ideologisiertes Christentum.
Beispiel 2: Marxistische
Ideologie
Jeder Jugendliche, der
in der DDR die „Jugendweihe“ absolvierte, bekam obligatorisch das Buch
„Weltall – Erde – Mensch“ geschenkt.
„Die Materie ist an keinen Ursprung gebunden;
sie ist ewig währender
Bestand des Weltalls.“
(Weltall-Erde-Mensch,
Berlin 1955, S.62)
Darin abgedruckt stand ein Dogma der marxistischen Staatsphilosophie, das zwar wie ein naturwissenschaftlicher Lehrsatz formuliert ist, aber an dieser Stelle eine klare weltanschauliche Aufgabe erfüllen soll: Abgrenzung der eigenen „wissenschaftlichen Weltanschauung“ von Irrmeinungen wie der christlichen Vorstellung, dass die Welt einen Anfang gehabt habe (in der biblischen Aussage von der Schöpfung). Anderswo stand der Lehrsatz noch knapper so: „Grenzenlos in Raum und Zeit ist das Weltall.“ (H.Fuchß: Hat die Bibel recht?, Leipzig 1957 S.13).
Und dann gab es Schwierigkeiten. Ausgerechnet der Kronzeuge der marxistischen Ideologen, nämlich die Naturwissenschaft, genauer die Physik, machte neue Entdeckungen. Immer stärker verdichteten sich die Hinweise, dass dieses Universum sich nicht nur ständig ausdehnt, sich entwickelt und verändert, sondern dass das Universum offenbar in physikalischer Betrachtung einen Anfang, einen Ursprung gehabt haben musste und auch einem (noch weitgehend unbestimmten) Ende zustrebt. Diese Theorie vom „Urknall“ aber passte den Ideologen gar nicht ins Weltbild. Und so wurden die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft einfach geleugnet und auch in wissenschaftlichen Büchern lange als „reaktionäre kapitalistische Verwirrungsstrategie“ unter Denkverbot gestellt. Philosophische Lehrsätze legten die Physiker auf nicht zu hinterfragende „Glaubenssätze“ fest!
staatlich verordnete Ideologie in einem naturwissenschaftlichen Sachbuch
'Zur philosophischen
Deutung der Rotverschiebung: Die reaktionäre Theorie von der „Expansion des
Weltalls“, von der „Expansion des Raumes“ hält keiner Kritik stand.' (Grundlagen
der marxistischen Philosophie, S.149/150). Die Theorie von der Expansion des
Weltalls ist in keiner Weise geeignet, die These von der Unendlichkeit des
Weltalls in Raum und Zeit zu erschüttern.
(Kleine Enzyklopädie: Natur, Leipzig 1964, S.418)
Die überwiegende Mehrheit der Kosmologen arbeitet heute (2005) mit der Urknallhypothese als „Standardmodell“. Es sei aber darauf hingewiesen, dass einzelne Physiker auch Theorien entwickeln, die ein ewig existierendes Universum plausibel machen sollen (solche höchst spekulativen Ansätze vertritt z.B. Stephen Hawking).
Die
Biologie in der Sowjetunion geriet für Jahrzehnte wegen ideologischer Scheuklappen
ins Abseits.
Das „lag vor allem am Anspruch des dialektischen Materialismus, im strengen
Sinn Wissenschaft, unfehlbare Wissenschaft zu sein und somit entscheidend und
autoritativ in Sachfragen der Naturforschung eingreifen zu können; Vor 1935
hielten sich auch die sowjetischen Biologen an die bereits klassischen
Vorstellungen: Genbegriff, Mendel-Genetik, Chromosomentheorie der Vererbung,
Theorie der Mutation, Rekombination und Selektion als Grundlage der
Populationsgenetik, Neodarwinismus als Erklärung der Evolution. … Lyssenko
leugnete die Existenz von Genen und erklärte kurzerhand die bereits klassischen
Theorien der Genetik und der Evolution für „idealistisch“, „bürgerlich“ und
„metaphysisch“. … Im Prinzip stellten sich Lyssenko und seine Anhänger auf den
Standpunkt, dass sich unter dem Einfluss der Umwelt die genetische Substanz
ständig ändere, und zwar derart, dass die Umweltfaktoren die Richtung der Änderung
direkt bestimmten. Derlei Vorstellungen („unvermittelte Vererbung“, „Vererbung
erworbener Eigenschaften“) waren zwar wissenschaftlich längst geprüft und
widerlegt; sie kamen aber den Theoretikern des dialektischen Materialismus
entgegen … im August 1948 wurde der „Lyssenkoismus“
schließlich zur einzigen auf der Grundlage des Diamat
beruhenden Biologie erklärt. Im Protokoll der betreffenden Sitzung heißt es:
„Wir Vertreter der sowjetischen Biologie behaupten, dass die Vererbung von Eigenschaften,
die Pflanzen und Tiere in ihrem Entwicklungsprozess erwerben, möglich und
notwendig ist. Damit steht jedem Biologen der Weg offen, die Natur der pflanzlichen
und tierischen Organismen zu lenken, sie durch die Lenkung der
Lebensbedingungen … in der für die Praxis erforderlichen Richtung zu
verändern.“ (Hans Mohr, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitung
„Das Parlament“, B15/1992 S.10ff)
Das Dogma des Marxismus, dass die Umwelt den Menschen forme, dass man also nur eine geeignete soziale Umgebung schaffen müsse, und alle Menschen würden glücklich sein, hoch gebildet und arbeitsam – dieses Dogma wurde hiermit auch der Natur verordnet. Nun sollte sogar am Polarkreis Wein reifen. Und überall im Einzugsbereich des Sowjetsozialismus wurden die Kühe nun winters in „Offenställe“ (Ställe ohne Außenwände) getrieben, damit sie sich an härteres Klima besser anpassen sollten. Die Kühe hielten sich nicht an die Vorgabe der Theoretiker, sie wurden krank und starben.
Ich möchte mich selbst und andere immer wieder dazu ermutigen, lebenslang mit offenen Sinnen durch die Welt zu gehen, auch lieb gewordene Einsichten immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, und sich nicht von Ideologen eine bestimmte Weltsicht vorschreiben zu lassen.
Einmaliger Schöpfungsakt ODER allmähliche Entwicklung des Lebens?
+ Bist du ein veredelter Affe oder ein Geschöpf Gottes?
+ Der Evolutionsglaube ist ein primitiver heidnischer Aberglaube in einem modernen Mäntelchen.
+ Stell dir einmal vor, es hat keine Evolution stattgefunden. Dann müssten alle Wissenschaftler anfangen zu glauben, dass Himmel und Erde, Pflanzen und Tiere und der Mensch von Gott erschaffen sind!
