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MATERIALSAMMLUNG
(Zitate aus den ausgewerteten Schulbüchern und weiteren
Quellen)
zur
Schulbuch-Analyse:
„Wenn es in der Schule um
Schöpfung, Evolution und Urknall geht …“ -
Naturwissenschaft in der Begegnung mit philosophischen und religiösen Fragen -
In welcher Weise nehmen in Sachsen zugelassene Lehrbücher für die Fächer
Biologie, Physik, Astronomie und Religion solche Grenzfragen auf?
(erschienen in der
Reihe „Schönberger Blätter“ als Heft 30, 2009)
Den
kompletten Text der Schulbuchanalyse finden Sie HIER als HTML
(… und hier als PDF-Datei)
Bestellungen,
Rückfragen, Hinweise und Kritik richten Sie bitte an:
Ev.-Luth.
Landeskirchenamt Sachsens,
Beauftragter für Glaube, Naturwissenschaft und Umwelt,
(Dipl.-Chem.) Joachim Krause, Hauptstr. 46, 08393 Schönberg,
Tel. 03764-3140, Fax 03764-796761,
E-Mail: krause.schoenberg@t-online.de Internet:
http://www.krause-schoenberg.de
Die Verantwortung für den
Inhalt der „Schönberger Blätter“ liegt allein beim Verfasser.
Verwendung und Nachdruck – auch von Textteilen - nur auf Nachfrage.
© Joachim Krause 2010
Verzeichnis der in der
Schulbuchanalyse
zitierten und verwendeten Quellen
(in Abständen sind in der
Aufzählung der Quellen LINKS eingefügt, um sich dorthin zu klicken)
Biologie DDR-Lehrbuch Klasse 10
B1
DDR; VOLK UND WISSEN; Biologie, Lehrbuch für die Klasse 10, Volk und
Wissen Volkseigener Verlag, Berlin, 1982
Biologie Sekundarstufe 1 ………… S.12
B11 CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Biologie
plus, Klasse 10 Gymnasium, Sachsen, Berlin, 2006
B12 DUDEN / PAETEC Schulbuchverlag,
Duden Biologie, Gesamtband Sekundarstufe I, Berlin, 2005
B13 DUDEN / PAETEC Schulbuchverlag;
Link Biologie 10, Sachsen Mittelschule, Berlin, 2007
B14 DUDEN / PAETEC; Biologie,
Gymnasium, 10, Sachsen, Berlin 2007
B15 PAETEC; Biologie 10, Sachsen,
Gymnasium, Berlin, 2000
B16 SCHROEDEL; Netzwerk Biologie 10,
Braunschweig, 2006
B17 VOLK UND WISSEN; Biologie Band 3,
Sachsen, Volk und Wissen, Berlin, 2002
B18 VOLK UND WISSEN; Biologie plus,
Klassen 9/10 Gymnasium, Sachsen, Berlin, 2001
Biologie Sekundarstufe 2 ………… S.24
B21 BSV (Bayerischer Schulbuch
Verlag); Meyer, H. / Daumer, K.: Biologie für die gymnasiale Oberstufe,
München 1999
B22 C.C.BUCHNER; Solbach, H.: Vita
nova; Biologie für die Sekundarstufe II; Bamberg 2000
B23 CORNELSEN / VOLK UND WISSEN;
Biologie Oberstufe, Gesamtband, Berlin, 2006
B24 DUDEN / PAETEC Schulbuchverlag;
Duden Biologie, Gymnasiale Oberstufe, Berlin, 2005
B25 KLETT; Biologie für Gymnasien,
Oberstufe, Stuttgart, 2005
B26 KLETT; Einblicke Biologie, Band
2, Klett, Stuttgart, 2000
B27 KLETT; Natura, Biologie für
Gymnasien Band 2, Klett, Stuttgart, 1997
B28 SCHROEDEL; Biologie heute
entdecken S II; Braunschweig, 2004
B29 SCHROEDEL; Biologie heute S II;
Braunschweig, 2004
B30 SCHROEDEL; Hoff, P. / Miram, W. /
Paul, B.: Evolution, Materialien für den Sekundarbereich II, Biologie,
Hannover, 2004
B31 SCHROEDEL; Hoff, P. / Miram, W.:
Evolution, Materialien für den Sekundarbereich II, Biologie, Hannover, 1993
B32 SCHROEDEL; Linder Biologie,
Lehrbuch für die Oberstufe, Braunschweig, 2005
P1
CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Physik plus Gymnasium 10, Sachsen,
Cornelsen, Berlin, 2006
P2
CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Physik Mittelschule 9/10, Sachsen,
Cornelsen, Berlin, 2006
P3
DUDEN / PAETEC; Physik Sek I, Duden Paetec, Berlin, 2005
P4 DUDEN / PAETEC; Physik, Gymnasium
10, Sachsen, Duden Paetec, Berlin, 2007
P5
KLETT; Impulse Physik, B Teil 1, Klett, Stuttgart, 2000
P6 SCHROEDEL; Erlebnis Physik 3, Sachsen, Bildungshaus,
Braunschweig 2006
P7
SCHROEDEL; Erlebnis Physik 4, Sachsen, Bildungshaus, Braunschweig, 2007
P8
WESTERMANN; Kuhn: Physik 1.1, Braunschweig, 2002
Physik Sekundarstufe 2 ………….. S.70
P11
CORNELSEN; Physik Oberstufe, Ausgabe E, Cornelsen, Berlin, 2001
P12 DUDEN / PAETEC; Physik Gymnasiale
Oberstufe, Berlin, 2005
P13 SCHROEDEL, Grehn, J. / Krause, J.
(Hrsg.): Metzler Physik, Schroedel Verlag, Hannover, 1998
P14
SCHROEDEL;
Dorn / Bader: Physik
Sek II; Schroedel, Hannover, 2000
P15 WESTERMANN; Kuhn Physik 2;
Braunschweig, 2000
P16 WESTERMANN; Kuhn, Physik, Band 2
12/13; Braunschweig, 2004
Lehrbücher Fach
Astronomie S.96
P21 PAETEC; Astronomie,
Gymnasiale Oberstufe, Paetec, Berlin 2001
P22
CORNELSEN
/ VOLK UND WISSEN; Astronomie plus, Cornelsen, Berlin 2005
P23
PAETEC; Dieter
B. Herrmann; Faszinierende
Astronomie; Paetec, Berlin, 2000
P24 VOLK UND WISSEN; Astronomie, Volk
und Wissen, Berlin, 1999
Lehrbücher Fach
Religion …. S.105
R1
VANDENHOECK & RUPRECHT; Koretzki, G.-R., Tammeus, R. (Hg.): Werkbuch
Religion – entdecken, verstehen, gestalten; Materialien für Lehrerinnen und
Lehrer, Göttingen 2002
R2
VANDENHOECK & RUPRECHT; Koretzki, G.-R., Tammeus, R. (Hg.): Religion
– entdecken, verstehen, gestalten - 9/10; Ein Unterrichtswerk für den
evangelischen Religionsunterricht, Göttingen 2002
R3
PATMOS; Zeichen der Hoffnung, Patmos Düsseldorf, 2002
R4
CORNELSEN; Religionsbuch Oberstufe, Cornelsen, Berlin, 2006
R5
CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Abenteuer Mensch sein, Cornelsen Berlin
2008
R6
CALWER / DIESTERWEG; Das Kursbuch Religion 3 (Klassen 9/10); Stuttgart –
Braunschweig 2007
R7
CALWER / DIESTERWEG; Kursbuch Religion, Oberstufe; Stuttgart –
Braunschweig 2004
R8
CORNELSEN; Religionsbuch 7/8; Cornelsen, Berlin, 2001
Lehrbücher Fach
Geschichte .. S.115
G1
C.C. BUCHNER; Buchners Kolleg Geschichte – Ausgabe C, Die Herausbildung
des modernen Europa; C.C. Buchners Verlag, Bamberg 1995
G2
CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Geschichte plus, Klasse 7, Gymnasium,
Cornelsen Verlag Berlin 2005
G3
CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Entdecken und verstehen 7, Cornelsen Verlag
Berlin 2005
G4
VOLK UND WISSEN; Geschichte plus, Sachsen, Mittelschule, Klasse 7, Volk
und Wissen Verlag, Berlin, 2000
G5
CORNELSEN; Geschichtsbuch, Band I, Von der Antike bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts, Cornelsen Verlag, Berlin 1995 (2006)
G6
DIESTERWEG; Expedition Geschichte, Mittelschule Sachsen, Band 3, Klasse
7, Bildungshaus Schulbuchverlage …, Braunschweig 2005
G7
KLETT; Geschichte und Geschehen, 3, Sachsen, Sekundarstufe I, Ernst
Klett Schulbuchverlag, Leipzig 2006
G8
KLETT; Zeitreise 2, Ernst Klett Verlag Stuttgart, 2007
G9
KLETT; Geschichte und Geschehen, Berufliche Oberstufe, Ernst Klett
Schulbuchverlag, Leipzig, 2003
G10
SCHÖNING; Zeiten und Menschen 1, Geschichte, Oberstufe, Bildungshaus
Schulbuchverlage …, Braunschweig, 2007
G11
WESTERMANN; Anno 3 neu, Gymnasium Sachsen, Bildungshaus Schulbuchverlage
…, Braunschweig, 2005
Weitere zitierte und
verwendete Quellen .. S.131
Q1 Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur
Zeitung „Das Parlament“, 46/2007: „Geisteswissenschaften“
Q5
Campbell, N.A. / Reece, J.B.: Biologie, Spektrum Akademischer Verlag,
Heidelberg Berlin, 6. Auflage, 2003
Q6
Coyne, G. in: Der Spiegel 52/2000 S.118ff
Q7
Darwin, Ch.: Die Abstammung des Menschen und die Zuchtwahl in
geschlechtlicher Beziehung, Reclam, Leipzig o.J., Bd. II
Q8
Darwin, Ch.: Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl, Reclam
Leipzig 1980
Q9
Deutsches Institut für Fernstudien der Universität Tübingen, Fernstudium
Naturwissenschaften, EVOLUTION, Heft 4: Ursprung und frühe Evolution des
Lebens, Tübingen, 1985
Q11 Die Zeit, 29.3.2007 S.29, 32
… S.150
Q12 Farouki, N. / Serres, M. (Hrsg.):
Thesaurus der exakten Wissenschaften, Zweitausendeins Verlag, Frankfurt/Main,
2001
Q13 Ferguson, K.: Gott und die
Gesetze des Universums, Econ, Düsseldorf 2002
Q14 Fischer, E.P.: Die andere Bildung
– was man von den Naturwissenschaften wissen sollte, Ullstein, 2003
Q15 GEOkompakt Nr.4: Die Evolution
des Menschen, Hamburg 2005
Q16 Haeckel, E.: Die Lebenswunder,
Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1906
Q17 Haeckel, E.: Die Welträtsel,
Alfred Kröner Verlag, Stuttgart, 1899
Q18 Horn, S.O., Wiedenhofer, S.
(Hrsg.):Schöpfung und Evolution – Eine Tagung mit Papst Benedikt XVI. in Castel
Gandolfo; Sankt Ulrich Verlag, Augsburg, 2007
Q19 Huber, Wolfgang (Bischof und
Ratsvorsitzender der Ev. Kirche in Deutschland), Bericht des Rates der EKD -
Teil A, (6. Tagung der 10. Synode der EKD, Dresden, 04. - 07. November 2007)
Q20 Küng, H.: Der
Anfang aller Dinge, Naturwissenschaft und Religion, Piper, München, 2005 .. S.167
Q21 Lesch, H. / Müller, J.: Big Bang
zweiter Akt – Auf den Spuren des Lebens im All, Bertelsmann, München 2003
Q22 Mohr, H. in: Aus Politik und
Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitung „Das Parlament“, B15/1992 S.10ff
Q23 Mozetic, G.: Die
Gesellschaftstheorie des Austromarxismus. Geistesgeschichtliche
Voraussetzungen, Methodologie und soziologisches Programm. Darmstadt 1987, S.
117 f.; zitiert nach http://www.tu-braunschweig.de/Medien-DB/hispaed/erziehung.pdf
Seite 27
Q24 Reichholf, J.H.: Was stimmt?
Evolution – Die wichtigsten Antworten; Herder spektrum, Freiburg, 2007
Q25 Stuhler, E.: Margot Honecker –
Die Biografie, Heyne Verlag, München, 2005
Q26 Vollmer, G.: Biophilosophie,
Reclam, Stuttgart, 1995,
Q27 Vollmer, G.: Die
Unvollständigkeit der Evolutionstheorie, in: Kanitscheider, B. (Hrsg.): Moderne
Naturphilosophie, Würzburg, 1984
Q28 Vollmer, G., UNIVERSITAS 8/1991,
S.768f.
Q29 Wabbel, T.D. (Hrsg.): Im Anfang
war (k)ein Gott – naturwissenschaftliche und theologische Perspektiven; Patmos,
Düsseldorf, 2004
Q30 Die Zeit, 7.2.2008, S.34,
Interview mit Andrei Linde und Alexander Vilenkin: „Der Spielraum Gottes
schrumpft“
Q31 Fischer, Ernst
Peter: Aristoteles, Einstein & Co., Piper, München 2005 .. S.186
Q32 Martin Luther: Biblia das ist die
gantze Heilige Schrifft Deudsch (aus dem Jahre 1534), Band 1, Facsimile-Druck
bei Reclam Leipzig 1983
Q33 die tageszeitung Berlin, 10.3.08
S.2
Q34 die
tageszeitung Berlin 25.10.96
Q35 Lapide, Pinchas: War Eva an allem
schuld?, Gespräche über die Schöpfung, Grünewald Mainz, 1985
Q36 Westermann, Claus: Genesis,
Kapitel 1-11, Teil 2, Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1985
Q37 „Thesen zum Kreationismus“, Amtsblatt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens,
Dresden, 31. Juli 1990
Q38 Junker, R.; Scherer, S.: Evolution
– Ein kritisches Lehrbuch, Weyel-Verlag Gießen, 1998
Q39 Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN: „Schöpfung und
Wissenschaft“, Hänssler-Verlag Neuhausen-Stuttgart 1990
Q40 Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches Institut
Leipzig, 1964 .. S.197
Q41
Unterrichtshilfen Biologie 10. Klasse, zum Lehrplan 1971, Volk und Wissen
Volkseigener Verlag Berlin, 1971
Q42 Weltall
Erde Mensch, Verlag Neues Leben, (Berlin) 1955
Q43 Tietz,
Gertraudis; Landeskatechetin der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens; Vortrag auf
der Herbsttagung der Landessynode der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens 1964,
Reg.Nr.2243/14: „Das sozialistische Bildungssystem“
Q44 Brecht,
Bertolt: Leben des Galilei, Reclam, Leipzig 1968
Q45
Westermann, Claus: Schöpfung und Evolution, Zeitwende 53 (1982) 3, S.146ff.
Q46
EKD-Texte 94: Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der
Schule; eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland,
Hannover 2008
Q47
Hemminger, Hansjörg: Das Wirklichkeitsverständnis der Naturwissenschaft,
EZW-Texte Impulse Nr.23, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen,
Stuttgart, 1986
Q48
Westermann, Claus: Schöpfung; Kreuz Verlag Stuttgart 1979
Q49 Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches Institut,
Leipzig 1983 .. S.218
Q50 Heller, Bruno: Naturwissenschaft und
die Frage nach der Religion; EZW-Texte Impulse Nr.28, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Stuttgart
1989
Q51 Ewald, Günter:
Naturwissenschaftliche und religiöse Ideologien; EZW-Texte Impulse Nr.35, Evangelische Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen, Stuttgart 1993
Q52 stud. christ. Spezialfernkurs;
Naturwissenschaft – eine Herausforderung des Glaubens; Kirchentagskongress der
Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1978, Lehrbrief 2
Q53 stud. christ. Spezialfernkurs;
Naturwissenschaft – eine Herausforderung des Glaubens; Kirchentagskongress der
Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1978, Lehrbrief 3
Q54 Fischer, E.P.: Leonhardo,
Heisenberg & Co., Piper Verlag Taschenbuch München 2004
Q55 Steinmüller,A., Steinmüller,K.:
Charles Darwin – vom Käfersammler zum Naturforscher, Verlag Neues Leben Berlin,
1985
Q56 Zahrnt,
Heinz: Mutmaßungen über Gott, Piper Verlag München Zürich, 1997, S.11ff.
Q57 Pressemitteilung www.idea.de,
15.9.08
Q58 GEO kompakt 14, Die 100 größten
Forscher aller Zeiten, 2008
Q59 Benjamin Gruner, in: Sächsisches
Gemeinschaftsblatt, Hrsg. Landesverband Landeskirchlicher Gemeinschaften
Sachsen e.V., Heft 4/2008 S.2
Q61 Fuchß, H.: Hat die Bibel recht?,
Urania-Verlag Leipzig 1957, S.13
Q62 Spektrum der Wissenschaft Heft
9/2007 S.102ff.
Q63 bild der wissenschaft Heft 2/2009 S.54ff.
Q64 Martin Luther: Der Kleine
Katechismus (1529), Erklärung zum ersten Artikel des christlichen Glaubensbekenntnisses
Q65 bild der wissenschaft Heft
12-2003 S.40
Q66 bild der wissenschaft Heft
11-2008 S.10
Q67 Die Bibel, erschlossen und
kommentiert von H. Halbfas, Patmos 2001, S.29
Q68 Christian
Schwarke / Roland Biewald: Weltbilder – Menschenbilder; Themenhefte Religion,
Ev. Verlagsanstalt Leipzig, 2003, S.27)
Q69 Boost, Ch.,
Gensichen, H., Pfeiffer, G.: Ist der Kreationismus haltbar? Thesen gegen einen
neuen Anti-Evolutionismus in der Kirche; Kirchliches Forschungsheim
Wittenberg, 1983
Q70
WIKIPEDIA; zu „Kopernikus“, „Galilei“ und „Religion und heliozentrisches
Weltbild“; gelesen 16.12.08
Q71 Dawkins, Richard: Der Gotteswahn, Ullstein, Berlin, 2008 .. S.245
Q72 Darwin, Charles:
Mein Leben, Insel Taschenbuch, Frankfurt/Main, 2008
Q73 Ullrich, Henrik;
Junker, Reinhard (Hrsg.): Schöpfung und Wissenschaft – Die Studiengemeinschaft
WORT UND WISSEN stellt sich vor; Hänssler Verlag Holzgerlingen 2008
Q74 Der Spiegel 23/1998
S.90
Q75 Charles Darwin:
Mein Leben, Autobiographie, Insel Taschenbuch, 2008
Q76 Weber, Thomas P.:
Darwin und die neuen Biowissenschaften, DuMont Köln, 2005
Q77 Drewermann, Eugen: Glauben in Freiheit, Bd. 3. Religion und
Naturwissenschaft, Teil 1. „Der sechste Tag: Die Herkunft des Menschen und die
Frage nach Gott“, Walter-Verlag Zürich u. Düsseldorf, 1998, S.56-58
Q78 chrismon 4/2008
S.11, Interview mit Friedrich Schweitzer
Q79 Weltall Erde
Mensch, Neufassung, Verlag Neues Leben, Berlin 1968
Q79 Weltall Erde
Mensch, Neufassung, Verlag Neues Leben, Berlin 1968
Q80 Clausnitzer, Lutz:
Was der Himmel über die Erde erzählt, Freie Presse Chemnitz 27.3.09, S. A8
Q81 Drake, Stillman:
Galilei, Herder / Spektrum, Freiburg o.J. (nach 1999, ISBN: 3-926642-38-6)
Q82 Carroll, S.B.: Die
Darwin-DNA, Wie die neueste Forschung die Evolutionstheorie bestätigt,
S.Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 2008
SCHULBUCH-PROJEKT
„Wenn es in der Schule
um Schöpfung, Evolution und Urknall geht …“ -
Naturwissenschaft in der Begegnung mit philosophischen und religiösen Fragen -
In welcher Weise nehmen in Sachsen zugelassene Lehrbücher für die Fächer
Biologie, Physik, Astronomie und Religion solche Grenzfragen auf?
(Schönberger Blätter Heft 30, 2009)
Zitatensammlung
Lehrbücher Fach Biologie
B) Biologie
BA) DDR-Lehrbuch Biologie 10
BB) Lehrbücher bis Klasse 10
BC) Lehrbücher Gymnasium bis Klasse
12
·
B32 SCHROEDEL; Linder Biologie, Lehrbuch für die
Oberstufe, Braunschweig, 2005
BA) DDR-Lehrbuch Biologie 10
B1 DDR; VOLK UND WISSEN; Biologie,
Lehrbuch für die Klasse 10, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin, 1982
B11 CORNELSEN Volk und Wissen,
Biologie plus, Klasse 10 Gymnasium, Sachsen, Berlin 2006
B18 VOLK UND WISSEN, Biologie plus,
Klassen 9/10 Gymnasium, Sachsen, Berlin 2001
B12 DUDEN / PAETEC Schulbuchverlag,
Duden Biologie, Gesamtband Sekundarstufe I, Berlin, 2005
B13 DUDEN / PAETEC Schulbuchverlag;
Link Biologie 10, Sachsen Mittelschule, Berlin, 2007
B14 DUDEN / PAETEC; Biologie,
Gymnasium, 10, Sachsen, Berlin, 2007
B15 PAETEC; Biologie 10, Sachsen,
Gymnasium, Berlin, 2000
B16 SCHROEDEL; Netzwerk Biologie 10,
Braunschweig, 2006
B17 VOLK UND WISSEN; Biologie Band
3, Sachsen, Volk und Wissen, Berlin, 2002
B18 VOLK UND WISSEN; Biologie plus,
Klassen 9/10 Gymnasium, Sachsen, Berlin, 2001
Siehe vorn
bei B11; Texte fast wortgleich
BC) Lehrbücher Gymnasium bis Klasse
12
B21 BSV (Bayerischer Schulbuch Verlag);
Meyer, H. / Daumer, K.: Biologie für die gymnasiale Oberstufe, München 1999
·
S.5
Einleitung
Die Betrachtung einer blühenden Sommerwiese, der Besuch eines zoologischen
Gartens, die Untersuchung einer Handvoll Gartenerde oder der Blick in eine biologische
Sammlung können nur einen ganz bescheidenen Eindruck von der unübersehbaren
Mannigfaltigkeit der Lebewesen vermitteln, die mit uns die Erde bewohnen. Man
kennt heute annähernd zwei Millionen Tier- und Pflanzenarten und ständig werden
neue entdeckt.
Diese ungeheure Fülle, die dennoch so zahlreichen und abgestuften Ähnlichkeiten
zwischen verschiedenen Arten und die so auffällig zweckmäßigen Anpassungen der
Lebewesen an die Bedingungen ihrer Umwelt haben von jeher das Interesse der
Menschen erregt und die Frage nach ihrer Entstehung geweckt.
Bereits bei den vorsokratischen Naturphilosophen finden sich Gedanken über eine
Entstehung der Lebewesen aus unbelebter Materie (Urzeugungshypothese) und über
die Entwicklung von einfachen Formen zu komplizierteren (Abstammungshypothese).
Aristoteles (384-322 v. Chr.) vertrat zwar auch die Urzeugungshypothese, sah
aber in den Anpassungen und den abgestuften Ähnlichkeiten der Lebewesen den
Ausdruck eines weisen Schöpfungsplanes. Fossilien betrachtete er als verunglückte
Produkte der formgestaltenden Schöpferkraft. Diese aristotelische
Naturphilosophie wurde im Mittelalter mit dem biblischen Schöpfungsbericht in
Einklang gebracht und so lehrten Theologen, Philosophen und Naturgelehrte über
Jahrhunderte hinweg die Entstehung aller Lebewesen, der Erde selbst und des
gesamten Weltalls durch einen einmaligen Schöpfungsakt. Dabei galt als
unantastbare Wahrheit, dass die verschiedenen Arten unveränderlich und deshalb
von Beginn der Schöpfung an auch unverändert geblieben seien (Lehre von der
Konstanz der Arten).
Im Jahre 1739 veröffentlichte Carl von Linné (1707-1778) den ersten Entwurf für
sein „System der Natur" und zwanzig Jahre später hatte er allen ihm damals
bekannten Pflanzen und Tieren aufgrund gemeinsamer und unterschiedlicher
Merkmale einen lateinischen Doppelnamen gegeben und sie in ein hierarchisch
gegliedertes System eingeordnet, von dem er glaubte, dass es den göttlichen
Schöpfungsplan widerspiegelte.
Die inzwischen zahlreich gefundenen Fossilien wurden jetzt als die
versteinerten Reste von Lebewesen aufgefasst, die entsprechend dem biblischen
Bericht in der Sintflut umgekommen seien. Selbst als Georges Cuvier (1769-1832)
durch systematische Ausgrabungen und Untersuchungen von Fossilien erkannt
hatte, dass die versteinerten Lebewesen sich von den heute lebenden
unterscheiden, und zwar umso mehr, aus je älteren Schichten sie stammen, hielt
er noch am Schöpfungsbericht und der Vorstellung von der Unveränderlichkeit der
Arten fest. Dies konnte er nur, indem er mehrere sintflutartige Katastrophen
annahm, die die jeweils vorhandene Lebewelt auslöschten und eine Neuschöpfung
auf höherer Stufe nach sich zogen (Katastrophen-„Theorie“). Die von Jean
Baptiste de Lamarck (1744-1829) formulierte These eines kontinuierlichen Artenwandels
und der Abstammung der heutigen Lebewesen von früheren durch einen inneren
Vervollkommnungstrieb der Lebewesen lehnte er entschieden als unseriöse
Spekulation ab.
B22 C.C.BUCHNER; Solbach, H.: Vita
nova; Biologie für die Sekundarstufe II; Bamberg 2000
·
S.346
Wie mag es zu einer ersten lebenden
Zelle gekommen sein?
Viele – auch entscheidende – Fragen bleiben offen …
Anm. 346.1
Das erste Leben
Bei der Suche nach einer Erklärung für das Entstehen eines ersten Lebewesens
tappt man noch weitgehend im Dunkeln.
Im Rhythmus kälter Nächte und heißer Tage könnten sich Nucleinsäuren
vervielfacht haben, die es in der Ursuppe gab. Beim Verdoppeln werden Fehler
passiert sein, aber auch Verbesserungen, die Vorteile gegenüber
Konkurrenz-Molekülen brachten. Zu den zur Reduplikation (und damit zur
Informationsspeicherung) fähigen Nucleinsäuren müssten Eiweiße hinzugetreten
sein, die nämlich können chemische Umsetzungen (Stoffwechsel) erleichtern. Es
bleibt die – von Skeptikern überspitzt formulierte - Frage: „Wie organisierte
sich denn so ein Pülverchen selbst und kroch schließlich als Amöbe davon?"
Es gibt inzwischen interessante Hinweise darauf, in welcher Richtung die
Antwort zu suchen sein könnte. Man hat nämlich RNA-Moleküle entdeckt, die nicht
nur Informationen speichern können, sondern auch noch wie Enzyme
Stoffwechselvorgänge steuern können. Das unterstützt die These, dass der erste
Schritt auf dem langen Weg zur Entstehung von Leben die Bildung von
RNA-Molekülen gewesen sein könnte.
So wie das Wort einer Sprache könnte ein solches Molekül eine Information
bedeutet haben, nämlich die für die Bindung einer in der Ursuppe herumschwimmenden
Aminosäure nach einem sehr einfachen Code. Jedenfalls stand am Anfang des
Lebens höchstwahrscheinlich ein Informations-Molekül. Auch in einer anderen
Version über die Entstehung des Lebens heißt es: „Im Anfang war das Wort, …“
Dieses Zitat stammt aus dem JOHANNES-Evangelium im Neuen Testament der Bibel.
B23 CORNELSEN / VOLK UND WISSEN;
Biologie Oberstufe, Gesamtband, Berlin, 2006
B24 DUDEN / PAETEC Schulbuchverlag;
Duden Biologie, Gymnasiale Oberstufe, Berlin, 2005
B25 KLETT; Biologie für Gymnasien,
Oberstufe, Stuttgart, 2005
·
S.410
Evolution: Tatsachen, Theorien und
Geschichte
…
Unter Evolution kann man sowohl die historische Tatsache der Artentstehung und
des Artenwandels verstehen, als auch einen ursächlichen Mechanismus.
Im letzteren Falle handelt es sich um eine Theorie. Manche Menschen sagen dann
abwertend, dass es sich ja „nur um eine Theorie" handele. „Theorie"
wird dann umgangssprachlich im Sinne von etwas schnell Ausgedachtem, einer
bloßen Idee oder einer Vorstellung gebraucht.
In den Naturwissenschaften spricht man zunächst von einer wissenschaftlichen
Hypothese, wenn begründet ein Zusammenhang zwischen Tatsachen hergestellt wird.
Bestätigt sich diese Hypothese wiederholt und in verschiedenen Zusammenhängen,
dann sprechen immer mehr Wissenschaftler von einer Theorie. Theorien haben
erklärenden Charakter.
·
S.412f.
Die christlichen Kirchen
(verschiedene Stimmen als Zitate)
“Naturwissenschaftler analysieren Wirkweisen, Religionen suchen nach Sinn und
Zweck des Lebens … Die Fragen von Glaube und Naturwissenschaft sind so
unterschiedlich, dass sich ihre Antworten nicht wirklich widersprechen können.“
(Burkhard Weitz, Redakteur bei Chrismon …, 2002)
…
…(K. Heim, Theologe)
“… Wer behauptet, der Mensch sei nur ein „Tier unter Tieren“ und prinzipiell
nicht mehr als wohlorganisierte Materie, der tritt mit dem Glauben in einen
unversöhnlichen, häretischen Gegensatz“. (Andreas Laun, Weihbischof von
Salzburg, 1996)
… (Christoph Schönbohm, Kardinal, Wien, 2000)
Kreationisten
(verschiedene Stimmen als Zitate)
“… Wenn wir fair und ohne Vorurteile an die Bibel herangehen und sie selbst zu
Wort kommen lassen, gibt es keine andere Möglichkeit, als sie als vollständig
und wörtlich inspirierte schriftliche Offenbarung Gottes an uns Menschen
anzuerkennen.“ (Till Biskup, Botaniker, 2002)
… (Marc Looy, Gruppe „Answers in Genesis“, Kansas, 1999)
… (William D Mayercheck, Creationist/Engineer, Pennsylvania, 2000)
“(Die Evolutionstheorie) … ist beispielsweise nicht imstande, experimentell
vorzuführen, wie Leben aus unbelebter Materie entstanden sein soll.“ (Hansruedi
Stutz, Mitarbeiter bei Pro Genesis, 1999)
Kritische Positionen
Die Evolutionstheorie versucht, die Entwicklung der Lebewesen allein durch
natürliche Vorgänge zu erklären. Dieser Naturalismus, der u.a. mithilfe von
zufälligen Mutationen und Selektionsvorgängen die Entwicklung beschreibt, ist
auf gegenwärtige und vergangene Ursachen bezogen und verzichtet auf ein
zukünftiges Entwicklungsziel. Dies schließt menschliche Evolution mit ein und
gesteht ihm keine Sonderrolle zu. Dies wird vielfach als Verletzung
menschlicher Würde gesehen und widerspricht dem gewohnten Selbstverständnis, denn
in einer Entwicklung auf ein Ziel hin wird vielfach ein Sinn gesehen und der
Weg dorthin kann dann nicht auf Zufall gegründet sein. Die Evolutionstheorie
gerät damit leicht in Konflikt mit der Religion.
Die großen christlichen Kirchen sehen sich auf einer anderen Ebene als die
Naturwissenschaften, nämlich einer geistigen. Insofern besteht heutzutage kein
Widerspruch zur Evolutionslehre, solange die Wissenschaft ihre materielle
Domäne und die Theologie ihre geistige nicht verlassen.
Zu den Anhängern des Kreationismus bzw. einer „Schöpfungswissenschaft"
genannten Richtung gehören am einen Ende Vertreter, die an einer wörtlichen
Bibelauslegung festhalten und in der Evolutionslehre eine Bedrohung sehen. Am
anderen Ende sind die Vertreter des intelligenten Designs, die die Evolution
zum Teil akzeptieren, aber dennoch in Teilbereichen übernatürliche Ursachen
annehmen. Viele Vertreter versuchen, Ergebnisse der Evolutionsforschung zu
widerlegen oder zumindest abzuschwächen.
Ein häufiger Vorwurf lautet, dass die Evolution nicht sicher bewiesen sei. Dies
zielt eigentlich auf den Hypothesencharakter aller naturwissenschaftlichen
Theorien. Theorien sind prinzipiell nicht positiv beweisbar, nicht
verifizierbar. Die Forderung nach völliger Sicherheit ignoriert also den Hypothesencharakter
und kann generell nicht eingelöst werden. Theorien sollten aber
widerspruchsfrei (interne Konsistenz) und überprüfbar sein, und die Prüfung
sollte auch negativ ausfallen können. Ein positives Ergebnis ist aber kein
Beweis, sondern „nur" eine bestandene Bewährungsprobe. Die
Evolutionstheorie hat sich schon in vielen voneinander unabhängigen Prüfungen
bewährt. Die „Schöpfungslehre" dagegen ist prinzipiell nicht überprüfbar.
Weiterhin ist Naturwissenschaft und damit auch die Evolutionstheorie eine
menschliche Tätigkeit. Als solche enthält sie die menschlichen Schwächen wie
z.B. die Möglichkeit des Irrtums, auch ist sie unfertig, nicht abgeschlossen.
In dieser Situation führen aber neue Erkenntnisse und kritische Prüfung zu
ständiger Verbesserung. Die Forderung nach völliger Sicherheit und
Abgeschlossenheit übersteigt menschliche Fähigkeiten und ist insofern
unredlich. …
Die angesprochenen Diskussionspunkte stellen für viele Naturwissenschaftler gar
keine Probleme dar, sie sehen so ähnlich wie die großen christlichen Kirchen
keinen Widerspruch. Die Faszination der Natur einschließlich der Evolution kann
daher für sich allein sehr beeindruckend sein oder als großartiger Plan eines
Schöpfers angesehen werden. Dies schließt sich nicht aus.
Wahrscheinlichkeitsargumente
(Zitat)
Theorie des Intelligenten Designs
(zwei Zitate)
“Der Evolutionstheoretiker glaubt, dass die Entstehung und Entfaltung des
Lebens durch natürliche Prozesse erklärbar ist, und darauf aufbauend versucht
er Wissenschaft zu betreiben. Schöpfungstheoretiker bauen ihre Rekonstruktion
der Geschichte des Lebens auf dem geoffenbarten Wort Gottes.“ (Reinhard Junker,
Studiengemeinschaft Wort + Wissen, Mitautor eines kreationistischen
Biologie-Schulbuches, 1998)
“Biochemische Vorgänge, die Basis-Funktionen von Lebewesen aufrechterhalten,
sind zum Teil so komplex in sich verknüpft, dass die Abwesenheit nur eines
Elementes zum Totalzusammenbruch führt. Solche Strukturen können nicht
schrittweise entstanden sein und die Anzahl der bekannten Systeme und ihre
Komplexität schließen jeden Zufall aus.“ (Reinhard Junker)
Naturwissenschaftler
(zwei Zitate)
… (George V. Coyne, Direktor der Sternwarte des Vatikan)
„Was bei unseren Forschungen herauskam, war, verkürzt gesagt, die Erkenntnis,
dass in der Natur alles optimal geregelt ist. Man kann das natürlich auch
theologisch erklären und sagen „Das ist eben Schöpfung".
Naturwissenschaftler sind ja nicht unbedingt gottlos. Aber wir sagen, wenn Gott
das Leben geschaffen hat, dann hat er es nach den Regeln der Naturgesetze
getan. Er wird keine Naturgesetze hervorbringen, um sie dann wieder zu umgehen.
Also muss sich die Entstehung des Lebens irgendwie erklären lassen. Wir stellen
also nicht die Frage, ob Gott es war oder ob es Gott gibt, sondern wir schauen
uns an, wie die Lebensprozesse ablaufen." (Manfred Eigen,
Nobelpreisträger)
AUFGABE:
Zeigen Sie, an welchen Stellen der Texte auf verschiedenen Ebenen argumentiert
wird und wo Überschreitungen der Domänengrenzen erfolgen.
·
S.428f.
5 Evolution des Menschen
Der Mensch ist ein Primat
Jahrhundertelang galt der Mensch im europäischen Kulturkreis als Krone der
Schöpfung. …
Unsere nächsten Verwandten
B26 KLETT; Einblicke Biologie, Band
2, Klett, Stuttgart, 2000
B27 KLETT; Natura, Biologie für
Gymnasien Band 2, Klett, Stuttgart, 1997
B28 SCHROEDEL; Biologie heute entdecken
S II; Braunschweig, 2004
·
S.374
1 Entwicklung des Evolutionsgedankens
Die Frage nach dem Ursprung der Menschheit, anderer Lebewesen, ja der Welt
insgesamt, beschäftigt Menschen seit Jahrtausenden. In allen frühen Kulturen
entstanden Schöpfungsmythen, denen zufolge mit übernatürlichen Kräften
ausgestattete Gottheiten Himmel und Erde, Pflanzen und Tiere sowie den Menschen
erschaffen hatten. Erste Ansätze, die Welt durch natürliche Ursachen zu
erklären, sie also zu entmythologisieren, finden sich im alten Griechenland. …
Für den großen Naturforscher und Philosophen ARISTOTELES (384 bis 322 v. Chr.)
waren alle Lebewesen ewig und unveränderlich.
·
Das Christentum übernahm ebenso wie die jüdische Lehre und der Islam diese
Lehre von der Konstanz der Arten - allerdings mit dem Unterschied, dass
Pflanzen, Tiere und der Mensch nicht auf natürliche Weise entstanden seien,
sondern von Gott erschaffen worden waren. Bis zum Ende des Mittelalters
bestimmte dieses Dogma das Denken der Menschen. Eine andere Vorstellung von
ARISTOTELES sollte das abendländische Denken ebenfalls stark beeinflussen: die
Idee, dass in der Natur eine stufenweise und „ungebrochene Aufeinanderfolge von
den unbelebten Objekten über die Pflanzen bis zu den Tieren“ herrsche. Spätere
Denker entwickelten daraus das Konzept einer „scala naturae“, einer großen
„Stufenleiter des Lebendigen, auf der „primitive" Pflanzen und Würmer ganz
unten angesiedelt waren und der Mensch als „Krone der Schöpfung"
selbstverständlich ganz oben. Über dem Menschen standen nur noch die Engel und
Erzengel. Obwohl dieses Bild noch ganz und gar statisch war, sollte es das
Aufkommen des Evolutionsgedankens im 18. Jahrhundert erleichtern. Im 15.
Jahrhundert, mit dem Beginn der Renaissance, begann sich das Weltbild in Europa
wandeln. Die Schriften antiker Gelehrter wurden wieder entdeckt und man begann
sich auf die Suche nach natürlichen Ursachen für Naturerscheinungen zu machen.
Der Astronom Nikolaus KOPERNIKUS(1473 bis 1543) stellte fest, dass die Erde
nicht im Mittelpunkt der Welt steht, sondern als Planet die Sonne umkreist -
eine Erkenntnis, die von der Kirche lange Zeit heftig bekämpft wurde. Der
Horizont auf der Erde wurde durch die ersten großen Entdeckungsreisen
erweitert. Ganze Kontinente und eine Vielzahl von neuen Pflanzen und Tieren
wurden dadurch in Europa bekannt. Es wurden Fragen aufgeworfen, die die Bibel
nicht beantwortete: Hatten all diese Arten in der Arche Noah Platz gefunden?
Wenn Fossilien wirklich die Reste von Lebewesen waren, die die Sintflut
dahingerafft hatte, warum waren dann so viele im Wasser lebende Arten
ausgestorben?
Im 18. Jahrhundert begann der Gedanke an eine allmähliche Entwicklung des
Lebens Gestalt anzunehmen. Man erkannte, dass die Erde nicht erst im Jahre 4004
v. Chr. erschaffen worden war, wie der Bischof James USSHER 1654 nach
sorgfältigem Studien der Ahnentafeln in der Bibel berechnet hatte, sondern viel
älter sein musste. Aber noch hielten fast alle Gelehrten an der Überzeugung der
Konstanz der Arten fest. Auch der schwedische Naturforscher Carl VON LINNE
(1707 bis 1778), der Begründer der biologischen Systematik, die auf abgestuften
Ähnlichkeiten beruht, war von der Unveränderlichkeit der Arten überzeugt. Einer
der Ersten, der den Evolutionsgedanken ernsthaft erwog, war der Franzose
Georges de BUFFON (1707 bis 1788), der in seinem Werk „Histoire Naturelle"
darüber nachdachte, ob Mensch und Affe „gemeinsame Ursprünge" haben
könnten. Allerdings verwarf er diesen ketzerischen Gedanken gleich wieder, da
„uns die Autorität der Offenbarung versichert, dass das erste Paar jeder Art
voll ausgebildet aus den Händen des Schöpfers hervorging" …
Aber die DARWINsche Evolutionstheorie geht in ihrer Bedeutung weit über das
eigentliche Gebiet der Biologie hinaus, denn sie stellte nicht nur die
biblische Schöpfungsgeschichte und die herausgehobene Position des Menschen als
„Krone der Schöpfung" in Frage, sondern erschütterte auch den Glauben an
den Fortschritt in der Natur und die Vorstellung einer harmonischen, stabilen
Welt. DARWIN war sich dessen bewusst: „Mir ist zumute," schrieb er einem
Freund, „als gestehe ich einen Mord."
B29 SCHROEDEL; Biologie heute S II;
Braunschweig, 2004
B30 SCHROEDEL; Hoff, P. / Miram, W.
/ Paul, B.: Evolution, Materialien für den Sekundarbereich II, Biologie,
Hannover, 2004
B31 SCHROEDEL; Hoff, P. / Miram, W.:
Evolution, Materialien für den Sekundarbereich II, Biologie, Hannover, 1993
B32 SCHROEDEL; Linder Biologie,
Lehrbuch für die Oberstufe, Braunschweig, 2005
·
S.438
Bis weit ins 18. Jahrhundert galt in der Biologie die Lehrmeinung von der
Unveränderlichkeit der Arten. Diese wurde aus dem biblischen Schöpfungsbericht
abgeleitet. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zogen Biologen erstmals die
Veränderlichkeit der Arten in Betracht. Jedoch beruhte dies zunächst allein auf
Spekulationen.
·
S.468f.
3.2 Geschichte des Lebens
3.2.1 Frühzeit der Erde und chemische Evolution
(Uratmosphäre; „Schwarze Raucher“; Pyrit; MILLER-Versuch;)
·
S.492f:
3.4.5 Höherentwicklung
Aus den Stammbäumen ist zu entnehmen, dass es in der Evolution eine
Entwicklung von einfach organisierten zu komplex gebauten Formen gegeben hat.
Man bezeichnet dies als Höherentwicklung …
Höherentwicklung tritt zwangsläufig auf …
·
S.514ff.
Erkenntniswege der Biologie
Erkenntnisse werden erst
dann vollständig verstanden, wenn man weiß, wie sie zustande kommen, d.h.
welche Methoden verwendet werden. Die Kenntnis der Methoden befähigt zum Urteil
über den Wert und die Grenzen der damit gewonnenen Ergebnisse. Die Biologie als
Naturwissenschaft baut auf reproduzierbaren Aussagen auf, die aufgrund von
Beobachtungen, Vergleichen und Experimenten gewonnen werden. Von ihnen
ausgehend bildet man Hypothesen und Theorien.
1 Reproduzierbare Aussagen
Unter einer
reproduzierbaren (objektiven) Aussage versteht man eine Feststellung, die
wiederholt in unabhängiger Weise und von verschiedenen Personen getroffen
werden kann. Um zu ihr zu gelangen, muss die strenge Gültigkeit der Logik
vorausgesetzt werden. Außerdem werden folgende Forderungen erhoben:
Unabhängigkeit vom jeweiligen Beobachter, von Übereinkünften und von Glaubens-
und Wertvorstellungen. Diese Forderungen können letztlich nicht begründet
werden; sie sind die „Spielregeln“ der Naturwissenschaft. Sie erweisen sich
durch die erfolgreiche Anwendung der von der Naturwissenschaft gewonnenen
Ergebnisse als sinnvoll, z. B. Pflanzen- und Tierzüchtung als Anwendung der
Genetik. Eine weitere wichtige „Spielregel“ (Postulat) für die
Naturwissenschaften ist das Kausalitätsprinzip: Jeder Wirkung muss eine Ursache
zugrunde liegen, und gleiche Ursachen haben unter gleichen Bedingungen gleiche
Wirkungen. Ein Ziel der Naturwissenschaften ist es, Kausalbeziehungen
festzustellen. Die Erkenntnisse sind stets abhängig vom Stand der
Arbeitsmittel. Dies zeigt z. B. die Geschichte der Zellforschung (s. Cytologie
1.1). Sie sind aber auch abhängig von der Interessenlage in der Wissenschaft.
So wurden die MENDELschen Regeln zunächst als unwichtig angesehen; ebenso
erging es dem von MCCLINTOCK entdeckten Vorgang der Transposition (s. Exkurs
Transposons, S. 363).
Beobachten.
Manche Teilgebiete der Biologie beschränken sich auf das Beobachten und
Beschreiben nach bestimmten Kriterien, z. B. die Anatomie. Eine Beobachtung
kann in Form einer Aussage, z. B. der Beschreibung eines Verhaltens, in Form
einer Abbildung, z. B. bei einer anatomischen Beschreibung, oder in Form einer
graphischen Darstellung bei messenden, quantitativen Beobachtungen niedergelegt
werden. Auf die Beschreibung der Erscheinungen folgt der Versuch ihrer
Erklärung. Dazu stellt man Überlegungen an, wie eine Erklärung aussehen könnte,
d.h. man stellt eine Hypothese auf (siehe unten). Diese überprüft man häufig
mithilfe von Experimenten.
Vergleichen.
Vergleichen lassen sich Gegenstände, z.B. DNA-Moleküle, Organismen (Eidechse -
Salamander), oder Vorgänge (Fotosynthese - Atmung). Beim Vergleich zweier
Erscheinungen wird anhand festgelegter Kriterien das Unterschiedliche und das
Gemeinsame herausgestellt. So erkannte man z. B. durch den anatomischen
Vergleich der Blutkreisläufe sowie der Ausscheidungsorgane verschiedener
Wirbeltiergruppen, dass sie gemeinsame Grundbaupläne aufweisen. Durch Ordnen
und Vergleichen wurde das natürliche System der Organismen gefunden. Auch
Vergleiche führen zunächst zu Hypothesen, die dann weiter geprüft werden.
Experimentieren. Will man feststellen, wie eine bestimmte Größe, z.B. die Erregung einer
Sinneszelle, durch eine andere Größe, z.B. die Reizintensität, beeinflusst
wird, bedient man sich des Experiments. Ein Experiment muss so angelegt sein,
dass es eine bestimmte Fragestellung eindeutig beantwortet. Es ist also immer
das Ergebnis einer Vorüberlegung, die als Arbeitshypothese bezeichnet wird. In
der Regel wird darin eine Kausalbeziehung angenommen. Will man z. B. klären, ob
eine bestimmte Drüse das Wachstum fördert, so entfernt man sie einigen
Versuchstieren und beobachtet, ob deren Wachstum dann aufhört. Ist dies der
Fall, sucht man nach dem wachstumsfördernden Stoff, indem man aus der Drüse
Inhaltsstoffe isoliert und getrennt nacheinander den Versuchstieren einspritzt.
Derjenige Inhaltsstoff, der das Wachstum anregt, ist der gesuchte. Häufig sind
bei biologischen Experimenten nicht alle Faktoren wirklich konstant zu halten,
oft schon deshalb nicht, weil man gar nicht alle kennt. Um den Einfluss solcher
nicht genau bestimmbarer oder nicht konstant zu haltender Faktoren
auszuschalten, wird ein Experiment mehrmals wiederholt. Die Folge ist, dass
zwei gleiche Versuche an biologischen Objekten oft nicht identische quantitative
Messwerte liefern. Weil die Messwerte biologischer Versuche stärker streuen als
diejenigen physikalischer Versuche (s. z.B. Abb. 89.1), spielen mathematische
Verfahren der Statistik in der Biologie zur Sicherung der Versuchsergebnisse
eine wichtige Rolle.
2 Hypothesen und Theorien
Beobachtungen und
Vergleiche führen zu Hypothesen.
Die Aufstellung einer
Hypothese erfordert zunächst eine Überlegung über mögliche Zusammenhänge
zwischen einzelnen Befunden oder Beobachtungstatsachen. Es liegt ihr also eine
Idee zugrunde (Abb. 515.1). Daran schließt sich sofort die Prüfung auf
Widerspruchsfreiheit und auf Vereinbarkeit mit allen den Themenbereich
betreffenden objektiven Aussagen an. Daraus resultiert eine Arbeitshypothese,
die als Grundlage für Experimente dient. Fallen diese positiv aus, so liegt
eine etablierte Hypothese der Wissenschaft vor. Ein Beispiel soll diese
Vorgehensweise erläutern: MENDEL fand durch seine Experimente die in der Uniformitätsregel
und der Spaltungsregel niedergelegten objektiven Aussagen. Er bildete die
Hypothese, es gebe selbständige Erbeinheiten, die in den Körperzellen
paarweise, in den Keimzellen aber nur in Einzahl vorhanden seien. Diese
Hypothese ergibt sich nicht zwangsläufig aus den objektiven Aussagen. Auch eine
andere Hypothese wäre mit den gleichen Tatsachen vereinbar. Man könnte die von
MENDEL gefundenen Spaltzahlen auch damit erklären, dass die Gene in den
Körperzellen nicht doppelt, sondern in großer Zahl vorliegen und bei der
Geschlechtszellenbildung in zwei nur ungefähr gleiche Hälften geteilt werden.
Eine Hypothese ist
normalerweise ein (Gedanken-)Modell, das man sich von der Wirklichkeit macht.
Dieses Modell muss sich in experimentellen Situationen wie das reale System
verhalten. Ein solches Modell kann sehr einfach sein, z. B. das Modell der
selbständigen Erbeinheiten von MENDEL. Es kann aber auch sehr komplex sein, wie
die Modellvorstellung von der Regulation der Proteinsynthese (s. Abb. 367.l) oder
der Steuerung aktiver Bewegungen (s. Abb. 255.1). Jedes Modell soll aus Gründen
der Denkökonomie das einfachst mögliche (sparsamste) sein, das zur Erklärung
ausreicht (Minimalmodell). Dies ist das »Rasiermesserprinzip«, das auf den
scholastischen Philosophen W. VON OCKHAM (gest. um 1349) zurückgeht. Stehen
zwei Hypothesen zur Auswahl, von denen keine eindeutig als falsch nachgewiesen
werden kann, so ist diejenige zu wählen, die mehr Beobachtungen und Aussagen
unter einem Gesichtspunkt zusammenfasst und erklärt.
Prüfung von Hypothesen. Eine Hypothese muss geprüft und, falls nötig, weiter
verfeinert werden. Dazu werden aufgrund der Hypothese Vorhersagen abgeleitet,
die experimentell nachprüfbar sind. Man bezeichnet dieses Verfahren der
Herleitung als Deduktion (Abb. 515.1). Die Deduktion bedient sich
ausschließlich der Logik. Je nach Ausgang des Experiments wird die Hypothese
bestätigt oder als falsch erkannt (falsifiziert). Eine einzige objektive
Aussage, die mit der Hypothese unverträglich ist, führt zu deren Ablehnung.
Dagegen kann eine Hypothese nie endgültig verifiziert werden, d. h. ihre
Wahrheit erwiesen werden; durch jede Bestätigung wird ihre Richtigkeit nur
wahrscheinlicher. Diese Aussage gilt nicht für Sätze der Art:
„Es gibt . . .!“
(Existenzsätze). Sie können durch eine entsprechende Beobachtung verifiziert,
aber kaum je falsifiziert werden. Beispiele: „Es gibt schwarze Schwäne!“ oder
„Es gibt einen angeborenen auslösenden Mechanismus (AAM), der das Verhalten x
hervorruft!“. Solche Existenzsätze sind in der Wissenschaft daher von geringem
Wert.
Da Hypothesen nie
verifiziert werden können, folgt daraus der hypothetische Charakter aller
naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Die Annäherung an die Wahrheit erfolgt
durch Falsifizierung möglichst vieler alternativer Vorstellungen. Eine vielfach
bestätigte Hypothese hat sich dann bewährt.
Als Beispiel für die
Prüfung einer Hypothese seien nochmals die MENDELschen Gesetze erwähnt: Aus der
Hypothese, dass die Gene unabhängige Erbeinheiten sind, die in den Körperzellen
doppelt, in den Keimzellen aber einfach vorliegen, wird deduktiv das Experiment
der Rückkreuzung und das erwartete Ergebnis abgeleitet. Die experimentellen
Ergebnisse bestätigen die Hypothese(s. Genetik 3).
Induktion.
Die Ansicht, dass man aus einer großen Zahl bisheriger Beobachtungen auf den
nächsten Beobachtungsfall oder sogar auf alle Fälle schließen könne, ist
unzutreffend. So lässt sich aus der Tatsache, dass alle bisher beobachteten
Schwäne weiß sind, nicht folgern, dass alle Schwäne weiß sind. Ein solcher
Schluss ist logisch nicht zu rechtfertigen, denn es gibt kein logisches
Verfahren, das eine Anwendung auf weitere Fälle (Verallgemeinerung) erlaubt.
Dennoch werden im Alltagsleben ständig solche Überlegungen verwendet. Man
bezeichnet sie als Induktion. So ist man überzeugt, dass die Sonne morgen
wieder aufgeht, obwohl man das nicht sicher wissen kann. Diese Überzeugung
beruht auf Erfahrung: Naturvorgänge erwiesen sich bisher als konstant.
Möglicherweise besteht auch eine erbliche Disposition, Vorgänge soweit möglich
als konstant anzusehen („Gleiche bzw. gleichartige Dinge verhalten sich
gleichförmig!“). Wenn alle bisher untersuchten Organismen aus Zellen aufgebaut
sind, wird dies bei den nicht daraufhin untersuchten ebenso sein. Wenn die MENDELschen
Gesetze für die bisher geprüften Arten zutreffen, so werden sie auch für die
anderen gültig sein. Da der Energieerhaltungssatz bisher nie durchbrochen
wurde, ist an seiner Allgemeingültigkeit nicht zu zweifeln. Induktiv gewonnene
Voraussagen haben keine logische, aber eine praktische Rechtfertigung. Nur mit
ihrer Hilfe kann der Mensch planen und handeln sowie Gefahren vermeiden
(Selektionsvorteil).
Wissenschaftliche Theorien. Erlaubt eine Schritt um Schritt ausgebaute Hypothese
die widerspruchsfreie Einfügung vieler objektiver Aussagen und ist sie vielfach
bestätigt, so erhält sie den Rang einer Theorie. Die Bestätigung erfolgt so,
dass die Hypothese an deduzierten Folgerungen experimentell vielfach überprüft
oder auch verbessert wird (hypothetisch-deduktives Verfahren).
Die
naturwissenschaftliche Theorie hat vier Funktionen:
1.
Erfassung eines
Themenbereichs durch Schaffung und Handhabung von Begriffen. Diese müssen
definiert sein, d. h. ihre Bedeutung und Verwendung muss genau festgelegt sein.
Beispiel: In der Evolutionstheorie werden bestimmte Bauplanähnlichkeiten als
Homologie bezeichnet.
2.
Zusammenfassung
vieler objektiver Aussagen unter einer einheitlichen Hypothese, die sich
vielfach bewährt hat. Beispiel: Homologien werden erklärt durch Abstammungszusammenhänge.
3.
Möglichkeit von
Voraussagen. Je mehr Voraussagen eingetroffen sind, umso mehr hat sich die
Theorie bewährt. Beispiel: Weitere Homologien lassen weitere
Abstammungszusammenhänge erkennen.
4.
Aufwerfen neuer
Fragen. Gelegentlich führen Theorien zu Voraussagen, die sich nicht vereinbaren
lassen. Es entstehen neue Forschungsfragen (Fruchtbarkeit der Theorie).
Beispiel: Das Problem des Gradualismus/Punktualismus in der Evolutionstheorie
(s. Evolution 3.4.3).
Durch fortgesetzte
Fehlerkorrektur hofft man, sich der Wahrheit zu nähern. Man weiß aber nicht, ab
wann eine Hypothese als hinreichend bewährt angesehen werden darf, um Theorie
genannt zu werden. Theorien sind nie endgültig, sondern immer nur richtig nach
dem augenblicklichen Stand des Wissens.
Es kann auch vorkommen,
dass eine bisherige Theorie nicht infolge Falsifizierung aufgegeben, sondern
einfach verlassen wird, weil eine ganz neue, viel überzeugendere Hypothese (ein
neues Paradigma) zur Erklärung der Tatsachen gefunden wird. Eine solch entscheidende
Änderung der Auffassungen (Paradigmenwechsel) kommt einer „wissenschaftlichen
Revolution“ (TH.S.KUHN) gleich. Beispiele:
1.
DARWINsche
Theorie. Sie begründet in überzeugender Weise die Evolution und gibt die Regeln
an, nach denen sie abläuft. Sie tritt an die Stelle der Vorstellung von einer
einmaligen Schöpfung aller Lebewesen und an die Stelle der Katastrophentheorie
von CUVIER.
2.
Theorie vom Gen
als Teil der DNA. Sie ist Grundlage der ganzen Molekularbiologie und tritt an
die Stelle der Vorstellung, Gene seien Proteine oder sogar nicht stofflicher
Natur.
Für fast alle
Paradigmenwechsel gilt: Die neue Theorie ist umfassender, d.h. sie erklärt mehr
Tatsachen als die vorhergehende und ist daher überzeugender. Die neue Theorie
entspricht dem erreichten allgemeinen Bewusstseins- und Erkenntnisstand besser
als die alten Theorien.
Bewährte Theorien werden
allerdings vielfach durch neue nicht völlig umgestürzt, sondern behalten als
Spezialfall ihre Gültigkeit. Die Ursache von Schwierigkeiten bei der
Anerkennung einer wichtigen neuen Erkenntnis liegt oft in der Eigentümlichkeit
der menschlichen Natur, auf gewohnten Vorstellungen zu beharren.
3 Naturwissenschaftliches Weltbild
Die auf den verschiedenen
Gebieten aufgestellten Theorien versucht die Wissenschaft zu einer Einheit, dem
naturwissenschaftlichen Weltbild, zusammenzufassen. Dieses Weltbild kann nur
ein Teilbild der Welt sein, weil durch die Methode der Naturwissenschaften
nicht-objektive Aussagen wie Glaube, Wertvorstellungen, Ideologien
ausgeschlossen sind. Außerdem kann es nur ein vorläufiges Bild sein, denn es
gibt stets ungelöste Fragen, und alle Theorien werden ständiger Kritik
unterzogen. Dass der Mensch richtige Theorien über die Welt bilden kann, ist
durch die Evolution zu erklären: Nur diejenigen Säugetiere, Vormenschen und
Menschen überlebten in der Evolution, die in der Lage waren, richtige
Vorstellungen über ihre Umwelt zu entwickeln. Nur so konnten sie die Vorteile
ihrer Fähigkeit zum einsichtigen Handeln ausnützen, denn Vorstellungen über
Zusammenhänge in der Umwelt sind die Grundlage jeder geplanten Handlung. Diese
Ansicht, wonach der Evolutionsvorgang dazu führte, dass der Mensch die
Außenwelt einigermaßen zutreffend erkennt, wird als „Evolutionäre
Erkenntnistheorie“ bezeichnet. Es handelt sich aber nicht um eine
Erkenntnistheorie im philosophischen Sinn, sondern nur um eine Grundlage für
eine solche. Das Verfahren der Erkenntnisgewinnung durch die
hypothetisch-deduktive Methode führt dazu, dass im Erkenntnisprozess eine
„Welt“ hypothetisch rekonstruiert wird; diese bezeichnet man als „reale Welt“.
Die allgemeinste Naturwissenschaft ist die Physik, sie hat alle realen Systeme
zum Gegenstand, und ihre allgemeinsten Gesetze geben daher die Bedingungen der
Möglichkeit von Erfahrungen überhaupt an (C. F. VON WEIZSÄCKER). Die Biologie
hat die lebenden Systeme und deren Gesetzmäßigkeiten zum Thema. Biologische
Systeme sind komplexer als die meisten Systeme der unbelebten Natur. Dies macht
es oft schwieriger, allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und zu prüfen.
Zufällige Ereignisse spielen in der Biologie eine größere Rolle als in den
meisten Bereichen der Physik; daher sind der Wiederholbarkeit und
Voraussagbarkeit engere Grenzen gesetzt. In der heutigen Physik zeigen aber
Quantentheorie und Synergetik ebenfalls die Bedeutung von Zufallsvorgängen. Die
für die Biologie grundlegende Evolutionstheorie kann als ein spezieller Fall
einer allgemeinen Theorie der Synergetik aufgefasst werden.
Wichtig für die Stellung
der Biologie im naturwissenschaftlichen Weltbild ist die Frage der
Reduzierbarkeit komplexer Systeme. Eine strenge Reduktion, d. h. eine
logisch-deduktive Ableitung der Biologie aus der Physik und Chemie, ist nicht
möglich. Die Methode der Zurückführung biologischer Tatbestände auf
physikalische und chemische Gesetzmäßigkeiten (methodische Reduktion) ist
bisher jedoch an keine Grenze gestoßen und hat sich bewährt. Sie wird in den
meisten Teilgebieten der Biologie fortlaufend erfolgreich angewendet. Reduktion
ist nicht zu verwechseln mit Mathematisierung. So sind soziobiologische Modelle
(s. Evolution 2.5) zumeist mathematische Modelle und erweisen sich durch ihre
Voraussagen als erfolgreich: Bei der soziobiologischen Modellbildung erfolgt
jedoch keine Reduktion auf molekularbiologische Grundlagen. Das wäre derzeit
auch nicht möglich.
Die Welt ist dem Menschen
nur durch die Sinnesorgane zugänglich. Die Sinneseindrücke werden ihm durch die
Verarbeitung im Gehirn bewusst. Das Bewusstsein entsteht durch eine
Selbstorganisation des Zentralnervensystems, bei der von angeborenen Strukturen
ausgehend fortgesetzt Sinneserfahrungen aufgenommen werden. Das Gehirn hat
dabei die Tendenz, eine stabile „Realität“ außerhalb seiner selbst anzunehmen,
so konstruiert es sich seine „Welt“. Diese hypothetische Realität könnte eine
Illusion sein - darüber ist nichts bekannt. Alle Erkenntnis ist Ordnung, die
das Gehirn hervorbringt; erst durch die Ordnung wird sie zum
Bewusstseinsinhalt. Aber nur ein Bewusstseinsinhalt, der in Begriffe und damit
in Worte gefasst werden kann, ist wissenschaftlich sinnvoll. Hieran zeigt sich
die enge Verknüpfung von Denken und Sprache. Die Zeit ist die einzige Größe,
die Bewusstseinsinhalte und physische Phänomene eindeutig verbindet. Daraus ist
zu ersehen, dass die Zeit unter den physikalischen Größen eine Sonderstellung
einnimmt.
Theorien des Lebens: Alle Erfahrungen der wissenschaftlichen Biologie
sprechen dafür, dass die Gesetze der Physik und der Chemie auch für Organismen
gelten. Bei Lebewesen finden sich jedoch zusätzliche Eigenschaften, die nur
ihnen eigentümlich sind. Die Tatsache, dass Lebewesen Eigenschaften besitzen,
die bei unbelebten Systemen unbekannt sind, wurde früher auf unterschiedliche
Weise philosophisch gedeutet. Die Vertreter des Vitalismus waren der Meinung,
ein immaterielles, der Materie übergeordnetes Prinzip (Entelechie) lenke
zwecktätig und zielgerichtet die Vorgänge im Organismus. Die Vertreter des
Mechanismus lehrten, dass Lebensvorgänge durch physikalische und chemische
Gesetzmäßigkeiten erklärbar seien.
Die miteinander
unvereinbaren Standpunkte von Vitalismus und Mechanismus sind aus der Sicht der
heutigen Systemtheorie weitgehend gegenstandslos geworden: Ein System,
gleichgültig ob belebt oder unbelebt, ist aus Elementen zusammengesetzt, die
miteinander in Wechselwirkung stehen. Dies führt zu Eigenschaften, die weder an
den Einzelelementen zu beobachten noch als Summe der Eigenschaften der Elemente
aufzufassen sind. Systemeigenschaften entstehen erst durch die Verknüpfung der
Elemente zu einem System (s. Cytologie 5.4). Lebewesen sind hochkomplexe
Systeme. So ist „Leben“ eine Eigenschaft der Zelle, die deren Teile
(Zellorganellen) nicht haben.
Um festzustellen, welche
Eigenschaften ein bestimmtes System besitzt, muss man die Eigenschaften der
beteiligten Elemente und die Art ihrer Verknüpfung sowie die gegenseitigen
Abhängigkeiten im einzelnen kennen. Dann kann man das System auf einem Computer
nachbilden (simulieren) und so eine bestimmte Eigenschaft als Systemeigenschaft erkennen. Eine Simulation
ist bis jetzt nur für wenige Teilsysteme gelungen, z.B. für viele
Stoffwechselketten und Teile von Signalnetzen (s. Abb. 226.1). Die
Systembiologie arbeitet daran, die Systemeigenschaften einer Zelle zu simulieren
und auf der Grundlage physikalisch-chemischer Gesetze zu erklären.
Wenn es gelingt, die
Eigenschaften eines Systems auf die Eigenschaften der beteiligten Elemente und
deren Wechselwirkungen zurückzuführen, so geht man davon aus, dass diese
Systemeigenschaft erklärt sei. Erklären bedeutet in diesem Zusammenhang also,
eine Eigenschaft eines lebenden Systems auf die Eigenschaften und Verknüpfungen
der beteiligten Elemente zurückzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die
Eigenschaften der Systemelemente, die ihrerseits wieder Systemeigenschaften
eines Systems niedrigerer Ordnung sind, selbst noch nicht auf die nächst
niedrige Systemstufe zurückgeführt werden können. So gilt eine Erklärung der
Eigenschaften eines Zellorganells als zureichend, wenn sie auf die Eigenschaften
und Verknüpfungen der beteiligten Moleküle zurückgeführt ist. Dies gilt
unabhängig davon, ob deren Moleküleigenschaften vollständig auf die Physik der
Atome zurückgeführt sind.
Bewusstsein.
Körperliche (physiologische) Prozesse im Nervensystem sind eng mit psychischen
(seelischen) Vorgängen verknüpft. Den Begriff „psychisch“ verwendet man für
alle jene Vorgänge, die mit dem Entstehen von Empfindungen, Wahrnehmungen,
Vorstellungen, Willensregungen, Urteilen u. a. verbunden sind. Wird z. B. ein rotes
Blatt Papier betrachtet, so stellt sich die Frage, welche Vorgänge zu der
Aussage: „Das Blatt ist rot.“ führen. Physikalisch gesehen, absorbiert das
Blatt von den auftreffenden elektromagnetischen Wellen des Sonnenlichts einen
Wellenbereich bestimmter Frequenz, ein anderer Teil des Lichtes wird
reflektiert und trifft auf die Netzhaut des Auges. In den Sinneszellen wird der
Lichtreiz durch physikalisch-chemische Vorgänge in ein raumzeitlich geordnetes
Muster (Erregungsmuster) von Aktionspotentialen umgesetzt, das über den Sehnerv
in die Nervenzellen des Sehzentrums im Gehirn einläuft. Bis hierher lässt sich
der Erregungsvorgang experimentell verfolgen. Es tritt aber jetzt die
Wahrnehmung „Rot“ auf. Sie hat als Bewusstseinsvorgang außer der Dauer keine physikalischen
Eigenschaften mehr; sie nimmt keinen Raum ein und besitzt keine Masse, Energie
oder Ladung. Bewusstseinsvorgänge sind damit etwas völlig Neues. Das
Bewusstsein des Menschen hat ein Gedächtnis und Vorstellungen über die Zukunft;
es weiß auch um sein eigenes Ende. Die Neurobiologie zeigt, dass bewusste
Erfahrung an Erregungsmuster in der Großhirnrinde gebunden ist (s. S. 246). Wie
sich der Übergang vom raumzeitlichen, physikalisch analysierbaren
Erregungsmuster in ein bewusstes Erleben der Außenwelt vollzieht, wie also
Bewusstseinsvorgänge in der erlebten Form entstehen, ist von der Biologie
derzeit nicht zu beantworten.
Die momentan
wahrscheinlichste Ansicht über dieses „Leib-Seele-Problem“ ist die Hypothese
der psychoneuralen Identität. Sie betrachtet psychische und neuronale Phänomene
als zwei verschiedene Erscheinungsformen einer einzigen Wirklichkeit.
Bewusstseinsvorgänge treten offenbar dann auf, wenn in bestimmten Teilen des
Gehirns bestimmte neuronale Vorgänge ablaufen. In dieser Form ist die Hypothese
der psychoneuronalen Identität auch mit Befunden vereinbar, die bei
Gehirnoperationen durch elektrische Reizung kleiner Gehirnbezirke gewonnen
wurden. Bei der Reizung berichten die betreffenden Patienten z. B. über gewisse
Gefühle oder über bestimmte Erinnerungsbilder. Solche Bewusstseinsinhalte
sind·durch elektrische Reizung auslösbar. Die Bewusstseinsinhalte haben also
eine neurophysiologisch fassbare Entsprechung im Gehirn. Diese ist einer
Kausalanalyse zugänglich, die es als Systemeigenschaft bestimmter Gehirnbezirke
erkennt. Damit ist allerdings der Übergang von Erregungsmustern zum
Bewusstsein, das nur dem einzelnen Menschen zukommt, nicht erklärt.
Kausalität und Finalität. Hypothesen und Theorien gewinnt man durch Prüfung
von Kausalbeziehungen. Im Bereich des menschlichen Handelns gibt es zusätzlich
eine zweite Art von Ursache-Wirkungs-Beziehung, die Finalität. Sie ist dadurch
gekennzeichnet, dass sich die zeitliche Reihenfolge von Ursache und Wirkung
umkehrt. Startet z. B. ein Sprinter zu einem Lauf, so ist der vom Sprinter
beabsichtigte Zweck, die Distanz in möglichst kurzer Zeit zu durchlaufen und
damit einen Wettkampf zu gewinnen, die Ursache.
Naturwissenschaftliche Erkenntnis beruht auf dem Beziehungsgefüge der
Kausalität zwischen Ursache und Wirkung. Finale Ursachen sind mit
naturwissenschaftlichen Methoden nicht zu fassen und finale Begründungen in den
Naturwissenschaften nicht zulässig. Bei Durchsicht biologischer Texte stößt man
allerdings auf Formulierungen wie „Das Wiesel färbt sich im Winter weiß, damit
es im Schnee nicht gesehen werden kann!“. Hier scheint eine finale Ursache
angegeben zu sein. Ist der Satz also unzulässig? Bei genauerer Betrachtung
erkennt man, dass die Fragen „Was bezweckt der Läufer mit dem Start?“ und
„Welchen Zweck hat die weiße Winterfarbe des Wiesels“ nicht gleich gelagert
sind. Die erste Frage setzt beim Läufer Einsicht in sein Tun voraus. Die zweite
Frage setzt eine solche Einsicht nicht voraus, sondern hat zum Inhalt, welche
lebenserhaltende Funktion die Farbe hat. Sie fragt also nach dem
Selektionsvorteil dieser Eigenschaft oder anders ausgedrückt nach den Ursachen,
die in der Vergangenheit zur Ausbildung eines solchen Merkmals durch Selektion
geführt haben. Diese teleonomische Fragestellung und Betrachtungsweise steht im
Gegensatz zur teleologischen Betrachtung, die auf finale Ursachen abhebt. Die
teleonomische Art der Fragestellung ist in der Biologie zulässig und sinnvoll,
da die Objekte der Biologie stets auch durch kausale Ursachen bestimmt sind, die
in der Vergangenheit gewirkt haben. Ohne diese auf die Evolution abhebende
Fragestellung ist eine Ursachenbeschreibung in der Biologie unvollständig.
Bei der Untersuchung kausaler Ursachen kann man daher verschiedene
Erklärungsniveaus unterscheiden. Auf die Frage, warum das Fell des Wiesels im
Winter weiß ist, kann man unterschiedlich antworten: „Weil die Farbstoffbildung
in den Haaren unterbleibt!“ oder „Weil durch die weiße Farbe im Schnee vor
Feinden besser geschützt ist und daher einen Selektionsvorteil hat!“.
Die erste Antwort beschreibt die nächstliegende (proximate) oder unmittelbare
Ursache, die zweite Antwort ist die letztendliche, ultimate Erklärung (s.
Verhaltensbiologie 1).
3.1 Anwendung der Wissenschaftstheorie:
Evolutionstheorie und Kreationismus
Der
hypothetisch-deduktive Charakter der Grundlagen der Evolutionstheorie ergibt
sich aus der Darstellung im Abschnitt 1 des Kapitels Evolution. Die spekulativ
vertretene Ansicht einer Evolution wurde zur wissenschaftlichen Hypothese, als
DARWIN eine ursächliche Erklärung aufgrund von Beobachtungen und
experimentellen Befunden geben konnte. Die Hypothese des
Abstammungszusammenhangs aller Lebewesen ermöglicht es, alle Ergebnisse der
Biologie und der Paläontologie widerspruchsfrei einzuordnen, die Teilgebiete
der Biologie in einen Zusammenhang zu bringen und Befunde vieler Teilgebiete
besser zu verstehen. Kein Ergebnis der Biologie steht im Widerspruch zur
Hypothese der Evolution. Mit dieser Hypothese sind zahlreiche Voraussagen über
zu erwartende Homologien sowie über den Aufbau von Genen bei verschiedenen
Arten usw. gemacht worden; sie wird der Planung von Versuchen fortgesetzt
zugrundegelegt. In keinem Fall wurde die Evolutionshypothese falsifiziert; sie
erlangte daher schon früh den Rangeiner gut begründeten Theorie. Sie steht mit
unabhängig davon gewonnenen Ergebnissen der Geologie, Geophysik und Astrophysik
in Übereinstimmung, wird durch physikalische Theorien, z. B. durch die
Synergetik, untermauert und auf diese Weise zu einem Bestandteil des
naturwissenschaftlichen Weltbildes.
Gelegentlich wird die Ansicht vertreten, beim Evolutionsgeschehen handele es
sich um experimentell nicht zugängliche Ereignisse, welche die
Naturwissenschaft prinzipiell nicht behandeln könne. Dies trifft nicht zu, denn
die Artbildung, die den Evolutionsvorgängen zugrunde liegt, ist ein häufiger
und in einigen Fällen bei Pflanzen und Mikroorganismen beobachteter und sogar
experimentell nachvollzogener Vorgang.
Die der Evolution zugrunde liegenden Mutationen sind zufällig, d. h. nicht
beliebig wiederholbar. Aus diesem Grund ist auf keiner Stufe der Evolution der
nächste Evolutionsschritt vorhersehbar. Darin besteht die prinzipielle
Offenheit jedes evolvierenden Systems. Das bedeutet, dass man z. B. nicht
angeben kann, warum in einer bestimmten Tiergruppe eine Reihe von Mutationen
vorwiegend in einer bestimmten Reihenfolge eintraten, sodass in einer
verhältnismäßig kurzen Zeit ein ganz neuer Tierbauplan entstand, etwa der
Bauplan der Gliedertiere oder der Wirbeltiere. Man spricht daher hier von
„Zufall“.
Es ist nicht sicher, dass die derzeitige Evolutionstheorie bereits alle an der
Evolution beteiligten Ursachen vollständig erfasst hat. Die Evolutionstheorie
ist deshalb nur eine hinreichende Theorie; sie kann zwar alle bekannten
Erscheinungen erklären, gibt aber vielleicht keine vollständige
Ursachenbeschreibung, weil es möglicherweise weitere, bisher unbekannte
Evolutionsfaktoren gibt. Außerdem ist das Erkennen der jeweiligen
Abstammungsverhältnisse und damit des Ablaufes der Stammesgeschichte abhängig
von den verfügbaren Quellen (s. Evolution 3.1).
Der Evolutionstheorie werden gelegentlich die Ansichten des Kreationismus
(„Schöpfungslehre“) gegenübergestellt. Danach entstand das Leben durch einen
einmaligen Schöpfungsakt. Die Lebewesen seien in der jetzt bekannten Vielfalt
geschaffen worden und hätten sich nicht aus einer- gemeinsamer Urform mit
zunehmender Komplexität entwickelt. Viele Lebewesen seien seit der Schöpfung
ausgestorben. Ferner bestünden Erde und Lebewesen erst seit einigen Zehntausend
und nicht schon seit Milliarden Jahren. Der Kreationismus nimmt daher auch an,
dass Mutation und Selektion nur Variationen innerhalb der Artgrenzen erzeugen
können, nicht aber neue Arten und zunehmend kompliziertere Lebensformen.
Diese Ansichten gehen auf eine wörtliche Interpretation des biblischen
Schöpfungsberichtes zurück. Dieser besteht seinerseits aus zwei nicht
identischen Darstellungen (Genesis 1 und Genesis 2, Vers 4ff.). Er wurde in
einer Form verfasst, die dem Weltbild der vorderasiatischen Kulturen vor mehr
als 2500 Jahren entsprach. Er hat nicht den Stellenwert eines Modells, sondern
ist ein Glaubenszeugnis, das den ganz anderen Aspekt einer Gewissheit
gleichnishaft beschreibt.
Der Kreationismus erkennt die im Vorstehenden dargestellten Grundprinzipien der
Naturwissenschaften nicht an und kann daher keine naturwissenschaftlichen
Hypothesen liefern. Nimmt man eine Schöpfung im Sinne des Kreationismus an, so
ist daraus keine falsifizierbare Hypothese abzuleiten; daher ist diese Ansicht
wissenschaftlich leer. Der Erklärungs- und Voraussagewert kreationistischer
Ansichten ist viel geringer als jener der Evolutionstheorie. Daher wäre nach
dem heutigen Stand der Wissenschaft die Evolutionstheorie auch dann überlegen,
wenn es sich beim Kreationismus um eine wissenschaftliche Hypothese handelte.
Die Evolutionstheorie kann zu folgenden Fragen führen:
·
Was ist der Sinn
der Evolution?
·
Warum hat die
Evolution zum Menschen geführt, einem Wesen mit Geist, d.h. mit der Fähigkeit
zum Nachdenken und vernünftigen Handeln?
·
Was steckt
hinter dem, was die Naturwissenschaft als „Zufall“ beschreibt?
Die Fragen sind mit den
Mitteln der Naturwissenschaft unlösbar. Antworten darauf sind dem persönlichen
Glauben überlassen. Für einen christlichen Naturwissenschaftler ist nach KEPLER
die Naturwissenschaft eine Methode, um einige der göttlichen Schöpfungsgedanken
zu erkennen. DARWIN drückte es so aus: „Es ist wahrlich etwas Erhabenes um die
Auffassung, dass der Schöpfer den Keim allen Lebens, das uns umgibt, nur
wenigen oder gar nur einer einzigen Form eingehaucht hat und dass, während sich
unsere Erde nach den Gesetzen der Schwerkraft im Kreise bewegt, aus einem so
schlichten Anfang eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen
entstand und noch weiter entsteht.“
3.2 Soziobiologie und Weltbild
Viele Verhaltensweisen
des Menschen haben eine erbliche Grundlage. Daher gibt es Grenzen der
Anpassungsfähigkeit des menschlichen Verhaltens, so wie es auch Grenzen der
Lernfähigkeit gibt (s. Exkurs Soziobiologie und menschliches Verhalten, S.509).
Deshalb kann die Verhaltensforschung über die Grenzen der Belastbarkeit des
Menschen Aussagen treffen, z. B. im Hinblick auf Verhaltensaspekte, und so
Grenzen sinnvoller Forderungen abstecken (s. Evolution 2.5). Der Mensch
benötigt z. B. einen Individualraum; wird ihm dieser über längere Zeit
verweigert, so führt dies zu psychischen Schäden. Der Mensch ist allerdings
auch in der Lage, entgegen biologischen Anlagen zu handeln; er kann z. B. in
den Hungerstreik treten. Die Ursache wird darin gesehen, dass der Mensch einen
freien Willen besitzt. Die Willensfreiheit ist ein Begriff, der aus der
subjektiven Sicht der Welt des Individuums stammt, ähnlich wie Gefühle (s.