+ Glaubst du, dass die Bibel das inspirierte, unfehlbare Wort Gottes ist? Sonst bleibt dir nichts anderes übrig als der primitive, heidnische Evolutionsglaube.
(Zitate aus: Dr. W. J. Ouweneel: Was lehrt die Bibel? Schöpfung oder Evolution, vervielfältigte Broschüre, DDR 1980er Jahre)
2.5. Zusammenfassung
Für mich betrachten Glaube und Naturwissenschaft die Welt unter zwei verschiedenen Blickwinkeln, die sich nicht ausschließen, sondern einander sinnvoll ergänzen. Dabei nimmt der Glaube wie die Naturwissenschaft jeweils nur einen Teil der Wirklichkeit wahr, es gibt über sie hinaus noch weitere Annäherungen (Poesie, Meditation, Ökonomie, Musik, Psychologie usw.).
Im Glauben finde ich die Gewissheit, DASS Gott die Welt und auch mich gewollt und geschaffen hat, dass mein Dasein einen Sinn und ein Ziel hat.
Die Naturwissenschaft fragt danach, WIE die Welt geworden ist und wie sie funktioniert, und sie versucht das alles mit den Mitteln des menschlichen Verstandes zu erklären.
Die Frage, WIE die Welt entstanden ist, wird durch die (derzeit favorisierte) Urknalltheorie zwar im Sinne eines Anfangs entschieden; die Frage nach dem WARUM aber bleibt ungeklärt.
Viele Aspekte unseres Themas habe ich wiedergefunden in einem alten Text, der von Martin Luther stammt:
„Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“
Was ist das?
Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat
samt allen Kreaturen,
mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder,
Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält;
dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken,
Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter;
mit allem, was not tut für Leib und Leben,
mich reichlich und täglich versorgt,
in allen Gefahren beschirmt
und vor allem Übel behütet und bewahrt;
und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher
Güte und Barmherzigkeit,
ohn all mein Verdienst und Würdigkeit:
für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam
zu sein schuldig bin.
(Martin Luther: Der Kleine Katechismus (1529), Erklärung zum ersten Artikel des christlichen Glaubensbekenntnisses)
Das Nachdenken über Schöpfer und Schöpfung beginnt bei Luther mit ICH: „Schöpfung“ ist überhaupt nur spannend, weil ich sie er-leben, dabei sein kann, es geht zunächst um mich (und nicht um große, aber letztlich abstrakte Dinge wie etwa die ganze Welt oder den Anfang von allem). „Für Luther ist Schöpfung vor allem eine Beziehungskategorie. Die Dinge erweisen sich insofern als Gottes Schöpfung, als sie von Gott für mich geordnet sind. Die Welt wird als Teil einer Dreierbeziehung (Gott – Mensch – Welt) zur „Schöpfung“, insofern ihr ein Sinn zukommt.“ (Christian Schwarke / Roland Biewald: Weltbilder – Menschenbilder; Themenhefte Religion, Ev. Verlagsanstalt Leipzig, S.27)
Der Glaube bringt mir Vergewisserung, DASS Gott MICH gewollt hat.
Dann folgt aber gleich die Einordnung in den Zusammenhang. Es geht nicht allein um mich. Gott hat mich neben viele andere Geschöpfe gestellt, ich bin Geschöpf unter Millionen Arten von anderem Leben. Der Mensch ist Geschöpf - und kein Halbgott.
Und dann folgt noch eine Ergänzung – dass Gott seine Schöpfung auch jetzt noch erhält. Das macht klar: das Nachdenken über Schöpfung ist nicht vorrangig an der Vergangenheit orientiert, an der Frage nach den Ursprüngen, sondern Schöpfung erlebe ich hier und heute. Schöpfung geschieht ständig neu. Wenn eine Knospe sich öffnet, wenn ein Kind geboren wird, kommt eine neue Farbe in die Welt.
Weiter ist Luther dankbar dafür, dass Gott ihm „Vernunft und alle Sinne gegeben hat“, rationalen Verstand und Gefühle. Die forschende Neugier und der erklärende Verstand sind Begabungen, die auch Christen dankbar nutzen dürfen. Naturwissenschaft zu betreiben, wenigstens deren Erkenntnissen offen zu begegnen, ist Christen nicht verboten.
Luther
sagt, dass Gott ihm auch Kleider und Schuhe gegeben hat. Das ist natürlich Reden
in Bildern. Sicher wusste Luther, wo sein Schuster wohnt und wer seinen Mantel
genäht hatte, ihm war klar, dass da menschliche Fertigkeiten unverzichtbar
waren. Aber er wollte mit diesem Bild („gegeben von Gott“) deutlich machen,
dass für ihn die Zuwendung Gottes bei allem Lebenswichtigen dazukommen muss,
damit sein Leben gelingen kann.
Und das Bekenntnis zum Schöpfer mündet bei Luther in Dankbarkeit und Verantwortung.
Hier noch ein zweiter Versuch, sich bei der Wanderung zwischen Glaube und Naturwissenschaft zurechtzufinden.
Die Schöpfungsgeschichte ist kein Lehrbuch. Sie sagt uns nicht,
wie der Himmel funktioniert,
sondern wie wir dort hinkommen.
(George Coyne, Jesuitenpater und leitender Astrophysiker an der päpstlichen Sternwarte, 1995)
Der Chef-Astronom des Papstes hätte in seiner Muttersprache, dem Englischen, die Möglichkeit, sich eindeutig auszudrücken, nämlich ob er vom Himmel im religiösen Sinne spricht (heaven) oder von dem Himmel, den er Nacht um Nacht mit seinem Teleskop betrachtet (sky). Im Deutschen müsste schon ein Gespräch über Himmel mit einer Definition beginnen (mit „Himmel“ meine ich ... ), sonst kann Verwirrung entstehen darüber, welche Ebene jetzt gemeint ist.
In dem hier zitierten Satz aber wird deutlich: Beide Zugänge zur Wirklichkeit sind dem glaubenden Physiker wichtig. Als Naturwissenschaftler möchte er wissen, wie der Himmel funktioniert (sonst würde er nicht nächtelang vor seinen Instrumenten sitzen). Aber für sein Leben bestimmend und existenziell wichtig ist die Hoffnung, eines Tages in den ganz anderen Himmel zu kommen, den er mit seinem Teleskop nie zu sehen bekommt.
Ein Elternpaar ist
überglücklich. Nach beschwerlicher Schwangerschaft dürfen sie ein gesundes
Kind im Arm halten. „Was wir da erlebt haben, ist für mich ein Wunder, und wir
sind Gott dankbar“, sagt der Mann.
Zu Hause liegt ein dicker Stapel Bücher, in dem die Entwicklung einer Schwangerschaft
beim Menschen in allen Einzelheiten erklärt wird, und er kennt auch den Arzt,
der in den letzten Monaten immer wieder hilfreich eingegriffen hat.
Meditation zum Ersten Artikel im christlichen Glaubensbekenntnis
(Jörg Zink)
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
Schöpfer des Himmels und der Erde.
Das bedeutet:
Ich staune über diese Welt.
Ich danke Gott für mein Leben.
Ich möchte glücklich sein
und glücklich machen mit allen Kräften.
Ich möchte alle Geschöpfe lieben,
die mir anvertraut sind, und sie schützen.
Ich kann und weiß mehr als sie,
aber sie sind nicht weniger als ich.
Ich staune über die Gedanken Gottes,
die so viel tiefer sind als die meinen,
über seinen Geist,
der so viel höher ist als meine Vernunft.
Ich bin überzeugt, dass ich von seiner Welt
nur das Geringe wahrnehme,
das meinem Geist entspricht,
und mir mehr verborgen ist,
als ich je sehen und begreifen werde.
Ich sehe keinen Widerspruch
zwischen meinem Wissen und meinem Glauben.
Dass es elektronische Rechner gibt,
was beweist das
gegen die Auferstehung vom Tode?
Ist ein Maulwurfshaufen ein Argument
gegen den Himalaja?
Je größer die Kunst ist,
die wir Menschen beherrschen,
desto größer wird mir Gott,
dessen Gedanken wir denken,
und ich bitte Gott,
mir Weisheit und Sorgfalt zu geben,
dass ich immer mehr von seiner Welt verstehe.
Ich glaube an den Schöpfer der Welt,
der Erde und des Himmels.
Der Welt, die ich sehe,
und der viel größeren,
von der ich nicht den Schatten
einer Ahnung habe.
Das ist wahr.
(aus: Jörg Zink: Die Welt hat noch eine Zukunft. Kreuz Verlag Stuttgart 1984, S.9
4. verwendete und weiterführende Literatur und Quellen:
· Christian Schwarke / Roland Biewald: Weltbilder –
Menschenbilder; Themenhefte Religion, Ev. Verlagsanstalt Leipzig 2003
· Kirchenamt der EKD, Texte94: Weltentstehung,
Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der Schule; Eine Orientierungshilfe
des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2008; Internet: www.ekd.de/download/ekd_texte_94.pdf
· Hans Küng: Der Anfang aller Dinge –
Naturwissenschaft und Religion, Piper München 2005
· Jürgen Audretsch (Hrsg.): Die andere Hälfte der Wahrheit –
Naturwissenschaft, Philosophie, Religion, Beck München 1992
· Arnold Benz: Die Zukunft des Universums – Zufall, Chaos, Gott?, Patmos
Düsseldorf 1997
· Hansjörg Hemminger,
Wolfgang Hemminger: Jenseits der Weltbilder, Quell
Verlag Stuttgart 1991
· Joachim Krause: Ständig aktualisierte Sammlung von
Fakten und Zitaten zum Themenbereich „Schöpfungsglaube, Naturwissenschaft,
Evolutionstheorie, Schöpfungstheologie, Kreationismus …“ - http://www.krause-schoenberg.de/gn_faktensammlung_alles_aktuell.htm
· Joachim Krause: „Wenn es in der Schule um Schöpfung,
Evolution und Urknall geht … Naturwissenschaft in der Begegnung mit
philosophischen und religiösen Fragen – In welcher Weise nehmen in Sachsen
zugelassene Lehrbücher für die Fächer Biologie, Physik, Astronomie und Religion
solche Grenzfragen auf?“ – Schulbuch-Analyse - eine ausführliche, kommentierte
Materialsammlung – http://www.krause-schoenberg.de/SB30_schulbuchanalyse_komplett.htm
· Joachim Krause: „GOTT würfelt nicht!“ - Wenn
Naturwissenschaftler von GOTT reden – was meinen sie damit? Sammlung von
Äußerungen von Aristoteles, Galilei, Newton, Darwin, Planck, Einstein, Hawking
und anderen Naturwissenschaftlern – http://www.krause-schoenberg.de/SB17_nwler_und_gott.htm
· Joachim Krause: „Kreationismus“, „Intelligent
Design“, „Schöpfungs-Wissenschaft“ - Kritische Stimmen zur Evolutionstheorie
und zur historisch-kritischen Auslegung der Bibel; Sammlung von Zitaten und
Argumenten und deren (selbst-) kritische Bewertung – http://www.krause-schoenberg.de/SB18_kreationismus.htm
· Joachim Krause: „Charles Darwin – Leben, Werk,
Wirkung“ http://www.krause-schoenberg.de/SB28_darwin_leben_werk_wirkung.htm
· Joachim Krause: „Was Charles Darwin geglaubt hat“,
Buch, Wartburg-Verlag Weimar 2012;
Auszüge: http://www.krause-schoenberg.de/darwin_buch_info.htm
· Joachim Krause: „Schöpfungstheologie“;
Zitatensammlung aus drei Büchern von Eugen Drewermann zu Religion uns
Naturwissenschaft (Herkunft des Menschen – Biologie – Kosmologie) - http://www.krause-schoenberg.de/SB21_schoepfungstheologie_drewermann_zitate.htm
· Warum manche Mitmenschen keine Christen sein wollen,
was sie am christlichen Glauben und an der Bibel irritiert – Atheisten (wie
Richard Dawkins), Agnostiker, Unitarier – Originalzitate - http://www.krause-schoenberg.de/sachinfos_religionskritik.htm
5. Anhang
5.1. Thesen zum Kreationismus
(Dieses Papier wurde 1989 vom Beirat für Glaube und Naturwissenschaft beim Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens erstellt und am 4. Mai 1990 durch die Kirchenleitung zustimmend zur Kenntnis genommen;
veröffentlicht im Amtsblatt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Dresden, 31. Juli 1990)
In den letzten Jahren ist das Gedankengut des sogenannten "Kreationismus" in unseren Gemeinden verbreitet worden und hat - vor allem unter Jugendlichen – zu Verwirrung und Verunsicherung geführt. Wir halten - in dem Wissen, dass es im Kreationismus sehr verschiedene Spielarten gibt - eine Auseinandersetzung mit bestimmten Formen und Inhalten für notwendig, vor allem, wenn sie ihren Ausdruck in agitatorischer Missionstätigkeit und der Verbreitung gewisser literarischer Erzeugnisse finden.