Neurobiologie 5.5). In der „objektiven“ Beschreibung der Welt kommt er nicht
vor. Um die Freiheitserfahrungen des Einzelnen mit dem Kausalprinzip in
Einklang zu bringen, bedarf es philosophischer Überlegungen wie z.B. von
SPINOZA oder KANT. Die Soziobiologie als biologische Disziplin kennt die Willensfreiheit
nicht. Willensfreiheit und Sinn des Seins vermag die Biologie nicht zu deuten.
Aus dem Wissen um diese Grenze erwächst die Haltung, die in dem Wort GOETHES
zum Ausdruck kommt: „Das schönste Glücke des Menschen ist, das Erforschliche
erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.“
4 Biologie und Ethik
Die Ethik befasst sich
mit der Begründung von Regeln, die einer Gruppe von Menschen oder sogar der
ganzen Menschheit als Richtschnur des Zusammenlebens dienen. Ein System solcher
Regeln, die das Handeln gegen über sich selbst, den Mitmenschen oder der Natur
als gut oder schlecht bewerten, z. B. die zehn Gebote, bezeichnet man als
Moral. Danach gelten bestimmte Handlungen als gut, z.B. Helfen, andere als
schlecht, z.B. Lügen. Die Tätigkeit von Biologen unterliegt ebenfalls der
moralischen Bewertung. Wissenschaftler untersuchen die Natur als neutrale
Beobachter; ihre Ergebnisse werden in erster Linie danach beurteilt, ob sie dem
Erkenntnisfortschritt dienen, d. h. ob sie richtig oder falsch sind
(wissenschaftliche Bewertung). Ihre Arbeiten können aber auch das allgemeine
Wohl fördern, indem sie z. B. Wege zur Verringerung des Treibhauseffektes, zum
Artenschutz oder zur Heilung von Krankheiten aufzeigen. Umgekehrt kann mit
Forschungsergebnissen auch Unheil angerichtet werden. Zur Beantwortung der
Frage: „Wie sollen wir handeln?“ ist es vorteilhaft, grundlegende Regeln
(Prinzipien) anzugeben, die als Richtschnur für den Einzelfall dienen können.
Je nach Art dieser Regeln unterscheidet man verschiedene moralische Ansichten.
Das Prinzip „Verhelfe
möglichst vielen Menschen zum größtmöglichen Glück“ (Nützlichkeitsprinzip) wird
als utilitaristisches Prinzip bezeichnet. Danach wird der Wert einer Handlung
an der Qualität der Folgen bemessen. Überwiegen die Folgen, die das Wohlergehen
Vieler fördern, so gilt die Handlung als „moralisch richtig“. Allerdings erhebt
sich die Frage, was „Wohlergehen“ ist. Dazu bedarf es zusätzlich einer
Hierarchiebildung der Werte. Ohne solche kann nicht entschieden werden, ob z.
B. freie Fahrt auf der Autobahn dem allgemeinen Wohl besser dient als ein
geringerer Kohlenstoffdioxid-Ausstoß bei Geschwindigkeitsbeschränkung. Die
Hierarchisierung von Werten ist gesellschaftsabhängig, sie erfolgt immer wieder
neu. Über allgemeine Ziele besteht allerdings weitgehend Konsens. Dazu gehören
der Schutz der Biosphäre, die Erhaltung der Lebensgrundlagen des Menschen sowie
die Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens, das mehr ist als die nackte
Existenz. Jedoch wird die Frage, mit welchen Mitteln diese Ziele erreicht
werden, kontrovers diskutiert. Eine andere Grundregel, von der ausgegangen
werden kann, ist das kategorische Prinzip (KANT): „Handle stets so, dass deine
Prinzipien Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnten und dass du
Menschen, auch dich selbst, stets zugleich als Zweck und niemals nur als Mittel
brauchst.“
Es besteht weitgehend
Einigkeit, dass dieses Prinzip ein notwendiges Kriterium moralisch richtigen
Handelns ist, aber es ist fraglich, ob es ausreicht, das Richtige zu erkennen.
Das Problem der Wert-Hierarchisierung entsteht hier ebenso.
Zusätzlich gibt es
unterschiedliche ethische Grundeinstellungen der Menschen. Für
gesellschaftliche Aspekte ist eine Zweiteilung ausreichend (M. WEBER):
1.
Vorhersehbare Folgen
einer Handlung sind abzuschätzen und zu verantworten. Konkrete
Handlungsanweisungen stehen im Zusammenhang mit der Erfahrung und sind
veränderbar (Verantwortungsethik).
2.
Entscheidend
sind ethische Prinzipien, die nach ihrer Akzeptanz nicht hinterfragt werden
müssen. Verantwortung besteht allein vor dem Gewissen, das diese Prinzipien für
sich erkannt hat (Gesinnungsethik).
Als ein solches
Leitprinzip kann z. B. festgelegt werden, dass diejenigen Handlungen moralisch
richtig sind, die dem Menschen als Person gerecht werden (personalistische
Ethik). Jede Person besitzt einen absoluten Wert (Würde des Menschen) und
genießt daher unbedingten Schutz; deshalb ist das Leben des Menschen
unantastbar. Wird dieses Prinzip zur alleinigen Grundlage des Handelns gemacht,
so wird z. B. eine Analyse von Genen als Entscheidungsgrundlage für oder gegen
einen Schwangerschaftsabbruch abgelehnt. Mögliche Folgen einer Disposition für
eine Erbkkrankheit bleiben unberücksichtigt; es zählt nur der hohe Wert des
menschlichen Lebens von Anfang an. Die Unterschiede in der Argumentation können
zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. So werden Experimente mit menschlichen
Embryonen aus personalistischer Sicht abgelehnt, aus verantwortungsethischer
z.T. jedoch befürwortet, und zwar aus Gründen des medizinischen Fortschritts.
Moralische Probleme können also mehrere richtige Lösungen haben, die mit KANTS
Grundprinzip im Einklang stehen. Im Falle des Experimentierens mit Embryonen
gab die erste Argumentation für den Gesetzgeber in Deutschland den Ausschlag.
Er verbot das Experimentieren. Für den Gesetzgeber in Großbritannien, der es
nicht verbot, war die letztere Argumentation entscheidend. Gesinnungsethisch,
aber nicht personalistisch, ist die Auffassung, dass Tierexperimente grundsätzlich
verboten werden sollten. Es gibt gute Gründe, Experimente mit Tieren auf das
notwendige Maß zu beschränken und ihnen vermeidbare Schmerzen zu ersparen.
Jedoch muss vermieden werden, ganze Bereiche der medizinischen Forschung zu
hemmen, was schwerwiegende Folgen für Leben und Gesundheit des Menschen hätte.
Die Biologie kann bei der Diskussion moralischer Probleme nur darlegen, was aus
naturwissenschaftlicher Sicht der Fall ist. Die
Begründung von Normen ist
Sache der Ethik.
·
S.541
(Glossar)
Kreationismus (lat. Creatio
Schöpfung):
Annahme, dass die einzelnen Arten getrennt erschaffen worden seien und eine
Evolution nicht stattgefunden habe; kann keine naturwissenschaftlichen
Hypothesen liefern und ist daher wissenschaftlich leer.
·
SCHULBUCH-PROJEKT
„Wenn es in der Schule
um Schöpfung, Evolution und Urknall geht …“ -
Naturwissenschaft in der Begegnung mit philosophischen und religiösen Fragen -
In welcher Weise nehmen in Sachsen zugelassene Lehrbücher für die Fächer
Biologie, Physik, Astronomie und Religion solche Grenzfragen auf?
(Schönberger Blätter Heft 30, 2009)
Zitatensammlung
Lehrbücher Fächer Physik und Astronomie
P) Physik und
Astronomie
PA) Physik bis Klasse
10
·
P4 DUDEN /
PAETEC; Physik, Gymnasium 10, Sachsen, Duden Paetec, Berlin, 2007
·
P6 SCHROEDEL;
Erlebnis Physik 3, Sachsen, Bildungshaus, Braunschweig 2006
PB) Physik Gymnasium bis Klasse 12
·
P11 CORNELSEN;
Physik Oberstufe, Ausgabe E, Cornelsen, Berlin, 2001
·
P14 SCHROEDEL;
Dorn / Bader: Physik Sek II; Schroedel, Hannover, 2000
PC) Astronomie
·
P21 PAETEC;
Astronomie, Gymnasiale Oberstufe, Paetec, Berlin 2001
·
P22 CORNELSEN /
VOLK UND WISSEN; Astronomie plus, Cornelsen, Berlin 2005
·
P23 PAETEC;
Dieter B. Herrmann; Faszinierende Astronomie; Paetec, Berlin, 2000
P) Physik und Astronomie
PA) Physik bis Klasse 10
P1 CORNELSEN / VOLK UND WISSEN;
Physik plus Gymnasium 10, Sachsen, Cornelsen, Berlin, 2006
P2 CORNELSEN / VOLK UND WISSEN;
Physik Mittelschule 9/10, Sachsen, Cornelsen, Berlin, 2006
P3 DUDEN / PAETEC; Physik Sek I, Duden
Paetec, Berlin, 2005
P4
DUDEN / PAETEC; Physik, Gymnasium 10, Sachsen, Duden Paetec, Berlin, 2007
·
S.74
Fast 1500 Jahre lang hielten die meisten Gelehrten das geozentrische Weltbild
für die richtige Beschreibung des Alls. Erst Anfang des 16. Jahrhunderts zog
NIKOLAUS KOPERNIKUS in Betracht, dass sich die Erde um die Sonne bewegen
könnte. …
KOPERNIKUS hielt noch an der alten Vorstellung der Kreisbahnen fest. Deshalb
waren die von ihm berechneten Positionen der Planeten nicht genauer als
diejenigen, welche man im geozentrischen Weltbild ermittelt hatte …
·
S.75
Die Menschheit benötigte über 100 Jahre, um sich vom geozentrischen Weltbild zu
lösen. Die vermeintliche Mittelpunktstellung der Erde war mit vielen religiösen
und philosophischen Vorstellungen verknüpft, von denen man sich nicht trennen
wollte. …
·
S.80f.
Die Entstehung unserer Welt
Den Forschungszweig der Astronomie, der sich mit dem Weltall in seiner
Gesamtheit beschäftigt, nennt man Kosmologie.
Die Kosmologie kann sich auf die Erfahrung stützen, dass die bisherige Suche
nach einem Mittelpunkt des Weltalls erfolglos verlaufen ist. Da sich dieser
Mittelpunkt weder in der Erde noch in der Sonne oder dem Zentrum der Galaxis
befindet, kann man davon ausgehen, dass es ihn gar nicht gibt. Diese Erfahrung
fasst man im sogenannten kosmologischen
Prinzip zusammen:
Im Kosmos gibt es keinen besonders ausgezeichneten Punkt.
Das kosmologische Prinzip hat weitreichende Konsequenzen. Es bedeutet z. B
auch, dass überall im All unter gleichen Bedingungen die gleichen
physikalischen Gesetze gelten. Wäre dies an irgendeinem Ort nicht so, dann
würde dieser Ort – in Widerspruch zum kosmologischen Prinzip - besonders
ausgezeichnet sein.
Unser Universum kann nicht seit unendlich langer Zeit existieren.
Beispielsweise wären dann alle Sterne schon längst erloschen. Es kann auch
nicht mit Galaxien erfüllt sein, die reglos seit unendlichen Zeiten an ihrem
Ort verharren.
Schon längst hätte die Gravitationskraft diese Galaxien zu einer riesigen
Materieansammlung zusammengeballt. Aus solchen Überlegungen folgt, dass sich
unser Universum beständig entwickeln und verändern muss. …
Gegenwärtig geht man davon aus, dass das Weltall vor etwa 17 Milliarden Jahren
in einer gewaltigen Explosion, dem Urknall,
auch Big Bang genannt, geboren
wurde. Seither strebt unser Kosmos, gemeinsam mit der in ihm befindlichen
Materie, auseinander …
Die Theorien, in denen diese Prozesse beschrieben werden, nennt man Urknalltheorien …
Trotz aller Erfolge der modernen Kosmologie sind aber noch viele Fragen zu den
Frühphasen und zur Zukunft unserer Welt ungeklärt.
P5 KLETT; Impulse Physik, B Teil 1,
Klett, Stuttgart, 2000
P6
SCHROEDEL; Erlebnis Physik 3, Sachsen, Bildungshaus, Braunschweig 2006
·
S.77
Mit der Eigenrotation der Erde konnte KOPERNIKUS den täglichen Verlauf der
Sonne und der Sterne am Himmel erklären. Nach seinem Entdecker wird dieses
Weltbild auch als kopernikanisches Weltbild bezeichnet.
Das heliozentrische Weltbild wies zwar bei Berechnungen weniger Unstimmigkeiten
als das geozentrische Weltbild auf, die Abweichungen waren für KOPERNIKUS aber
noch zu groß. Er befürchtete auch eine Auseinandersetzung mit der Kirche, da
sein Weltbild deren Lehren widersprach. Aus diesen Gründen veröffentlichte er
seine Ergebnisse erst kurz vor seinem Tode.
·
S.110
5.2 Die Entstehung des Weltalls
Die bekannteste Theorie, die die Entstehung des Weltalls beschreibt, ist
die Urknalltheorie, der Big Bang (englisch: großer Knall). Der Begriff
stammt von einem Kritiker der Theorie und sollte sie ins Lächerliche ziehen.
Vor dem Urknall gab es weder Zeit noch Raum. Mit der Theorie vom Urknall wird
die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit beschrieben. Dabei war der
Urknall keine Explosion, bei der Materie in den Raum geschleudert wurde.
Erstmals veröffentlicht wurde die Theorie 1927 von GEORGES LEMAITRE
(1894-1966). Zuvor hatte EDWIN HUBBLE (1889-1953) bewiesen, dass der
Andromedanebel außerhalb der Milchstraße liegt.
Die Drei-Kelvin-Strahlung und die Expansion des Weltalls sind die
beweiskräftigsten Argumente für die Theorie des Urknalls. Da aber niemand genau
weiß, was vor 20 Milliarden Jahren
wirklich geschah, wurden im Laufe derzeit auch noch andere
Entstehungstheorien entwickelt.
Eine der bekanntesten ist die 1948 vorgestelIte Steady-State-Theorie.
Diese Gleichgewichtstheorie wurde von den Astronomen FRED HOYLE (1915-2001),
HERMANN BONDI (1919-2005) und THOMAS GOLD (1920-2004) entwickelt. Nach dieser
Theorie hat das expandierende Weltall immer die gleiche Materiedichte. Die
Kernidee besteht darin, dass das Weltall zu allen Zeiten gleich aussah. Die
dafür notwendige ständige Neubildung von Materie konnte bisher jedoch nicht nachgewiesen
werden. Die Drei-Kelvin-Strahlung kann mit dieser Theorie nicht erklärt werden.
Das ist das wichtigste Gegenargument.
P7 SCHROEDEL; Erlebnis Physik 4, Sachsen,
Bildungshaus, Braunschweig, 2007
P8 WESTERMANN; Kuhn: Physik 1.1,
Braunschweig, 2002
PB) Physik Gymnasium bis Klasse 12
P11
CORNELSEN; Physik Oberstufe, Busgabe E, Cornelsen, Berlin, 2001
·
S.124ff.
Die klassische Mechanik ist berechenbar
Wenn man ein Fadenpendel ein bisschen auslenkt und es dann sich selbst
überlässt, bietet es kaum Überraschungen: Es schwingt mit abnehmender Amplitude
hin und her, bis es aufgrund der Reibung im tiefsten Punkt zur Ruhe kommt. Bei
etwas stärkerer Auslenkung wird fast das Gleiche geschehen; es wird nur etwas
länger pendeln.
Auch wenn zwei Steine mit geringfügig unterschiedlichen
Anfangsgeschwindigkeiten losgeworfen werden, treffen sie fast an der gleichen
Stelle auf.
Für diese Beispiele und für die physikalischen Probleme, mit denen wir uns
bisher befasst haben, gilt der Grundsatz: Ähnliche
Ursachen haben auch ähnliche Wirkungen.
Dieser Grundsatz stellt eine Voraussetzung für physikalisches Experimentieren
dar, denn ein Experiment liefert nur dann zuverlässige Ergebnisse, wenn es
überprüfbar ist, d.h., wenn es bei wiederholter Durchführung unter möglichst
gleichen Bedingungen auch fast die gleichen Resultate liefert.
Mit der Grundgleichung der Mechanik kann man das Verhalten eines Pendels für
beliebige Zeiten oder die Wurfbahn eines Steins berechnen. Mit Computerhilfe
lässt sich auch die Luftreibung problemlos berücksichtigen.
Die Hypothese, dass man das zukünftige Verhalten physikalischer Systeme in alle
Ewigkeit vorausberechnen kann, führte den französischen Philosophen Pierre
Simon Laplace 1814 zur Vision eines Wesens (Dämons), das die Entwicklung der
Welt berechnen kann. Diese deterministische Überzeugung liegt bis heute dem
Glauben an die grenzenlosen Möglichkeiten der Wissenschaft und Technik
zugrunde. Das Bemühen, durch immer genauere Kenntnis von Temperatur,
Luftfeuchtigkeit und Windverhältnissen und durch immer größere Computer zu
einer zuverlässigen Wettervorhersage zu gelangen, ist ebenso Ausdruck dieser
Überzeugung wie die Versuche, umweltbedingte Einflüsse auf unser Ökosystem im
Voraus genau zu berechnen.
Chaotische Pendel – unberechenbare
Schwingungen
Das Magnetpendel zeigt ein Verhalten, das nur in gewissen Bereichen
vorhersehbar ist …
Es wird praktisch unmöglich, mehrmals die gleiche Bahn zu erzeugen …
Winzige Einflüsse wie etwa die Gravitationskraft, die der Körper des
Beobachters auf die Pendelmasse ausübt, reichen vielleicht schon aus, um das
Pendel zu einem anderen Magneten zu lenken …
Diesen Sachverhalt bezeichnet man in der Physik als Sensitivität gegenüber den Anfangsbedingungen.
Nur wenn man die Anfangsbedingungen sensitiver Systeme mit absoluter
Genauigkeit kennen würde, wäre ihr Verhalten theoretisch genau vorhersagbar.
Eine absolute Genauigkeit kann es aber nicht geben. Denn selbst die Unschärfe
eines Atomdurchmessers würde nicht ausreichen, weil sich die ursprüngliche
Unschärfe im Lauf der Zeit verstärkt.
Die Sensitivität des Systems macht es unmöglich, die Bahn des Magnetpendels im
Realfall zu berechnen … Abgesehen vom Messproblem und den unüberschaubaren
äußeren Einflüssen kann auch der leistungsfähigste Computer nicht mit unendlich
langen Dezimalbrüchen rechnen. Je nach Art der Rundung ergeben sich
unterschiedliche Resultate. Paradoxerweise enthüllt also gerade die
Computeranalyse, dass der Berechenbarkeit der Welt prinzipielle Grenzen gesetzt
sind. …
Sensitivität gegenüber den Anfangsbedingungen ist bei vielen natürlichen,
technischen und kulturellen Prozessen eher die Regel als die Ausnahme …
Auch komplexe ökologische Systeme durchlaufen labile Gleichgewichtslagen und
können auf winzige Störungen völlig unvorhersehbar reagieren …
·
S.126
Zitat J. C. Maxwell (1831-1879):
“Es ist eine metaphysische Doktrin, dass gleiche Ursachen gleiche Wirkungen
nach sich zögen. Niemand kann sie bestreiten. Ihr Nutzen ist aber gering in
einer Welt wie dieser, in der gleiche Ursachen nie wiederkehren und nichts zum
zweiten Mal geschieht. Das daran angelehnte physikalische Axiom lautet:
Ähnliche Ursachen haben ähnliche Wirkungen. Dabei sind wir aber von der
Gleichheit übergegangen zur Ähnlichkeit, von absoluter Genauigkeit zu mehr oder
weniger grober Annäherung.“
P12 DUDEN / PAETEC; Physik
Gymnasiale Oberstufe, Berlin, 2005
P13 METZLER; Grehn, J. / Krause, J.
(Hrsg.): Physik, Schroedel Verlag, Hannover, 1998
·
S.10
Während Ägypter und Babylonier aber noch ein mythisch verklärtes Verhältnis zur
Natur besaßen und in ihr das (unerklärliche) Walten von Gottheiten sahen,
fragten die Griechen als Erste nach dem Grund für die Erscheinungen Und nach
Zusammenhängen. Ihre entscheidende Erkenntnis war, dass die Welt verstanden werden kann und der Ablauf des
Naturgeschehens sich erklären und begründen lässt. Antrieb waren für sie
die Neugier und das unermüdliche Bestreben, die Gesetze der Natur
herauszufinden – eine Grundeinstellung, die für den Naturwissenschaftler bis
auf den heutigen Tag gilt. Mit den Griechen beginnt daher das wissenschaftliche
Denken. …
Das 19. Jahrhundert mit seinen Erfolgen in Wissenschaft und Technik wähnte sich
auf dem Gipfel und als Endpunkt der Entwicklung. So riet man dem jungen MAX
PLANCK (1874) auf der Universität dringend vom Studium der Physik ab: Das
Wesentliche sei erforscht. …
·
S.11
Die Physik bildet ein geschlossenes und weit reichendes Erklärungssystem für
einen Teil unserer Welt.
Das Universum und das Atom, die klassischen und die modernen Gebiete der Physik
werden von einheitlichen Begriffsbildungen und von gleichen Gesetzmäßigkeiten
erfasst. Die moderne Physik, insbesondere die Quantenmechanik, hat neue
Denkformen geschaffen, die weit über die Physik hinausreichen.
Die Methode der Physik ist prinzipiell von hoher Bedeutung und beispielhaft für
die Frage, wie der Mensch die „Wirklichkeit" erforschen und erkennen kann.
Die moderne Erkenntnistheorie und wichtige Fragen der Philosophie lassen sich
ohne Kenntnis der heutigen Physik nicht verstehen.
Was also ist Physik?
Eine exakte Begriffsbestimmung dessen, was Physik ist, ist nicht einfach zu
formulieren. In dieser Einleitung wurden einige Aspekte aufgezeigt, die zur
Beantwortung dieser Frage erörtert werden müssten.
Einige werden in diesem Buch weitergeführt; für andere Fragestellungen wird der
konkrete Unterricht Antworten versuchen. Dennoch soll hier am Ende dieser
kurzen Betrachtung über die Physik eine Definition gewagt werden:
Die Physik erforscht mit experimentellen und theoretischen Methoden die messend
erfassbaren und mathematisch beschreibbaren Erscheinungen und Vorgänge in der
Natur, insbesondere die Zustände und Zustandsänderungen der (unbelebten)
Materie sowie die Bewegungen und die Wechselwirkungen ihrer Bausteine, ohne
dabei auf stoffliche Veränderungen dieser Materie einzugehen.
·
S.104
Geschichte der Mechanik und die
klassische Physik; Kausalität und Determinismus
… Der Name Physik (von physis, die Natur) stammt von ARISTOTELES (384-322 v.
Chr.). ARCHIMEDES von Syrakus (287-212 v.Chr.) formulierte die Gesetze von
Hebel und schiefer Ebene, konstruierte den Flaschenzug und entdeckte das nach
ihm benannte archimedische (hydrostatische) Prinzip. Er begründete die Statik,
zu der bis zur Renaissance nichts Bemerkenswertes hinzukam. In ihrer
Naturphilosophie versuchten die Griechen zu einer einheitlichen Welterklärung
zu kommen. Das Entwerfen mathematischer Theorien, um physikalische Vorgänge zu
deuten oder vorherzusagen, war der Antike jedoch genauso fremd wie der Wille,
die Natur technisch zu beherrschen.
GALILEI (1564-1642) ist der Begründer
der modernen Naturwissenschaft. Die naturwissenschaftliche
Methode, die er begründete, lässt sich folgendermaßen formulieren:
1. Der Naturvorgang, der - so GALILEI - nur beschrieben (und nicht mehr im
Sinne der Antike erklärt) werden kann, wird aus seinem natürlichen Zusammenhang
gelöst und von allen störenden Umständen getrennt betrachtet.
2. Es werden Vermutungen, Hypothesen,
über den Vorgang aufgestellt und mathematisch formuliert, wobei das Prinzip
möglichst großer Einfachheit gilt.
3. Die Hypothesen werden im Experiment überprüft, und zwar so, dass diese
Überprüfung von jedermann wiederholt und nachvollzogen werden kann. …
NEWTON (1643-1727) griff GALILEIS Ideen auf und erhob die Mechanik in den Rang
einer exakten Wissenschaft. In seinem Hauptwerk „Philosophiae naturalis
principia mathematica" („Mathematische Prinzipien der Naturlehre")
entwickelte er aus den Newton'schen Axiomen (à 1.2.4 und 1.2.6) die Gesetze der Mechanik. Die
Newton'sche Physik gründete auf der Annahme eines absoluten Raumes, auf den
sich alle Vorgänge beziehen ließen, und einer absoluten Zeit, die für alle
Vorgänge gleich dahinfließt. Diese Vorstellungen blieben - ungeprüft -
bestimmend bis in unser Jahrhundert hinein, bis EINSTEIN (1879-1955) die Relativität
von Raum und Zeit erkannte (à Kap.9). …
In der Newton'schen Mechanik werden alle physikalischer Erscheinungen auf die
Bewegung von materiellen Teilchen zurückgeführt, die durch ihre gegenseitige
Anziehung aufgrund der Gravitationskraft verursacht wird. Beschrieben werden
die Bewegungen durch die Newton'schen Bewegungsgleichungen, die aus dem
Grundgesetz der Mechanik entwickelt sind, und die die Grundlage der klassischen
Mechanik bilden.
Im achtzehnten und zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Newton´sche
Mechanik durch die Weiterentwicklung der Differential- und Integralrechnung,
die NEWTON begründet hatte, vervollständigt und zu einem geschlossenen
Gedankengebäude ausgebaut. Die Newton'sche Mechanik war in der Lage, die
Bewegung der Planeten, des Mondes, der Kometen, den Wechsel der Gezeiten und
viele mit der Gravitationskraft zusammenhängende Phänomene zu erklären. Sie
erklärte ebenso die Bewegung der Flüssigkeiten und die Schwingungen elastischer
Körper. Schließlich konnten sogar Teile der Wärmelehre auf die Mechanik
zurückgeführt werden: Innere Energie wurde als Bewegung der Moleküle
verstanden. Erscheinungen wie das Verdampfen einer Flüssigkeit oder die
Temperatur bzw. der Druck eines Gases lassen sich in der kinetischen Gastheorie
mit rein mechanischen Gesetzen beschreiben (à Kap. 4).
Die Newton'sche Mechanik mit ihren großen Erfolgen in der Erklärung von
Naturvorgängen wurde zum Vorbild jeder wissenschaftlichen Theorie. Bis weit ins
neunzehnte Jahrhundert hinein glaubte man einen Vorgang erst dann verstanden zu
haben, wenn man ihn mit den Gesetzen der Mechanik erklären konnte. So hat z.B.
MAXWELL (1831-1879), der die Elektrodynamik theoretisch begründete (à Kap. 6), noch vergeblich versucht, seine auch heute
noch gültige Theorie auf ein mechanisch erklärbares Modell zurückzuführen.
Die Entwicklung der Elektrizitätslehre und der Optik am Ende des neunzehnten
Jahrhunderts führte so zwar schon über die eigentliche Mechanik hinaus, aber
auch diese beiden Gebiete waren von den gleichen Grundprinzipien geprägt wie
die Newton'sche Mechanik. So stellte sich an der Schwelle zum zwanzigsten
Jahrhundert die Physik, aufbauend auf den Ideen NEWTONS, mit den Teilgebieten
Mechanik, Wärmelehre, Elektrizitätslehre und Optik als ein geschlossenes
wissenschaftliches Gebäude dar, das als klassische
Physik bezeichnet wird und das auch heute noch den Grundstock jeder
Beschäftigung mit der Physik (wie auch hier in diesem Buch mit den Kapiteln 1
bis 7) bildet. Relativitätstheorie und Quantentheorie sind die beiden Gebiete,
mit denen die moderne Physik (in diesem Buch behandelt in Kap. 9 bis 15) über
die klassische Physik hinausgeht.
Das Weltbild der klassischen Physik
Das Weltbild der klassischen Physik, das in der Beherrschung des Denkens weit
über die Fachwissenschaft Physik hinausreichte, beruht auf dreierlei: auf dem
Prinzip der Kausalität, auf dem mit ihm verbundenen Prinzip des Determinismus
und auf dem Prinzip der Objektivierbarkeit.
Die klassische Physik sagt: Alles Geschehen läuft nach dem Kausalitätsprinzip
ab, d.h. unter gleichen Umständen führen die Naturgesetze zu gleichen
Ergebnissen. Genauer formuliert man das so:
Kausalitätsprinzip: Das Ergebnis
bzw. der Zustand A, als Ursache bezeichnet, bringt unter bestimmten Bedingungen
ein bestimmtes Ergebnis bzw. einen bestimmten Zustand B, als Wirkung
bezeichnet, mit Notwendigkeit hervor, wobei die Ursache A der Wirkung B
zeitlich vorausgeht und die Wirkung B niemals eintritt, ohne dass die Ursache A
vorher bestanden hat. Das (physikalische) Ereignis bzw. der (physikalische)
Zustand B folge nach dem Kausalitätsprinzip auf das (physikalische) Ereignis
bzw. den (physikalischen) Zustand A, heißt also mit anderen Worten, dass man
mithilfe der Naturgesetze aus der vollständigen Beschreibung des Ereignisses
bzw. des Zustandes A das Ereignis bzw. den Zustand B logisch ableiten oder
umgekehrt aus dem Vorliegen vom Ereignis bzw. Zustand B das Ereignis bzw. den
Zustand A als zeitlich vorausgegangen betrachten darf.
Dieses Denken in Kausalzusammenhängen, das der klassischen Physik zugrunde
liegt, entspricht weitgehend der täglichen Erfahrung: keine Wirkung ohne
Ursache.
Das Weltbild der klassischen Physik war ein mechanistisches Weltbild, in dem
nichts ohne Ursache geschah und in dem infolgedessen jedes Geschehen unabänderlich
ablief. Das Kausalitätsprinzip der klassischen Physik ist daher mit dem Prinzip
des Determinismus eng verknüpft.
Prinzip des Determinismus: Alles
Geschehen in der Welt ist durch (kausale) Gesetzmäßigkeiten in seinem Verlauf
unabänderlich bestimmt.
Der Determinismus behauptet also, dass man aus einer vollständigen Beschreibung
des gesamten Zustandes der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt allein mithilfe
der Naturgesetze jedes Ereignis oder jeden Zustand der Welt in der
Vergangenheit oder in der Zukunft logisch herleiten kann. Der französische
Mathematiker LAPLACE (1749-1827) hat dem Determinismus mit dem Bild vom
Laplace'schen Dämon den klassischen Ausdruck gegeben: „Wenn der Zustand der
Welt bei ihrer Erschaffung einem unendlich begabten und unendlich fleißigen
Mathematiker bis in alle Einzelheiten dargelegt worden wäre, so müsste ein
solches Wesen imstande sein, daraus die ganze folgende Weitgeschichte
abzuleiten. Für ihn würde es keine Unsicherheit geben und Zukunft sowohl wie
Vergangenheit wären seinen Augen allgegenwärtig."
Die klassische Physik geht schließlich aus von dem Prinzip der
Objektivierbarkeit.
Prinzip der Objektivierbarkeit: Der
beobachtete Naturvorgang läuft unabhängig und unbeeinflusst vom Beobachter ab.
Das Naturgeschehen ist objektivierbar, es lässt sich unabhängig vom Beobachter
objektiv beschreiben.
Diese drei Prinzipien der klassischen Physik hat die moderne Physik infrage
gestellt oder - wie das Prinzip des Determinismus - zu Fall gebracht. Nach
herrschender Meinung lässt sich aus der Quantentheorie folgern, dass man auch
bei genauer Kenntnis des Zustandes A den Zustand B nicht in jedem Falle
voraussagen kann.
Zum einen gilt nach dieser Meinung nicht das Prinzip der Objektivierbarkeit:
Bei mikrophysikalischen Prozessen beeinflusst der Beobachter den beobachteten
Vorgang.
Zum anderen sind viele Gesetze der Physik rein stochastischer Natur. Ein
Beispiel: Zwar lässt sich stets angeben, wie viele Atome einer radioaktiven
Substanz im nächsten Zeitabschnitt zerfallen; es lässt sich aber nicht
voraussagen, ob dies für ein bestimmtes Atom zutrifft oder nicht.
Damit wird auch der Determinismus verworfen. Denn wenn das Kausalitätsprinzip
nicht mehr gilt, kann auch ein Zustand aus dem anderen nicht mehr berechnet
werden.
·
S.333
(das deterministische Chaos)
Die Experimente zeigen, dass es physikalische Vorgänge gibt, die sich nicht
mehr so zuverlässig vorhersagen lassen wie die bisher betrachteten. Oft handelt
es sich um Systeme, die sich unter bestimmten Bedingungen regelmäßig verhalten,
deren Verhalten bei geringfügigen Abänderungen der Versuchsanordnung aber
unvorhersagbar wird. Während sich bei „normalen“ Systemen kleine Änderungen zu
Beginn auch nur in kleinen Änderungen des Endzustandes bemerkbar machen (starke Kausalität), wirken sich bei
diesen Systemen kleinste Unterschiede der Anfangsbedingungen und winzige, nicht
direkt sichtbare Störungen schon sehr stark auf das weitere Verhalten der
Systeme aus (schwache Kausalität).
Früher glaubte man, dass dieses Verhalten auf sehr komplizierte Bewegungen
vieler, miteinander wechselwirkender Teilchen beschränkt sei. Mit steigender
Genauigkeit der Rechnungen und der Messungen, so war man überzeugt, würden sich
auch diese Vorgänge zufrieden stellend berechnen lassen. In den letzten 30
Jahren zeigte sich aber, dass selbst sehr einfache mechanische Systeme dieses
komplizierte Verhalten zeigen können. Obwohl das Verhalten solcher
„chaotischen“ Systeme prinzipiell nach
den Methoden der klassischen Physik vorhersagbar (determiniert) ist, lässt sich
ihr Verhalten praktisch nicht
vorhersagen. Solche Vorgänge sehen ungeordnet und regellos, „zufällig“ aus. Man
pricht daher vom deterministischen Chaos.
·
S.341
(Chaos und Fraktale)
Wahrscheinlich ist die uns umgebende Natur deshalb so vielgestaltig, weil in
ihr an vielen, oft noch gar nicht erkannten Stellen das Chaos am Werk ist. …
·
S.398
Interpretationsprobleme der
Quantenphysik
Klassische Physik – Quantenphysik
Die klassische Physik ist die im makroskopischen Bereich geltende Physik der
Newton´schen Mechanik und der Maxwell´schen Elektrodynamik, die Physik des
strengen Determinismus, in der es möglich ist, aus der Kenntnis aller Größen,
die den Zustand eines Systems beschreiben, mithilfe der bekannten
Gesetzmäßigkeiten den zukünftigen Zustand im Prinzip exakt zu berechnen(à 2.4).
Praktische Schwierigkeiten bereiten lediglich die Messungenauigkeiten, die im
Bereich der klassischen Physik mit entsprechendem Aufwand stets zu verringern
sind.
Die Quantenphysik hat gezeigt, dass im mikroskopischen Bereich anderes gilt:
1. Für die Messgrößen eines Zustands von Quantenobjekten gibt es eine
grundsätzliche Grenze, die durch die Heisenberg'sche Unschärferelation
beschrieben wird.
Diese Grenze ergibt sich nicht aufgrund von Unzulänglichkeiten der angewendeten
Messverfahren, sondern sie folgt aus den Eigenschaften der Quantenobjekte
selbst.
2. Jeder Messprozess im Bereich der Quantenphysik stellt einen Eingriff dar,
der das weitere Verhalten des Messobjekts entscheidend beeinflusst, sodass
einem Quantenobjekt stets nur die Eigenschaft zugeordnet werden kann, die
gerade gemessen wurde, und man nicht davon ausgehen kann, dass andere, nicht
gemessene Eigenschaften vorhanden sind.
3. Eine strenge Determiniertheit wie in der klassischen Physik ist
dementsprechend in der Quantenphysik nicht vorhanden. Jedoch gestattet die
Ψ-Funktion eine Wahrscheinlichkeitsaussage über das Eintreten eines
Ereignisses, z.B. über den Nachweis eines Quantenobjektes in einem Raumelement,
zu machen, sodass in diesem Sinne ein Determinismus vorhanden ist.
·
S.548
15.1.4 Die Expansion des Universums
... ein stabiles und damit stationäres Universum sollte es nach EINSTEINS
Gravitationstheorie jedoch nicht geben. FRIEDMANNS Erkenntnis von einem
instabilen Kosmos blieb zunächst unbeachtet, bis der belgische Abbe George
LEMAITRE das Problem aufgriff und, gestützt auf HUBBLES Beobachtung, die
Vorstellung von einem expandierenden Universum entwickelte, das in einer großen
Explosion, dem so genannten Urknall, seinen Anfang nahm. Nach dieser heute
allgemein akzeptierten Theorie ...
·
S.564
15.3 Die Entwicklung des Universums
… Hier die wesentlichen Aussagen des Standardmodells:
Am Anfang waren die grundlegenden Wechselwirkungen - die starke, die
elektromagnetische, die schwache und die Gravitationswechselwirkung -
vereinigt; da es hierfür noch keine Theorie gibt, kann man diesen Zustand nicht
beschreiben.
Nach 10-43 s wurde die Gravitation entkoppelt: Die übrigen
drei Kräfte blieben vereinigt und werden heute mit den großen vereinheitlichten
Theorien GUTs (Great Unified Theories) beschrieben. Während dieser Phase, in
der die Temperatur anfangs 1032 K betrug, waren Quarks und Leptonen
ununterscheidbar. Es bildete sich - aus noch nicht endgültig geklärten Gründen
– ein geringfügiger Unterschied von Quarks gegenüber Antiquarks: (1 Mrd. + 1)
Quarks zu 1 Mrd. Antiquarks. Die geringe Differenz konnte im Folgenden nicht
zerstrahlen und bildet die heutige Materie.
·
S.566ff.
16 Physik und Wissenschaftstheorie
Wie zuverlässig ist wissenschaftliche Erkenntnis? Wie steht es um die
Begründung von Naturgesetzen? Was ist physikalische Wirklichkeit? Welche
Konzepte hat die Philosophie über die physikalische Erkenntnismöglichkeit
entwickelt?
Am Schluss dieses Buches sollen in aller Kürze und daher natürlich nur sehr
unvollständig einige dieser Fragen angesprochen werden. Die folgenden
Betrachtungen werden die in den vorhergehenden Kapiteln dargestellten
Sachverhalte unter philosophischen Gesichtspunkten problematisieren. Die dafür
zuständige Disziplin ist die Wissenschaftstheorie, ein Teilgebiet der
Philosophie, die ihre Prägung von Philosophen wie von Naturwissenschaftlern
erfahren hat.
Behandelt werden sollen zwei Komplexe: zum einen die Entwicklung einer
physikalischen Theorie und zum anderen einige Hauptströmungen der
Wissenschaftstheorie, soweit sie sich mit der Physik zugewandten
Fragestellungen beschäftigen.
16.1 Theorie; Hypothese; Gesetz; Modell
Die Physik ist eine theoriegeleitete experimentelle Wissenschaft. Experimente
werden erst durch Theorien möglich. Experimente können aber auch über Theorien
entscheiden. Im Experiment stellt der Physiker eine gezielte Frage an die
„Natur" oder an die „Wirklichkeit", was immer auch darunter zu verstehen
ist. Ein Experiment ist nicht nur bloße Beobachtung allein, wie sie etwa der
Biologe vielfach zum Ausgangspunkt seiner Wissenschaft nimmt. Experimente
„vereinfachen" die vorhandene „Natur" in bestimmter Weise und zielen
bewusst nur auf einen Ausschnitt der „Wirklichkeit" ab. Insofern haftet
ihnen etwas Theoretisches an.