1. Kreationismus
Der Kreationismus (auch "wissenschaftlicher Kreationismus" oder "Schöpfungswissenschaft") ist vor allem bewegt von der Sorge, den christlichen Glauben gegenüber der Evolutions-Lehre zu verteidigen. Er erhebt die "Entscheidung für Schöpfung oder Evolution“ zu einer zentralen Frage christlichen Glaubens und Bekennens. Der Kreationismus sieht den Schöpfungsglauben durch den Entwicklungsgedanken in der modernen Naturwissenschaft bedroht und leitet daraus ab, dass ein Christ der Evolutionslehre nur ablehnend begegnen kann. Den Nachweis für die Richtigkeit seiner Thesen führt der Kreationismus vor allem mit naturwissenschaftlichen Argumenten und glaubt, dass zwischen modernen Erkenntnissen der Wissenschaft und dem Wortlaut der biblischen Überlieferung Harmonie hergestellt und dadurch der Glaube des einzelnen gestärkt werden kann.
Wir stellen fest:
Der Kreationismus ist eine Bewegung, die in den 60er Jahren außerhalb der verfassten Kirchen in den USA entstanden ist. Er nimmt Strömungen auf, wie sie die Geschichte der Kirche seit langem begleiten (Standpunkte des Fundamentalismus/Biblizismus). Der Kreationismus stellt die wichtige Frage nach der Bedeutung, die naturwissenschaftlichen Kenntnissen über die Welt zukommt, neu. Er wendet sich zu Recht gegen den Missbrauch von Naturwissenschaft im Dienste einer Weltanschauung. Er deckt auf, dass Wissenschaft heute zum Teil quasi-religiöse Züge aufweist und den Anspruch erhebt, allein mit ihren Mitteln die Wirklichkeit der Welt erklären und Antwort auf Sinnfragen geben zu können.
Der Kreationismus hat recht, sofern er die Auseinandersetzung mit dieser Ideologisierung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse fordert. Er übersieht aber, dass Naturwissenschaft nicht notwendigerweise Ideologie oder antireligiös sein muss. In der Bekämpfung seines Feindbildes ("Evolutionismus", "kommunistischer Atheismus") ideologisiert er selbst biblische und naturwissenschaftliche Aussagen und erliegt der Gefahr, die je eigene, begrenzte biblische und wissenschaftliche Sicht der Welt zu überfordern.
Die Position des Kreationismus kann uns weder theologisch noch naturwissenschaftlich überzeugen.
2. Bibelverständnis
Nach allgemeiner christlicher Überzeugung ist die Bibel von Gott inspiriert. Wie diese Überzeugung interpretiert wird, ist unterschiedlich. Die Kreationisten schließen daraus, dass die Aussagen der Bibel in allen Bereichen irrtumslos sind und keine Widersprüche enthalten. Sie erklären diese ihre Sicht der Heiligen Schrift für allein richtig und christlich. Bei Widersprüchen zwischen dem modernen Weltbild und der biblischen Überlieferung ist der Wortlaut des Bibeltextes für Kreationisten wahr und verbindlich (fundamentalistisches Bibelverständnis).
Das theologische Interesse des Kreationismus konzentriert sich fast ausschließlich auf das Thema „Schöpfung“, verstanden als das Fragen nach dem Anfang der Welt und des Lebens. Durch Auswahl und Neuinterpretation naturwissenschaftlicher Befunde möchte er die Richtigkeit (Wahrheit) der biblischen Überlieferung beweisen und damit Glaubens-Gewissheit wecken und stärken.
Wir stellen fest:
Die Kirchen haben in der Geschichte der Schriftauslegung gelernt, in der Heiligen Schrift Zeugnisse des Glaubens und naturwissenschaftliche Erklärung der Welt zu unterscheiden. Demgegenüber schafft der Kreationismus erneut Verwirrung, indem er Glaube und Wissen vermengt. Er wiederholt damit in seiner Position vergangene Etappen des Schriftverständnisses und wird dem differenzierten Stand heutiger Schriftauslegung nicht gerecht:
· Danach ist die Bibel ein geschichtlich entstandenes Dokument. Wir vernehmen darin die Stimmen verschiedener Zeugen, die in unterschiedlichen Situationen reden und die Sprache ihrer Zeit und deren Weltbilder verwenden. Indem glaubende Menschen den Anspruch und die Verheißung Gottes für ihr Leben verbindlich vernehmen, erweist sich die Bibel als Heilige Schrift.
· Weiterhin ist die Einsicht allgemein, dass die Texte der Bibel vorrangig nicht naturwissenschaftliche oder historische Information vermitteln, sondern Glaubens-Zeugnisse sind. Diese Glaubensaussagen sind nicht gebunden an naturwissenschaftliche Erkenntnis und werden daher auch nicht mit ihr hinfällig (Kreationisten fesseln dagegen Glaubensaussagen an eine bestimmte Weltsicht).
· Glaube kann nur Vertrauen wagen, er stützt seine Gewissheit nicht auf Beweise, etwa solche naturwissenschaftlicher Art.
· Nach den heutigen Erkenntnissen der Bibelwissenschaft ist die Grundthese des Kreationismus (wörtliche Verbindlichkeit) schon allein aufgrund der unsicheren Quellenlage der biblischen Handschriften nicht haltbar (welcher Wortlaut welcher Quelle und in welcher Übersetzung ist verbindlich?).
Der Kreationismus redet auch verengt von Schöpfung. Christlicher Schöpfungsglaube ist nicht allein an der Vergangenheit und an der Frage nach der Herkunft des Menschen interessiert. Im Gegensatz zu dieser kreationistischen Engführung ist das biblische Zeugnis von Gott als dem Schöpfer schon im Alten Testament sehr vielfarbig: es begegnet z.B. in den Schöpfungspsalmen (Psalm 8 oder Psalm 104), in Lehrerzählungen (1.Mose 1 und 2), bei den Propheten (Jesaja 40ff) oder in den Weisheitsbüchern (Hiob). Von Glaubenden ist zu allen Zeiten auch das fortdauernde Schöpferhandeln Gottes ("creatio continua") bekannt worden.