+ Das Experiment ist eine im Rahmen einer Theorie geplante Beobachtung,
die unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen durchgeführt wird.
Das entscheidende Kriterium für ein Experiment und das mit ihm neu gefundene
Phänomen ist deren Reproduzierbarkeit. Das Experiment muss so
beschrieben sein, dass es auch an anderer Stelle wiederholt, reproduziert,
werdet kann. Seine Durchführung muss kontrollierbar sein.
Die Ergebnisse eines Experiments werden in so genannten Protokoll- oder
Basissätzen festgehalten. Ein Basissatz drückt entweder ein erhaltenes oder
ein zu erwartendes Messergebnis in der Sprache der Physik aus, wie wir es in
vielen Beispielen in diesem Buch kennen gelernt haben. Dabei gehen bei einem
Versuch z. B. nicht etwa die Zeigerausschläge in die Beschreibung des
Ergebnisses ein, sondern es werden Messgrößen - z. B. Stromstärke und Zeit -
registriert. Insofern drücken die Basissätze keineswegs bloße Wahrnehmungen aus,
sondern haben Theoriegehalt.
Ohne physikalische Begriffsbildung kann weder ein Versuch geplant (Was will man
messen?) noch können seine Ergebnisse (Was wurde gemessen?) festgehalten
werden.
Ebenso liegen der Verwendung der Geräte, mit denen das Experiment durchgeführt
wird, schon theoretische Betrachtungen zugrunde - etwa über das Funktionieren
eines Strommessgerätes oder eines Mikroskops. Beide Instrumente sind aufgrund
einer schon vorhandenen Theorie (Elektrizitätslehre bzw. Optik) konstruiert und
verstehbar.
+ Experimente und ihre in Basissätzen formulierten Ergebnisse sind nicht
voraussetzungslos zu gewinnen, sondern setzen bereits physikalische
Theorienbildung voraus.
Die Formulierung eines Gesetzes, z.B. des Fallgesetzes, aus den Basissätzen
(Wertetabellen) geht natürlich nicht ohne Festsetzungen und Entscheidungen vor
sich.
Wenn man z. B. beim freien Fall die Messwerte, die im Experiment gewonnen sind,
mit der Funktion s = g/2 x t2 zusammenfasst, trifft man eine solche
Entscheidung, bei der so genannte Prinzipien, Leitlinien, ohne Begründung
angewendet werden, wie z.B. hier das Prinzip der Einfachheit. Denn keiner
Wertetabelle mit der unvermeidlichen Streuung ihrer Werte ist direkt zu
entnehmen, dass die genannte quadratische Funktion den Messwerten zugrunde
liegt. Ohne solche Leitlinien, ohne solche Entscheidungen und Festsetzungen
lassen sich keine Gesetze als Ergebnisse von Messungen formulieren. Dennoch
haben wir die Intuition, dass die mathematische Formulierung des Fallgesetzes
mit s = g/2 x t2 die physikalische „Wirklichkeit“ wiedergibt.
+ Die Gesetze der Physik sind keine vordergründigen Beschreibungen von
Vorgängen. Aus Basissätzen gewonnen sind sie durch allgemeine Festsetzungen und
Entscheidungen mitbestimmt, die nicht aus dem Experiment entnommen werden
können.
Im Vorgehen der heutigen Wissenschaft wird noch ein Weiteres offenbar, das mit
der Vorstellung von einem objektiven, d. h. vom Menschen unabhängigen
Erkenntnisprozess schwer zu vereinbaren ist. Das zeigt besonders der
Experimentierbetrieb in den Großforschungslaboratorien mit seinen immer neuen
Entdeckungen über Elementarteilchen:
Die Übernahme einer Entdeckung als gültiges Gesetz setzt voraus, dass die
Gruppe der damit in aller Welt beschäftigter Physiker das veröffentlichte Ergebnis
als neues Phänomen anerkennt, akzeptiert. Erst die allgemeine Akzeptanz macht
den wissenschaftlichen Fortschritt aus. In der heutigen Forschung gibt es
manche Beispiele, wie (richtige) Entdeckungen zumindestens bis zu einer
späteren Neuentdeckung in diesem Sinne für die Wissenschaft nicht existent und
vergessen waren, bis es doch noch gelang, eine Generation von Forschern von
ihrer Richtigkeit zu überzeugen.
+ Die Aufnahme von neuen Phänomenen als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis
setzt neben ihrer Reproduzierbarkeit auch die Akzeptanz durch die
Forschergemeinschaft voraus.
Wie gewiss ist nun ein physikalisches Gesetz? Sofort einsehbar ist, dass keine
noch so große Zahl von Experimenten ein Gesetz „beweisen“ kann. Dies ist das
berühmte Induktionsproblem (à 16.2): Gesetze
werden als Allsätze formuliert, sie sollen immer und überall gelten. Gewonnen
werden sie aber nur aus einer endlichen Anzahl von Experimenten. Nach den
Gesetzen der Logik ist der Schluss von endlich vielen Fällen auf die allgemeine
Gesetzmäßigkeit nicht möglich. Allgemein gilt heute die Auffassung:
+ Naturgesetze bleiben hypothetisch. Man muss jederzeit mit einer Revision des
Wissens rechnen.
Dabei kann nach dieser heute allgemein vorherrschenden Auffassung ein
Naturgesetz nicht bewiesen, sondern nur falsifiziert werden. Nach POPPER (à 16.2) ist Falsifikation die einzig
logisch anzuerkennende Möglichkeit, nach der ein gefundenes Gesetz so lange
gültig bleibt, wie kein Gegenbeispiel gefunden ist.
Dennoch setzt man allgemein auf seine Gültigkeit: Die Allgemeinheit oder
Universalität physikalischer Erfahrung wird über die Einzelerfahrung hinaus
dadurch gewonnen, dass die Vorschriften zur Gewinnung dieser Erfahrung immer
wieder von neuem befolgt werden können - und nur darin liegt ihre verlässliche
Gesetzmäßigkeit.
+ Gesetze und Theorien, die in vielfältigen Experimenten bestätigt wurden,
gelten so lange als richtig, wie sie nicht falsifiziert sind.
Experimente und die daraus gewonnenen Gesetze sind Grundlage für die
Neuentwicklung einer physikalischen Theorie.
+ Eine Theorie ist eine systematisch geordnete, strukturierte, in sich
widerspruchsfreie Zusammenfassung von zumeist gesetzesartigen Aussagen über
einen bestimmten Gegenstandsbereich. Das Ideal einer Theorie ist ein System von
axiomatisch formulierten Aussagen, aus denen sich die Gesetzmäßigkeiten über
den betreffenden Gegenstandsbereich deduktiv herleiten lassen.
Beispiele für Theorien sind die Newton'sche Mechanik, zusammengefasst in den
Newton'schen Axiomen, oder die Thermodynamik, deren theoretischer Kern die
beiden Hauptsätze der Wärmelehre sind, oder die Maxwell´sche Elektrodynamik,
das Paradebeispiel einer axiomatisch beschriebenen Theorie; denn aus den
Maxwell´schen Gleichungen lassen sich die wesentlichen Gesetze der
Elektrodynamik herleiten, wie sie z.B. in den Kapiteln 5, 6 und 7 dieses Buches
aufgeführt sind.
Die Theorienbildung ist im ersten Stadium hypothetisch. Eine Theorie wird als Hypothese,
als Vermutung eingeführt. Man kann sie prüfen und untersuchen, ob aus ihr dann
einerseits schon bekannte „wahre" Sachverhalte, Tatsachen erklärbar,
nämlich als Folgerung dieser Hypothese ableitbar sind. Die Theorie wird
umgekehrt aber auch als Hypothese überprüft, indem untersucht wird, wie
unabhängig von der Theorie gewonnene Ergebnisse über den gleichen
Erfahrungsbereich mit ihren Sätzen vereinbar sind. Darin wird die
wechselseitige Beziehung zwischen Theorie und Experiment (oder Basissätzen)
deutlich.
+ Physikalische Erkenntnis entsteht aus dem Wechselspiel zwischen Theorie und
Experiment.
In der Physik werden Theorien aus Denkvorstellungen, so genannten Modellen
entwickelt, deren Eigenschaften einer genauen mathematischen Analyse zugänglich
sind. Die oben angeführten Beispiele sind solche Modelle.
Wir haben viele andere Modellbildungen kennen gelernt:
Je nach dem Sachverhalt, der untersucht werden soll, zieht man ein mehr oder
weniger umfangreiches Modell heran. So beschreibt man den freien Fall am
einfachsten mit dem Modell des Massenpunktes; sobald der Luftwiderstand
berücksichtigt werden soll, zieht man statt des Massenpunktes das Modell des
starren Körpers heran; das Auftreffen auf eine elastische Fläche würde man mit
dem Modell des deformierbaren Körpers untersuchen.
Das Modell des Wasserstoffatoms ist ein anderes Beispiel, bei dem nicht nur der
Gesichtspunkt der Vereinfachung, sondern auch der der Anschaulichkeit von
Sachverhalten eine Rolle spielt. Das Bohr'sche Atommodell ist zwar durch die
Quantenmechanik überholt; dennoch gestattet es, bestimmte Sachverhalte wie z.
B. die Spektrallinien des Wasserstoffatoms richtig herzuleiten.
Modelle stellt man aus Gründen der Vereinfachung auf (bei Interferenz und
Beugung lässt man im Wellenmodell die Polarisation weg) oder zur didaktischen
Veranschaulichung Bohr'sches Atommodell als ein auf klassischen Vorstellungen
beruhendes Bild für anschaulich nicht zugängliche Phänomene) oder als
Analogiebetrachtung (Strom von Ladungen - Wasserströme).
Der Physiker Heinrich HERTZ hat den Modellbegriff in der Sprache seiner Zeit
(Ende des 19. Jahrhunderts) formuliert:
„Wir machen uns innere Scheinbilder oder Symbole der äußeren Gegenstände, und
zwar machen wir sie von solcher Art, dass die denknotwendigen Folgen der Bilder
stets wieder Bilder seien von den Folgen der abgebildeten Gegenstände."
+ Modelle sind Vorstellungshilfen, sie sind Wirklichkeitskonstruktionen, die
eine Theorie exakt erfüllen. Diese Wirklichkeitskonstruktionen sind aber nicht
die Wirklichkeit selbst.
Wir fassen zusammen:
1. Naturwissenschaftliche Erkenntnis beruht auf dem Wechselspiel von Theorie
und Experiment.
2. Naturgesetze können nicht im Sinne der Mathematik bewiesen werden.
3. Die Modelle der Wissenschaft sind in keiner Weise als Abbildungen der
Realität aufzufassen. Ein Modell dient zur Beschränkung der Untersuchung auf
jeweils als wesentlich betrachtete Phänomene.
4. Bei der Formulierung neuer Naturgesetze aufgrund neuer experimenteller
Ergebnisse und neuer theoretischer Einsichten spielt die Konsensbildung
innerhalb der Physikergemeinschaft eine wesentliche Rolle.
Die in Lehrbüchern - wie auch in diesem Buch - übliche Beschreibung der Physik
kann das Ausmaß der Verknüpfung der miteinander in Wechselwirkung stehenden
Modelle, Ideen, Theorien, Experimente, mathematischen Verfahren, Instrumente,
Materialien usw., die den Erkenntnisumfang dieser Wissenschaft ausmachen, nur
unzulänglich und bruchstückhaft wiedergeben. Unser Vertrauen in bestimmte
Gesetzmäßigkeiten beruht auf einer Vielzahl miteinander verknüpfter Fakten und
Vorstellungen, die hinter jeder Aussage stehen.
16.2 Philosophische Strömungen der Erkenntnisgewinnung
Nach einer weit verbreiteten, naiven Meinung liefern unsere Sinnesempfindungen
ein zutreffendes Bild der „Außenwelt"; Erkenntnis ist demnach die
Abbildung einer irgendwie gegebenen „Realität".
Der wissenschaftliche Realismus, zu dem sich wohl spontan viele Wissenschaftler
bekennen dürften, besagt, dass die von richtigen Theorien beschriebenen
Gegenstände, Zustände, Vorgänge wirklich existieren. Protonen, Photonen,
Kraftfelder, schwarze Löcher sind ebenso real wie Lebewesen, Maschinen,
Vulkane. Die Tatsache, dass die Messung der Lichtgeschwindigkeit aus
voneinander unabhängigen Beobachtungen und Versuchen zum gleichen Ergebnis
führt oder dass mehrere Versuche aus verschiedenen Gebieten zu demselben Wert
der Avogadro'schen Zahl kommen, stützen diese vordergründige Ansicht.
Bei näherer Nachfrage jedoch wird sich heute wohl die Mehrheit der Forschenden
zu der folgenden – vereinfacht formulierten - Analyse als wesentlichem Element
der naturwissenschaftlichen Forschung verstehen: „Die Physik gelangt zu einer
Beschreibung der Wirklichkeit, indem sie darauf verzichtet, das Wesen der
Wirklichkeit zu erforschen.“ Die Quantenmechanik bietet dafür hinreichende
Anhaltspunkte. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass es namhafte
Forscherpersönlichkeiten gibt und gab wie EINSTEIN, der sich bis an sein
Lebensende nicht mit einer antirealistischen Ansicht über die Welt anfreunden
konnte.
Die Wissenschaftstheorie als Teilgebiet der Philosophie beschäftigt sich in der
Auseinandersetzung über diese Fragen mit den Erkenntnisprinzipien und Methoden
vornehmlich der exakten Wissenschaften. Logischer Positivismus, Kritischer
Rationalismus und einige Weiterentwicklungen umreißen Hauptströmungen in der
Wissenschaftstheorie des 20. Jahrhunderts.
Mit Logischem Positivismus wird eine sich in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts entwickelnde Richtung naturwissenschaftlich orientierter
Wissenschaftstheorie bezeichnet, als dessen Hauptvertreter der
deutsch-amerikanische Philosoph Rudolf CARNAP (1891-1970) gilt. Sie baut auf
einer Weiterentwicklung des Empirismus auf, jener alten philosophischen
Grundüberzeugung, die die generelle und ausschließliche Abhängigkeit allen
Wissens von der Erfahrung und von nichts anderem als von dieser behauptet.
Das Wort logisch drückt aus, dass neben der Beschränkung auf die Erfahrung, der
Empirie, nur die Schlüsse gelten sollen, die sich bei Anwendung der Logik auf
die Sätze der empirischen Wissenschaft ergeben.
Nichts außer dem Beobachtbaren könne als etwas Reales erkannt werden. Es gibt
weder Elektronen noch sonst irgendwelche theoretischen Entitäten
(Seinsgegenstände). Die Positivisten neigen zum Nichtrealismus, und zwar nicht
nur deshalb, weil sie die Realität auf das Beobachtbare beschränken, sondern
auch deshalb, weil sie metaphysische Überlegungen wie die Annahme einer
Kausalität oder die Richtigkeit von Erklärungen für überflüssig und falsch
halten.
Die Positivisten, deren Tradition auf David HUMES „A Treatise of Human
Nature" (1793) zurückreicht, vertreten die metaphysikfeindliche These:
Nicht prüfbare Sätze, nicht wahrnehmbare Entitäten, Kausalität, tiefe
Erklärungen - dies alles gehört zur Metaphysik, d.h. zur philosophischen Lehre
von dem hinter der sinnlich-erfahrbaren, natürlichen Welt Liegenden. Und das
alles, so meinen die Positivisten, muss man hinter sich lassen.
Die positivistischen Grundüberzeugungen sind:
1. Pro Beobachtung: Die beste Grundlage für alle unsere nicht mathematischen
Kenntnisse liefert das, was wir sehen, fühlen, berühren usw. können.
2. Pro Verifikation: Sinnvoll sind diejenigen Sätze, deren Wahrheit oder
Falschheit mithilfe eines bestimmten logischen Verfahrens aus der Wahrheit oder
Falschheit von Beobachtungen abgeleitet wird.
3. Kontra Kausalität: Außer der Beständigkeit, mit welcher Ereignisse der einen
Art auf Ereignisse der anderen Art folgen, gibt es in der Natur keine
Kausalität.
4. Kontra Erklärungen: Erklärungen geben keine tieferen Antworten über die
„Natur", die wir sowieso nicht erkennen, sondern tragen nur dazu bei, die
Phänomene gedanklich in eine gewisse Ordnung zu bringen.
5. Kontra theoretische Entitäten: Es gibt hinter den Beobachtungen keine
Seinsgegenstände wie Elektronen, Felder usw.
Der Positivist ist davon überzeugt, zu positiver Erkenntnis, d.h. zu
beweisbarem Wissen fähig zu sein. Es gibt etwas Gegebenes, die Tatsachen, die
in den so genannten Protokollsätzen festgehalten werden können. Die
Protokollsätze des Positivisten sind einzelne Aussagen über Sinneseindrücke,
gewonnen aus Beobachtungen in Experimenten. Sie werden als theorieunabhängig
angesehen, weil aus ihnen erst durch logische Verknüpfungen Theorien gefunden
werden sollen.
Der Schwierigkeit, die darin liegt, die Augemeingültigkeit der Naturgesetze nur
an einer begrenzten Anzahl von Experimenten überprüfen zu können - der
induktive Schluss ist kein logischer Schluss -, begegnet der Logische
Positivismus durch eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung. Dazu hat CARNAP den
induktiven Bestätigungsgrad eingeführt, der als eine analytische Beziehung
zwischen der zu bestätigenden Hypothese und der Zahl der positiven
Anwendungsfälle bestimmbar sein sollte. Das für den Logischen Positivismus
charakteristische Verifikationsprinzip besagt, dass in der Aussage eines
Naturgesetzes eine eindeutige Prüfmethode beschrieben sein muss. Nicht
verifizierbare Aussagen sind weder wahr noch falsch, sondern sinnlos.
Diejenigen Hypothesen also, die prinzipiell keine empirischen Anwendungsfälle
haben können, werden als unwissenschaftlich verworfen, abgesehen von den so
genannten analytischen Aussagen der Logik und Mathematik.
Aus der Auseinandersetzung mit dem Logischen Positivismus, vor allem mit seinem
Induktionsproblem „Wie folgen aus einer beschränkten Anzahl von Beobachtungen
allgemeine Sätze?" entwickelte der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker
Karl Raimund POPPER (1904-1994) eine Gegenposition, die die Philosophie der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusste.
Der Kritische Rationalismus nach POPPER vertrat als wichtigsten
Unterschied zum Logischen Empirismus nach CARNAP die Überzeugung, ein
induktives Vorgehen in den Naturwissenschaften für unbegründbar zu halten und
stattdessen ein deduktives Vorgehen im Rahmen eines „Falsifikationismus"
als adäquate Beschreibung der Naturwissenschaften zu behaupten.
Danach formulierten Naturwissenschaftler allgemeine Hypothesen, die sie einer
Bewährungsprobe durch Widerlegungsversuche unterwarfen. Die Gültigkeit
naturwissenschaftlicher Theorien sei nicht mehr als eine Bewährtheit relativ zu
erfolglos verlaufenen, empirischen Widerlegungsversuchen. Und die Abgrenzung
der naturwissenschaftlichen Aussagen von den metaphysischen und spekulativen
Aussagen liege darin, dass für naturwissenschaftliche Aussagen prinzipiell
Falsifizierbarkeit bestünde, d. h. wissenschaftliche Aussagen (außer den
logisch-mathematischen) sollten an Erfahrungen scheitern können.
Der Erfolg POPPERS ist eindrucksvoll darin zu sehen, dass nicht nur viele
Naturwissenschaftler ihr eigenes Selbstverständnis in seiner Wissenschaftstheorie
angemessen ausgedrückt finden; die Philosophie des Kritischen Rationalismus hat
auch wegweisend gewirkt, das (vermeintliche) Vorbild der erfolgreichen
Naturwissenschaften auf Disziplinen wie Psychologie, Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften und andere zu übertragen.
Dem Kritischen Rationalismus zufolge kann die Wahrheit allgemeiner Aussagen
über die Wirklichkeit nur in solchen Sätzen enthalten sein, die sich empirisch
überprüfen lassen.
Einzelne Aussagen über sinnliche Wahrnehmungen können nur die Falschheit
allgemeiner empirischer Aussagen erweisen, sie beweisen nicht deren Wahrheit.
Aus diesen beiden - metaphysisch gefassten – Sätzen des Kritischen
Rationalismus ergibt sich POPPERS Abgrenzungskriterium, das
Falsifizierbarkeitskriterium: Theorien werden nur dann als wissenschaftlich
angesehen, wenn sie die Möglichkeit empirischer Überprüfung zulassen.
Der Kritische Rationalismus akzeptiert die Unmöglichkeit eines direkten Zugangs
zur gegebenen Realität; insofern berücksichtigt er die Kant´sche Kritik, mit
der dieser auf den Anspruch verzichtete, das Wesen der Dinge erkennen zu
können. Dennoch gilt der naturwissenschaftliche Fortschritt nach POPPERS
Überzeugung als ständige und stetige Verbesserung und Erweiterung eines
„Bildes" der Realität.
Die Wissenschaftstheorie der mathematischen Naturwissenschaft hatte sich in den
Traditionen des Logischen Empirismus und des Kritischen Rationalismus zu einer
Spezialdisziplin entwickelt, die - häufig in einer Darstellung mit einem
gewaltigen Formelaufwand - in ihrer letzten Form eine rein strukturalistische
Wissenschaftstheorie geworden war („strukturalistisch'' heißt, dass nur noch
die formalen Strukturen von Theorien gesucht und diskutiert werden).
In dieser Situation war dem Buch „Die Struktur wissenschaftlicher
Revolutionen" des amerikanischen Wissenschaftshistorikers und
Wissenschaftstheoretikers Thomas S. KUHN (1922-1996), in dem die Kuhn'sche
Paradigmentheorie begründet wurde, ein überwältigender Erfolg beschieden:
Dem Popper'schen Gedanken einer kumulativen (anhäufenden) Vermehrung
naturwissenschaftlichen Wissens durch Erhöhung des Falsifizierbarkeitsgrades
ihrer Theorien wurde eine Auffassung vom Paradigmenwechsel gegenübergestellt:
KUHN hatte mit Verweis auf viele wissenschaftshistorische Beispiele aus Astronomie, Physik und Chemie
ins Bewusstsein gehoben, dass Wissenschaft von Menschen unter historischen
Bedingungen betrieben wird. Danach vollzieht sich Wissenschaft insgesamt oder
die eines Teilgebietes nach einem Paradigma, einem Denkmuster, das das wissenschaftliche
Weltbild einer Zeit prägt. Unter der Vorherrschaft einer solchen
Grundüberzeugung entwickelt sich eine bestimmte Wissenschaftsauffassung, die
richtig oder falsch sein kann, vor der aber ihr entgegenstehende Ansätze keine
Aussicht auf Anerkennung finden, bis die Generation von Forschern mit dieser
Überzeugung ausstirbt und eine gänzlich andere wissenschaftliche Auffassung
sich durchsetzt. Die Geschichte der Wissenschaft ist damit eine Folge von Paradigmenwechseln.
Ein berühmter Paradigmenwechsel ist die Ablösung des ptolemäischen Systeme
durch die kopernikanische Astronomie. Im ptolemäischen System, jahrhundertelang
erfolgreich in der Voraussage der Positionen von Fixsternen und Planeten,
suchte man die immer stärker auftretenden Unstimmigkeiten zwischen Theorie und
Beobachtung durch immer weiter gehende Verfeinerungen zu beheben, bis die
kopernikanische Revolution zu einer neuen, einfacheren Theorie führte, in der
sich bisher offene Fragen beantworten ließen.
KUHNS großes Verdienst besteht zweifellos darin, die Wissenschaftstheorie der
Naturwissenschaften aus einer einseitigen Berücksichtigung rational-logischer
Begründung herausgeführt und stattdessen auf die historische und soziologische
Bedingtheit, unter der Forschung vonstatten geht, hingewiesen zu haben. Gegen
seine Ansicht, die zu einer gewissen Relativierung naturwissenschaftlicher Erkenntnis führte,
dass nämlich mit einem Paradigmenwechsel nicht unbedingt wissenschaftlicher
Fortschritt verbunden sei, sondern nur aus einer anderen Sicht ein
Gegenstandsbereich neu erfasst würde, wird man allerdings kritisch einwenden
müssen, dass das technische Fundament der naturwissenschaftlichen Forschung und
Beobachtungskunst einen eigenständigen, kumulativen Zuwachs an technischem
Handlungswissen durchläuft und damit zu einem stetigen Fortschritt in den
Wissenschaften führt.
In den letzten Jahrzehnten mehren sich die Ansätze von
Wissenschaftstheoretikern, die stärker auf diese historische und kulturelle
Gebundenheit der Wissenschaft hinweisen. Die Naturwissenschaften beziehen ihre
Gegenstände und Denkvoraussetzungen eben nicht nur aus rein wissenschaftlichen
Bereichen, sondern ebenso aus vor- und außerwissenschaftlichen Erfahrungen.
Die Wissenschaft und ihre Resultate, seien sie als technisches Verfügungswissen
oder als theoretisches Erklärungs- und Prognosewissen gefasst, sind Teil der
Kultur und somit beeinflusst durch ihren jeweiligen historischen Zustand. Die
Wissenschaften verlangen als Kulturleistungen daher auch wegen ihrer
Orientierung auf Zwecke hin nach einer moralischen und politischen Legitimation
dessen, was sie in ihren Anwendungen bewirken.
P14
SCHROEDEL; Dorn / Bader: Physik Sek II; Schroedel, Hannover, 2000
·
S.126
Vom Mythos zur Wissenschaft
Die Grundvorstellung der griechischen Kosmologie war folgende: Die Erde ruht im
Zentrum der Welt und von hier aus steigt man auf zu immer höheren Sphären, bis
man die Fixsternsphäre, als oberste und vollkommenste, erreicht. Diese Sphären
in Kugelform wurden als ideale Gestalten mit vollendeter Symmetrie betrachtet.
Aufgabe der Himmelsmechanik war es, die Bewegung der Gestirne auf gleichmäßige
Kreisbewegungen zurückzuführen. Um die Bewegung der Sonne, des Mondes, der
Planeten und der Fixsterne durch Bewegung auf Kreisen zu beschreiben, brauchte
EUDOXOS, ein Schüler PLATOS, allerdings schon 27 ineinander gelagerte
Hohlkugeln. …
Die Himmelsmechanik war aber streng getrennt von der irdischen Mechanik. Man
sagte: Während am Himmel immer die gleichen, vollkommenen Kreisbewegungen
stattfinden, beschrieben durch die Mechanik, gelten auf der Erde keine
mathematischen Gesetze. Hier herrschen Werden und Vergehen, Geburt und Tod. …
Die kopernikanische Wende
NIKOLAUS KOPERNIKUS (1473-1543), Domherr von Frauenburg in Ostpreußen, gab in
seinem berühmten Werk De revolutionibus
orbium coelestium (Über die Umdrehung der Himmelskreise) den geozentrischen
Standpunkt auf. Er beließ aber noch die Kreisbahnen. Sein heliozentrischer
Standpunkt war für die meisten Gelehrten und Theologen unannehmbar. Sie hielten
seine Schrift nur für eine Neuauflage
der Hypothesen, wie die des Aristarch von
Samos (280 v.Chr.). …
Doch die Einwendungen gegen KOPERNIKUS waren groß und scheinbar berechtigt. Ein
Gegenargument des genauen Beobachters Tycho BRAHE war: Wenn die Erde um die
Sonne läuft, so müssen wir die Fixsterne im Abstand von einem halben Jahr von
zwei weit entfernten Stellungen gegeneinander verschoben sehen. Diese Parallaxe konnte jedoch wegen der
großen Entfernung der Fixsterne erst im 19. Jahrhundert gemessen werden. Zu
Zeiten von KOPERNIKUS aber fand man keine Fixsternparallaxe und hielt das
heliozentrische Weltbild damit für widerlegt. Ohne Fernrohr waren damals keine
genaueren Beobachtungen möglich …
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S.127
GALILEI sucht Beweise mit dem Fernrohr
… Mit seinem Fernrohr sah er, dass der Planet Jupiter von Monden umkreist wird,
also ein Planetensystem im Kleinen darstellt. ARISTOTELES lehrte dagegen, dass
etwas Bewegtes nicht selbst Zentrum von Bewegtem sein kann. Das Fernrohr zeigte
GALILEI auch die Gebirge des Mondes. Dieser hat nicht die vollkommene
Kugelgestalt, wie die Lehre des Aristoteles es verlangt. Mit diesen Argumenten
und Beweisen trat er öffentlich in der Sprache des Volkes gegen das von der
Kirche anerkannte ptolemäisch-aristotelische Weltbild auf. GALILEI wurde der
Ketzerei angeklagt und in Haft genommen. Er musste sich zum Widerruf der
kopernikanischen Lehre verpflichten und erhielt Schreibverbot. Wie KOPERNIKUS
hielt aber GALILEI noch an der Kreisbahn für die Planetenbewegung fest.
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S.127
Unregelmäßigkeiten, die man bei der Bewegung von Saturn schon zu NEWTONS Zeiten
fand, ließen Zweifel an der Stabilität des Sonnensystems aufkommen. Man fragte
sich, ob nicht Gott von Zeit zu Zeit eingreifen müsse, um sein Werk wieder in
Ordnung zu bringen. Der große französische Mathematiker LAPLACE konnte nach
(heute nicht mehr als gültig anerkannten) Rechnungen seinem Kaiser Napoleon auf
dessen Frage, ob Gott von Zeit zu Zeit eingreifen müsse, treuherzig antworten:
„Sire, wir brauchen diese Hypothese nicht.“
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S.292
Deterministisches Chaos
… Da man mit linearen Gesetzen einfach rechnen kann, beschränkte man sich lange
darauf in Physik und Technik; man nahm das Chaos nicht wahr …
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S.294
Im Chaos liefern Rechner mit anderen Rundungsregeln andere Ergebnisse …
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S.424
Modelle in der Physik
Die Gesetze der Quantenphysik sind heute unbestritten. Doch werfen sie
philosophisch geprägte Deutungsfragen auf. Was bedeutet z.B. das Symbol Y ? Schon H. HERTZ sagte: „Wir machen uns
innere Scheinbilder oder Symbole der äußeren Gegenstände so, dass die
denknotwendigen Folgen der Bilder stets wieder Bilder seien von den
naturnotwendigen Folgen der abgebildeten Gegenstände."
Uns liegen die anschaulichen Bilder Welle und Teilchen näher als das Y. Sie sind zwar unvereinbar, scheinen sich
aber bei Quanten zu ergänzen. N. BOHR bezeichnete sie als komplementär. Sein
Komplementaritätsprinzip bezieht man heute aber nicht mehr auf diese Bilder,
sondern auf unvereinbare Experimente.
So gibt es beim Knallertest Interferenz, wenn der Weg des Quants nicht
erfahrbar ist; sie entfällt aber, wenn man ihn in Erfahrung bringen kann. Dies
wird - obwohl klassisch unverständlich - mit Y-Zeigern richtig beschrieben.
Y-Zeiger sind Symbole, von klassischen
Vorstellungen unbelastete Hilfsmittel. Sie stellen nichts Reales dar, so wenig
wie Feldlinien; sie rotieren nur in unseren Köpfen und auf dem Bildschirm.
Deshalb können wir damit das Verhalten der Quantenobjekte widerspruchsfrei
beschreiben; Modellballast ist abgeworfen. Weil aber das IYI2 als
Antreffwahrscheinlichkeit messbar ist, sind die so gewonnenen Ergebnisse
korrekte, kontrollierbare Physik. Dass dies funktioniert, ist nicht
selbstverständlich. EINSTEIN sagte bisweilen: „Raffiniert ist der Herrgott,
boshaft aber ist er nicht".
Das Formale und Abstrakte am Y, am Hilfsmittel
rotierende Zeiger, lässt erkennen, dass den logischen Fähigkeiten des Menschen
auch unanschauliche Bereiche zugänglich sind. Damit reichen sie viel weiter als
die auf unsere Umwelt beschränkte Anschauung. Mit der Quantenphysik bekommen
wir nicht nur tiefe Einblicke in die Natur, sondern auch in unsere eigenen
geistigen Fähigkeiten. Wir erkennen dabei Grenzen und zugleich
grenzüberschreitende Möglichkeiten. Wer trotzdem versucht. Quantenphänomene mit
gegenständlichen Bildern zu verstehen, wird der Natur nicht gerecht. Zudem
verschenkt er viel von den weitreichenden logischen, mit abstrakten Symbolen
arbeitenden Fähigkeiten des Menschen. Sie sind ein wichtiger Teil menschlicher
Kulturleistung, deren Faszination sich kein denkender Mensch entziehen sollte.
Hier liegt eine wichtige Bedeutung moderner Physik für Philosophie und Kultur.
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S.432
Vertiefung
Was heißt „unbestimmt“?
Die Unbestimmtheitsrelation beseitigt die Begriffe Ort und Impuls an sich
nicht; sie beschränkt nur ihren gemeinsamen Gebrauch.
HEISENBERG sagt: „Ein über diese Relation hinausgehender, genauerer Gebrauch
der Wörter Ort und Geschwindigkeit ist ebenso sinnlos wie die Anwendung von
Wörtern, deren Sinn nicht definiert ist.“ Deshalb darf man nicht sagen, das
einzelne Quantenobjekt habe objektiv
gesehen im Unbestimmtheitsbereich einen bestimmten Ort x, den wir subjektiv gesehen nicht genau kennen … “Unbestimmt“ geht eben viel
weiter als „unbekannt“; es betrifft die Nichtobjektivierbarkeit
der Quanten …
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S.434
Interessantes
Akausale Physik im Mikrokosmos
Der Franzose P. LAPLACE beschrieb 1850 die kausale, streng berechenbare
(deterministische) Physik angesichts der Erfolge der newtonschen Mechanik in
der grandiosen Vision des Laplace-Dämons: „Wir müssen den jetzigen Zustand des
Weltalls als Wirkung eines früheren und als Ursache des folgenden betrachten.
Ein Dämon möge alle Kräfte der Natur sowie die Lage und die Geschwindigkeit
aller Teilchen, aus denen die Natur besteht, in einem bestimmten Augenblick
kennen. Könnte er zudem all diese Daten einer Rechnung zugrunde legen, so wäre
er fähig, die Bewegung der größten Körper des Weltalls und die der kleinsten
Atome vorherzusagen. Für ihn wäre nichts unbestimmt, Zukunft und Vergangenheit
lägen offen vor ihm". Nach der Unbestimmtheitsrelation Dx Dpx » h sind jedoch im Mikrokosmos Ort und
Geschwindigkeit nicht mehr zugleich scharf bestimmt. Sie entzieht die
Voraussetzung für strenge Vorausberechenbarkeit. EINSTEIN konnte sich mit einer
im Prinzip akausalen Natur lange nicht abfinden. Er suchte in zahlreichen
Gedankenversuchen die akausale Quantentheorie gegen die streng deterministische
klassische Physik und deren Krönung, die Relativitätstheorie, auszuspielen.
Experimente der letzten Jahre bestätigen jedoch die Quantenphysik so eindeutig,
dass ein Zurück zur durchgängig kausalen, klassischen Beschreibung als völlig
ausgeschlossen gilt.
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S.465
C Misst man Realitäten oder schafft man sie erst?
SCHRÖDINGER zielte auf den Messprozess. Er fragte: Wandelt sich die
Superposition „tot und zugleich lebend" erst durch eine Messung, beim
Öffnen des Kastens, beim Ablesen des „Messgeräts Katze", in eine der
Realitäten „tot" oder „lebend" um? Wir skizzieren zwei ernsthaft
diskutierte Hypothesen zu diesem auch die Philosophie betreffenden
Realitätsproblem:
+ Nach H. EVERETT spaltet sich zu jedem a-Klick die Welt
in zwei vollwertige, neue Welten auf, desgleichen jeder Beobachter in zwei, die
nichts voneinander wissen. Beobachter 1 in Welt 1 findet seine Katze tot;
zugleich findet Beobachter 2 in Welt 2 seine lebend. Nach dieser
Many-World-Theorie sollte es Myriaden Welten geben, die nur Reales kennen.
Diese Hypothese ist empirisch nicht widerlegbar. Sie widerspricht auch nicht
der Quantentheorie!
+ Nach E. WIGNER ändert beim Öffnen des Kastens allein das Bewusstsein des
Beobachters (als hypothetischer Eingriff) das Zugleich Y = Ytot + Ylebend entweder in
„tot" oder in „lebend" ab. Danach würden bereits Gedanken an sich die
Welt verändern!
Man möchte gerne ohne solche Hypothesen auskommen und sagt oft gemäß der
klassischen Physik: Das grobe Messgerät störe am subtilen Quantenobjekt ein
schon vor dem Messen real vorliegendes Faktum. Beim Knallertest fanden wir
jedoch: Bei gleichberechtigten Pfaden (kein Knaller) zeigt sich Interferenz als
Superposition Y = Y1 + Y2 von zwei
zugleich angebotenen, noch nicht realen Möglichkeiten. Erst beim Messen
(Einbringen des Knallers) wählt davon der reine Zufall eine aus und realisiert
sie. So erzeugt er die klassisch vertraute Realität Entweder-Oder (Knall oder
kein Knall). Realität wird erzeugt, nicht einfach nur festgestellt! Da die
Theorie dieses Überführen vom Möglichen ins Real-Faktische nicht erklären
konnte, stellte v. NEUMANN 1932 sein experimentell hervorragend bestätigtes
Messpostulat auf. Sie kennen es vom Tunneleffekt und vom Knallertest:
Beim Messen realisiert der pure Zufall von den mit der Wahrscheinlichkeit IYI2 angebotenen Möglichkeiten
eine. Er wandelt sie unverändert und unumkehrbar in ein reales Messergebnis.
Dabei wird Y so verändert,
dass eine sofortige Wiederholung am gleichen Objekt die erste Messung
bestätigt. Die anderen Möglichkeiten sind vergessen. Bei diesem Kollaps der Y-Funktion explodiert der Knaller, ein
Zähler tickt, eines von vielen Silberkörnchen wird geschwärzt usw.
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S.465/467
Ähnliches kennen wir aus dem täglichen Leben, auch den Begriff Möglichkeit. Doch sagt das Quanten-Y noch nicht, wie die Welt wirklich ist. Die Kopenhagener Deutung
bleibt eine vorsichtige, unsere Erkenntnisfähigkeit
beachtende Minimalbeschreibung.
Sie macht keine das Sein betreffenden
(ontologischen) Aussagen …
Die Quantentheorie lässt manche philosophisch vorgeprägte Frage offen. Wohl
jede(r) versucht insgeheim oder offen, sie durch zusätzliche philosophische Spekulationen
zu bereichern. …
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S.515
Wissenschaft und Verantwortung
1. Verantwortung übernehmen
„Wer ist dafür verantwortlich?" - „Kannst du dafür wirklich die
Verantwortung übernehmen?" – Solche Fragen kennen wir aus dem Alltag. Aber
was ist damit genau gemeint: „Willst du die Verantwortung übernehmen?“ „Weißt du genug, um die Folgen deines
Handelns bewerten zu können?" - „Kannst du übersehen, ob andere dich das
Richtige tun lassen?" Einfache Fragen nach der Verantwortung haben also
unterschiedliche Facetten, die alle damit zu tun haben, dass Verantwortung eine
ethische Dimension hat: Wir sind für (voraussehbare) Folgen unseres Handelns
verantwortlich. An den Elementen der Verantwortungsrelation in Bild 2 sieht
man, dass es nicht immer einfach ist, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
...
3. Verantwortung für politische Entscheidungen
Für den Berufsalltag der an einer Universität forschenden Physikerin oder des
Physikers in der Entwicklungsabteilung eines Unternehmens spielt unter den
heutigen Bedingungen der gesellschaftlich-politische Aspekt eine weitere
wichtige Rolle. Es gilt: Wissenschaft ist unpolitisch, aber politisch relevant.
Die in der Wissenschaft Tätigen sind für die Gesellschaft unentbehrliche
Experten, aber sie können nicht den Anspruch erheben, politische Entscheidungen
zu bestimmen.