3. Naturwissenschaftliche Beweise für die Wahrheit biblischer Aussagen
Der Kreationismus führt den Nachweis für seine Thesen weitgehend mit naturwissenschaftlichen Argumenten. Dabei legt der Wortlaut der Bibel für ihn den Rahmen und die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Arbeit von vornherein und nicht mehr hinterfragbar fest. Ziel ist die Suche nach Belegen, welche jede einzelne Aussage der Bibel bestätigen. Die Heilige Schrift wird dadurch zum Nachschlagwerk für naturwissenschaftlich und historisch zutreffende (richtige, wahre) Informationen. So begegnet dann z. B. 1.Mose 1 als Tatsachenbericht über den Ablauf der Weltschöpfung in einer Kalenderwoche, aus Angaben in 1.Mose 1-11 wird ein Weltalter von etwa 6000 Jahren errechnet (schon die drei uns vorliegenden schriftlichen Fassungen des 1.Mose-Buches - hebräisch, griechisch und samaritanisch - enthalten in ihren Geschlechtsregistern erheblich voneinander abweichende Altersangaben!), und die Sintfluterzählung (1.Mose 6-9) wird als Tatsachenbericht über eine historisch und naturwissenschaftlich erwiesene globale Katastrophe verstanden. Auswahl und neue Deutung naturwissenschaftlicher Befunde sollen es nach Ansicht des Kreationismus möglich machen, die gesamte Kosmologie, Biologie, Geologie, die Geschichte der Welt und des Lebens alternativ zu den Ansichten der etablierten Naturwissenschaft und in völliger Übereinstimmung mit den Aussagen der Bibel darzustellen. Mit dem eigenen Standpunkt nicht harmonierende naturwissenschaftliche Erkenntnisse werden negiert, hyperkritisch angezweifelt oder bekämpft - auf der anderen Seite begegnet bei willkommenen Fakten und Theorien eine unkritische Wissenschafts-Gläubigkeit.
Wir stellen fest:
Naturwissenschaft kommt zu ihren Ergebnissen mit Hilfe bestimmter Arbeitsmethoden. Für wissenschaftliche Arbeit gibt es verbindliche Regeln. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften sind von relativer Bedeutung (im Rahmen der gewählten Methode), prüfbar (weitgehend frei von subjektiven Einflüssen), vorläufig und wandelbar (d. h. grundsätzlich immer verbesserungswürdig und verbesserungsfähig). Ergebnisse, die von vornherein feststehen und nicht hinterfragt werden dürfen, widersprechen dem Grundansatz wissenschaftlicher Arbeit. Ergebnisse der Naturwissenschaften dürfen nicht über ihren eigentlichen Geltungsbereich hinaus weitergehend gedeutet und/oder zur Grundlage weltanschaulicher Aussagen gemacht werden ("objektive", "endgültige" oder "wahre" Erkenntnisse; Aussagen zu Sinnfragen).
Naturwissenschaft macht "richtige" Aussagen nur über einen begrenzten Bereich der Wirklichkeit (durch Wahl der Methoden und durch prinzipielle Erkenntnis-Grenzen eingeschränkt).
Christen müssen (und dürfen) sich in ihrem Bekenntnis nicht auf eine bestimmte naturwissenschaftliche Theorie oder ein bestimmtes Weltbild festlegen. Soweit der Kreationismus die etablierte Naturwissenschaft kritisieren will, muss er das im Rahmen der allgemein anerkannten Regeln wissenschaftlicher Arbeit tun.
Heute sind Kreationisten - entgegen ihrer eigenen Darstellung - eine Minderheit unter den Naturwissenschaftlern.
4. Christ und Schöpfung heute
Der Kreationismus erhebt den Anspruch, wichtige Fragen des christlichen Schöpfungsglaubens zu verhandeln. In seiner Argumentation erhebt er die Stellung zu bestimmten naturwissenschaftlichen Theorien in den Rang von zentralen Glaubensfragen und fordert ein Bekenntnis: für seine Sicht der Bibel und der Welt. Christsein entscheidet sich für ihn letztlich am JA oder NEIN zur Evolutionstheorie. Die Auseinandersetzung wird als Glaubenskrieg gegen verzerrte Feindbilder geführt.
Wir stellen fest:
Naturwissenschaftliche Erkenntnisse können christlichen Glauben weder begründen noch erschüttern. Im Streben nach Wahrhaftigkeit sollten Christen auch gegenüber dem Suchen der Naturwissenschaften offen bleiben.
Der Schöpfungsglaube ist heute vorrangig und in neuer Weise durch die Bedrohung der Schöpfung herausgefordert, die bedingt ist durch menschliches Fehlverhalten - auch im Bereich von Naturwissenschaft und Technik. Kirchen und Theologie stehen vor der Aufgabe, das Nachdenken über "SCHÖPFUNG" zu beleben und die Gemeinden in diesen Prozess stärker als bisher einzubeziehen. Aber nicht nur den zerstörerischen Auswirkungen, auch dem ideologischen Missbrauch, der Vereinnahmung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ("wissenschaftlich" begründete Weltanschauung, wissenschaftliches Wahrheitsmonopol) ist zu widerstehen. Hierzu sind manche Fragen des Kreationismus wichtige Anregungen.
Aber der Kampf, so, wie ihn einige Kreationisten führen, ist für diesen Prozess nicht hilfreich. Er schafft im Gegenteil Verwirrung in den Gemeinden und wird den heute anstehenden Herausforderungen weder aus der Sicht des Glaubens noch aus der der Naturwissenschaften gerecht.
„Ist
das Universum, in dem wir leben, nur eines unter vielen – oder ein Designer-Produkt,
womöglich von kosmischen Ingenieuren in einem Labor kreiert ? ...
Physiker spekulieren über Zufall, Gott, Weltformeln und andere Universen. ...
Forscher grübeln, ob die lebensfreundlichen Werte der Naturkonstanten auf eine
„tiefere Realität“ hinter der Physik deuten.
Die
Suche danach führt zu abgründigen Rätseln – und kontroversen weltanschaulichen
Betrachtungen.“
(Bild der Wissenschaft 8/06 S.34)
Die
Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften hat zusammen mit 66
Partnerorganisationen weltweit dem so genannten Kreationismus eine Absage
erteilt ... Die Akademien betonen aber auch, dass Evolution nicht allein Sache
der Naturwissenschaften sei. Das Verständnis von Werten und der Sinnhaftigkeit
des Lebens liege außerhalb ihrer Reichweite und erfordere das Einbringen von
sozialen, philosophischen, religiösen und politischen Aspekten.
(taz 30.6.06)
Alle
Wissenschaft ist fehlbar, vorläufig, hypothetisch. ... Notwendige Kriterien zur
Beurteilung von Theorien sind: Zirkelfreiheit, Widerspruchsfreiheit,
Erklärungswert, Prüfbarkeit, Testerfolg. Darüber hinaus wünschbar sind:
Einfachheit, Anschaulichkeit, Breite, Tiefe, Lückenlosigkeit, Präzision, Axiomatisierbarkeit, Anwendbarkeit ... alle diese Kriterien
reichen nicht aus, die einst erträumte Sicherheit wissenschaftlicher Erkenntnis
wiederherzustellen, sie können aber doch dazu dienen, wissenschaftliche
Hypothesen als zulässig und bewährt, sogar als zuverlässig oder vertrauenswürdig
auszuzeichnen. ... Selbst ein so gut bewährter, bisher nie widerlegter und in
die gesamte Naturwissenschaft eingebundener Satz wie der Energiesatz könnte
sich eines Tages doch als falsch erweisen. Auch Behauptungen über Unmögliches
stehen deshalb grundsätzlich unter dem Vorbehalt möglichen Irrtums.