Hans-Peter DÜRR abreibt dazu: „Wenn ein Kernphysiker oder
Elementarteilchenphysiker zum Thema „friedliche Nutzung der Kernenergie“ seine
Meinung äußert, dann misst die breite Öffentlichkeit dieser Meinung automatisch
ein besonderes Gewicht zu, da ja hier, wie sie meint, ein Fachmann seine
Meinung bekundet. Dies ist strenggenommen falsch! Richtig ist, dass dieser
Physiker aufgrund seiner speziellen Erfahrung bestimmte physikalische Fakten
und Zusammenhänge umfassender, sicherer und tiefgründiger verstehen und
würdigen kann. Solche Spezialkenntnisse befähigen ihn aber noch nicht dazu, in
anderen für das Kernenergieproblem wesentlichen Fragen, wie etwa
wirtschaftlicher, soziologischer oder ökologischer Art, ein ähnlich sicheres
Urteil zu erlangen ... Fakten und Spezialkenntnisse sind wertfrei, sie können
Verknüpfungen aufzeigen, verwickelte Zusammenhange übersichtlich machen und
damit eine angemessene Bewertung erheblich erleichtern, sie aber nie ersetzen.“
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S.530
Der Urknall und die Hintergrundstrahlung
… dass einst alle Masse, alle Energie, auf ein Universum von winzigem Ausmaß
konzentriert war. Außerhalb und vorher existierte nichts, kein Raum, keine Zeit! Das Universum hatte also einen
Anfang …
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S.531
Wir sind Sternenstaub
… Der Kohlenstoff in unseren Zellen, das Eisen im Blut und das Kalzium in
unseren Knochen ist früher einmal durch Supernova-Explosionen in den Weltraum
geschleudert worden. Wir bestehen also aus Sternenstaub.
P15 WESTERMANN; Kuhn Physik 2; Braunschweig,
2000
P16 WESTERMANN; Kuhn, Physik, Band 2
12/13; Braunschweig, 2004
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S.454
(Interpretationsprobleme der Quantenphysik)
36.5 Vermutungen und Spekulationen zur
Erklärung der Reduktion des Zustandsvektors
Die geschilderten neuen Experimente haben Einsichten vermittelt, die Probleme
der Interpretation der Quantenphysik präziser zu formulieren und die Natur der
Mikroobjekte besser zu verstehen. Die Frage, wie die Rätsel des Meßprozesses
und insbesondere der Reduktion des Zustandsvektors zu lösen sind, können die
Experimente jedoch nicht beantworten.
Einige Physiker haben versucht, die Reduktion des Zustandsvektors als Ergebnis
der Wechselwirkung von Mikroobjekt und Meßgerät zu erklären. Sie versuchen, mit
Hilfe der besonderen Eigenschaften makroskopischer Meßgeräte den Meßprozeß
verständlich zu machen. Diese Bemühungen haben, abgesehen von einigen hoch
idealisierten Modellrechnungen, noch zu keinem allgemein akzeptierten
Lösungsvorschlag geführt.
Vor einem ähnlichen Hintergrund haben Joos und Zek in einem interessanten
Ansatz gezeigt, wie man das Auftreten klassischer Eigenschaften und klassischer
Objekte physikalisch verständlich machen kann.
Die klassische Welt kommt erst durch die
permanente Wechselwirkung der Mikroobjekte mit ihrer Umgebung zustande.
So „entstehen“ lokalisierbare
klassische Teilchen aufgrund einer permanenten meßprozeßartigen Wechselwirkung.
Eine Veränderung und Ergänzung der Quantentheorie erfordert der Vorschlag von
Penrose, der die Ursache der Probleme in der Vernachlässigung der
Gravitationswechselwirkung sieht. Eine Verbindung von Gravitationstheorie und
Quantenmechanik müsste dann die Reduktion des Zustandsvektors als normalen Prozeß
enthalten. Dieser interessante Vorschlag ist allerdings erst ansatzweise
ausgearbeitet.
In dieser Situation ist es nicht erstaunlich, daß zur Erklärung der Reduktion
der Zustandsfunktion auch etwas extravagante Vorschläge formuliert wurden (vgl.
Abschnitt 36.3). Dabei waren oft außerphysikalische Motive im Spiel. Zu Beginn
unseres Jahrhunderts konnten viele Gelehrte die deterministische Physik nicht
in Einklang mit der Willensfreiheit bringen und sahen deshalb die Grundlagen
von Moral und verantwortlichem Handeln bedroht. Eine Reihe von ihnen suchten in
der indeterministischen Quantenmechanik einen Ausweg, der den Glauben an die
durchgängige Gültigkeit der Physik mit einem nichtmaterialistischen
Selbstverständnis des Menschen vereinbar machte. Man sah „die Naturwissenschaft
auf dem Wege zur Religion" (Bavink). Der Physiker Jeans bemerkte 1930:
„Das Weltall fängt an, mehr einem großen Gedanken als einer großen Maschine zu
gleichen." Auch die subjektivistische Erklärung des Meßprozesses, nach der
die Reduktion des Zustandsvektors durch die bewußte Wahrnehmung des
menschlichen, bewußtseinsbegabten Beobachters erfolgt, ist von
weltanschaulichen Motiven geprägt. Obwohl oft als „orthodoxe"
Interpretation bezeichnet, wird sie nur von wenigen Physikern ernsthaft
vertreten. Das unterschlägt allerdings der populäre Autor F. Capra, wenn er
behauptet, daß „das menschliche Bewußtsein beim Vorgang des Beobachtens eine
ganz entscheidende Rolle spielt und in der Atomphysik in beträchtlichem Maße
die Eigenschaften der beobachteten Erscheinungen bestimmt". Muß man
wirklich wie Capra die Autorität der Quantenphysik zu Hilfe rufen, um die
durchaus bedenkenswerten Thesen zu Ökologie und Wissenschaftspolitik
abzusichern?
Unsere wissenschaftstheoretische Analyse
der Quantenmechanik sollte helfen, physikalische Fakten und weltanschaulich
geprägte Interpretationen auseinanderzuhalten.
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S.512
(Elementarteilchenphysik)
46.10 Philosophische Fragen
Bei der Strukturaufklärung der Materie haben wir beim Abstieg vom Atom zum
Atomkern zu den Nukleonen und Quarks auf den aufeinanderfolgenden Ebenen
analoge selbstähnliche Strukturen
entdeckt. Solche Strukturen — vergleichbar mit ineinander geschachtelten
russischen Puppen — bezeichnet man auch als Fraktale (vgl. S. 131).
Teilbare Objekte haben immer eine räumliche Struktur. Aber wie weit sind
andererseits Mikroobjekte teilbar? Läßt sich der Regreß ad infinitum
durchführen? Die Antwort liefert eine energetische Betrachtung: Die
Bindungsenergie der Quarks in den Hadronen liegt in der gleichen Größenordnung
wie ihre Ruheenergie. Beim Hinabsteigen auf eine Sub-Quark-Ebene sind daher die
Teilchen und ihre Wechselwirkungen bis zur Unkenntlichkeit korreliert. Dies ist
eine ganz neuartige Situation: In der
Sub-Quark-Ebene erweisen sich Objekte mit räumlicher Struktur als nicht
teilbar.
Diese ganz eigenartige Situation wirft ein neues Licht auf das alte
philosophische Problem der Teilbarkeit der Materie. Es erhebt sich die Frage,
ob ein infiniter Regreß, den die konsequente Verfolgung des Elementar-„Teilchens"-Konzeptes
impliziert die Widerspiegelung der in der Natur real vorliegenden strukturellen
Ordnung ist oder ein Artefakt (Kunstprodukt) unserer theoretischen Konzepte,
die sich auf einen raum-zeitlichen Objektbegriff stützen. Sehr viel deutet darauf
hin, daß die materielle Basisebene der Wirklichkeit nicht raum-zeitlich
beschrieben werden kann (vgl. Bellsches Theorem vgl. S. 452).
Man vermutet, daß diese Substratschicht
durch ein strukturloses, nicht-raum-zeitliches
Quantenchaos konstituiert wird.
Nachdem die grundlegende Bedeutung von Symmetrieprinzipien in der
Elementarteilchenphysik deutlich wurde, stellt sich die erkenntniskritische Frage, ob diese Symmetrien im Bauplan der Natur
als Selbstorganisationsprinzipien angelegt sind, oder ob diese Symmetrien bloß
als erkenntnistheoretische Projektionen unseres Verstandes in die Natur hinein
zu werten sind, d.h. als zweckmäßige heuristische Prinzipien zur
naturwissenschaftlichen Theorienbildung verstanden werden können.
Die „Evolutionäre Erkenntnistheorie"
(K.Lorenz) behauptet, daß unsere Denkstrukturen die Strukturen der Wirklichkeit
widerspiegeln, weil im Verlaufe der biologischen Evolution unseres Verstandes
unsere Denkstrukturen von den Wirklichkeitsstrukturen geprägt wurden.
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S.513ff.
Modelle des Universums
47. Kosmologie
47.1 Kosmologie und Elementarteilchenphysik
In den vorhergehenden Abschnitten haben wir gesehen, wie die Physik versucht,
die vielfältigen Erscheinungen der Natur mit Hilfe weniger elementarer
Bausteine zu erklären. Dabei ist man immer weiter in den Mikrokosmos
vorgestoßen, d. h. man analysierte immer kleinere Teile der Materie.
Es entstand ein Bild der Materie, in dem man viele Eigenschaften komplexer
Systeme verstehen kann, wenn man nur die Existenz und die speziellen Eigenschaften
der fundamentalen Teilchen (bzw. der fundamentalen Quantenfelder) als gegeben
voraussetzt. Damit muß die Suche nach tiefliegenden Erklärungen jedoch nicht
aufhören.
Woher kommen die Elementarteilchen?
War die Materie schon immer so, wie sie heute ist?
Kann man die gegenwärtigen Eigenschaften der fundamentalen Teilchen mit Hilfe
ihrer Entstehungsgeschichte besser verstehen?
Diese Fragen verweisen auf eine Beschäftigung mit der Entwicklung des Universums. Die Verknüpfung von
Elementarteilchenphysik und Kosmologie, also die Verknüpfung der Theorien von
Mikrokosmos und Makrokosmos sind ein faszinierender Zweig der gegenwärtigen
Forschung. Die Symbiose von Kosmologie und Elementarteilchenphysik gibt den
Astrophysikern die Möglichkeit, physikalische Details der Vorgänge in der
Frühzeit des Universums zu verstehen, und hilft andererseits den
Teilchenphysikern, das Verhalten der Materie unter extrem hohen Temperaturen zu
erklären und vermittelt wesentliche Einblicke in die Entstehung der
Elementarteilchen.
In Kap. 43 haben wir die Beschleuniger als „Super-Mikroskope"
kennengelernt, weil sie energiereiche Geschoßpartikel zur Aufklärung der
Struktur der Materie zur Verfügung stellen. Sie sind aber auch sehr „heiße
Öfen", die helfen, das Verhalten der Materie bei hohen Temperaturen zu
erforschen. Einer Teilchenenergie von 1 GeV entspricht eine Temperatur von etwa
1013 K.
Das frühe Universum wird zum Hochenergielabor für die Energien, d. h.
Temperaturen, die mit irdischen Beschleunigern (noch) nicht erreichbar sind.
Die Kosmologie liefert Abschätzungen für die Hochenergiephysik und diese
erfordert Verständnis für Theorien der kosmischen Materie.
47.2 Entwicklung des Universums
In Kap. 9 sind wir auf die historische Entwicklung der Kosmologie eingegangen.
In allen Kulturkreisen gibt es Schöpfungsgeschichten.
Der entscheidende Aufbruch zu einer wissenschaftlichen Beschreibung und
Erklärung des Aufbaus des Kosmos vollzog sich in der Antike, als griechische
Denker die Schöpfungsgeschichten und mythologischen Vorstellungen über die
Natur durch neue Erklärungsmethoden ersetzten, in denen nicht mehr das Wirken
von Göttern, sondern die gesetzmäßige Ordnung der Naturkräfte zur Erklärung der
Phänomene herangezogen wurden. Am einflußreichsten war das kosmologische Modell
des Aristoteles, das noch das ganze Mittelalter bis zur „kopernikanischen
Wende" prägte. Seit Kopernikus und der Erfindung des Fernrohres galt die
Erde nicht mehr als das Zentrum der Welt, sondern nur noch als ein kleiner
Planet des Zentralgestirns Sonne. Im Laufe der weiteren Entwicklung der
Astronomie verlor auch unsere Sonne ihre Sonderstellung. Sie wurde als ein
Stern unter Milliarden anderer gleichartiger Sterne in unsere Milchstraße
(Galaxie) eingeordnet. Riesige moderne Teleskope haben uns die Erkenntnis
vermittelt, daß es — ähnlich wie unser Milchstraßensystem — noch Milliarden von
Galaxien gibt.
Eine Vorstellung von der Ausweitung unserer Kenntnisse über den Kosmos von
Kopernikus bis heute vermittelt die Tatsache, daß das Sonnenlicht uns in 8
Minuten erreicht, während das von diesen Galaxien ausgestrahlte Licht, das wir
heute empfangen, viele Milliarden Jahre (!) unterwegs ist. Die Galaxien sind im
Universum im Mittel ebenso „zufällig" verteilt wie die Moleküle in einem
Gas. Deshalb spricht man auch von einem „Galaxiengas". Die zweite
Komponente des kosmischen Substrats ist die Strahlung. Sie liefert uns
wesentliche Information über die Entwicklung und den Ursprung des Universums. …
47.5 Gravitation bestimmt die
Entwicklung im Kosmos …
Probleme des kosmologischen
„Urknall“-Modells …
Das Flachheitsproblem
Die Frage, ob das Universum sich immer weiter ausdehnt oder ob es sich wieder
einmal zusammenziehen wird, hängt, wie wir gesehen haben, von der heutigen
Materiedichte ab.
Wenn die Materiedichte genau mit der kritischen Dichte ρk
übereinstimmt (ε = 0), dann sprechen wir von einem „flachen"
Universum. Die beobachtete Dichte ρm kommt dem Wert der
kritischen Dichte ρk sehr nahe.
Unser Universum ist daher „fast flach".
Diese erstaunliche Tatsache bezeichnet man als Flachheitsproblem.
Im Prinzip könnte nämlich der heutige Dichtewert entweder weit unter- oder weit
oberhalb der kritischen Dichte ρk liegen.
Damit beim heutigen Weltalter der Wert ρm vorliegen kann, muß
bei einem Weltalter von 1 s die damalige Dichte extrem genau gleich der
kritischen Dichte ρk gewesen sein (Abb. 516.2). Es müßte
demnach für dieses frühere Entwicklungsstadium eine extreme Feineinstellung der
Materiedichte, die nur einen maximalen Fehler der Größenordnung 10-15
zuläßt, existiert haben. Im Rahmen des Standardmodells ist jedoch kein
physikalischer Mechanismus denkbar, der eine solche extreme Feinabstimmung
hätte bewirken können.
Begründungsstrategien
Im Standard-Modell werden das Horizontproblem und das Flachheitsproblem durch Setzen
entsprechender Randbedingungen
„gelöst". Ein solches Setzen von Anfangsbedingungen ist in der Physik ein
legitimes und unvermeidliches Verfahren. Dadurch gelingt es, aus einem
allgemeinen Gesetz spezielle Aussagen für eine konkrete Situation zu gewinnen.
Im naturhistorischen Kontext der Kosmologie erhebt sich jedoch die Frage:
„Was oder wer hat diese
Ausgangsbedingungen gesetzt?"
Naturwissenschaftlich sucht man die Rückführung der Randbedingungen auf einen neuen physikalischen Mechanismus.
Diese Erklärung von Anfangsbedingungen durch
gesetzliche physikalische Begründungen bezeichnet man in der Wissenschaftstheorie als Übergang von einer „deskriptiven"
(beschreibenden) zu einer „explanativen" (erklärenden) Betrachtungsweise.
Dabei sollte man jedoch bedenken, daß Letztbegründungen nicht möglich sind.
47.6 „Inflationäres" Szenarium
Um die aufgezeigten Probleme des Standard- oder Urknall-Modells zu lösen, wurden verschiedene theoretische
Konzepte entwickelt.
Das heute am meisten diskutierte Modell bezeichnet man als „Inflationäres Universum".
Sein Grundgedanke ist, daß sich das Universum in der Zeit von 10-43 bis 10-36 s (vgl. Abb. 520.1)
ungeheuer schnell, d. h. in
„inflationärer" Weise beschleunigt ausgedehnt hat.
Mit diesem Modell läßt sich sowohl
das Horizontproblem als auch das Flachheitsproblem verstehen.
Unser Universum ist nach dieser Vorstellung durch explosive Aufblähung
eines mikroskopischen Bereiches entstanden. …
Auch die Bildung von Galaxien kann in
diesem Modell verstanden werden.
Die explosionsartige, beschleunigte inflationäre Aufblähung löst zwar all diese
Probleme des Urknall-Modells. Aber, woher kommt eigentlich die Energie, die
eine solche gewaltige Explosion bewirken kann? Es gibt zwei Möglichkeiten, diese
Frage zu beantworten. Man kann das Auftauchen der Energie als
„Schöpfungsakt" aus dem „Nichts" im Sinne der christlichen Religion
als eine „creatio ex nihilo"
deuten (Augustinus).
Will man den Schöpfer als „Anfangsbedingung" vermeiden, dann muß man nach
einem physikalischen Mechanismus suchen, der eine Energieschöpfung aus dem
„Nichts '' erklären kann.
Unser an der klassischen Physik geschultes Denken sagt uns zwar, „von nichts
kommt nichts", aber die Quantenphysik
hält jedoch die überraschende Erkenntnis bereit, daß das „Vakuum" kein physikalisches
„Nichts" ist, sondern daß der „leere" materiefreie Raum eine
höchst komplexe Struktur aufweist. Den Schlüssel zum Verständnis dieser
zunächst sehr überraschenden Situation liefert uns die Heisenbergsche Energie-Zeit-Unschärfe-Relation
(vgl. S. 427):
ΔE x Δt > h (12)
Sie erlaubt eine Durchbrechung des Satzes von der Erhaltung der Energie um die
Größe ΔE, wenn entsprechend (12) Δt hinreichend kurz ist (vgl. S.
427). Die Möglichkeit einer sehr kurzfristigen Durchbrechung des
Energieerhaltungssatzes verleiht dem Vakuum die Eigenschaft, daß in ihm ständig
virtuelle Teilchen auftauchen und wieder verschwinden können. Diese
„Quantenfluktuationen" sind keine rein theoretischen Erfindungen. Ihr
Realitätscharakter offenbart sich bei recht ungewöhnlichen physikalischen
Effekten. Der eindrucksvollste Effekt zum Nachweis der Vakuumschwankungen ist
der nach dem holländischen Physiker Casimir benannte Effekt. …
47.8 Epilog
Nach dieser physikalischen Erklärung
erscheint uns die Evolution des Universums als spannendes Schauspiel. Die acht
Akte des kosmischen Dramas sind in Kurzform in Abb. 520.1 dargestellt. Dabei
wird deutlich, in welch entscheidender Weise die Regie der Handlung durch
Symmetrien und Symmetriebrechungen als Auswirkungen der verschiedenen
Kraftfelder und Teilchen bestimmt wird. Von besonderer Dramatik ist der zweite
Akt, das „Inflationäre Szenarium".
Für uns, die wir erst im letzten Akt selbst auftreten, sind trotz der inneren
Geschlossenheit des faszinierenden Evolutions-Modells des Kosmos Fragen offen
geblieben:
Was war vor dem Urknall?
Wodurch wurde der Urknall in Gang gesetzt?
Hat er einen Zweck oder ein Ziel?
Ist die Evolution des Kosmos „geplant" oder ein rein zufällig auftretendes
Ereignis?
Welche Rolle fällt uns als Beobachter und Mitspieler im kosmischen Drama zu?
Hat unser Dasein in diesem Universum einen Sinn?
Ähnliche Fragen werden auch in den Schöpfungsmythen der verschiedenen
Religionen gestellt. Die dort gegebenen Antworten verweisen auf ein höheres
Wesen, einen „Schöpfer" des Universums, der nach seinem Bauplan dem
Universum Zweck und Ziel gibt und menschlicher Existenz einen tieferen Sinn
verleiht.
Wir wollen uns hier darauf beschränken, zu untersuchen, inwieweit es möglich
ist, mit physikalischen Methoden und Modellen Antworten oder Teilantworten auf
diese jeden denkenden Menschen bedrängenden Fragen zu finden.
Was war vor dem Urknall?
Wenn die Frage nach dem „vor"
raumzeitlich verstanden wird, dann ist sie im Rahmen des Urknall-Modells physikalisch nicht sinnvoll, weil es vor
dem Big Bang weder Raum noch Zeit gab, sondern die Raum-Zeit erst in dieser
gewaltigen Explosion entstanden ist. Man kann dann nicht nach einer
gesetzmäßigen Erklärung des Urknalls fragen, sondern man muß die extremen
Verhältnisse zu Beginn der Explosion als physikalisch unerklärbare Anfangs- oder Randbedingungen des Urknall-Modells ansehen.
Im Rahmen des Urknall-Modells hat die Frage, was „vor" diesem spektakulären Ereignis war, keinen Sinn. Gibt es
andere physikalische Modelle, die das schwierige Problem der Anfangssingularität ohne Rückzug auf
das Setzen von Anfangsbedingungen bewältigen?
Als Versuch einer Antwort auf die Frage nach der Herkunft des Universums werden
zur Zeit Modelle diskutiert, bei denen das Universum weder Anfang noch Ende
hat. Im Rahmen solcher Modelle beginnt das Universum nicht durch einen
dramatischen Schöpfungsakt sein Dasein, sondern der Kosmos existiert ewig.
Während das Urknall-Modell einen die Explosion auslösenden „Schöpfer" nicht
ausschließt, stellt sich bei diesen Modellen ohne Anfangs- und Endsituation das
Problem der Herkunft der „Anfangsbedingung" nicht in gleicher Weise.
Die Astrophysiker F. Hoyle, T. Gold und H. Bondi haben ein Steady-State-Modell entworfen, bei dem das Universum ewig „gleichbleibend" ohne Anfang und
Ende ist. Danach findet „Schöpfung" permanent statt, indem zwischen den
Galaxien Materie beständig neu entsteht. Dadurch wird angesichts der dauernden
Expansion des Kosmos ein „Zustand
gleichbleibender Materiedichte" aufrecht erhalten. Zur Erklärung der
Hintergrundstrahlung, dem Kronzeugen des Urknall-Modells, hat Hoyle einen
besonderen Mechanismus ausgedacht. Bei Supernova-Explosionen alter Sterne soll
deren Eisenkern in Form von winzigen Nadeln in den Raum zerstäuben, welche die
Mikrowellenstrahlung junger Sterne absorbieren, um sie dann als „Hintergrundstrahlung" auszusenden.
Nach diesem Modell sollte in 109 m3 eine einzige dieser
Eisennadeln zu finden sein. Ihr experimenteller Nachweis scheint daher wohl aussichtslos.
Obwohl das Urknall-Modell noch nicht alle kosmischen Fragen, z. B.
Galaxienentstehung, hinreichend erklären kann, kommt ihm wegen seiner größeren
inneren Geschlossenheit im Vergleich zu den ad-hoc-
Hypothesen des Stady-State-Modells der höhere Erklärungswert zu.
In jüngster Zeit hat ein rein mathematisches
Modell von St. Hawking, in dem das Problem des Anfangs durch „Verräumlichung der Zeit" formal zum
Verschwinden gebracht werden kann, Aufsehen erregt. Ob dieses
quantenkosmologische Modell mit „imaginärer
Zeit" und „kosmischer
Wellenfunktion" eine physikalische Lösung der naturphilosophischen
Problematik darstellt, ist hier das eigentliche Problem. Ideengeschichtlich
kann das Hawking-Modell als
Mathematisierung der Weltsicht von Parmenides (5. Jahrhundert v. Chr.), nach
der die „wahre Welt unbeweglich und zeitlos, ohne Ende und Anfang" sei,
angesehen werden.
Bei Entstehungsprozessen verlangt unser kausales Erklärungsbedürfnis einen
„Verursacher". Dabei ist jedoch zu bedenken, daß logisch gesehen der
Begriff der Kausalität nicht die Forderung enthält, daß alle Kausalketten einen
Anfang in der endlichen Vergangenheit haben und einem unverursachten ersten
Schöpfungsakt entspringen müssen.
Bei der Behandlung des Inflationären Szenariums, das die Rätsel des
Urknall-Modells (Horizontproblem, Flachheitsproblem, Asymmetrie von Materie und
Antimaterie, Galaxienbildung) weitgehend erklären kann, sind wir bereits auf
das ihm zugrunde liegende Konzept einer „Energie-Schöpfung
aus dem Nichts" eingegangen. Wir haben erfahren, daß die Energie aus
der Instabilität des Quantenvakuums
hervorgeht. Ist dies nun die physikalische Interpretation der „creatio ex nihilo" der
christlichen Lehre bzw. hat das physikalische „Nichts" doch den Charakter einer ewigen, sich selbst
reproduzierenden „Ursubstanz"?
Die altorientalische Mythologie stellt an den Anfang ein ungeordnetes „Chaos" kosmischer Elemente und
Kräfte. Im Rahmen der griechischen Naturphilosophie formt sich der Kosmos aus
einem ewigen, zeitlich und räumlich unbegrenzten „Urstoff", dem „Apeiron"
Anaximanders (vgl. S. 436), das bereits alle Tendenzen für die spätere
Entwicklung durch das Wirken eines an zielgerichteten (teleologischen)
Prinzipien gebundenen Weltenbaumeister (Demiurgen)
enthält.
Das Quantenvakuum steht offenbar
begrifflich in größerer Nähe zu der Apeiron-ldee
als die Vorstellung eines absoluten
„Nichts".
Hinsichtlich der Fragen, wodurch der
Urknall verursacht wurde, ob ein Plan
und Ziel dahinter stehen, sind in
allerjüngster Zeit interessante physikalische Antworten versucht worden.
Die Entstehung der Raum-Zeit mit der Materie wird als ein einziges, spontanes
Quantenphänomen ohne Ursache und Ziel („Quantenfluktuation")
interpretiert. In diesem Modell wird die rätselhafte Anfangssingularität durch
die Aussage umgangen, das Universum sei durch einen „quantenmechanischen Tunneleffekt" (vgl. S. 436) ins Dasein
getreten, also ein Ereignis, wie es eben von Zeit zu Zeit vorkommen kann. …
Es bleibt die Frage, in welchem Sinne eine solche formale Antwort ontologisch
befriedigend sein kann.
Hat das Universum ein Ziel oder einen
Sinn?
Die Frage, ob der Mensch letztlich das Ziel der ganzen Entwicklung des
Universums sei, wird von Kosmologen kontrovers diskutiert.
Das sogenannte Anthropische Prinzip
„Das Universum ist so, wie es ist, weil
es uns Menschen gibt", kann als eine Art Gegenbewegung zum kopernikanischen Prinzip angesehen
werden, das seit Kopernikus den Menschen Schritt für Schritt aus der räumlichen
Mitte des Universums vertrieben hat.
Einerseits erscheint damit dem Planet Erde und seinen Bewohnern nicht der
Charakter des Einmaligen und Besonderen zuzukommen. Andererseits haben wir als
intelligente Beobachter für das Universum eine existentielle Bedeutung, weil im
Geist denkender Individuen das Universum
erst seiner selbst ansichtig werden, sich erkennen kann. Damit wäre der
Mensch nicht zu einem „heimatlosen Zigeuner am Rande des Universums"
(Monod) degradiert, sondern auf ganz unerwartete Weise in seiner Teilhaber- und Beobachterrolle, als
Wesen, in dessen Denken sich der Kosmos gleichsam „spiegelt".
Gibt es physikalische Indizien dafür,
daß die Evolution des Kosmos nicht rein zufällig ist, sondern nach einem Plan
verläuft?
Einen Hinweis könnte uns die Feinabstimmung
der Fundamentalkonstanten geben: Elementarladung e, Plancksches
Wirkungsquantum h, Lichtgeschwindigkeit c, Gravitationskonstante G,
Hubble-Konstante H0, Masse des Elektrons me Masse des
Protons mp, Stärke der starken und schwachen Wechselwirkung gs,
gw.
Die Werte dieser Fundamentalkonstanten bestimmen nicht nur die Größe der Kerne,
Atome und Moleküle, sondern auch die der Planeten, Sterne und Galaxien. So
hätte z. B. nur ein sehr geringfügig größerer Wert der starken Kraft dazu
geführt, daß beim Urknall alle Wasserstoffkerne „verbraucht" d.h. zu
Helium fusioniert worden wären. Ohne diesen wichtigen Brennstoff wäre dann ein
öder, langweiliger Kosmos ohne Beobachter zurückgeblieben. Würde im Rahmen der
Feinabstimmung die schwache Kraft nur etwas von ihrem beobachteten Wert
abweichen, dann gäbe es keine Supernova-Explosionen, aus deren „Asche" die
schweren Elemente, z. B. der für die Entwicklung des Lebens wichtige
Kohlenstoff, hervorgegangen sind.
Ganz geringe Änderungen der Werte der
Fundamentalkonstanten würden zu einem Kosmos führen, in dem kein menschliches
Leben entstehen kann.
In dieser Sichtweise erscheint das ganze kosmische Arrangement wie ein
„Maßanzug" für den Menschen. Um in der Metapher zu bleiben, erhebt sich
damit die Frage nach dem „kosmischen Schneider". Ist es ein personaler
Schöpfer oder handelt es sich um ein bisher noch nicht erkanntes grundlegend
neuartiges Steuerungsprinzip, das im Selbstorganisationsprozeß
aus dem Chaos den Kosmos formt?
Ist das Anthropische Prinzip eine Antwort auf die Frage nach Ziel und Sinn des
Universums? Ausgangspunkt der Überlegungen waren die deskriptiven Tatsachen
der hohen Isotropie des Universums, wie sie uns in der heutigen
Hintergrundstrahlung erscheint und das unwahrscheinliche Faktum, daß unser
Universum nahe der kritischen Rate
expandiert, die gerade den Rekollaps vermeidet, um die für die Existenz eines
menschlichen Beobachters notwendigen Voraussetzungen eines bewohnbaren
Universums zu schaffen.
Die Frage ist jetzt: Hatte ein verborgener Plan den Menschen zum Ziel oder ist
die exakte Feinabstimmung der Fundamentalkonstanten nur eine subjektive
Spiegelung des Zusammenhangs zwischen dem Beobachter und seinen notwendigen
Existenzbedingungen?
Die scheinbare Unwahrscheinlichkeit kosmischer Koinzidenzen läßt sich im Rahmen
der in Kap. 36.3 diskutierten Everett- Wheeler-Graham–Interpretation der
Quantenmechanik ohne teleologische Ausrichtung mit der Vielwelten-Hypothese deuten.
Demnach existieren viele Universen nebeneinander.
Die Mehrheit dieser Welten ist jedoch nicht erkennbar, weil hier eben kein
Beobachter existieren kann. Beobachter gibt es nun in jenen Untermengen von
Universen, welche die für seine Existenz notwendigen Bedingungen enthalten.
Obwohl die vielen Welten physikalische
und keine metaphysischen Welten sind, bleibt doch die Frage, ob dieser
ungewöhnliche begriffliche Aufwand als eine Erklärung der erstaunlichen
Feinabstimmung der Parameter angesehen werden kann. David Lewis meint, die
Vielweltenhypothese liefere zwar keine Erklärung, aber einen Grund, warum wir
keine Erklärung benötigen.
Ziel der physikalischen Kosmologie ist es, alle zunächst als Anfangsbedingungen
gesetzten Unverständlichkeiten aus einer selbstkonsistenten Struktur des
Universums kausal aus einigen wenigen
Grundprinzipien zu erklären.
Horizont- bzw. Kausalitätsproblem und das Flachheitsproblem haben im Rahmen des
Inflationären Szenariums eine dynamische Erklärung gefunden.
Bei diesen mathematischen Erklärungen des Kosmos müssen wir immer bedenken, daß
es sich bei den augenblicklich diskutierten theoretischen Konzepten um Modellvorstellungen handelt, mit denen
man versucht, physikalische Aspekte der „Wirklichkeit" in einem einfachen
Bild einzufangen.
Die Beschäftigung mit der Kosmologie hat uns wichtige Einsichten hinsichtlich
unserer Rolle als Beobachter und Teilhaber des Universums vermittelt.
Dies führt zur letzten Frage:
Hat unser Leben in diesem Universum
einen Sinn?
Eine Antwort kann nicht direkt aus den physikalischen Erkenntnissen deduziert
werden. I. Kant hat die Grundfragen der Philosophie prägnant formuliert:
Was kann ich wissen? -
Was soll ich tun? -
Was darf ich hoffen? -
Antworten auf die erste Frage gibt die Physik. Die zweite Frage betrifft die
Ziele und Maßstäbe unseres Handelns.
Solche „praktischen Fragen der Philosophie" sind nicht mit Hilfe der deskriptiven
(theoretisch beschreibenden) Methode der Naturwissenschaft zu beantworten.
Diese Unterscheidung betont I. Kant in einer berühmten Formulierung am Ende
seiner Schrift „Kritik der praktischen Vernunft":
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer
neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich
das Nachdenken damit beschäftigt: der gestirnte Himmel über mir und das
moralische Gesetz in mir."
Trotz der Verschiedenheit der „zwei Dinge" darf man dennoch hoffen, daß jene „Bewunderung und
Ehrfurcht" vor dem naturgesetzlich, harmonisch geordneten Kosmos nicht
ohne Wirkung auf moralisches, verantwortungsvolles und humanes Handeln sein
kann.
Dieser Hoffnung verlieh Euripides
vor zweitausend Jahren am Beginn des naturwissenschaftlichen Denkens
dichterischen Ausdruck:
„Glücklich ist, wer Erkenntnis gewann vom
erkundbaren Wesen der Dinge.
Denn er trachtet nicht nach dem Leide des Menschen.
Nicht sinnt er auf unechte Taten.
Wer überdenkt den nichtalternden Kosmos,
Wie er — unsterblicher Natur - besteht eh und je,
Erliegt nicht der Versuchung zum schändlichen Handeln!"
P21
PAETEC; Astronomie, Gymnasiale Oberstufe, Paetec, Berlin 2001
·
S.5
Vom Dunkel der Vorzeit zur Wissenschaft
Astronomie
… Oft sind die himmelskundlichen Kenntnisse in stark symbolhafte mythologische
Gewänder gekleidet und müssen erst entschlüsselt werden. Hieraus ergibt sich
eine der großen Schwierigkeiten der Paläoastronomie, zumal ein beträchtlicher
Interpretationsspielraum entsteht, der oft zu wissenschaftlichen Kontroversen
über die Aussagekraft der „Dokumente“ führt.
Verständlicherweise können Astronomen oder Astronomiehistoriker allein diese
Forschungen nicht betreiben. Hier bedarf es der engen interdisziplinären
Zusammenarbeit zwischen Astronomen, Archäologen, Ethnologen, Kunst- und
Religionswissenschaftlern sowie Philologen.
·
S.13f.
Die philosophisch-religiöse These von der Göttlichkeit der Gestirne hat
PTOLEMÄUS seiner Theorie bewusst zugrunde gelegt, wie er selbst schreibt:
“Wenn wir uns die Aufgabe gestellt haben, auch für die fünf Wandelsterne … den
Nachweis zu führen, dass ihre scheinbaren Anomalien alle vermöge gleichförmiger
Bewegungen in Kreisen zum Ausdruck gelangen, weil nur diese Bewegungen der
Natur der göttlichen Wesen entsprechen, während Regellosigkeit und
Ungleichförmigkeit ihnen fremd sind …“
Das geozentrische Weltsystem des PTOLEMÄUS befand sich im Einklang mit dem
Augenschein, mit den anerkannten philosophischen Prämissen seiner Zeit und mit
der Physik des ARISTOTELES.
Die allseitige Übereinstimmung der ptolemäischen Theorie mit Physik,
Augenschein und „Zeitgeist“ sicherte ihr hohe Anerkennung und lieferte zugleich
stichhaltige Argumente gegen all ihre Kritiker.
Unter diesen Umständen ist es kaum verwunderlich, dass die vereinzelten Ansätze
heliozentrischer Auffassungen keine Chance hatten. Neben HIKETAS … vertrat vor
allem ARISTARCH von SAMOS (320-250 v.Chr.) die Auffassung von der
Mittelpunktstellung der Sonne.
Obwohl wir über dieses Weltsystem nur unzureichende Informationen besitzen,
steht doch fest, dass es mathematisch keinesfalls dem ptolemäischen System
ebenbürtig durchgearbeitet war und folglich auch keine allgemeine Anerkennung
erfuhr.
·
S.16f.
Obwohl COPERNICUS nach Beendigung seiner Studien „hauptberuflich" im Dienste
der Kirche stand, seinen Onkel bei dessen Tätigkeit als Bischof des Ermlandes
unterstützte und sogar selbst einer der Domherrn von Frauenburg wurde,
beschäftigte er sich in seinen Mußestunden immer intensiver mit der Astronomie.
...
Allerdings hält COPERNICUS an der Kreisbahn der Himmelskörper fest. Zwar beruft
er sich dabei nicht mehr auf die Göttlichkeit der Gestirne, sondern auf das
geometrische Argument, dass die Himmelskörper kugelförmig seien und die ihnen
gemäßen Bahnen daher kreisförmig. Dennoch hat dieses Postulat schwerwiegende
Folgen: COPERNICUS ist gezwungen, das antike Rüstzeug der Epizykel und
Deferenten weiterhin zu verwenden, um die beobachteten Bewegungen beschreiben
zu können. ...
So stellt das Hauptwerk des COPERNICUS eine seltsam widersprüchliche Mischung
aus Elementen der antiken Astronomie und einer wahrhaft revolutionären Abkehr
vom Kerngedanken des ptolemäischen Weltsystems, der Mittelpunktstellung der
Erde, dar.
Die Hoffnung, dass auf der Grundlage der Hypothese des COPERNICUS bessere
Tafeln zu berechnen wären, die zur völligen Übereinstimmung zwischen Prognose
und Realität führen, erfüllte sich nicht. Die „Prutenischen Tafeln", die
ERASMUS REINHOLD (1511-1553) aus den kopernikanischen Daten berechnet hatte,
wichen von den tatsächlichen Positionen der Planeten deutlich ab.
Ein entscheidendes Argument gegen COPERNICUS ergab sich daraus, dass keine
Fixsternparallaxen festzustellen waren: Wenn sich die Erde tatsächlich um die
Sonne bewegt, hätte sich diese Bewegung in einer mit Jahresperiode schwankenden
Position der Fixsterne widerspiegeln müssen. Davon war jedoch nichts zu
bemerken.
Wie bereits COPERNICUS behauptete, war dies eine Folge der Kleinheit des
Effekts, der mit den damaligen Messmethoden nicht festzustellen war. Es dauerte
immerhin etwa 300 Jahre, bis die ersten Fixsternparallaxen tatsächlich
messtechnisch erfasst werden konnten.
·
S.18f.
Auf dem Erkenntnisweg von COPERNICUS zu NEWTON kam es zu einer der
dramatischsten Auseinandersetzungen zwischen Geist und Macht, zwischen
Naturwissenschaft und Kirche. An dem Konflikt wird exemplarisch deutlich, wie
tief die althergebrachte geozentrische Weltvorstellung zum Bestandteil einer
für verbindlich erklärten Weltsicht geworden war, zu einer ideologischen Hülle
des katholischen Christentums - ein Vorgang, der in der Geschichte keineswegs
einmalig ist.
Zu Lebzeiten des COPERNICUS gab es noch keinen Konflikt zwischen der
katholischen Kirche und den Verfechtern des heliozentrischen Weltsystems.
Durch die erheblichen Abweichungen zwischen dem gebräuchlichen julianischen
Kalender und den Positionen der Sonne war eine Unordnung in das Kalendersystem
gekommen, die der Kirche ernsthafte Sorgen bereitete. Die Ursache lag in der
unzutreffenden Annahme über die Länge des Jahres von 365,25 Tagen, wie sie dem
julianischen Kalender zugrunde lag. Zur Lebenszeit des COPERNICUS klaffte
zwischen dem kalendarischen Frühlingsanfang und dem astronomischen
Frühlingsanfang bereits eine Lücke von ca. 10 Tagen.