(Gerhard Vollmer: Biophilosophie, Reclam Stuttgart)
Beide
Wissenschaften leben von nicht beweisbaren, vorausgesetzten Grundsätzen
(Axiomen). Beide arbeiten mit zeitbedingten und überholbaren Theorien. Beide
sind an die Grenzen menschlicher Erkenntnis gebunden (auch die Offenbarung ist
uns nur in den Grenzen unseres Erkenntnisvermögens verfügbar).
Unterschiede bestehen im Erkenntnisinteresse und in den Methoden. Die folgende
Übersicht listet einige Unterschiede auf:
Naturwissenschaft
|
Theologie
|
orientiert am Allgemeinen |
orientiert am Individuellen |
eher auf Fakten gerichtet |
eher auf Bedeutungen gerichtet |
methodische Ausklammerung ethischer Interessen |
Integration ethischer Interessen |
methodische Ausklammerung des Subjekts (Ich) |
methodischer Ausgang beim Subjekt (Ich) |
interessiert an der Beziehung der Objekte zueinander (Naturgesetze) |
interessiert an der Beziehung des Subjekts (Ich) zum Ganzen der Weltwirklichkeit (Gott) |
Methode: Beobachtung (von Naturvorgängen), Experiment (im Labor) |
Methode: Erfahrung, Deutung |
präparierte oder idealisierte Situationen (Reduzierung der komplexen Wirklichkeit, „Kunstwirklichkeit“) |
Lebenswirklichkeit, einmalige, nicht wiederholbare Vorgänge |
Sprache: Klassifizierung (Ordnungssysteme), Formel |
Sprache: Mythos (Religion), Symbol, Begriff (Theologie) |
Theoriebildung: Systematisierung |
Theoriebildung: Bekenntnis, Systematisierung (Theologie) |
(nach: Schwarke/Biewald S.23,41; Audretsch S.33)
5.4. Glaube und natürliche Umwelt – aneinander gebunden oder ohne Berührung / Beziehung?
A) Kein religiöses Weltbild existiert ohne Rückgriff auf die Erkenntnis seiner jeweiligen Umwelt.
Religion
muss Bezug nehmen auf die wirkliche, natürliche Lebensumwelt des Menschen.
(Schwarke/Biewald S.21))
oder
B) „...
dass es hinsichtlich dessen, was die Heilige Schrift und die christliche Kirche
unter Gottes Schöpfungswerk versteht, schlechterdings keine
naturwissenschaftlichen Fragen, Einwände oder Hilfestellungen geben kann.“
(Karl Barth, Kirchliche Dogmatik, III/1)
5.5. Auch Christen müssen sich vor Grenzüberschreitungen hüten
A)
christliche Theologie nähert sich der Wirklichkeit unter einem begrenzten
Blickwinkel
Von anderen Wissenschaften unterscheidet sich die Theologie durch drei
Merkmale:
Sie will zu behauptenden Aussagen über Gott und einen Sinn der Wirklichkeit kommen, der sich prinzipiell innerweltlicher Erfahrbarkeit und Verfügung entzieht.
Sie erstrebt dieses Ziel vom Standpunkt des christlichen Glaubens, d.h. von einem inhaltlich schon umschriebenen Vorverständnis aus.
Sie
bezieht sich auf eine soziologisch angebbare, vom Glaubensbewusstsein aus
zugleich normativ umschriebene Gruppe: die Kirche.
(H. Häring / K.J. Kuschel, Art. Theologie in: Wörterbuch des Christentums,
München 1995, S.1243)
B) Christlicher Glaube bringt ein bestimmtes Vorverständnis immer schon mit, das ihm bestimmte Wahrnehmungen und Deutungen der Wirklichkeit nahe legt bzw. überhaupt möglich macht.
C) „Christliche“ Argumente (z.B. in der Gentechnik-Debatte) werden auch nur im christlichen Kontext (und von Christen) verstanden und geglaubt.
5.6. Das altorientalische Weltbild, von dem einzelne Bausteine auch in Texten der Bibel vorkommen
Die Menschen der Zeit der Entstehung der Bibel haben sich die Welt so
vorgestellt und beschrieben, wie sie aussieht und wie wir sie auch heute noch
mit unseren Augen wahrnehmen.
Der Himmel scheint sich wie eine riesige halbkugelförmige Glocke über uns zu
wölben. Er ist blau, wie das Wasser in einem See. Darum muss dort oben auch
Wasser sein, ein gewaltiges Meer, die Urflut („das
Wasser oberhalb des Gewölbes“ 1. Mose 1,7). Das Himmels-„Gewölbe“ (1. Mose,
1,6) muss schon sehr fest sein, um die Wassermassen zurückzuhalten. Es heißt
darum auch FESTE (in der lateinischen Bibel wurde das Wort mit FIRMAMENTUM
übersetzt – firmus = fest; wir sprechen heute noch von den Sternen am
Firmament). Im Gewölbe eingebaut sind die „Schleusen des Himmels“ (1. Mose
7,11), die sich bei Regen öffnen (bei der Sintflut bricht das Wasser
katastrophal in den geschützten Lebensraum ein). Die Feste ruht auf den
„Säulen des Himmels“ (Hiob 26,11). Die Erde ist eine vom Meer umspülte Scheibe.
Sie wird gestützt von den „Säulen der Erde“ (Hiob 9,6). Unter der von Menschen.
Tieren und Pflanzen bewohnten Erde befindet sich die „Unterwelt“ (2. Petrus,
2,4), das „Reich des Todes“ (vgl. hier auch unser christliches
Glaubensbekenntnis).