Da die beweglichen Feste im Kirchenkalender (Ostern und Pfingsten) direkt an
das Datum des Frühlingsanfangs angeschlossen sind (Ostern ist z. B. der erste
Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang), wusste man nicht mehr,
wann eigentlich wirklich Ostern war.
Daher nahm die Kirche jede Bemühung um eine Reform der Astronomie mit großem
Interesse auf. Ein prinzipieller Widerspruch zwischen kirchlichen Lehren und
astronomischen Thesen war damals nicht zu erkennen. Es gab aber vereinzelt auch
Äußerungen aus kirchlichen Kreisen, in denen auf die Unvereinbarkeit von
(wörtlich ausgelegten) Bibelstellen mit der Lehre des COPERNICUS hingewiesen
wurde.
So bezog sich z.B. MARTIN LUTHER (1483-1546) auf das Buch Josua im Alten
Testament der Bibel (Josua 10, 12-13), wo es heißt, dass Josua die Sonne stillstehen
hieß und sie „beinahe einen ganzen Tag" später unterging als gewöhnlich.
Josua konnte aber der Sonne nur befehlen stillzustehen, wenn sie sich vorher
bewegt hatte, argumentierte LUTHER. Und COPERNICUS wird von ihm als „Narr"
bezeichnet, der die „ganze Kunst Astronomie umkehren“ wolle. Die Auslegung der
Bibel in ihrem buchstabengetreuen Sinn stieß aber auf den Widerstand namhafter
Naturforscher, so z.B. auch KEPLERS, der ausdrücklich hervorhob: „In der
Theologie gilt das Gewicht der Autoritäten, in der Philosophie aber das der
Vernunftgründe." Und an anderer Stelle: „Heilig ist zwar Laktanz, der die
Kugelgestalt der Erde leugnete, heilig Augustinus, der die Kugelgestalt zugab,
aber Antipoden leugnete, heilig das Offizium unserer Tage, das die Kleinheit
der Erde zugibt, aber ihre Bewegungen leugnet. Aber heiliger ist mir die
Wahrheit, wenn ich, bei aller Ehrfurcht vor den Kirchlehrern, aus der
Philosophie beweise, dass die Erde rund, ringsum von Antipoden bewohnt, ganz
unbedeutend und klein ist und auch durch die Gestirne hineilt".
Hier deutete sich bereits ein Konflikt zwischen Kirche und Naturwissenschaft
an, der sich rasch dramatisch zuspitzen sollte und im Urteil der römischen
Inquisition gegen GALILEI (1564 bis 1642) einen historischen Gipfelpunkt
erreichte. Der eigentliche Kernpunkt bestand allerdings weniger darin, wie man
die Bibel richtig auslegen sollte und welche Kompetenz der Wissenschaft
überhaupt zukommt, sondern in dem grundsätzlichen Angriff auf das
christlich-aristotelische Weltbild. Die Stellung des Menschen im
„Welttheater" erfuhr eine durchgreifende
Änderung: Der Mensch sollte sich künftig nicht mehr im Zentrum der Welt
befinden (folglich übrigens auch der Papst nicht mehr) und die Reiche von
„unten" und „oben" gerieten in Gefahr. Oben - das war die Welt der
Seligen, die in Gottes Nähe wohnten. Unten - das war die Welt der Menschen,
ferner von Gott, wenn auch seinem sorgenden Auge ausgesetzt und auf Erlösung
hoffend.
Diese sittliche Weltordnung der Kirche war es, die gefährdet schien durch die
Anerkennung der heliozentrischen Lehre des COPERNICUS und deshalb entbrannte
der Konflikt. ...
Erst 1992 - im 350. Todesjahr GALILEIS – wurde der Gelehrte durch Papst
Johannes Paul II. rehabilitiert.
Ein für alle Mal erklärte der Papst in diesem Zusammenhang, aus der Bibel könne
man nicht die Einzelheiten der physikalischen Welt entnehmen, deren Kenntnis
sei „der Erfahrung und dem Nachdenken des Menschen anvertraut". Vielmehr
gäbe es zwei Bereiche des Wissens: „Der eine hat seine Quelle in der
Offenbarung, der andere aber kann von der Vernunft mit ihren eigenen Kräften
entdeckt werden".
Die Auseinandersetzungen um die heliozentrische Lehre haben den Fortgang der
Wissenschaft insgesamt wenig beeinflusst, obwohl das Hauptwerk des COPERNICUS
seit dem Jahre 1616 praktisch verboten war, weil die dort geäußerten Meinungen
„nicht zum Verderben der katholischen Wahrheit weiter um sich" greifen
sollten.
·
S.213 ff.
7 Mensch und Kosmos
7.1 Sternenkinder
Wir Menschen sind im Sinne des Wortes „Sternenkinder". Die Arten von
Atomen, aus denen wir bestehen, sind dereinst im Innern von Sternen
synthetisiert worden, denn in der Frühphase des Universums existierten nur
Wasserstoff und Helium. ...
In Laborexperimenten konnte bereits in den 1950er Jahren gezeigt werden, dass
unter den genannten Bedingungen tatsächlich biologisch bedeutsame Moleküle
entstehen können. So synthetisierte der amerikanische Chemiker S. MILLER aus
einem Uratmosphären-Gasgemisch unter Einwirkung von UV-Strahlung und
elektrischen Entladungen biologisch wichtige Aminosäuren. Durch die äußeren
Energieeinwirkungen werden die Moleküle von Methan, Ammoniak u. a. aufgebrochen
und die Bruchstücke verbinden sich zu präbiotischen Molekülen. Mit dem Regen
gelangten diese in die Ozeane, wo sie miteinander weitere Reaktionen eingingen.
Die Molekularbiologie glaubt heute, die Herausbildung des Lebens in ihrem Wesen
zu verstehen, wenn es auch im Einzelnen noch zahlreiche Erklärungsdefizite
gibt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Herausbildung der Proteine
nicht zufällig erfolgte. Dafür besteht nur die extrem geringe
Wahrscheinlichkeit von 1 : 1030. Es muss also eine Bevorzugung
bestimmter Reihenfolgen geben, durch die ausgeschlossen wird, dass alle
denkbaren Kombinationen in der Natur tatsächlich durchprobiert werden.
Neuerdings wird auch wieder die These diskutiert, dass Vorstufen von
organischen Molekülen durch Wechselwirkungen von außen in eine
Planetenatmosphäre gelangen können …
Wenn man das Problem der Entstehung von Leben im Universum diskutiert, ist auch
die weitere Tatsache einzubeziehen, dass es im Raum zwischen den Sternen, in
der interstellaren Materie, bei extrem niedrigen Temperaturen komplexe
organische Moleküle gibt, wie die Radioastronomie in den vergangenen
Jahrzehnten herausgefunden hat. Auch diese Tatsache spricht zugunsten der
Hypothese von M. EIGEN und anderen, dass es eine Vorzugsrichtung der chemischen
Evolution in Richtung Leben gibt, die durch Selbstorganisation realisiert wird.
7.2 Das anthropische Prinzip
Aus der Tatsache, dass es uns Menschen im Universum gibt, leitet sich fast
zwangsläufig die Frage ab, ob diese zum Menschen führende Evolution zufällig
oder unabwendbar erfolgt ist. Sind wir Menschen die von Anbeginn geplante
„Krone der Schöpfung" oder doch nur Produkte des Weltalls von
außerordentlicher Unwahrscheinlichkeit?
Die Antwort auf diese Frage wäre bedeutungsvoll für das Verständnis unserer
eigenen Rolle im Kosmos, vielleicht sogar ein Hinweis darauf, dass es hinter
der von uns Menschen beobachteten und durchforschten kosmischen Raumzeit ein
transzendentes Wesen gibt, das unsere Existenz herbeigeführt hat; nicht in dem
naiven Sinn der wörtlich genommenen biblischen Schöpfungsgeschichte von Adam
und Eva im Paradies, sondern in einem viel raffinierteren Weltszenario.
Das gedachte transzendente Wesen könnte das Weltall gerade so erschaffen haben,
dass es zur Entstehung des Menschen kommen musste. Das sogenannte schwache
anthropische Prinzip besagt:
Die beobachteten Werte aller physikalischen und kosmologischen Konstanten sind
nicht gleich wahrscheinlich; sie nehmen vielmehr Werte an unter der
Einschränkung, dass es Orte gibt, an denen sich Leben auf Kohlenstoff-Basis
entwickeln kann und das Universum alt genug ist, damit sich dies bereits
ereignet hat.
In der Tat erweist sich das Weltall in vielerlei Hinsicht als so beschaffen,
dass die Entstehung von Leben möglich wurde. So musste schon zu einem sehr
frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Universums eine feine Abstimmung
zwischen der Dichte der Materieansammlungen, aus denen später die Galaxien
entstanden, und der Expansionsrate bestehen. Eine deutlich langsamere Expansion
hätte die Materieklumpen zusammenbrechen lassen, noch ehe es zur Ausbildung von
Galaxien hätte kommen können. Eine deutlich raschere Expansion wiederum hätte
dazu geführt, dass auch die Gebiete höherer Dichte auseinander geflogen wären.
Auch in diesem Fall wären keine Galaxien entstanden.
Auch die vier grundlegenden Wechselwirkungen, die das Geschehen im Universum
bestimmen, können nicht willkürlich gedacht werden, wenn es uns Menschen
schließlich im Weltall geben soll. Wenn z.B. die elektromagnetische Kraft nur
geringfügig größer wäre (1/1040), als wir sie vorfinden, so bestünde
die Hauptreihe des HERTZSPRUNG-RUSSELL-Diagramms nur aus kühlen, roten Sternen.
Diese beenden ihr Leben nicht in Supernova-Ausbrüchen, sodass es gar nicht zur
Anreicherung schwerer Elemente im interstellaren Raum kommen könnte. Bei
gleichermaßen geringerer Stärke der elektromagnetischen Kraft gäbe es hingegen
nur sehr heiße und folglich kurzlebige Sterne. Auch die Gravitationskonstante
muss in sehr engen Grenzen jenen Wert besitzen, den wir tatsächlich
feststellen.
Die Baupläne der Biochemie sind ähnlich kritisch.
Alle diese Erkenntnisse sind im oben zitierten anthropischen Prinzip
zusammengefasst.
Als starkes anthropisches Prinzip besagt es:
Das Universum muss jene Eigenschaften aufweisen, die in irgendeinem Stadium
seiner Geschichte zur Entstehung von Leben führen.
Der Mensch hat die Eigenschaft, alle Feststellungen zu hinterfragen. Die Fakten
allein reichen ihm nicht aus. Er möchte wissen, warum die Welt so
beschaffen ist, wie wir sie vorfinden.
Gegenwärtig werden folgende Erklärungsmöglichkeiten für die im Weltall vorhandenen
Feinabstimmungen diskutiert:
1. Die Koinzidenzen sind rein zufällig. Wir haben sie zur Kenntnis zu nehmen.
2. Im Weltall gibt es eine irgendwie geartete zielgerichtete „Kraft“ die für
die vorgefundene Feinabstimmung sorgt. Demnach gäbe es so etwas wie einen
„Sinn" des Universums, nämlich die Erreichung seines
„Entwicklungsziels". In der Wissenschaft genießt diese Argumentation
allerdings wenig Ansehen, weil man über die teleologischen Potenzen definitiv
nichts aussagen kann und auch nicht wüsste, wie man sie mit kausalen Faktoren
in Beziehung bringen sollte.
3. Die Feinabstimmung ist ein Hinweis auf die Existenz einer transzendenten
Macht, die mit dem Universum ihre Absicht verwirklicht. Auch dieser
Erklärungsvorschlag liegt außerhalb des Rahmens wissenschaftlicher
Argumentation. Außerdem bliebe offen, warum die transzendente Macht gerade die
zum Leben führenden Anfangsbedingungen gewählt haben sollte.
4. Die Wissenschaft selbst hat die Vielweltenhypothese zur Erklärung der
Feinabstimmung vorgeschlagen. Demnach gibt es eine Vielzahl von Welten als
Teile des Universums, die sehr verschiedene physikalische Eigenschaften
aufweisen. In unserer Welt herrschen gerade jene Bedingungen, die zur
Herausbildung von Leben erforderlich sind. In den anderen Welten gibt es keine
Beobachter. Die besondere Bedeutung unseres Universums wird uns nur
vorgespiegelt. In Wirklichkeit spielt unsere Welt keine ausgezeichnete Rolle.
...
Wie immer man zu diesen Fragen steht und welche Schlüsse der Einzelne daraus
auch ziehen mag, so zeigen uns diese Diskussionen doch:
Die mit den Forschungsergebnissen der modernen Astronomie verbundenen Fragen
greifen tief in Probleme unseres Selbstverständnisses als Bewohner dieses
Planeten, aber auch als reflektierende Geschöpfe dieses Universums ein.
Wie stets in ihrer Geschichte vermittelt die Astronomie auch heute über die
exakt-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse hinaus vielfache Impulse, über uns
Menschen nachzudenken, nach dem Sinn unserer Existenz und den Normen unseres
Handelns sowie nach unserer Stellung im Weltganzen zu fragen. Nicht zuletzt
darin liegt wohl auch die starke Faszination begründet, die von der
Naturwissenschaft Astronomie ausgeht und weltweit ein zunehmendes Interesse
breiter Kreise der Bevölkerung erweckt.
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und
Ehrfurcht“ schrieb IMMANUEL KANT in seiner „Kritik der praktischen
Vernunft" 1788, „der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz
in mir". Vielleicht haben diese „zwei Dinge" mehr miteinander zu tun,
als wir bisher anzunehmen bereit sind.
P22
CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Astronomie plus, Cornelsen, Berlin 2005
·
S.52
Bereits ARISTARCH VON SAMOS hatte im 2. Jahrhundert v.Chr. die Idee, die Form
der Planetenbahnen am Sternenhimmel darauf zurückzuführen, dass wir die
Bewegung der Planeten von der ihrerseits sich bewegenden, nämlich die Sonne
umlaufenden Erde aus beobachten. Seine Idee konnte sich jedoch nicht
durchsetzen, weil sie zu sehr der unmittelbaren Wahrnehmung widerspricht.
Erst 1700 Jahre später, 1543, beschrieb NIKOLAUS KOPERNIKUS die Planetenbahnen
wieder aus der Sicht eines Planeten Erde und arbeitete dieses Modell
detailliert mathematisch aus. Da sein System aber nicht nur der Anschauung,
sondern auch der Lehrmeinung der katholischen Kirche widersprach, ließ er
offen, ob er sein System als besonders einfache Rechenmethode vorschlug oder ob
er es als Modell für die Wirklichkeit verstanden wissen wollte. Trotzdem setzte
er mit seinem Buch „Über die Kreisbewegungen der Weltkörper" einen so tief
greifenden Wandel des Weltbildes in Gang, dass wir heute von der
Kopernikanischen Revolution sprechen.
·
S.53
Der direkte Nachweis für den Umlauf der Erde um die Sonne gelang erst 1838, als
FRIEDRICH WILHELM BESSEL die erste Fixsternparallaxe maß.
·
S.117
Den explosionsartigen Beginn der Expansion des Kosmos bezeichnet man häufig als
Urknall. Die astronomischen und physikalischen Gesetze reichen nicht aus, um
diesen Zustand anschaulich zu beschreiben.
·
S.118
Dunkle Energie. Beobachtungen an
weit entfernten Supernovae zeigen, dass sich der Kosmos seit etwa 7,5
Milliarden Jahren beschleunigt ausdehnt. Dies kann nicht mit der Gravitation
(sichtbare und dunkle Materie) erklärt werden, denn durch die gegenseitige
Massenanziehung wird die Expansion des Kosmos gebremst. Es muss also eine Kraft
geben, die entgegen der Gravitation wirkt. Diese im gesamten Kosmos absolut
gleichförmig wirkende universelle Abstoßungskraft wird auf die so genannte
„dunkle Energie“ zurückgeführt. …
Auch die materielle Zusammensetzung des Kosmos konnte bestimmt werden: Nur rund
4 % sind Baryonen, das sind Elementarteilchen, die der Kernkraft (der so
genannten starken Wechselwirkung) unterworfen sind. Dazu zählen die Protonen
und die Neutronen, aus denen alle Atomkerne bestehen, aber auch weitere
Teilchen der dunklen Materie. Rund 23 % sind kalte dunkle Materie (unbekannte
Teilchen), rund 73 % dunkle Energie.
P23
PAETEC; Dieter B. Herrmann; Faszinierende Astronomie; Paetec, Berlin, 2000
·
S.12f.
Das griechische Weltsystem entsteht
Auf der Grundlage der Ergebnisse ägyptischer und babylonischer
Sternbeobachtungen waren die Griechen von Anbeginn bemüht, die angehäuften
Tatsachen über die Bewegung der Gestirne miteinander zu verbinden und zu einem
Weltbild zu verschmelzen.
Ihre Leistung bestand vor allem darin, dass sie ein Programm entwickelten, nach
dem die vielfältigen Erscheinungen des Himmels aus vergleichsweise wenigen
Grundsätzen abgeleitet werden konnten – ein Ziel der Naturwissenschaft bis zum
heutigen Tag.
Einen bedeutsamen Einfluss auf die Herausbildung des griechischen Weltsystems
übte die Lehre von PLATON (427-347 v.Chr.) aus. Für ihn waren die Sterne und
die Planeten Lichter, in denen das Denken der „Weltseele“ zum Ausdruck kommt.
Deshalb konnten sich die Sterne nur auf der vollkommensten denkbaren
geometrischen Bahn, dem Kreis, bewegen.
Daraus ergab sich für die Astronomen die Zielstellung, alle beobachteten
Bewegungen auf Kreisbewegungen zurückzuführen. …
Mit dem geozentrischen Weltbild
wurde eine Vorstellung vom Aufbau des Weltalls entwickelt, die eine der
großartigsten Leistungen der antiken Wissenschaft war. Mit seiner Hilfe gelang
es, die Positionen der Wandelsterne im Voraus zu bestimmen. Das war zugleich
ein überzeugendes Argument für die Richtigkeit des Weltbildes.
Ein weiterer Vorzug des geozentrischen Weltbildes war seine Übereinstimmung mit
der damals fortgeschrittensten Physik, (der) des ARISTOTELES (384-322 v.Chr.).
Nach ARISTOTELES haben alle Körper die Eigenschaft, sich zu ihrem „natürlichen
Ort“ zu bewegen. Der „natürliche Ort“ der schweren Körper sollte die Weltmitte
sein. Da die Erde zweifellos ein schwerer Körper ist, musste sie sich nach der
Theorie vom „natürlichen Ort“ in der Weltmitte befinden.
·
S.15
Bereits im Jahre 1502 begann der bedeutende Forscher NIKOLAUS KOPERNIKUS mit
der Ausarbeitung eines Weltbildes, bei dem nicht die Erde, sondern die Sonne im
Zentrum steht.
Von diesem Gedanken ausgehend, arbeitete KOPERNIKUS fast 30 Jahre lang daran,
das heliozentrische Weltbild mathematisch so zu entwickeln, dass es dem
geozentrischen System des PTOLEMÄUS zumindest ebenbürtig war. Dabei hielt er
auch an der Auffassung fest, dass sich alle Planeten auf Kreisbahnen bewegen.
Seine Erkenntnisse fasste KOPERNIKUS in einem Werk zusammen, das 1543 unter dem
Titel „Über die Umschwünge der himmlischen Kreise“ (De revolutionibus orbium
coelestium) erschien.
Beweise für die Hypothese von der Mittelpunktstellung der Sonne hatte
KOPERNIKUS nicht.
·
S.16f.
Streit um das Weltbild
Das Werk des KOPERNIKUS führte wenige Jahrzehnte nach dem Tod seines Verfassers
zu einer stürmischen Debatte, die sowohl mit rein fachlichen Argumenten als
auch zunehmend mit Blick auf die christliche Lehre geführt wurde.
Zunächst wurde behauptet, die Hypothese des heliozentrischen Weltbildes stehe
im Widerspruch zur Bibel. Doch bald ging es um mehr als nur um Bibelzitate. Die
Einmaligkeit der Offenbarung, die Berichte vom Sündenfall und von der Erlösung
passten nicht zu einer Lehre, deren Kernpunkt in der Behauptung bestand, die
Erde sei nur ein Planet unter anderen.
GIORDANO BRUNO (1548-1600) vertrat, ausgehend von der Lehre des KOPERNIKUS, die
Auffassung, dass es unzählige Planeten im Universum gäbe, die ebenso von
denkenden Wesen bewohnt seien wie die Erde …
Etwa ab 1616 wurde die Lehre des KOPERNIKUS zu einer Glaubenssache der Kirche.
Die Auseinandersetzungen der Inquisition mit den Auffassungen GALILEIS führten
zu seiner formalen Verurteilung. Die Beschäftigung mit dem Fall GALILEI hat
seither niemals aufgehört.
Unter Papst JOHANNES PAUL II. wurde eine Überprüfung des Falls GALILEI
eingeleitet, die 1992 – im 350. Todesjahr des Gelehrten – zu dessen
Rehabilitation durch die Kirche führte.
Der Papst erklärte in diesem Zusammenhang vor der Päpstlichen Akademie der
Wissenschaften, der Fall GALILEI könne der Kirche die bleibend aktuelle Lehre
für ähnliche Situationen sein: „Galilei, der praktisch die experimentelle
Methode erfunden hat, hat dank seiner genialen Vorstellungskraft als Physiker
und auf verschiedene Gründe gestützt verstanden, dass nur die Sonne als Zentrum
der Welt, wie sie damals bekannt war, ... infrage kam. Der Irrtum der Theologen
von damals bestand dagegen am Festhalten an der Zentralstellung der Erde in der
Vorstellung, unsere Kenntnis der Strukturen der physischen Welt wäre irgendwie
vom Wortsinn der Heiligen Schrift gefordert. ... Tatsächlich beschäftigt sich
die Bibel nicht mit den Einzelheiten der physischen Welt, deren Kenntnis der
Erfahrung und dem Nachdenken des Menschen anvertraut wird."
·
S.154f.
Gegenwärtig geht man davon aus, dass das Universum vor etwa 20 Milliarden
Jahren in einer gewaltigen Explosion, dem sogenannten Urknall, geboren wurde.
Mit dem Urknall begann die Ausdehnung des Weltalls, die bis heute in Form der
Fluchtbewegung der Galaxien fortbesteht. …
Die Fluchtbewegung der Galaxien, die 3-K-Hintergrundstrahlung und die richtig
vorhergesagte Elementhäufigkeit im Universum sind die wichtigsten Belege für
die Theorie des Urknalls.
Trotz aller Erfolge sind noch viele Fragen zu den Frühphasen des Weltalls
ungeklärt.
·
P24 VOLK UND WISSEN; Astronomie,
Volk und Wissen, Berlin, 1999
SCHULBUCH-PROJEKT
„Wenn es in der Schule
um Schöpfung, Evolution und Urknall geht …“ -
Naturwissenschaft in der Begegnung mit philosophischen und religiösen Fragen -
In welcher Weise nehmen in Sachsen zugelassene Lehrbücher für die Fächer
Biologie, Physik, Astronomie und Religion solche Grenzfragen auf?
(Schönberger Blätter Heft 30, 2009)
Zitatensammlung
Lehrbücher Fach Religion
R) Lehrbücher Religion
R1 Vandenhoeck
& Ruprecht; Koretzki, G.-R., Tammeus, R. (Hg.): Werkbuch Religion –
entdecken, verstehen, gestalten; Materialien für Lehrerinnen und Lehrer,
Göttingen 2002
R2 Vandenhoeck
& Ruprecht; Koretzki, G.-R., Tammeus, R. (Hg.): Religion –
entdecken, verstehen, gestalten - 9/10; Ein Unterrichtswerk für den
evangelischen Religionsunterricht, Göttingen 2002
R3 Patmos;
Zeichen der Hoffnung, Patmos Düsseldorf, 2002
R4 Cornelsen;
Religionsbuch Oberstufe, Cornelsen, Berlin, 2006
R5 Cornelsen
/ Volk und Wissen; Abenteuer Mensch sein, Cornelsen Berlin 2008
R6 Calwer
/ Diesterweg; Das Kursbuch Religion 3 (Klassen 9/10); Stuttgart –
Braunschweig 2007
R7 Calwer
/ Diesterweg; Kursbuch Religion, Oberstufe; Stuttgart – Braunschweig
2004
R8 Cornelsen;
Religionsbuch 7/8; Cornelsen, Berlin, 2001
R1
Vandenhoeck & Ruprecht; Koretzki, G.-R., Tammeus, R. (Hg.): Werkbuch
Religion – entdecken, verstehen, gestalten; Materialien für Lehrerinnen und
Lehrer, Göttingen 2002
R3
PATMOS; Zeichen der Hoffnung, Patmos Düsseldorf, 2002
R4
Cornelsen; Religionsbuch
Oberstufe, Cornelsen, Berlin, 2006
R5
Cornelsen / Volk und Wissen;
Abenteuer Mensch sein, Cornelsen Berlin 2008
R6
Calwer / Diesterweg; Das
Kursbuch Religion 3 (Klassen 9/10); Stuttgart – Braunschweig 2007
R7
Calwer / Diesterweg;
Kursbuch Religion, Oberstufe; Stuttgart – Braunschweig 2004
R8
Cornelsen; Religionsbuch
7/8; Cornelsen, Berlin, 2001
SCHULBUCH-PROJEKT
„Wenn es in der Schule
um Schöpfung, Evolution und Urknall geht …“ -
Naturwissenschaft in der Begegnung mit philosophischen und religiösen Fragen -
In welcher Weise nehmen in Sachsen zugelassene Lehrbücher für die Fächer
Biologie, Physik, Astronomie und Religion solche Grenzfragen auf?
(Schönberger Blätter Heft 30, 2009)
Zitatensammlung
Lehrbücher Fach Geschichte
Inhalt:
G1 C.C. BUCHNER; Buchners Kolleg Geschichte –
Ausgabe C, Die Herausbildung des modernen Europa; C.C. Buchners Verlag, Bamberg
1995,
G2 CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Geschichte
plus, Klasse 7, Gymnasium, Cornelsen Verlag Berlin 2005
G3 CORNELSEN / VOLK UND WISSEN; Entdecken und
verstehen 7, Cornelsen Verlag Berlin 2005
G4 VOLK UND WISSEN; Geschichte plus, Sachsen,
Mittelschule, Klasse 7, Volk und Wissen Verlag, Berlin, 2000
G5 CORNELSEN; Geschichtsbuch, Band I, Von der
Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, Cornelsen Verlag, Berlin 1995 (2006)
G6 DIESTERWEG; Expedition Geschichte,
Mittelschule Sachsen, Band 3, Klasse 7, Bildungshaus Schulbuchverlage …,
Braunschweig 2005
G7 KLETT; Geschichte und Geschehen, 3,
Sachsen, Sekundarstufe I, Ernst Klett Schulbuchverlag, Leipzig 2006
G8 KLETT; Zeitreise 2, Ernst Klett Verlag
Stuttgart, 2007
G9 KLETT; Geschichte und Geschehen, Berufliche
Oberstufe, Ernst Klett Schulbuchverlag, Leipzig, 2003
G10 SCHÖNING; Zeiten und Menschen 1, Geschichte,
Oberstufe, Bildungshaus Schulbuchverlage …, Braunschweig, 2007
G11 WESTERMANN; Anno 3 neu, Gymnasium Sachsen,
Bildungshaus Schulbuchverlage …, Braunschweig, 2005
G1
C.C. BUCHNER:
Buchners Kolleg Geschichte – Ausgabe C, Die Herausbildung des modernen Europa;
C.C. Buchners Verlag, Bamberg 1995,
G2
CORNELSEN / VOLK UND WISSEN:
Cornelsen / Volk und Wissen, Geschichte plus, Klasse 7, Gymnasium, Cornelsen
Verlag Berlin 2005
G3
CORNELSEN / VOLK UND WISSEN:
Cornelsen / Volk und Wissen, Entdecken und verstehen 7, Cornelsen Verlag Berlin
2005
G4
VOLK UND WISSEN:
Volk und Wissen, Geschichte plus, Sachsen, Mittelschule, Klasse 7, Volk und
Wissen Verlag Berlin, 2000
G5
CORNELSEN:
Geschichtsbuch, Band I, Von der Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts,
Cornelsen Verlag Berlin 1995 (2006)
G6
DIESTERWEG:
Diesterweg, Expedition Geschichte, Mittelschule Sachsen, Band 3, Klasse 7,
Bildungshaus Schulbuchverlage … 2005
G7
KLETT:
Klett, Geschichte und Geschehen, 3, Sachsen, Sekundarstufe I, Ernst Klett
Schulbuchverlag Leipzig 2006
G8
KLETT:
Klett, Zeitreise 2, Ernst Klett Verlag Stuttgart, 2007
G9
KLETT:
Klett, Geschichte und Geschehen, Berufliche Oberstufe, Ernst Klett
Schulbuchverlag Leipzig, 2003
G10
SCHÖNING:
Schöningh, Zeiten und Menschen 1, Geschichte, Oberstufe, Bildungshaus Schulbuchverlage
… Braunschweig, 2007
G11
WESTERMANN:
Westermann, Anno 3 neu, Gymnasium Sachsen, Bildungshaus Schulbuchverlage …
Braunschweig, 2005
SCHULBUCH-PROJEKT
„Wenn es in der Schule
um Schöpfung, Evolution und Urknall geht …“ -
Naturwissenschaft in der Begegnung mit philosophischen und religiösen Fragen -
In welcher Weise nehmen in Sachsen zugelassene Lehrbücher für die Fächer
Biologie, Physik, Astronomie und Religion solche Grenzfragen auf?
(Schönberger Blätter Heft 30, 2009)
Zitatensammlung
aus zusätzlich zu den Lehrbüchern verwendeten weiteren Quellen
Q) weitere Quellen
Q1 Aus
Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitung „Das Parlament“, 46/2007:
„Geisteswissenschaften“
Q5 Campbell, N.A. / Reece, J.B.: Biologie,
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin, 6. Auflage, 2003
Q6 Coyne, G. in: Der Spiegel 52/2000 S.118ff
Q7 Darwin, Ch.: Die Abstammung des Menschen und
die Zuchtwahl in geschlechtlicher Beziehung, Reclam, Leipzig o.J.
Q8 Darwin, Ch.: Die Entstehung der Arten durch
natürliche Zuchtwahl, Reclam Leipzig 1980
Q9 Deutsches
Institut für Fernstudien der Universität Tübingen, Fernstudium
Naturwissenschaften, EVOLUTION, Heft 4: Ursprung und frühe Evolution des
Lebens, Tübingen, 1985
Q10 Deutsches Institut für Fernstudien der
Universität Tübingen, Fernstudium Naturwissenschaften, EVOLUTION, Heft 3:
Theoretische Grundlagen der Evolution, Tübingen, 1986
Q11 Die
Zeit, 29.3.2007 S.29, 32
Q12 Farouki, N. /
Serres, M. (Hrsg.): Thesaurus der exakten Wissenschaften, Zweitausendeins
Verlag, Frankfurt/Main, 2001
Q13 Ferguson, K.: Gott und die
Gesetze des Universums, Econ, Düsseldorf 2002
Q14 Fischer, E.P.: Die andere
Bildung – was man von den Naturwissenschaften wissen sollte, Ullstein, 2003
Q15 GEOkompakt Nr.4:
Die Evolution des Menschen, Hamburg 2005
Q16 Haeckel, E.: Die
Lebenswunder, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1906
Q17 Haeckel, E.: Die
Welträthsel, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart, 1899
Q18 Horn, S.O.,
Wiedenhofer, S. (Hrsg.):Schöpfung und Evolution – Eine Tagung mit Papst
Benedikt XVI. in Castel Gandolfo; Sankt Ulrich Verlag, Augsburg, 2007
Q19 Huber, Wolfgang
(Bischof und Ratsvorsitzender der Ev. Kirche in Deutschland), Bericht des Rates
der EKD - Teil A, (6. Tagung der 10. Synode der EKD, Dresden, 04. - 07.
November 2007)
Q20 Küng, H.: Der
Anfang aller Dinge, Naturwissenschaft und Religion, Piper, München, 2005
Q21 Lesch, H. /
Müller, J.: Big Bang zweiter Akt – Auf den Spuren des Lebens im All,
Bertelsmann, München 2003
Q22 Mohr, H. in: Aus
Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitung „Das Parlament“, B15/1992
S.10ff
Q23 Mozetic, G.: Die
Gesellschaftstheorie des Austromarxismus. Geistesgeschichtliche
Voraussetzungen, Methodologie und soziologisches Programm. Darmstadt 1987, S.
117 f.; zitiert nach http://www.tu-braunschweig.de/Medien-DB/hispaed/erziehung.pdf
Seite 27
Q24 Reichholf, J.H.:
Was stimmt? Evolution – Die wichtigsten Antworten; Herder spektrum, Freiburg,
2007
Q25 Stuhler, E.: Margot Honecker –
Die Biografie, Heyne Verlag, München, 2005
Q26 Vollmer, G.: Biophilosophie,
Reclam, Stuttgart, 1995,
Q27 Vollmer, G.: Die
Unvollständigkeit der Evolutionstheorie, in: Kanitscheider, B. (Hrsg.): Moderne
Naturphilosophie, Würzburg, 1984
Q28
Vollmer, G., UNIVERSITAS 8/1991, S.768f.
Q29 Wabbel, T.D.
(Hrsg.): Im Anfang war (k)ein Gott – naturwissenschaftliche und theologische
Perspektiven; Patmos, Düsseldorf, 2004
Q30 Die Zeit,
7.2.2008, S.34, Interview mit Andrei Linde und Alexander Vilenkin: „Der
Spielraum Gottes schrumpft“
Q31 Fischer, Ernst
Peter: Aristoteles, Einstein & Co., Piper, München 2005
Q32 Martin Luther:
Biblia das ist die gantze Heilige Schrifft Deudsch (aus dem Jahre 1534), Band
1, Facsimile-Druck bei Reclam Leipzig 1983
Q33 die tageszeitung
Berlin, 10.3.08 S.2
Q34 die tageszeitung Berlin 25.10.96
Q35 Lapide, Pinchas:
War Eva an allem schuld?, Gespräche über die Schöpfung, Grünewald Mainz, 1985
Q36 Westermann,
Claus: Genesis, Kapitel 1-11, Teil 2, Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1985
Q37 „Thesen zum Kreationismus“, Amtsblatt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens,
Dresden, 31. Juli 1990
Q38 Junker,
R.; Scherer, S.: Evolution – Ein kritisches Lehrbuch, Weyel-Verlag Gießen, 1998
Q39 Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN:
„Schöpfung und Wissenschaft“, Hänssler-Verlag Neuhausen-Stuttgart 1990
Q40 Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches Institut Leipzig,
1964
Q41 Unterrichtshilfen Biologie 10. Klasse, zum Lehrplan 1971, Volk und
Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1971
Q42 Weltall Erde Mensch, Verlag Neues Leben, (Berlin) 1955
Q43 Tietz, Gertraudis; Landeskatechetin der Ev.-Luth. Landeskirche
Sachsens; Vortrag auf der Herbsttagung der Landessynode der Ev. Luth.
Landeskirche Sachsens 1964, Reg.Nr.2243/14: „Das sozialistische Bildungssystem“
Q44 Brecht, Bertolt: Leben des Galilei, Reclam, Leipzig 1968
Q45 Westermann, Claus: Schöpfung und Evolution, Zeitwende 53 (1982) 3,
S.146ff.
Q46 EKD-Texte 94: Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube
in der Schule; eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland, Hannover 2008
Q47 Hemminger, Hansjörg: Das Wirklichkeitsverständnis der
Naturwissenschaft, EZW-Texte Impulse Nr.23, Evangelische Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen, Stuttgart, 1986
Q48 Westermann, Claus: Schöpfung; Kreuz Verlag Stuttgart 1979
Q49 Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig
1983
Q50 Heller,
Bruno: Naturwissenschaft und die Frage nach der Religion; EZW-Texte Impulse
Nr.28, Evangelische Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen, Stuttgart 1989
Q51 Ewald, Günter:
Naturwissenschaftliche und religiöse Ideologien; EZW-Texte Impulse Nr.35, Evangelische Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen, Stuttgart 1993
Q52 stud. christ.
Spezialfernkurs; Naturwissenschaft – eine Herausforderung des Glaubens;
Kirchentagskongress der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1978, Lehrbrief 2
Q53 stud. christ.
Spezialfernkurs; Naturwissenschaft – eine Herausforderung des Glaubens;
Kirchentagskongress der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1978, Lehrbrief 3
Q54 Fischer, E.P.:
Leonhardo, Heisenberg & Co., Piper Verlag Taschenbuch München 2004
Q55 Steinmüller,A.,
Steinmüller,K.: Charles Darwin – vom Käfersammler zum Naturforscher Verlag
Neues Leben Berlin, 1985
Q56 Zahrnt, Heinz: Mutmaßungen über Gott, Piper Verlag
München Zürich, Taschenbuch 1997, S.11ff.
Q57 Pressemitteilung www.idea.de,
15.9.08
Q58 GEO kompakt 14,
Die 100 größten Forscher aller Zeiten, 2008
Q59 Benjamin Gruner,
in: Sächsisches Gemeinschaftsblatt, Hrsg. Landesverband Landeskirchlicher
Gemeinschaften Sachsen e.V., Heft 4/2008 S.2
Q60 BROCKHAUS
ENZYKLOPÄDIE in 24 Bd., 19., völlig neu bearb. Aufl.,
Bd. 10 (Herr – Is), Mannheim: Brockhaus, 1989, S. 374; Stichwort Ideologie)
Q61 Fuchß, H.: Hat die Bibel recht?,
Urania-Verlag Leipzig 1957, S.13
Q62 Spektrum der Wissenschaft Heft
9/2007 S.102ff.
Q63 bild der wissenschaft Heft 2/2009 S.54ff.
Q64 Martin Luther: Der Kleine
Katechismus (1529), Erklärung zum ersten Artikel des christlichen
Glaubensbekenntnisses
Q65 bild der wissenschaft Heft
12-2003 S.40
Q66 bild der wissenschaft Heft
11-2008 S.10
Q67 Die Bibel, erschlossen und
kommentiert von H. Halbfas, Patmos 2001, S.29
Q68 Christian Schwarke / Roland Biewald: Weltbilder – Menschenbilder;
Themenhefte Religion, Ev. Verlagsanstalt Leipzig, 2003,
S.27)
Q69 Boost, Ch.,
Gensichen, H., Pfeiffer, G.: Ist der Kreationismus haltbar? Thesen gegen einen
neuen Anti-Evolutionismus in der Kirche; Kirchliches Forschungsheim Wittenberg,
1983
Q70 WIKIPEDIA; zu „Kopernikus“, „Galilei“ und „Religion und
heliozentrisches Weltbild“;
gelesen 16.12.08
Q71 Dawkins, Richard: Der Gotteswahn, Ullstein, Berlin, 2008
Q72 Darwin, Charles:
Mein Leben, Insel Taschenbuch, Frankfurt/Main, 2008
Q73 Ullrich, Henrik;
Junker, Reinhard (Hrsg.): Schöpfung und Wissenschaft – Die Studiengemeinschaft
WORT UND WISSEN stellt sich vor; Hänssler Verlag Holzgerlingen 2008
Q74 Der Spiegel
23/1998 S.90
Q75 Charles Darwin:
Mein Leben, Autobiographie, Insel Taschenbuch, 2008
Q76 Weber, Thomas P.:
Darwin und die neuen Biowissenschaften, DuMont Köln, 2005
Q77 Drewermann, Eugen: Glauben in Freiheit, Bd. 3. Religion und
Naturwissenschaft, Teil 1. „Der sechste Tag: Die Herkunft des Menschen und die
Frage nach Gott“, Walter-Verlag Zürich u. Düsseldorf, 1998, S.56-58
Q78 chrismon 4/2008 S.11, Interview mit Friedrich Schweitzer
Q79 Weltall Erde Mensch, Neufassung, Verlag Neues Leben, Berlin 1968
Q80 Clausnitzer,
Lutz: Was der Himmel über die Erde erzählt, Freie Presse Chemnitz 27.3.09, S.