Die
Künste und die Geisteswissenschaften haben die Grenzen der menschlichen Erfahrung
erweitert und uns Einsichten und Erklärungen vermittelt, denen unverkennbar
Wahrheit anhaftet, sie befassen sich mit dem Unerklärlichen, Abseitigen, Nichteinordenbaren, Unvorhersehbaren, Sinnlosen,
Einmaligen, Einzigartigen, Wunderbaren, Absurden und Irrationalen;
(Kitty Ferguson: Gott und die Gesetze des Universums, Econ Düsseldorf 2002
„... und dann passiert ein Wunder ...“
5.7. Aussagen zu Glaube und Naturwissenschaft
A)
Vater der
Welt, was bewog Dich, ein kleines, schwaches Erdengeschöpf zu erheben, ...
fast ein Gott, denn er denkt Deine Gedanken Dir nach.“
(Johannes Kepler, Astronom, 17.Jahrhundert)
B)
Das
naturwissenschaftliche Weltbild kann nur ein Teilbild der Welt sein, und es
kann nur ein vorläufiges Bild sein... Was ist der Sinn und das Ziel des
menschlichen Daseins. Was steckt hinter dem, was die Naturwissenschaft als
„Zufall“ beschreibt?... Solche Fragen lassen sich mit den Mitteln der Naturwissenschaft
nicht lösen, Antworten darauf sind dem persönlichen Glauben überlassen.
(Linder BIOLOGIE; Bayerhuber/Kull: Lehrbuch für die
Oberstufe, Stuttgart 1994)
C)
Es ist
wahrlich etwas Erhabenes um die Auffassung, dass das Leben mit seinen
verschiedenen Fähigkeiten vom Schöpfer ursprünglich nur wenigen oder gar nur
einer einzigen Form eingehaucht wurde und dass, während dieser Planet nach dem
ehernen Gravitationsgesetz seine Kreise zieht, aus einem so schlichten
Anfang eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entwickelt
wurden und immer weiter entwickelt werden.
(Charles Darwin, Biologe, letzter Satz in seinem Hauptwerk: „Die Entstehung der
Arten ...“, 1859,
die Ergänzung „vom Schöpfer“ wurde ab der 2. Auflage von Charles Darwin
eingefügt)
D) Biblische Texte sind ihrem Wesen nach
auf konkrete Menschen in konkreten Situationen bezogen... sie sind nicht
Botschaft, die alle Menschen aller Zeiten in gleicher Weise in ihrer Situation
(be-)trifft.
(Johannes Hempel, Theologe
1998)
E)
Je
unbegreiflicher uns das Universum wird, um so sinnloser erscheint es auch. Das
Bestreben, das Universum zu verstehen, hebt das menschliche Leben ein wenig
über eine Farce hinaus und verleiht ihm einen Hauch von tragischer Würde.
(Steven Weinberg, Kernphysiker, Nobelpreisträger Physik 1979)
F)
Ich
erweise Gott meinen unendlichen Dank, weil er mich allein als ersten Beobachter
bewunderungswürdiger Dinge ausersehen hat, die den bisherigen Jahrhunderten
verborgen geblieben waren.
(Galileo Galilei in einem Brief 1610)
G)
(Leserbrief
zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über Kruzifixe in bayerischen
Schulen)
Wie fühlt sich ein Biologielehrer im Anblick des Gekreuzigten, wenn er über
die Entwicklung des Menschen aus dem Tierreich spricht?... Die Religion im
Klassenzimmer zwingt doch Schüler und Lehrer zur Heuchelei.
(Roland Müller, Leserbrief „Freie Presse“ 1995)
H)
Die Schöpfungsgeschichte
sagt uns nicht, wie der Himmel funktioniert, sondern wie man dort hin kommt.
(George Coyne, Astronom der päpstlichen Sternwarte 1995)
I)
(Kosmologie/Urknall) Was oder wer hat die Ausgangsbedingungen
gesetzt?... Physikalische Letztbegründungen sind nicht möglich... Man kann das
Auftauchen der Energie als „Schöpfungsakt“ aus dem „Nichts“ im Sinne der
christlichen Religion deuten... Das Urknall-Modell schließt einen „Schöpfer“
nicht aus... Hat unser Leben in diesem Universum einen Sinn? Eine Antwort kann
nicht aus den physikalischen Erkenntnissen abgeleitet werden.
(W.Kuhn: PHYSIK, Lehrbuch Klasse 12/13 Band 2,
Westermann)
J) Glaubst Du, dass die
Bibel das inspirierte, unfehlbare Wort Gottes ist? Sonst bleibt Dir nichts
anderes übrig als der primitive, heidnische Evolutionsglaube.
(W.J.Ouweneel, Kreationist, ca.1985)
K)
Die
Aufgabe (einer biblisch orientierten Schöpfungsforschung) ist ... nicht
geringer, als eine alternative Kosmologie, Biologie, Geologie auf
heilsgeschichtlicher Grundlage zu erstellen. ... Evolutionskritik ist nur
ein erster Schritt im Rahmen einer unermesslichen Aufgabe... Konkret: Wer das
Gerichtshandeln Gottes in Bezug auf die biblisch und außerbiblisch bezeugte Sintflutkatastrophe in seiner ganzen Schwere ernst nimmt,
muss die Geologie umschreiben.
(Horst W. Beck, Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“, 1979)
L)
Herr, wie sind Deine Werke so groß und viel! Du
hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll Deiner Geschöpfe.
(Psalmbeter vor 2500 Jahren)
M)
So wenig
die Naturwissenschaften einen Gottesbeweis hergeben, so wenig postulieren sie
etwa, dass der Mensch eines Gottesglaubens nicht bedarf.
(Manfred Eigen, Evolutionstheoretiker, Nobelpreis Chemie 1975)
N) Bist Du ein veredelter Affe oder ein
Geschöpf Gottes?
(W.J.Ouweneel, Kreationist, ca.1985)
O)
Ich glaube
an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden
offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit dem Schicksal und den Handlungen
der Menschen abgibt.
(Albert Einstein 1921)
Welche Aussage spricht Sie besonders an, welche ärgert Sie, welche macht Sie neugierig?
ZUFALL in
der Evolution
Der Zufall ist kein Lotteriespiel. Möglich ist nur, was das Vorhandene zulässt.
Der „Zufall“ ist stark eingeschränkt, und viele Fehler, die durch Mutationen
entstehen, werden vom Genom korrigiert. Ordnung baut auf Ordnung auf, Neues
geht aus dem Vorhandenen hervor. So komplizierte Gebilde wie Augen entstanden
nicht durch Zufall, sondern über sehr viele Zwischen- und Übergangsstadien.
Evolution geht aus der Wechselwirkung eingeschränkter und sich wieder neu
eröffnender Freiheitsgrade hervor. Der bloße Zufall ist so bedeutungslos wie
die Unbestimmtheit im (sub)atomaren Bereich für die
wirkliche Struktur der Materie.