A8
Q81 Drake, Stillman:
Galilei, Herder / Spektrum, Freiburg o.J. (nach 1999, ISBN: 3-926642-38-6)
Q82 Carroll, S.B.:
Die Darwin-DNA, Wie die neueste Forschung die Evolutionstheorie bestätigt,
S.Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 2008
Q1 Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur
Zeitung „Das Parlament“, 46/2007: „Geisteswissenschaften“
·
(9)
Mit Blick auf den Träger des Wissens, nämlich den menschlichen Geist, können
alle Wissenschaften als Geisteswissenschaften angesehen werden; mit Blick auf
ihre Gegenstände aber befassen sich alle Wissenschaften mit der Natur.;
·
(12)
„Nur was zu etwas gut ist, lässt sich auch missbrauchen.“ (Montaigne, Essais
II,6)
·
(15ff;
Beitrag des Präsidenten der
Leibniz-Gesellschaft und des Generalsekretärs der Leibniz-Gemeinschaft:)
Das Ziel wissenschaftlichen Strebens ist Erkenntnisgewinn und –bewahrung, es
geht darum, die Antwort auf eine bestimmte Frage zu finden. Soll nun,
spezieller formuliert, die Lösung eines auf die menschliche Existenz bezogenen
Problems gefunden werden, so müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die sind
erstens Kenntnisse der Methoden des Faches und deren Anwendung (etwa Analyse-
bzw. Messmethoden in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, kritisches
Quellenstudium und regelgeleitete Auslegung in den historischen Wissenschaften
sowie Quer- und Längsschnittstudien in den Sozialwissenschaften.;
Blaise Pascal (17.Jh.): „Wir können nur über die Vorfahren hinausschauen, weil
wir auf ihren Schultern stehen.“;
Isaac Newton: Sein und Wissen ist ein uferloses Meer. Je weiter wir vordringen,
umso unermesslicher dehnt sich aus, was noch vor uns liegt; jeder Triumph des
Wissens schließt hundert Bekenntnisse des Nichtwissens ein.;
Während die Betrachtung einzelner Gegenstände von Wissenschaft zur
Herausbildung von Fächern bzw. Disziplinen führte, also beispielsweise der
Geschichte (Vergangenheit), der Medizin (der kranke oder verletzte Mensch), der
Biologie (Tiere und Pflanzen) oder der Theologie (Gott und der Mensch), hat der
Ansatz der methodischen Herangehensweise die Einteilung der Wissenschaften in
Naturwissenschaften (Außenperspektive, auf Beobachtung beruhend mit
Beschreibung, Versuch und Beweis) und Geisteswissenschaften (Innenperspektive,
auf Empathie beruhend mit Beschreibung und Interpretation) zur Folge. So galt
die Naturwissenschaft als die beschreibende und erklärende Wissenschaft,
während die Geisteswissenschaft als die verstehende und interpretierende
Wissenschaft (Hermeneutik) definiert wurde. Interessant ist an dieser Stelle
anzumerken, dass im angelsächsischen Kulturkreis nur die Naturwissenschaften
als science anerkannt sind, während
die – im deutschen Sprachraum so bezeichneten Geistes-, Kultur- und
Sozialwissenschaften als humanities
firmieren.;
In der aktuellen Diskussion heißt es, dass die Natur- und Technikwissenschaften
Verfügungswissen generieren (was mit
dem Begriff Verstand markiert wird),
während die Geisteswissenschaften danach Orientierungswissen
bereitstellen (gekennzeichnet mit dem Begriff Vernunft).;
Die Naturwissenschaften stellen – zumindest im eigenen Verständnis – mit ihrer
kritisch-empirisch-rationalen Methode die Erkenntnis der natürlichen (im Sinne
von Natur) Lebenswelt des Menschen in den Mittelpunkt – nach Aristoteles der
Welt, die nicht vom Menschen gemacht wurde. Wer demnach keine anderen Quellen
von Erkenntnis im Sinn von Wissenschaft gelten lässt, für den gibt es zu den
Naturwissenschaften keine Alternative – wahr ist, was beweisbar ist!;
Es besteht Einigkeit darüber, dass die Biologie die Frage „Was ist der Mensch?“
nicht in einem umfassenden Sinn beantworten kann. Sie kann seine Einzelteile
(im Sinne von Bauteilen) definieren und deren Zusammenwirken erklären, mehr
jedoch nicht.
Q2
Bild der Wissenschaft 12/1999 S. 42ff
·
George Coyne (Jesuiten-Priester, Astronom und
Direktor des Vatican Observatory):
„Die Schöpfungsgeschichte ist kein Lehrbuch. Sie sagt uns nicht, wie der Himmel
funktioniert, sondern wie wir dort hinkommen.“;
(bdw 12/1999 S. 42ff)
Kosmische Kennziffern
Eigenschaften |
Wert |
Unsicherheit |
Alter des Universums (Milliarden
Jahre) |
13,7 |
± 0,2 |
Anteil der „normalen“ Materie
(Prozent) |
4,4 |
± 0,4 |
Anteil der (kalten) „dunklen
Materie“ (Prozent |
23 |
± 4 |
Anteil der gesamten Materie
(Baryonen und „dunkle“ Materie) an der Gesamtdichte (Prozent) |
27 |
± 4 |
Anteil der „dunklen Energie an
der Gesamtdichte (Prozent) |
73 |
± 4 |
Temperatur der kosmischen
Hintergrundstrahlung (Kelvin) |
2,725 |
± 0,002 |
Was wir
über unser Universum „wissen“
Q4 Bohl, Jochen (Bischof der Ev.-Luth.
Landeskirche Sachsens)
Pastor@lbrief Februar 2008
(Auszug)
Liebe
Schwestern und Brüder,
im
Pastor@lbrief vom vergangenen August hatte ich mich mit dem Verhältnis von Schöpfungsglauben
und naturwissenschaftlichen Aussagen zur Entstehung der Welt beschäftigt und
geschrieben: „Glaube und Wissenschaft konkurrieren eben nicht in dem Sinne,
dass man sich entscheiden müsste, ob man das eine oder das andere zur Grundlage
der Welterkenntnis erklärt. Vielmehr geht es um sich ergänzende Zugänge zu
unterschiedlichen Aspekten einer umfassenden Wirklichkeit. Die Wissenschaft
sucht sie zu erkennen, der Glaube will sie deuten.“ Diese Formulierung richtete
sich gegen eine radikale Naturalisierung des Menschen, wie sie von einigen
Vertretern der Evolutionsbiologie (so z. B. Richard Dawkins, dessen Buch sich
seit einigen Monaten sehr gut verkauft) propagiert wird; und gegen die
„Mutation“ naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zu einer Weltanschauung.
Nun wird
man andererseits aber sagen müssen, dass auch der aus den USA kommende
Kreationismus die Unterscheidung der Sphären von Glauben und Wissen nicht zu
akzeptieren bereit ist. Es gibt ihn in verschiedenen Erscheinungsformen, denen
es gemein ist, dass ein unüberwindlicher Gegensatz zwischen dem
Schöpfungsglauben und naturwissenschaftlicher Welterkenntnis gesehen wird, weil
die biblischen Texte über die Erschaffung der Welt als göttliche Offenbarung
und zugleich als naturwissenschaftliche Aussagen verstanden werden. So kommt
man zu Behauptungen, die den Erkenntnissen der Naturwissenschaften, wie sie an
den Universitäten getrieben werden, diametral entgegenstehen: die Erde sei
weniger als 10000 Jahre alt, die Lebewesen seien von Gott so geschaffen worden,
wie sie noch heute sind (evolutionäre Entwicklungsprozesse habe es also nicht
gegeben) und die Sintflut sei ein Ereignis in Raum und Zeit gewesen, ein Datum
der Erdgeschichte.
Weil der
Kreationismus unter unseren Gemeindegliedern in den letzten Jahren einige
Aufmerksamkeit gefunden hat, erscheint theologische Klärung nötig.
Die
dahinter stehenden Argumente sind m. E. nicht überzeugend und führen in
unauflösbare Widersprüche. Überdies würden sie einen Abbruch des Gesprächs mit
den Naturwissenschaften bedeuten. Das wäre aber in Anbetracht des konstruktiven
Dialogs der letzten Jahrzehnte äußerst bedauerlich - denn ein wichtiges
Ergebnis ist ja, dass es mit dem Glauben der Kirche Jesu Christi unvereinbares
Naturwissen nicht gibt. Nicht wenige Nobelpreisträger in diesen Disziplinen
sind gläubige Christenmenschen.
Nach meiner
Auffassung liegt dem Kreationismus eine theologische Fehlentscheidung zugrunde.
Der Bibel geht es nicht in erster Linie um Weltwissen; darauf deutet schon die
Tatsache hin, dass in Gen. 1 verschiedene Vorstellungen von der Erschaffung der
Welt relativ unvermittelt nebeneinander stehen. Wir sehen an dieser Stelle zu
Recht keine Spannung, denn die Schrift ist uns ein Zeugnis vom Handeln Gottes,
das wir im Glauben annehmen. Ihr geht es um den Glauben, dass die Natur von dem
Gott geschaffen ist, der jedem Menschen eine unverlierbare Würde verleiht, der
als ein Gegenüber wahrgenommen werden kann und in Jesus Christus Mensch
geworden ist. Dieser Glaube trägt seine Bedeutung in sich; er ist unterschieden
von den naturwissenschaftlichen Erklärungen der Welt und also nicht gefährdet
oder in Frage gestellt durch deren Fortschritt. Der Glaube steht auch nicht in
„Konkurrenz“ zu den Naturwissenschaften; eine solche kann erst entstehen, wenn
diese meinen, die Welt deuten zu müssen – oder wenn Gläubige meinen, deren
Erkenntnisse zensieren zu müssen.
Aus der
Philosophie wissen wir, dass Gott durch die Vernunft nicht zu beweisen ist –
und die Theologie lehrt, dass er eines solchen Beweises auch nicht bedarf; im
Gegenteil: er ist „höher als alle Vernunft“. Er wohnt nicht in den Lücken
menschlicher Erkenntnisse; und ist auch nicht zu finden hinter den Fragen, an
deren Beantwortung die Wissenschaften arbeiten. Darum werden dem Gebrauch der
menschlichen Vernunft im Glauben keine Grenzen gesetzt; wir dürfen wissen
wollen, was unserem Erkenntnisvermögen zugänglich ist. Das zeigt sich besonders
plastisch am Rande einer kleinen Begebenheit in den Vätergeschichten. In Gen.
30 wird berichtet, wie Jakob zu einem Kunstgriff greift, um das
Fortpflanzungsverhalten seiner Herde zu beeinflussen; er manipuliert ein
bestimmtes Zuchtergebnis, kenntnisreich und geschickt, und zu seinem Vorteil.
Wenn auch die Methoden heute andere sind und Jakob nicht einmal eine Ahnung
hatte, dass es so etwas wie Gene geben könnte, so ist doch das Herangehen ganz
ähnlich. Menschen bemühen sich um Erkenntnis, sie sammeln Wissen und versuchen,
es für ihre Ziele einzusetzen. Ein Glaubender wird nicht sein wollen wie Gott;
aber er ist frei, nach seinen Möglichkeiten einen vernünftigen Beitrag zur
Erkenntnis der Natur zu leisten und ist – in Verantwortung vor Gott – auch
frei, dieses Wissen anzuwenden, lenkend und gestaltend in den natürlichen Gang
der Dinge einzugreifen. In dieser Freiheit liegt letztlich der Grund, warum in
der westlich-abendländischen Kultur die Wissenschaften die staunenswerten Höhen
der Gegenwart erreicht haben. Dass es auch erhebliche Kontroversen und
Widerstände gegeben hat – „und sie bewegt sich doch“ – gehört in das Bild,
ändert aber nicht die Bewertung.
Der Anklang
an Galilei mag eine Warnung sein: der Kreationismus wechselt den
Schöpfungsglauben in allzu kleine Münze und wird der ausgreifenden Dimension
des biblischen Zeugnisses nicht gerecht.
Übrigens: schon
1989 hat sich in unserer Landeskirche der Beirat für Glaube und
Naturwissenschaft mit dem Kreationismus beschäftigt (vgl. Amtsblatt 1990, B
57). Ich komme heute zu keiner anderen Bewertung.
Q5 Campbell, N.A. /
Reece, J.B.: Biologie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin, 6.
Auflage, 2003
·
(16) Naturwissenschaftliche Forschung ist ein Weg zur
Erkenntnis. Sie erwächst aus unserer Neugier für uns selbst, für die Welt und
für das Universum.;
(18) Max Perutz, Nobelpreisträger: „Eine Entdeckung ist wie sich gleichzeitig
zu verlieben und nach einem anstrengenden Aufstieg den Gipfel des Berges zu
erreichen, sie ist eine Ekstase, die nicht durch Drogen hervorgerufen wird,
sondern durch die Offenbarung einer Facette der Natur, die noch nie zuvor
jemandem zuteil geworden ist.“;
Die Naturwissenschaft sucht nach natürlichen Ursachen für natürliche Phänomene.
Dadurch ist sie auf die Untersuchung von Strukturen und Prozessen beschränkt,
die sich direkt oder indirekt beobachten und messen lassen, wobei oft
technische Geräte wie z.B. Mikroskope unsere Sinne erweitern. ... Es lässt sich
naturwissenschaftlich weder widerlegen noch nachweisen, ob übernatürliche Wesen
wie Engel, Götter oder Geister für Unwetter, Regenbögen, Krankheiten und
Heilungsprozesse verantwortlich sind; solche Erklärungen liegen jenseits der
Grenzen der Naturwissenschaft. …
Aus empirischen Forschungen lassen sich mitunter weit reichende allgemeine
Schlussfolgerungen ziehen; eine solche Art von Logik bezeichnet man als
Induktion.;
(19) Hypothesen sind vorläufige Antworten auf eine Frage – also versuchsweise
Erklärungen. In der Regel handelt es sich dabei um mehr als bloße Vermutungen.
(Beispiel: Taschenlampe leuchtet nicht; Hypothese: Batterie ist leer);
·
(22) Verglichen mit einer Hypothese hat eine
wissenschaftliche Theorie eine viel größere Reichweite …
Die Verwendung des Begriffs “Theorie“ in den Naturwissenschaften für eine
umfassende Erklärung, die durch zahlreiche Beweise gestützt wird, steht im
Gegensatz zu unserem alltäglichen Gebrauch des Begriffs; hier setzen wir
Theorien eher mit Spekulationen oder Hypothesen gleich …
Naturwissenschaftliche Theorien sind natürlich nicht die einzige Möglichkeit,
Erkenntnisse über die Natur zu erlangen. ... Naturwissenschaft und Religion
sind zwei grundverschiedene Ansätze, sich mit Naturphänomenen zu befassen. Die
Kunst ist wieder eine andere Möglichkeit ... Das Lehrbuch Biologie beschreibt
das Leben aus rein naturwissenschaftlicher Sicht ...;
Forschungsergebnisse sind nutzlos, solange sie nicht mit einer größeren Gruppe
von Fachkollegen geteilt werden. Nur wer publiziert, kann eine Resonanz auf
seine Ergebnisse bekommen ... Beharren auf Nachweisen, Kontrollexperimenten und
unabhängiger Bestätigung ...
·
(23)Naturwissenschaftler ziehen alle Behauptungen
zunächst einmal in Zweifel. …
Naturwissenschaft … beruht auf Beobachtungen und Messungen, die von anderen bestätigt
werden können, und ihre Ideen (Hypothesen und Theorien) müssen sich durch
wiederholbare Beobachtungen und Experimente überprüfen lassen. …
Erkenntnisse auf naturwissenschaftlicher Basis haben stets einen vorläufigen
Status, im Gegensatz zu religiösen Dogmen. ...
Naturwissenschaftler lassen Theorien nicht zum Dogma aufsteigen (520) …
Normalerweise gilt in den Naturwissenschaften etwas nicht mehr als „wahr“,
sobald ein klarer Befund dagegen spricht.
Q6 Coyne, G. in: Der
Spiegel 52/2000 S.118ff
·
(Artikel von George Coyne, Leiter des Observatoriums
im Vatikan:)
Brauchen wir Gott, um das Universum zu erklären? Meine persönliche Antwort
lautet: Ganz und gar nicht. Ich brauche Gott nicht. Vielen Dank, aber ich komme
beim Versuch, das Universum zu begreifen, ganz gut zurecht, indem ich meine
Fähigkeit benutze, das Universum in meinen Kopf zu stecken. Ach übrigens, ich
glaube durchaus, dass mir diese Fähigkeit von Gott gegeben wurde.;
Sterne werden geboren und sterben. Und wenn dieser Prozess nicht stattfände,
wäre keiner von uns hier. Damit die chemischen Elemente entstehen, aus denen
der menschliche Körper aufgebaut ist, sind drei Sternengenerationen nötig.;
wir wissen heute, dass es in unserer Galaxie 100 Milliarden Sterne gibt und sie
einen Durchmesser von 100.000 Lichtjahren hat, ich kann diese Werte mit
derselben Gewissheit angeben, wie ich meine Körpergröße kenne (Anwendung der
Gesetze der Physik, der Chemie...);
wir sehen die Dinge niemals so, wie sie sind;
ein weiteres Schlüsselereignis: nach 11 Mrd. Jahren entstanden im heute 15 Mrd.
Jahre alten Universum die ersten mikroskopisch kleinen Formen von Leben. Und
wie kommen wir Menschen in dieses sich entwickelnde Universum? ... es wäre
wissenschaftlich absurd zu bestreiten, dass das menschliche Gehirn nichts
anderes ist als das Ergebnis eines Prozesses zunehmender chemischer Komplexität
in einem sich immer weiterentwickelnden Universum;
Sind wir .. durch Zufall entstanden oder aus Notwendigkeit? Als erstes muss man
sagen, dass das Problem nicht korrekt formuliert ist. Es ist nicht einfach eine
Frage von Zufall ODER Notwendigkeit, denn zunächst einmal ist es beides. Des
Weiteren gibt es eine dritte Komponente, die sehr wichtig ist. Ich nenne sie
„Gelegenheit“. Das Universum schafft so viele Gelegenheiten für den Erfolg sowohl
zufälliger als auch notwendiger Prozesse, dass wir diese Eigenschaft der Welt
mit berücksichtigen müssen ...Das Universum spielt seit 15 Mrd. Jahren
Lotterie. In diesen langen Zeiträumen haben auch „sehr unwahrscheinliche“
Prozesse eine statistisch berechenbare Chance, zu passieren.... es zur
Einengung des evolutionären Prozesses kommt (Vorhandenes legt weitere
Entwicklung fest, nicht mehr alles ist möglich);
Wir brauchen Gott nicht, um das Universum zu erklären, so wie wir es heute
sehen... Und wenn Gott uns doch etwas über sich selber sagen will, dann tut er
das durch seine Schöpfung;
Wenn wir die Ergebnisse der modernen Wissenschaft ernst nehmen, fällt es schwer
zu glauben, dass Gott allmächtig und allwissend ist im Sinne der scholastischen
Philosophen. Die Wissenschaft erzählt uns von einem Gott, der sehr anders sein
muss als der Gott, den mittelalterliche Philosophen und Theologen sahen. Könnte
Gott zB nach einer Mrd. Jahren ... vorhergesagt haben, dass menschliches Leben
entstehen würde? ... selbst wenn Gott im Besitz der „Universaltheorie“ wäre,
alle Gesetze der Physik, alle Elementarkräfte kennen würde ... dass es neben
deterministischen Vorgängen auch Zufallsprozesse gibt, .... dann sieht es so
aus, als könnte Gott selbst das Endergebnis nicht mit Sicherheit kennen. Gott
kann nicht wissen, was nicht gewusst werden kann. Das ist keine Einschränkung
Gottes. Ganz im Gegenteil. Es offenbart uns einen Gott, der ein Universum
erschaffen hat, dem eine gewissen Dynamik innewohnt und das somit am Schöpfungsakt
Gottes teilnimmt ... müssen Gläubige Abstand nehmen von der Vorstellung eines
diktatorischen Gottes, eines Newtonschen Gottes, der das Universum als Uhrwerk
erschaffen hat, das regelmäßig weitertickt. Vielleicht sollte man Gott eher als
ein Elternteil sehen. Die Heilige Schrift ist erfüllt von diesem Gedanken. Sie
stellt sogar – vermenschlichend – einen Gott dar, der zornig wird, der
maßregelt, einen Gott, der das Universum hegt und pflegt. Theologen haben den
Begriff von Gottes fortwährender Schöpfung geprägt. ... Gott arbeitet mit dem
Universum. Das Universum hat eine gewisse eigene Vitalität, genauso wie ein
Kind. Man erzieht ein Kind, aber man versucht die eigenständige Persönlichkeit
des Kindes zu erhalten und zu bereichern ... Eltern müssen einem Kind erlauben,
erwachsen zu werden, so weit zu kommen, dass es seine eigenen Entscheidungen
trifft, seinen eigenen Weg ins Leben geht. Das ist die Art und Weise, wie Gott
mit dem Universum umgeht. das sind sehr schwache Bilder, aber wie sollten wir
sonst über Gott reden? ... Für diejenigen, die glauben, sagt uns die moderne
Naturwissenschaft etwas über Gott. Sie ist eine Herausforderung, eine
bereichernde Herausforderung, für den traditionellen Gottesglauben.
Q7 Darwin, Ch.: Die Abstammung des Menschen und die
Zuchtwahl in geschlechtlicher Beziehung, Reclam, Leipzig o.J., Bd. II
·
S.91f.
Ich vermochte jedoch nicht, mich dem Einflusse meines früheren, damals
allgemein verbreiteten Glaubens, wonach jede Art zweckmäßig erschaffen sei,
gänzlich zu entziehen, und dies führte mich zu der unausgesprochenen Meinung,
dass jede Einzelheit der Struktur, Rudimente ausgenommen, einen besonderen,
wenn auch unbekannten Dienst leiste.
... so habe ich doch wenigstens, ich hoffe es, ein gutes Werk verrichtet, indem
ich dazu beigetragen habe, das Dogma der besonderen Schöpfungsakte zu stürzen.
·
S.409
Manche der vorgebrachten Ansichten sind höchst spekulativer Art und einige
werden sich sicherlich als irrig erweisen; aber ich habe in allen Fällen die
Gründe angeführt, welche mich mehr zu der einen oder der anderen Ansicht
veranlassten. ... unrichtige Ansichten, die einigermaßen von Beweisen
unterstützt werden, können nur wenig schaden, denn jedermann findet ein
heilsames Vergnügen darin, ihre Unrichtigkeit zu erproben. Und ist dies
geschehen, so wird dadurch der Weg zum Irrtume verlegt und oft auch
gleichzeitig ein Weg zur Wahrheit geöffnet
Q8 Darwin, Ch.: Die
Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl, Reclam Leipzig 1980
·
S.174ff.
(Zebra, Esel, Pferderassen) „Wer da
glaubt, dass alle Pferdearten unabhängig voneinander erschaffen wurden ...
Dieser Ansicht huldigen, heißt meines Erachtens eine reale Ursache für eine
unreale oder wenigstens unbekannte zu opfern. Sie würdigt die Werke Gottes zu
Trug und Täuschung herab; ich möchte dann fast ebenso mit den alten unwissenden Kosmogonisten
annehmen, dass die fossilen Muscheln nie Leben bargen, sondern im Stein
erschaffen wurden, um die an der Seeküste lebenden Schaltiere nachzuahmen.“
·
S.529
Der Glaube an die Unveränderlichkeit der Arten war fast unvermeidlich, solange
man der Geschichte der Erde nur eine kurze Dauer zuschrieb.
·
S.533
Ich glaube, dass die Tiere von höchstens 4 oder 5 Vorfahren abstammen, die Pflanzen
von derselben oder einer noch kleineren Anzahl.
Die Analogie würde mich noch einen Schritt weiterführen, nämlich zu der
Annahme, dass alle Tiere und Pflanzen von einer einzigen Urform abstammen. Aber
die Analogie ist als Führerin unzuverlässig. Trotzdem haben alle lebenden Wesen
sehr vieles gemeinsam in ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrem Zellenbau,
ihren Wachstumsgesetzen und ihrer Empfindlichkeit gegen schädliche Einflüsse. …
Nach dem Prinzip der natürlichen Zuchtwahl in Verbindung mit der Divergenz der
Merkmale ist es daher nicht unglaubhaft, dass sich die Tiere sowohl wie die
Pflanzen aus einer solchen tiefstehenden Zwischenform entwickelt haben, und
wenn wir das zugeben, können wir ebenso wenig die Abstammung sämtlicher
Lebewesen, die je die Erde bevölkert haben, von einer einzigen Urform
bestreiten.
·
S.537f
(die letzten Sätze im Buch)
In einer fernen Zukunft sehe ich ein weites Feld für noch bedeutsamere
Forschungen. Die Psychologie wird sicher auf der von Herbert Spencer
geschaffenen Grundlage weiterbauen: dass jedes geistige Vermögen und jede
Fähigkeit nur allmählich und stufenweise erlangt werden kann. Licht wird auch
fallen auf den Menschen und seine Geschichte.
Sehr bedeutende Autoren
scheinen von der Ansicht einer unabhängigen Erschaffung der einzelnen Arten
durchaus befriedigt zu sein. Meines Erachtens stimmt es nach allem, was wir
wissen, besser mit den vom Schöpfer der Materie eingeprägten Gesetzen überein,
dass das Entstehen und Vergehen der früheren und heutigen Erdenbewohner genauso
wie Geburt und Tod der Individuen eine Folge sekundärer Ursachen ist. Wenn ich
die Organismen nicht als Sonderschöpfungen, sondern als unmittelbare Nachkommen
weniger Wesen betrachte, die schon lebten, ehe die erste kambrische Schicht
sich gebildet hatte, so scheinen sie mir dadurch veredelt zu werden. …
Es ist wahrlich etwas Erhabenes um die Auffassung, dass das Leben mit
seinen verschiedenen Fähigkeiten vom Schöpfer ursprünglich nur wenigen oder gar
nur einer einzigen Form eingehaucht wurde, und dass, während dieser Planet
nach dem ehernen Gravitationsgesetz seine Kreise zieht, aus einem so
schlichten Anfang unzählige der schönsten und wunderbarsten Formen entwickelt
wurden und immer weiter entwickelt werden. (Übersetzung des letzten Satzes durch JKrause
verändert; --- engl. Ausgabe;The origin of
species …, Collins Clear Type Press, London & Glasgow, o.J.; S.507: „There
is grandeur in this view of life, with its several powers, having been
originally breathed by the Creator into a few forms or into one; and that,
whilst this planet has gone cycling on according to the fixed law of gravity,
from so simple a beginning endless forms most beautiful and most wonderful have
been, an are being, evolved.“
(Das Wort “Schöpfer” ist im
letzten Satz von Darwin erst von der 2. Auflage des Buches an eingefügt worden,
blieb bis zur 6. und letzten zu seinen Lebzeiten erschienenen Auflage enthalten
JK)
·
S.
539f. (Anhang)
Friedrich Engels las Darwins Buch von der „Entstehung der Arten“ drei Wochen
nach Erscheinen;
Engels an Marx: „Die Teleologie war nach einer Seite hin noch nicht kaputt
gemacht, das ist jetzt geschehen.“ …
Karl Marx erst ein Jahr später. Marx schrieb an Engels: „... dies ist das Buch,
das die naturhistorische Grundlage für unsere Absicht enthält“, und äußerte
Lasalle gegenüber: „Sehr bedeutend ist Darwins Schrift und passt mir als
naturwissenschaftliche Unterlage des geschichtlichen Klassenkampfes.“
Q9
Deutsches Institut für Fernstudien der
Universität Tübingen, Fernstudium Naturwissenschaften, EVOLUTION, Heft 4:
Ursprung und frühe Evolution des Lebens, Tübingen, 1985
·
S.8
1. Einleitung: Problemstellung und
historischer Hintergrund
…
Seit einigen Jahrzehnten wird nun auch erforscht, ob und wie jener
hypothetische Erstahne auf natürliche Weise aus unbelebten Stoffen entstanden
sein könnte. Der Ursprung ersten Lebens - von Ernst HAECKEL 1866 „Biogenese“
genannt - muß weit zurückliegen. Das Forschungsgebiet, die „Biogenetik",
hat inzwischen Lehrbuchumfang erreicht, jedoch noch keine gefestigte umfassende
Theorie der Biogenese erarbeitet, sondern erst alternative Hypothesen und
Teiltheorien über gewisse Wegabschnitte. Die Schwierigkeit liegt vor allem
darin, daß - anders als bei Erforschung der Phänomene heutigen Lebens - der
Lebensursprung ein weit zurückliegendes historisches Ereignis war, das niemand
beobachtete. Es kann daher nur „kriminalistisch" rekonstruiert werden,
indem man Möglichkeiten des Geschehens aufgrund der Naturgesetze ausdenkt und
zwischen diesen Hypothesen durch beobachtbare Indizien (relevante Fakten) und
Logik (folgerichtiges Denken) zu entscheiden sucht. Auch wenn ein natürlicher
Weg der Biogenese gefunden wird, der mit allen Naturgesetzen (d.h. logischen
Folgen aus den Wirkweisen aus Atomen bestehender Systeme) und mit allen
einschlägigen Fakten verträglich ist, so ist er keine „absolute Wahrheit".
Keine menschliche Erkenntnis über die Realität ist absolut sicher. Auch
wissenschaftliche Theorien gelten nur so lange als zutreffend, als sie
relevante Erfahrungsfakten erklären, vorhersagen lassen und ihnen nicht
widersprechen. Das gilt für jede Aussage über die Wirklichkeit, auch für auf
nichtwissenschaftlichen Wegen z.B. durch „übernatürliche Eingebungen" oder
„Intuition" gefundene.
·
S.141
Originalmitteilung des Experiments von Stanley L. MILLER (1953)
·
S.163ff:
Zur Kontroverse um die Entstehung des
Lebens
(Nobelpreisträger) M. Eigen:
Leben kann nicht sein ?
Es ist aber
Wer heute behauptet, das Problem des Ursprungs des Lebens auf unserem Planeten
sei gelöst, sagt mehr, als er wissen kann. Doch um wieviel mehr müßte der
wissen, der die Gegenbehauptung aufstellt und uns einreden will, dass Leben auf
natürliche Weise, also auf der Grundlage von Naturgesetzen, mit Gewißheit nicht
entstehen konnte. Er müßte nicht nur sämtliche Bedingungen kennen, unter denen
Leben möglicherweise entsteht, er muß auch beweisen, daß gerade diese unter all
den vielen möglichen Bedingungen der frühen Erde nicht realisierbar waren. …
Nicht die Wirklichkeit - nur ihr Prinzip
… Wir können heute in Experimenten gesetzmäßig
Materiezustände mit Eigenschaften reproduzieren, wie sie sonst nur in lebenden
Strukturen vorzufinden sind. Wohlgemerkt:
wir reproduzieren damit nicht irgendwelche primitiven Formen von Leben, wenn
wir mit diesem Begriff allein die historisch entstandenen Lebensstufen meinen,
sondern selbstreproduktive Strukturen, die mit den uns bekannten Lebewesen
lediglich die Chemie und das Prinzip der Selbstorganisation gemeinsam haben.
Solche Laboratoriumsexperimente haben praktische Konsequenzen, lebensfördernde
wie auch möglicherweise lebenseinschränkende. Es könnte sein, daß die
Menschheit einmal auf deren Kenntnis und Beherrschung angewiesen ist. Für
wichtiger noch halte ich den Erkenntnisgewinn. Dieser allein versetzt uns in
die Lage, Leben als das große Wunder einer Schöpfung zu begreifen – einer
Schöpfung, welche die Naturgesetze einschließt.
Q10
Deutsches Institut für Fernstudien
der Universität Tübingen, Fernstudium Naturwissenschaften, EVOLUTION, Heft 3:
Theoretische Grundlagen der Evolution, Tübingen, 1986
·
S.7ff.
Wissenschaftstheoretische Betrachtungen sind besonders gut als Themen für eine
Zusammenarbeit von Lehrern verschiedener Fächer geeignet.
Theoretisches über Theorie
Die folgenden wissenschaftstheoretischen
Überlegungen sollen eine gemeinsame Ausgangsbasis für die Diskussion der
theoretischen Grundlagen der Evolutionsbiologie schaffen, die im Wesen eine
historische Wissenschaft ist, wenn auch die Rekonstruktion des geschichtlichen
Ablaufs durch naturwissenschaftliche Methoden erfolgt. Die Klärung der
Ausgangsbasis ist besonders wichtig im Hinblick auf die zunehmende Verbreitung
unwissenschaftlicher Thesen zur Geschichte des Lebens (Kreationismus).
1.1 Allgemeines
Selbstverständlich ist die Grundlage der Evolutionsbiologie die
Evolutionstheorie. Es ist aber zum einen zu fragen, ob es die Evolutionstheorie
im Sinne eines einheitlichen, widerspruchsfreien Erklärungssystems überhaupt
gibt, und zum andern, was denn eine wissenschaftliche Theorie, die die
Evolutionstheorie ja zu sein beansprucht, gegenüber nichtwissenschaftlichen
Aussagen auszeichnet.
1.2 Definitionen und Kriterien
Eine Theorie ist eine Menge von systematisch geordneten Aussagen über einen
Bereich der Wirklichkeit, die sowohl erklärende (explikative), als auch
voraussagende (prognostische) Funktion hat (vgl. KLAUS und BUHR,
Philosophisches Wörterbuch, 1964).
Das heißt, eine Theorie muß bekannte Fakten und bekannte Zusammenhänge
erklären, und sie muß Vorhersagen über zukünftige Erkenntnisschritte erlauben.
Eine wissenschaftliche Theorie* zeichnet sich dadurch aus, daß sie, mindestens
im Prinzip, widerlegbar ist. Sie muß ein Falsifikationskriterium enthalten,
oder ein solches muß aus ihr ableitbar sein.
Das hier vertretene Verständnis von Wissenschaftlichkeit fußt im großen und
ganzen auf K. POPPER (1973). Ausgangspunkt dieses Wissenschafts-Verständnisses
ist die Erkenntnis, daß es keine formal-logische Begründung dafür gibt, von
einer Serie von Ereignissen auf ein zukünftiges zu schließen, weil man glaubt,
eine allgemeine Gesetzmäßigkeit gefunden zu haben. Mit anderen Worten,
Induktion ist logisch unzulässig. Induktives Vorgehen, d.h. das Beobachten von
Einzelfällen und das Schließen auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten, wird aber
weithin als grundlegend für die Naturwissenschaften betrachtet. POPPER leugnet
keineswegs die Bedeutung und Berechtigung der Induktion für den Alltagsverstand
(so können wir selbstverständlich hundertprozentig sicher sein, daß morgen die
Sonne aufgeht), aber er betont die Hinfälligkeit dieser Methode für die
Erkenntnistheorie. Daraus folgt, daß eine Theorie nie logisch bewiesen werden
kann: Keine noch so lange Versuchsreihe kann ausschließen, daß genau der
nächste, nicht mehr durchgeführte Versuch die Theorie widerlegt hätte, die er
„beweisen" sollte. Was man tun kann, ist, aus einer Theorie überprüfbare
Hypothesen abzuleiten. „Überprüfbar“ heißt, man muß einen Test durchführen
können, der positiv oder negativ ausgehen kann. Für den Fall des negativen
Ausgangs muß klar sein, daß dann die Theorie, zumindest in der formulierten
Fassung, widerlegt ist. Bei positivem Ausgang eines solchen Tests kann man
sagen, daß die Theorie sich einmal „bewährt" hat.
Beispielsweise kann man als Theorie formulieren, daß nur solche Arten in einem
bestimmten Gebiet gleichzeitig leben können, deren Umweltansprüche nicht
identisch sind, genauer: die mindestens eine dichtebegrenzende Ressource nicht
in identischer Weise nutzen. Diese Theorie (das Konkurrenzausschlußprinzip,
vgl. 2. Studienbrief) kann zum einen erklären, daß und wie Arten in einem
bestimmten Gebiet räumlich und zeitlich koexistieren können, und sie erlaubt
die Vorhersage, daß bei völliger Konkurrenz eine von zwei Arten die andere
verdrängen wird oder die beteiligten Arten Strategien zur Konkurrenzvermeidung
einschlagen werden. Es kann auch ein klares Falsifikationskriterium genannt
werden: Sobald zwei (oder mehr) Arten gefunden werden, die gleichzeitig im
selben Gebiet leben und sich hundertprozentige Konkurrenz machen, ist die
Theorie widerlegt.
Genau ein solcher Fall wurde im „Plankton-Paradoxon" vermutet (HUTCHINSON
1961, JACOBS 1978): mehrere nah verwandte, ähnlich große und gleich gebaute
Arten von z.B. Kleinkrebsen können im Wasser eines Sees koexistieren, ohne daß
zunächst erkennbar gewesen wäre, worin sich ihre Ansprüche an die Umwelt
unterscheiden könnten. Bei genauerer Untersuchung stellte sich aber heraus, daß
die Kleinkrebsarten durchaus unterschiedliche Nischen bilden: sie können
unterschiedlich große Nahrungspartikel aus dem Wasser filtern, sie können
unterschiedliche Helligkeiten und damit unterschiedliche Wassertiefen
bevorzugen, sie können bei unterschiedlichen Temperaturen gedeihen und damit in
verschiedenen Wasserschichten leben, sie können zu verschiedenen Zeiten die
nahrungs-, aber auch risikoreicheren oberen Wasserschichten aufsuchen usw. All
diese Möglichkeiten der Nischendifferenzierung werden von den planktontischen
Kleinkrebsen genutzt. Mit diesem Befund ist ein Widerlegungsversuch
gescheitert, die Theorie vom Konkurrenzausschluß hat sich einmal bewährt.
Je mehr Widerlegungsversuchen eine Theorie standhält, d.h., je häufiger sie
sich bewährt hat, desto verläßlicher ist sie, desto näher dürfte sie der
Wahrheit kommen. Man kann auch sagen, desto „wahrer" ist sie. POPPER
spricht in diesem Fall von „wahrheitsähnlicher" (1971 in 1973).
Wenn aus einer Theorie keine oder nur schwer prüfbare Hypothesen ableitbar
sind, dann ist sie nicht oder nur schwer widerlegbar. Allerdings kann sie sich
auch nicht oder nur schwer „bewähren“
Eine Theorie ist also nicht um so besser, je schwerer, sondern je
leichter sie prinzipiell zu widerlegen ist. Wenn sie trotzdem in den
durchgeführten Tests nicht widerlegt werden konnte, ist es um so
unwahrscheinlicher, daß sie falsch ist.
Die Rolle des Falsifikationskriteriums und damit der Möglichkeit zur
Widerlegung einer Theorie ist zwar wichtig, darf aber auch nicht überschätzt
werden. Einerseits gibt es überaus fruchtbare und wichtige Theorien in der
Evolutionsbiologie, die aus theoretischen Gründen nur schwer zu widerlegen
wären (z.B. die Theorie zur allopatrischen und sympatrischen Artbildung, vgl.
2. Studienbrief), und andererseits gab und gibt es unwiderlegbare Theorien,
Theorien mit eindeutigem Falsifikationskriterium, die nur von wenigen
Wissenschaftlern für verläßlich gehalten werden (z.B. die Theorie, daß die
Chordaten von regenwurmähnlichen Vorfahren abstammen, vgl. 5.4). Das heißt, die
Qualität einer Theorie bemißt sich nicht nur nach dem Falsifikationskriterium,
auch nicht ausschließlich nach dem Grad der Bewährtheit (wie vielen
Widerlegungsversuchen sie standgehalten hat), sondern auch nach
+ dem Erklärungsgehalt: wie viele schon bekannte Tatsachen sie in sich
aufnehmen kann,
+ der Plausibilität: mit wie vielen bewährten bzw. allgemein akzeptierten
Theorien sie kongruent ist und
+ der Parsimonität: „Sparsamkeit", d.h. wie viele Zusatzannahmen sie
erforderlich macht.
Dies alles kann nur im Vergleich zwischen konkurrierenden Theorien bemessen
werden.
Eine Theorie kann immer nur vorläufig „wahr" sein. Wenn sie eine echte
wissenschaftliche Theorie ist, muß die Möglichkeit bestehen, sie zu widerlegen.