Schließlich zweifelt doch niemand daran, dass sich auch im Gang der
menschlichen Geschichte stets klare Ursachen und Zufälle miteinander vernetzt
haben. Der tatsächliche Verlauf der Historie ist sehr wohl im Rückblick zu
analysieren, auch wenn es viele Lücken zu überbrücken gilt. Voraussagbar wird
Geschichte deshalb allerdings nicht. ... die historischen Großereignisse der
Vergangenheit lassen sich natürlich nicht aus unserer Gegenwart erklären. Wer
solches für die Evolution fordert, verkennt ihre Geschichtlichkeit. ;
(Evolutionsbiologe Reichholf in: bdw
9/2007 S.38ff)
Mutationen sind ungerichtet. Sie werden zwar ausgelöst, also verursacht (und
sind in diesem Sinne nicht absolut zufällig); ihre Ursachen sind jedoch mit
ihren phänotypischen Auswirkungen nicht gesetzmäßig verknüpft. Die Mutationen
bringen daher ein Zufallselement in den Verlauf der Evolution. Auch Gendrift
und Genrekombination sind Zufallsfaktoren. Selektion, Annidation
und Isolation sind dagegen im wesentlichen deterministischer Natur. So kommt es
zu dem charakteristischen konstruktiven Zusammenspiel von „Zufall und
Notwendigkeit“ in der Evolution ...;
(Gerhard Vollmer: Die Unvollständigkeit der Evolutionstheorie, in: Kanitscheider, B. (Hrsg.): Moderne Naturphilosophie,
Würzburg 1984, S.7)
„Ich
habe bis jetzt das Wort „Zufall“ (engl. hier: chance!
JK) gebraucht, wenn von Veränderungen die Rede war. die bei organischen
Wesen ... auftreten. Das Wort „Zufall“ ist natürlich keine richtige
Bezeichnung, aber sie lässt wenigstens unsere Unkenntnis der Ursachen
besonderer Veränderungen durchblicken.“
(Charles Darwin: Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl, 1859,
Zitat nach der Ausgabe: Reclam Leipzig 1980, S.146)
Mephisto:
“Daran
erkenn ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
Was ihr nicht fasst, das fehlt euch ganz und gar,
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.“;
(Goethe: Faust)
Naturwissenschaft – alles „nur“ Hypothesen und völlig beliebig?
Ohne
die Maxwellschen Gleichungen der Elektrodynamik
hätten wir weder Radio- noch Röntgengeräte,
ohne Albert Einsteins Relativitätstheorie weder GPS noch
Satelliten-Wetterbilder,
und ohne die Schrödinger- und Dirac-Gleichung in der Quantenmechanik weder
CD-Spieler noch Kernspin- und Positronen-Emissions-Tomografie zur Diagnose von
Erkrankungen und zur Abbildung von Hirnaktivitäten. ...
(bdw 12/03 S.40)
Wie die Welt geworden ist ...
(schriftliche Antworten aus dem Religionsunterricht 3. und 4. Klasse)
Zuerst schuf Gott Licht. Er sagte: Es werde Licht. Er nannte das Licht Tag und die Dunkelheit Nacht. Später machte er den Himmel - damit wir geborgen sind. Viel später kam das Land. Und dann kamen die schönen Pflanzen. Nun kamen zuerst die Fische und Vögel, später dann alle anderen Tiere. Die Sonne kam auch noch und Sterne auch. Gott schuf uns zuletzt und schenkte uns die Erde. (Marie)
Es war zur Zeit, als Herr Gott sich Sorgen machte. „Nun habe ich so viele Planeten geschaffen, und noch niemand ist auf den Planeten, ich muss einen Planeten erschaffen, wo Menschen und andere Lebewesen leben.“ Und so machte Gott diesen Planeten und nannte ihn Erde. Er regelte alles, was zu regeln war. Und so ging alles wie von selbst, und er schuf alles, was zu erschaffen war, und so entstand alles, was heute hier ist, und wir fühlen uns gut. (Lina)
Es war zur Zeit, da war die Erde noch nicht, wie wir sie heute haben. Erst war die Erde ein Felsbrocken. Gott hatte schon lange seinen Blick auf diesen Brocken geworfen. Und dann kam ihm die Idee, etwas aus diesem Brocken zu machen, weil alle Planeten so schön waren, nur dieser Brocken nicht. Er schuf erst Wolken, aus denen er es regnen lassen konnte – damit Pflanzen wachsen konnten, schuf er eine Lufthülle. Dann wuchsen auch schon Bäume, Sträucher ... (Anja)
Es war zur Zeit, da war nur ein Atom da, das war Wasserstoff. Dieses Atom war erhitzt und traf sich ganz zufällig mit noch einem Wasserstoff, da wurde sooooooooo viel Energie freigesetzt, wie die ganze Erde an Energie in einer Minute verbraucht. Aber da gab es noch nicht die Erde. Helium entstand, und es fügten sich so viel Wasserstoff und Helium und das Ganze fusionierte sich zu der Sonne unter extremer Hitze. Viele Elemente kamen aus der Sonne und bildeten kleine Sonnen, aber um diese Sonnen bildete sich eine Kruste, die wuchs und wuchs. Da kamen ganz viele Planeten. Sie waren sehr heiß, und überall waren Vulkane. (Cynthia)
Es war zur Zeit, als Gott die Erde schuf. Dann hat er den Himmel gemacht. Die Pflanzen haben die Erde auch mit gemacht, sie halfen Gott. Sie wollten was Großes machen: Sie haben einem Riesen den Kopf abgehackt und benutzten ihn als Planet. Den Planet haben sie noch aufgemotzt, und dann haben sich die Pflanzen auf den Planet gesetzt. Dann hat Gott die Menschen und Tiere gemacht und sie auf den Planet gesetzt. (Markus + Georgia)
Es war zu der Zeit, wo Gott die Welt erschaffen hat. Erst hat Gott die Hälfte des Chaos aufgeräumt und dann die andere Hälfte. Dann hat er das Meer erschaffen, dann die Wiesen, Blumen, Tiere und Wälder. Dann zum Schluss die Menschenaffen. (Robert)
„Mir aber gewähre Gott, nach meiner
Einsicht zu sprechen
und zu denken, wie die empfangenen Gaben es wert sind...
Gott verlieh mir untrügliche Kenntnis der Dinge,
sodass ich den Aufbau der Welt und das Wirken der Elemente verstehe,
Anfang und Ende und Mitte der Zeiten,
die Abfolge der Sonnenwenden und den Wandel der Jahreszeiten,
den Kreislauf der Jahre und die Stellung der Sterne,
die Natur der Tiere und die Wildheit der Raubtiere,
die Gewalt der Geister und die Gedanken der Menschen,
die Verschiedenheit der Pflanzen und
die Kräfte der Wurzeln ...
Denn von der Größe und Schönheit der Geschöpfe lässt sich auf ihren Schöpfer
schließen“
(Die Bibel, Buch der
Weisheit 7,15.17-20; 13,5)