Das gilt nicht nur für einzelne Theorien, sondern auch für größere
Erklärungszusammenhänge. Eine Sache gilt als erklärt, wenn sie als konkreter
Fall einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit formuliert werden kann. Daraus ergibt
sich eine Hierarchie von Erklärungszusammenhängen, d. h. von Theorien. Die
Widerlegung einer Theorie hat daher zwangsläufig Konsequenzen für die
Hierarchieebenen darüber und darunter.
Häufig wurde in der Geschichte der Wissenschaft eine Theorie als Spezialfall
einer übergreifenden Gesetzmäßigkeit erwiesen (z.B. die NEWTONsche Mechanik als
Spezialfall der EINSTEINschen Relativitätstheorie), oder konkurrierende
Theorien stellten sich als vereinbare Teilaspekte einer übergreifenden Theorie
heraus: „Heute wissen wir, daß Wasserstoffübertragung und Sauerstoffaktivierung
notwendige Teile der Zellatmung sind. Zur Zeit WARBURGS und WIELANDS (0.
WARBURG 1883-1970, H. WIELAND 1877-1957) wurde jedoch erbittert für die eine
oder andere Theorie gefochten. Aus zunächst konkurrierenden Theorien sind Teile
einer Theorienhierarchie geworden, Untereinheiten der Zellatmung, die selbst
wiederum Teil des Prinzips Stoff- und Energiewechsel ist. Entsprechend wurde
die Quantenmechanik, die Unschärferelation der Überbau für Wellen- und
Korpuskulartheorie der Materie" (SCHNEIDER 1978, S. 47).
Weit übergreifende Erklärungsrahmen, die für bestimmte geschichtliche Phasen
bestimmend waren oder sind, werden „Paradigmen“ (oder „Paradigmata",
Singular „Paradigma") genannt. Beispielsweise war die Ansicht, die Sonne
und alle anderen Himmelskörper drehten sich um die stillstehende Erde,
geltendes Paradigma vor der „kopernikanischen Wende". Ein weiteres
Beispiel ist die Lehre von der Unveränderlichkeit der Arten, die bis zur
„DARWINschen Wende" geltendes Paradigma war.
Ein Paradigma ist nichts anderes als eine Über-Theorie (Metatheorie), die als
Bezugs- und Erklärungsrahmen für alle Theorien auf einem bestimmten Gebiet zu
einer bestimmten Zeit dient(e). Wechsel von einem Paradigma zu einem neuen
vollziehen sich häufig innerhalb kurzer Zeit und unter erheblichen inner- und
außerwissenschaftlichen Auseinandersetzungen („wissenschaftliche Revolutionen"
nach TH. S. KUHN 1967). Diese Heftigkeit der Paradigmenwechsel rührt (nach
KUHN) daher, daß zunehmende Unverträglichkeiten neuer Daten mit dem alten
Paradigma zunächst zur Bildung von Ergänzungen und Erweiterungen des Paradigmas
führen. Aus verständlichen Gründen ist zunächst die überwiegende Mehrheit der
Wissenschaftler daran interessiert, das Erklärungskonzept, das ihnen allen als
Bezugsrahmen dient, ihnen hilft, Wahrheit oder Falschheit einer Aussage
festzustellen, ihnen über lange Zeit vertraut war und mit dem sie sich
identifizieren, so lange wie möglich zu bewahren. In solchen Situationen „ist
die Zeit reif" für neue übergreifende Theorien. Wenn nun ein solches neues
Erklärungskonzept die angewachsenen Widersprüche auflöst und gleichzeitig zu
neuen Untersuchungen anregt, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß dieses
neue Konzept zuerst wenige, aber streitbare, dann aber auch eine rasch
wachsende Zahl von Anhängern gewinnt. Allerdings muß gesagt werden (was auch
KUHN schon erwähnte), daß nicht immer nur wissenschaftliche Gründe für Annahme
oder Nichtannahme bzw. verzögerte Annahme eines neuen Paradigmas verantwortlich
sind. Nationalität, Geschlecht, gesellschaftliche Stellung, Zugehörigkeit zu
einer bestimmten „Schule" und ähnliche Prädikate des/der Autor/s/en bzw.
Autorin/neu bestimmten und bestimmen immer noch darüber mit. Es gilt
festzuhalten, daß gesellschaftliche Bedingungen und innerwissenschaftliche
immer und notwendigerweise verzahnt sind, denn die Menschen, die Wissenschaft
betreiben, sind Teil der Gesellschaft, in der sie leben. Es wäre demnach sinn-
und aussichtslos, die Forderung nach einer von gesellschaftlichen Einflüssen
freien Wissenschaft zu erheben. Dies heißt jedoch auch, daß die Aufhebung von
Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft den – auch sozialen - Prozeß der Annahme
einer wissenschaftlichen Theorie gerechter werden ließe.
1.3 Historische Theorien und
nichtwissenschaftliche Erklärungen
Das Kriterium der Widerlegbarkeit einer Theorie gewinnt besonderes Gewicht bei
der Behandlung einmaliger zeitlicher Abläufe. Aus einer Theorie über einen
geschichtlichen Prozeß lassen sich nur indirekt widerlegbare Hypothesen
ableiten. „Die Erforschung der Geschichte ist der Versuch einer Rekonstruktion
von einmaligen Ereignissen, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben. Für
solche Rekonstruktionsarbeit gibt es keine echte Testbarkeit. Evolutionslehre
sowie Geschichtsforschung haben nach POPPERS Definition von Wissenschaft als
Metaphysik zu gelten" (RIEPPEL 1983, S. 16). Wie aber oben schon
aufgeführt, ist die Möglichkeit zur Herleitung widerlegbarer (d.h. testbarer)
Hypothesen nicht das einzige Qualitätskriterium für die Beurteilung einer
Theorie. Auch im Bereich der „Metaphysik" können konkurrierende Theorien
rational gegeneinander abgewogen werden (z.B. die Theorie von der Konstanz der
Arten gegen DARWINS Evolutionstheorie).
Zudem können indirekte Tests (beispielsweise Vorhersagen über noch nicht
gemachte Entdeckungen) für historische Theorien ebenso gewertet werden wie
direkte Tests in Form von wiederholbaren Experimenten für die „exakten"
Naturwissenschaften (s. RUSE 1982, S. 135 ff.). Jüngst wurde sogar behauptet,
die Deszendenztheorie (die Theorie der Abstammung der heute lebenden Tierarten
von gemeinsamen Vorfahren) sei eine im Prinzip „leicht falsifizierbare, oft
getestete und noch nicht widerlegte Theorie" (VAN DONGEN und VOSSEN 1984).
Allerdings ist zu betonen, daß es keine Theorie gibt, die ein Urteil über die
Gültigkeit von wissenschaftlichen (bzw. rational-metaphysischen) Aussagen und
gleichzeitig von Glaubenssätzen oder mythischen Erklärungen erlaubt. Es ist
daher eminent wichtig, in Diskussionen um solche Probleme zu klären, welche
Maßstäbe für eine Theorie gelten sollen, resp. sich zu einigen, wann eine
Aussage wahr sein soll. Innerhalb der Wissenschaft wird das der Fall sein, wenn
eine Theorie vielen Widerlegungsversuchen standgehalten hat (d.h. wenn ihr
Bewährungsgrad hoch ist), oder, wo dies nicht anwendbar ist, wenn eine Theorie
die Beobachtungsdaten umfassend, in sich widerspruchsfrei und in
Übereinstimmung mit anderen, testbaren Theorien erklärt.
Ein weiterer Punkt ist wichtig: Nichtwissenschaftliche „Theorien" über die
Entstehung der Lebewesen und ihrer Vielfalt (z.B. Schöpfungsgeschichten in
Märchen, Sagen und Mythen) sollen gar nicht überprüfbar sein, sie sollen
vielmehr geglaubt werden. Auch die gesamten Erklärungsmodelle der
Naturwissenschaft gehen letzten Endes auf empirisch nicht widerlegbare (wohl
aber rationale) Grundannahmen zurück (z.B. mathematische Axiome wie die
PEANOschen**, oder daß es eine objektive Realität unabhängig von unserer
Erkenntnis gibt, daß die Welt nur einmal existiert, dass die Zeit aus dem
Unendlichen kommt und linear ins Unendliche geht usw.). Der entscheidende
Unterschied zum Mythos ist jedoch, daß innerhalb der Wissenschaft jede
Erklärung überprüfbar sein soll und damit hinterfragt werden darf. Intuition,
Emotion und Ästhetik spielen zwar in der Praxis des Experimentierens und
Datensammelns eine nicht unerhebliche Rolle, dürfen jedoch in Begründungen und
Erklärungen gar nichts gelten (hier liegt z.B. einer der großen Unterschiede
zwischen Wissenschaft und Anthroposophie, vgl. z.B. SCHRAMM 1984).
* „Wissenschaft“ wird hier im Sinne von „science“, d.h. ungefähr
„Naturwissenschaft“, verwendet
** Guiseppe PEANO (1858-1932) entwarf 1891 sein Axiomensystem, aus dem sich die
Eigenschaften der natürlichen Zahlen herleiten lassen:
1. 0 ist eine Zahl.
2. Jede Zahl hat genau einen Nachfolger.
3. 0 ist nicht Nachfolger einer Zahl.
4. Jede Zahl ist Nachfolger höchstens einer Zahl.
5. Von allen Mengen, die die Zahl 0 und mit der Zahl n auch deren Nachfolger n´
enthalten, ist die Menge der natürlichen Zahlen die kleinste.
(Nach GELLERT u. a. (Hrsg.): Handbuch der Mathematik. 739 S., Buch und Zeit Köln
o. J.)
·
S.18
3. Einwände und Alternativen …
3.1. Kreationismus …
·
S.191 bis 227
(!)
12. Diskussion kreationistischer
Anschauungen …
·
S.215
Ein Beispiel soll das Gesagte noch mal verdeutlichen, nämlich dass
Schöpfungserzählungen keine „Schöpfungsprotokolle" sind; am Beispiel eines
ägyptischen Welt- und Menschenschöpfungsmythos, von dem hier nur ein wichtiger
Teilaspekt hervorgehoben werden soll, wird die radikal
symbolisch-nichthistorische Sicht des Mythos deutlich:
Die Besucher des Tempels von Luxor begegneten seit 1350 v.Chr. dort einer
großen Abbildung, in welcher – die Schrift erklärte es - der Lebensgott Khnum
auf einer Töpferscheibe den Pharao AMEN-HOTEP III. töpfert (s. Abb.!).
In Ägypten gab es einen Mythos von dem Töpfergott Khnum, der mit einem
Widderkopf dargestellt wurde. Er formte auf einer Töpferscheibe den Menschen
aus Lehm. Die natürlichen Abkunftsverhältnisse der Pharaonen waren den Ägyptern
selbstverständlich geläufig; die dargestellte „Töpferung" konnte also nur
die Funktion haben, in einer symbolischen Darstellung des Werdens das Wesen des
Pharao, d.h. seine „Gottessohnschaft" anschaulich zu vergegenwärtigen.
Mit der Erkenntnis, dass im Alten Orient und damit in der Bibel
Werdens-Schilderungen die Funktion von Wesensenthüllungen haben können, ist ein
wichtiger Schlüssel für die Entschlüsselung mancher biblischer Erzähltexte
gewonnen!
·
S.216f.
2. Schöpfungsglaube – Kurzformel
„Schöpfung" kann in der Naturwissenschaft schlechterdings nicht vorkommen,
genausowenig wie es dem Naturwissenschaftler möglich ist, mit seinen Methoden
Gott zu entdecken, zu erreichen oder zu beweisen. Naturwissenschaft befaßt sich
mit dem sinnlich Wahrnehmbaren, dem Nachprüfbaren, den sogenannten „objektiven
Daten", ihre Stärke liegt in ihrer Selbstbeschränkung. Diese Aussagen als
die einzig möglichen für eine Welterklärung zu fordern, ist eine
Grenzüberschreitung und - z.B. im Positivismus - eine Ideologie. Der
„methodische Atheismus" des wissenschaftlichen Arbeitens ist somit
sachgerecht.
Schöpfungsglaube gründet auch auf einer Art Axiom, nämlich auf der logisch
nicht ableitbaren oder beweisbaren Uraussage: Gott existiert. Wissenschaft
setzt ihr Forschen beim bereits Gegebenen an – Schöpfungsglaube fragt darüber
hinaus, fragt nach dem Urgrund, nach dem Sinn des Ganzen. Ein Schöpfungsglaube
ist mit Mitteln und Methoden der Naturwissenschaft weder zu bestätigen noch zu
widerlegen.
Schöpfungsglaube steht aber auch nicht der naturwissenschaftlichen Forschung im
Wege oder entgegen. Es gibt nach ihm keine Einwände gegen die Tatsache, daß die
Vorgänge innerhalb eines jeden Atoms und alle Beziehungen zwischen Materie,
Raum und Zeit sich nach exakten Gesetzen, den Naturgesetzen, vollziehen. Es ist
unbestreitbar, daß aus diesen Grundfaktoren das gesamte physikalische und chemische
Geschehen dieser Welt ableitbar ist. Wie und warum jene Grundfaktoren aber
entstanden sind, bleibt das ureigenste Geheimnis der Schöpfung. Ihr Werden
beruht - im Sinne eines recht verstandenen Schöpfungsglaubens - allein auf dem
nicht ergründbaren Willensentschluß Gottes und auf dem „Know how" des
Schöpfers, das keiner Werkspionage durch menschliche Forschung zugänglich ist.
Anfang (Schöpfung) und Ende (Vollendung) bleiben uns verborgen, bleiben für uns
unaufhebbares Geheimnis. … Das „Wie" der Schöpfung kann auch
Schöpfungsglaube nicht aussagen, ja die Bibel weist uns in ihrem ganzen
vielfältigen Reden von Schöpfung gerade auf diese Tatsache hin. Beispiel:
Ausdrücklich wird mit einem besonderen Verbum „schaffen" (hebr.: bara)
herausgestellt, daß Gott keines vorgegebenen Stoffes bedarf. Indem dieses Wort
im Alten Testament Gott allein vorbehalten bleibt, wird die Schöpfung zugleich
jeder Ähnlichkeit menschlichen Tuns und so jeder Anschaulichkeit enthoben. Eine
Vorstellung des göttlichen Wirkens ist ja nur möglich, wenn eine Analogie zu
menschlichem Handeln besteht. Das betreffende Wort sagt also nichts mehr über
das Wie der Weltentstehung, d.h. es läßt die Frage, „wie es gewesen ist",
bewußt offen.
Wenn Naturwissenschaft überhaupt etwas über den Anfang sagen kann, bedarf sie
eines Etwas, das von vornherein da ist, aus dem dann gegebenenfalls auf der
Basis naturwissenschaftlicher Einsichten die gegenwärtige Erscheinungswelt
ableitbar ist. Das aber, was Glaube über den Anfang sagt, liegt auf einer ganz
anderen Ebene: es ist nicht das von der Naturwissenschaft nicht mehr fassbare
Erklären des Anfangs, des Ursprungs, sondern Schöpfungsglaube ist ein
existentielles Einlassen auf ein Geheimnis, das dem menschlichen Verstand
prinzipiell unaufhellbar ist. Es ist ein vertrauensvolles Einlassen auf die
nicht beweisbare Zusage, daß mein Leben, daß die Welt und das Dasein einen Sinn
hat. Christlicher Glaube gibt diesen Sinn.
An Schöpfung glauben heißt, die von der Wissenschaft erschlossene Werdewelt im
Glauben als eine sinnvolle, aus schöpferischem Sinn kommende Welt zu verstehen.
Schöpfungsglaube kann demnach gar nicht in Konkurrenz treten zur
Evolutionstheorie, allein schon wegen der Andersartigkeit der Fragestellung und
der Aussageebene. Gott ist kein Gegenstand wissenschaftlicher Beobachtung, weil
er kein Stück Weltwirklichkeit oder Weltursächlichkeit ist, sondern die
ungegenständliche Voraussetzung von allem, was ist. Es ist eine der wichtigsten
Funktionen der Theologie, das Wissen von den Grenzen unseres Erkennens und
Aussagens in dem, was Gott betrifft, lebendig und gegenwärtig zu halten. Es
gibt die Positivität des Nichtwissens: Ich weiß, daß ich nichts weiß! Alle
Begriffe, die wir von Gott, vom Schöpfergott, in Anspruch nehmen, stammen aus
der innerweltlichen Erfahrung und können darum nie den umgreifen, den sie
meinen. Deshalb kann unser Erkennen über Gott nicht verfügen, deshalb gibt es
Gott nicht, wie es alles andere gibt (vgl. AUGUSTINUS: Wenn du ihn faßt, ist es
nicht Gott!).
Mag sein, daß für den Naturwissenschaftler (Positivisten) die Problemstellung
des Schöpfungsglaubens als eine illegitime Frage erscheint, die für den
Menschen unbeantwortbar ist. Aber solche Letztfragen werden für der Menschen,
der selbst im Angesicht des Letzten existiert und nicht auf das
wissenschaftlich Belegbare reduziert werden kann, immer unerläßlich sein. Beim
Glauben an die Schöpfung geht es um den Glauben an ein Wort Gottes, das uns
unter eine Verheißung stellt; der Schöpfungsbegriff ist von vornherein mit dem
Gedanken des Bundes zwischen Gott und Mensch verbunden; Schöpfungsglaube ist
zustimmende Antwort des Menschen auf die Botschaft und Selbstmitteilung Gottes
in Jesus Christus: sein Kern ist Vertrauen auf die Liebe Gottes.
Diese mehr abstrakten und systematischen Aussagen über das Geheimnis der
Schöpfung verkünden die biblischer Berichte dem Menschen (ihrer Zeit) in einer
bildhaft-anschaulichen Weise - und daher für jedermann verstehbar.
(Deutsches Institut für Fernstudien der Universität Tübingen, Fernstudium
Naturwissenschaften, EVOLUTION, Heft 3: Theoretische Grundlagen der Evolution,
aus dem Beitrag von Wolfgang Bange, S.216f.)
Q11
Die Zeit, 29.3.2007 S.29, 32
„Das würde ich eine Krise nennen“ (Lee
Smolin)
„Nur zu ein paar Prozent
besteht unser Universum aus sichtbarer Materie. Für schätzungsweise 95 Prozent
des kosmischen Inventars haben Forscher bislang wenig mehr als Namen, und schon
die sind mysteriös genug: Dunkle Materie und Dunkle Energie. Das All ist
erfüllt von etwas, was wir nicht sehen, und wird getrieben von einer Kraft, die
wir nicht verstehen. ... Die Grundlagenphysiker driften zusehends weg von der
Naturwissenschaft, hin zu reinen Mathematik ... Immer kühner türmen die
Theoretiker ihre Gedankengebäude. Immer weiter entfernen sie sich von den
Möglichkeiten der Experimentalphysik. ... Heute ist das meiste, was Theoretiker
über die Grundlagen der Physik publizieren, nicht überprüfbar.“ …
„Heute zweifelt kaum noch ein Kosmologe an der Urknall-Theorie.“
(Was wir
über unser Universum „wissen“)
Q12 Farouki, N. / Serres, M. (Hrsg.): Thesaurus
der exakten Wissenschaften, Zweitausendeins Verlag, Frankfurt/Main, 2001
·
(Grenzen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis)
„Anfang, Ursprung“
Die Frage nach dem Anfang und Ursprung ist natürlich keine wissenschaftliche
Frage. Zwar sind viele Menschen fasziniert von den vier großen Fragen nach dem
Ursprung des Universums, des Lebens, des Menschen und des Bewusstseins, doch
diese Faszination beruht eher auf den religiösen Konnotationen dieser Fragen
als auf einem Interesse an den Antworten, die unsere Wissenschaften darauf
geben. Denn, genau gesagt, geben die Wissenschaften darauf keine Antwort. Und
das hat seine Gründe. Jede dieser Entitäten – das Universum, das Leben, der
Mensch, das Bewusstsein – existiert als solche auf der Ebene ihrer Entstehung
nur im Rahmen der philosophischen oder religiösen Fragestellung, aber nicht im
Zusammenhang einer wissenschaftlichen Realität …
Wer vom Ursprung des Universums spricht, der meint, dass es eine Zeit gab, da
das Universum seinen Anfang nahm. Dieser Ausdruck setzt voraus, dass die Zeit
außerhalb des UNIVERSUMS existiert, dass es eine absolute, gleichsam göttliche
Zeit gibt. Die Physik lehrt uns aber, dass Raum, Zeit und Materie untrennbar
miteinander verbunden sind … Für Physiker hat es deshalb gar keinen Sinn, von
einem Anfang oder Ursprung des Universums im zeitlichen Sinne zu sprechen; sie
vermögen nur die Veränderungen des bereits existierenden Universums zu
beschreiben. Ein zeitlicher „Nullpunkt“ ist nur eine Konvention, die aus
Gründen der leichteren mathematischen Behandlung eingeführt wird.
Die wissenschaftliche Erforschung des Ursprungs des Lebens konzentriert sich
auf die Bedingungen, die dessen Entstehung ermöglicht haben. Da Leben durch die
Fähigkeit definiert ist, sich zu reproduzieren, durch eine Fähigkeit also, die
das Leben bereits voraussetzt, können wir uns aus dem darin enthaltenen circulus vitiosus nur befreien, indem
wir uns den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Grundbausteine des
Lebens zuwenden. Stehen am Anfang des Lebens einfache Moleküle? Ist die
Biologie letztlich auf die Chemie zurückzuführen? Falls man diese Frage bejaht,
verlagert sich die Frage nach dem Ursprung des Lebens in ein anderes
Fachgebiet, die Chemie. Aber hat der Begriff des Lebens dann überhaupt noch
einen Sinn?
Die beiden letzten Ursprungsfragen betreffen das Wesen des Menschen ...
Wollen wir die Frage nach der Entstehung des Menschen im Rahmen der Evolution
beantworten (an welchem Punkt der Entwicklung löste er sich von der
Abstammungslinie unserer nahen Verwandten, der großen Primaten?), müssen wir
wissen, aufgrund welchen Kriteriums wir wirklich von einem Menschen sprechen
können.
Die Frage nach dem Ursprung des Bewusstseins wiederum (ab welchem Punkt der
individuellen Entwicklung besitzt ein menschliches Wesen ein Bewusstsein, das
seine Menschlichkeit ausmacht und ihm seine Einzigartigkeit verleiht?) hat nur
dann Sinn, wenn wir genau angeben können, was „Bewusstsein“ bedeutet. …
Die Naturwissenschaft ist in ihrem Element, wenn es darum geht, Veränderungen
zu analysieren und zu verstehen; die Frage nach der Entstehung von Dingen aus
dem Nichts, der creatio ex nihilo,
bildet dagegen eine Grenze, jenseits derer die Wissenschaft keine Antworten zu
geben vermag.
„Schöpfung“
… Selbst wenn die Modelle der Kosmologie für die fernste Vergangenheit des
Universums einen Zustand vorsehen, der sich durch solch eine Dichte und so
außergewöhnliche Eigenschaften auszeichnete, dass man ihn mit dem aus der
Mathematik übernommenen Begriff der SINGULARITÄT bezeichnet, spricht doch
nichts dafür, diesen Zeitpunkt, jenseits dessen die uns vertraute
Zeitvorstellung keine Geltung mehr besitzt, mit einer Entstehung aus dem Nichts
gleichzusetzen. Auch die Singularität ist kein Schöpfungsvorgang. Den Gebrauch
dieses Begriffs müssen wir den Metaphysikern und Theologen überlassen und die
Wissenschaft bescheiden, aber auch erfreut auf den Bereich der Transformationen
beschränken, über die im Übrigen noch nicht das letzte Wort gesagt ist.
„Hypothese, Theorie“
… Die großen Umwälzungen in der Geschichte der Wissenschaft zwingen die
Forscher, sehr vorsichtig mit dem Begriff der Wahrheit umzugehen. Da der Aufbau
der Welt sich ihnen nicht a priori erschließt,
müssen sie eingestehen, dass der wissenschaftliche Diskurs über die Welt
bestenfalls eine theoretische Erklärung liefert, die für den Augenblick Geltung
beansprucht, aber jederzeit durch neue Beobachtungen und EXPERIMENTE widerlegt
werden kann.
Auch wenn eine Theorie ... ein allgemeines Weltbild darstellt, in dessen Rahmen
wissenschaftliche Methoden Anwendung finden, handelt es sich dennoch um eine
Hypothese, die man in den Rang einer Theorie erhoben hat, weil sie so umfassend
ist und so viele Fachgebiete sich in ihrem Rahmen bewegen können. Zu diesen
umfassenden Theorien gehören etwa die Darwinsche Evolutionstheorie, die Theorie
des expandierenden Universums und das Standardmodell der Quantenphysik ...
„Singularitäten in der Astrophysik“
Von einer Singularität spricht man in der Astrophysik wie allgemein in der
Physik, wenn in der mathematischen Formel, die die Realität darstellen soll,
Größen (wie Dichte, Ladung, Druck, Temperatur usw.) auftreten, die an einem
Punkt im RAUM oder in der ZEIT unendliche Werte annehmen. Diesen mathematischen
Ergebnissen kann keine physikalische Realität entsprechen, denn in der Physik
kennt man nur messbare, das heißt endliche Größen. Die Singularität verweist
daher auf eine mangelhafte Übereinstimmung zwischen Theorie und Wirklichkeit
und kann gerade deshalb äußerst fruchtbar sein, denn sie bezeichnet eine
Stelle, an der die Theorie mangelhaft und die mathematische Darstellung allzu
summarisch gegenüber der Realität ist. …
(in Modellen zur Beschreibung des Kosmos gibt es Zustände) … dass die Dichte
von Materie und Energie unendlich groß wird; solch ein Zustand hat im Universum
keinen physikalischen Sinn und kann im Universum nicht real eintreten. Es
handelt sich um eine Singularität; sie gehört für den Mathematiker nicht zur
RAUM-ZEIT, der alle übrigen Zustände angehören …
„unmöglich“
Auch wenn manche gern sagen, nichts sei unmöglich, kennt man in den
Wissenschaften doch mancherlei Unmögliches, und sei es nur dadurch bedingt,
dass jede Wissenschaft ihren Gegenstandsbereich präzise abgrenzen muss. Da
Wissenschaften niemals die Gesamtheit des Wissens über die Gesamtheit aller
Objekte in sich vereinigen, bestimmen sie durch die Abgrenzung ihres
Gegenstandbereiches stets auch jenen Bereich, über den sie mit ihren Methoden
unmöglich etwas auszusagen vermögen. Hierzu gehören z.B. alle Fragen, die den
Ursprung der Dinge betreffen.
„Widerlegbarkeit“
Oft besteht die Tendenz, das wissenschaftliche Vorgehen über die
„Verifizierbarkeit“ seiner Schlussfolgerungen zu definieren. So bezeichnet man
jede Information als wissenschaftlich, die durch Beobachtung und Experiment
bestätigt wird. Implizit bedeutet diese Sichtweise, dass der wissenschaftliche
Diskurs die Wirklichkeit der uns umgebenden Welt so objektiv und passiv wie
möglich beschreibt.
Diese Vorstellung lehnte Karl Popper ab, da für ihn keine wissenschaftliche
Erkenntnis existiert, in der sich die REALITÄT der Welt lediglich
widerspiegelt. Tatsächlich ist jede wissenschaftliche Erkenntnis eine von
unserem Verstand aufgestellte Hypothese, die wir vielfältigen Prüfungen
unterziehen, damit die Außenwelt sie widerlegt oder bestätigt. Sagt die Natur
„ja“, so ist es meist lediglich ein „vielleicht ja“. Sagt sie dagegen „nein“ –
widerlegt sie also die Hypothese -, so geschieht dies kategorisch.
Q13
Ferguson, K.: Gott und die Gesetze
des Universums, Econ, Düsseldorf 2002
·
S.29
erinnern uns Wissenschaftler immer wieder daran, dass das „Gesetz“ von Ursache
und Wirkung ein „Glaubensartikel“ ist und mitnichten ein Gesetz
·
S.47f.
Naturwissenschaft behauptet nicht, sie habe die letzte Wahrheit über irgend
etwas entdeckt … dass sie ein tieferes Verständnis der Natur suchen …
„Standardmodell“ , das die meisten Experten zum gegenwärtigen Zeitpunkt
akzeptieren …
sie sprechen von „approximativen Theorien“, die zwar in einem bestimmten
Bereich zufriedenstellend funktionieren, aber nicht die ganze Wahrheit zu sein
beanspruchen …
sie sprechen von „effektiven Theorien“ d.h. von etwas, mit dem man gegenwärtig
arbeiten kann …
Es besteht allgemeine Einigkeit darüber, dass in der Naturwissenschaft nichts
jemals „bewiesen“ werden kann …
·
S.67:
Werner Heisenberg:
„Auch in der Naturwissenschaft ist also der Gegenstand der Forschung nicht mehr
die Natur an sich, sondern die der menschlichen Fragestellung ausgesetzte
Natur“;
·
S.120:
An den Grenzen der wissenschaftlichen
Wahrheit
Religion, Kunst, Philosophie, Musik, Dichtung, Literatur …
die Künste und die Geisteswissenschaften haben die Grenzen der menschlichen
Erfahrung erweitert und uns Einsichten und Erklärungen vermittelt, denen
unverkennbar Wahrheit anhaftet. Sie verkörpern etwas, wozu die
Naturwissenschaft nicht in der Lage ist – und feiern es sogar -, nämlich das
Unerklärliche, das Abseitige, das Nichteinordenbare, das Unvorhersehbare, das
Sinnlose, das Einmalige, das Einzigartige, das Wunderbare, das Absurde und das
Irrationale.
·
Der Physiker Stephen Hawking selbst hat als erster
darauf hingewiesen, dass sein Konzept nur ein Vorschlag ist. Er bezeichnet es
nicht einmal als eine Theorie. Es ist ein spektakuläres, wildes
Phantasiegebilde.
Q14
Fischer, E.P.: Die andere Bildung –
was man von den Naturwissenschaften wissen sollte, Ullstein, 2003
S.36,53,58,96
·
Bacon: Wissen ist Macht – dialektisch: Ich kann mir
die Natur unterwerfen, wenn ich mich zuvor der Natur unterwerfe (Subjekt von
subicere = unterwerfen);
der Naturwissenschaftler muss sich (oft) den sinnlichen (augenscheinlichen)
Zugang zur Welt untersagen, die Weltbeschreibung ist dann aber nicht mehr
sinn-voll; Spaltung zwischen der sinnlichen und der begrifflichen Erkenntnis:
ich sehe zwar, wie sich die Sonne dreht, weiß aber, dass sich die Erde dreht,
und zwar um sich und um die Sonne; die Drehung der Erde um die Sonne
nachzuweisen, wurde erst Mitte des 19. Jh. möglich (anderer Ort am Himmel zu verschiedenen
Jahreszeiten messbar);
wird die materiell gegebene Wirklichkeit durch vier Qualitäten charakterisiert,
die als Raum, Zeit, Energie und Masse bekannt sind, hängen eng zusammen
(Einstein), entspringen dem Urknall; Altertum und Alchemisten sahen die
Realität durch vier Elemente bestimmt: Feuer, Wasser, Luft und Erde, die als
Zustandsformen einer Ursubstanz gedacht wurden (prima materia);
Umwertung der wissenschaftlichen Werte um 1900 (165):
vor 1900 nach 1900 Beispiel
------------------------------------------------------------------------
Objektivität Subjektivität Bahn eines Elektrons
Eindeutigkeit Doppeldeutigkeit Natur des Lichtes
Stetigkeit Unstetigkeit Quantum der Wirkung
Anschaulichkeit Unanschaulichkeit Spin eines Elektrons
Bestimmtheit Unbestimmtheit Ort eines Photons;
·
S.110
Es sind weder bei Aristoteles noch bei Kopernikus oder bei Kepler die Planeten
oder andere Himmelskörper, die sich bewegen; es sind vielmehr die Sphären, die
sich drehen und die zu ihnen gehörenden Objekte mit sich führen
·
Q15 GEOkompakt Nr.4: Die
Evolution des Menschen, Hamburg 2005
·
(3) Doch so viel wir auch in den vergangenen 150
Jahren über den Ursprung der Arten gelernt haben: Die meisten
evolutionsbiologischen Erklärungen sind dennoch keine unumstößlichen
Wahrheiten, „sondern Hypothesen und Denkmodelle, die aber eine enorme
Erklärungskraft und große Plausibilität haben“, so mein Kollege Henning Engeln,
der das Konzept für dieses Heft erarbeitet hat. Denn eines darf man bei allem
Respekt vor der akribischen Forschung besonders in den letzten Jahrzehnten nie
vergessen: Die Paläoanthropologen versuchen die rund sieben Millionen Jahre
währende Entwicklungsgeschichte des Menschen aus gerade mal 3000 Funden
herauszulesen. Das entspricht einem einzigen Fossil für einen Zeitraum von
jeweils etwa 2500 Jahren.
(25) dass es mittlerweile einen ganzen „Wald“ von Stammbäumen (des Menschen
JK) gibt;
(32) Carsten Niemitz: „Der Mensch stammt nicht vom Affen ab – er ist einer.“;
Basenfolge der Erbsubstanz stimmt bei Mensch und Schimpanse zu rund 99 %
überein;
gemeinsamer Vorfahre von Mensch und Schimpanse lebte vor etwa 7 Millionen
Jahren (molekulargenetische Berechnungen zu Mutationen);
(35) Ähnlichkeiten im Verhalten zwischen Mensch und Affen (Schimpansen benutzen
Werkzeuge, erlernen symbolische Sprache mit mehr als 100 Zeichen, täuschen,
lügen, helfen einander, töten Artgenossen ohne Not; Tradition: erlerntes
Verhalten wird von einer Generation zur anderen weitergegeben);
(55) statistisch wird nur alle fünf Jahre ein wichtiges fossiliertes Relikt der
Menschheitsgeschichte entdeckt. Hominidenforscher sind daher zahlreicher als
Hominidenfunde;
(77) Für mehr als 99% unserer Evolution haben wir nicht einen einzigen fossilen
Beleg;
(81) Ob ein Birkenspanner hell oder dunkel ist, bestimmt ein einzelnes Gen;
(144) würde Deutschland heute nach Afrika verlegt – die Menschen hätten, der
natürlichen Selektion überlassen, innerhalb von rund 10.000 Jahren wieder eine
schwarze Haut;
Q16 Haeckel, E.: Die
Lebenswunder, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1906
·
(1) monistische Erkenntnistheorie ... als die beiden
einzigen sicheren Wege hatte ich „Erfahrung und Denken – oder Empirie und
Spekulation“ bezeichnet und dabei betont, dass diese beiden gleichberechtigten
Erkenntnismethoden sich gegenseitig ergänzen, dass sie allein durch die
Vernunft uns zur Wahrheit führen. Dagegen hatte ich zwei andere, vielbetretene
Wege, die angeblich direkt zur tieferen Erkenntnis leiten, nämlich „Gemüt und
Offenbarung“, als irreführend zurückgewiesen; beide widerstreiten der „reinen
Vernunft“, indem sie den Glauben an Wunder verlangen.;
(2ff) Gustav Kirchhoff (Entdecker der Spektralanalyse): „Die Aufgabe der
Wissenschaft ist, die in der Natur vor sich gehenden Bewegungen zu beschreiben,
und zwar vollständig und auf die einfachste Weise zu beschreiben.“. Diese
Weisung hat nur dann einen Sinn, wenn man dem Begriffe „Beschreibung“ eine ganz
andere Bedeutung unterlegt, als üblich ist, d.h. wenn die „vollständige
Beschreibung“ zugleich eine Erklärung enthält. Denn alle wahre Wissenschaft
geht seit Jahrtausenden nicht auf einfache Kenntnis durch Beschreibung der
einzelnen Tatsachen, sondern auf deren Erklärung durch die bewirkenden
Ursachen. Freilich bleibt deren Erkenntnis immer mehr oder weniger unvollkommen
oder selbst hypothetisch ...;
Das Streben nach möglichster Genauigkeit und Objektivität der Beobachtung lässt
vielfach den wichtigen Anteil übersehen, den die subjektive Geistestätigkeit
des Beobachters an ihrem Ergebnis hat; das Urteilen und Denken seines Gehirns
wird gering geschätzt gegenüber der Schärfe und Klarheit seines Auges. Vielfach
ist das Mittel der Erkenntnis zum Zweck geworden. Bei der Widergabe des
Beobachteten wird häufig die objektive Photographie, die alle Teile des Bildes
gleichmäßig wiedergibt, höher geschätzt als die subjektive Zeichnung, die nur
das Wesentliche hervorhebt und das Unwesentliche fortlässt; und doch ist in
vielen Fällen ... die letztere viel wichtiger und richtiger als die erstere.
...
In dem modernen Kampfe um die Deszendenztheorie ist nicht selten der Versuch
unternommen worden, die Entstehung neuer Arten experimentell zu beweisen oder
zu widerlegen. Dabei wurde ganz vergessen, dass der Begriff der Art oder
Spezies nur relativ ist und dass kein Naturforscher eine befriedigende absolute
Definition dieses Begriffes geben kann. Nicht minder verkehrt ist es, das
Experiment auf historische Probleme anwenden zu wollen, wo alle Vorbedingungen
für sein Gelingen fehlen. ... Die Sicherheit der Erkenntnis, die wir empirisch
durch Beobachtung und Experiment gewinnen, ist direkt nur möglich in der
Gegenwart. Dagegen sind wir bei der Erforschung der Vergangenheit auf andere
Methoden der Erkenntnis angewiesen, die minder zuverlässig und zugänglich sind,
auf Geschichte und Tradition. ...
Trotzdem bleiben hier stets unzählige Pforten des Irrtums offen, da diese
Urkunden meist unvollständig sind, und da ihre subjektive Deutung oft ebenso
zweifelhaft ist wie ihr objektiver Wahrheitsgehalt.
(156) die Unmöglichkeit, historische Ereignisse überhaupt „exakt“ zu begründen
(5ff) Kant behauptete bekanntlich, dass bloß ein Teil unserer Erkenntnisse
empirisch sei und a posteriori, d.h. durch Erfahrung, gewonnen werde, dass
dagegen ein anderer Teil der Erkenntnis (z.B. die mathematischen Lehrsätze) a
priori, d.h. durch das Schlussvermögen der „Reinen Vernunft“, unabhängig von
aller Erfahrung entstehe. Dieser Irrtum führte dann weiter zu der Behauptung,
dass die Anfangsgründe der Naturwissenschaft metaphysisch seien und dass der
Mensch mittelst der angeborenen „Anschauungsformen: Raum und Zeit“ zwar einen
Teil der Erscheinungen zu erkennen, das dahinter steckende „Ding an sich“ aber
nicht zu begreifen vermöge. ... Kants kritischer „Erkenntnistheorie“ fehlten
die physiologischen und phylogenetischen Grundlagen, die erst 60 Jahre nach
seinem Tode durch Darwins Reform der Entwicklungslehre ... gewonnen wurden. Er
betrachtete die Seele des Menschen mit ihren angeborenen Eigenschaften der
Vernunft als ein fertig gegebenes Wesen und fragte gar nicht nach ihrer
historischen Herkunft ... er dachte nicht daran, dass diese Seele sich
phylogenetisch aus der Seele der nächstverwandten Säugetiere entwickelt haben
könne. Die wunderbare Fähigkeit zu Erkenntnissen a priori ist aber ursprünglich
entstanden durch Vererbung von Gehirnstrukturen, die bei den Vertebraten- Ahnen
des Menschen langsam und stufenweise (durch Anpassung an synthetische
Verknüpfung von Erfahrungen, von Erkenntnissen a posteriori) erworben wurden.
Auch die absolut sicheren Erkenntnisse der Mathematik und Physik, die Kant für
synthetische Urteile a priori erklärt, sind ursprünglich durch die phyletische
Entwicklung der Urteilskraft entstanden und auf stetig wiederholte Erfahrungen
und darauf gegründete Schlüsse a posteriori zurückzuführen.;
(21) Als um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Physiologie sich selbständig zu
gestalten begann, erklärte sie die Eigentümlichkeiten des organischen Lebens
durch die Annahme einer besonderen Lebenskraft (vis vitalis);
(22) Die Deszendenztheorie von Lamarck (1809) wurde ebenso totgeschwiegen wie
sein fundamentaler Grundsatz: „Das Leben ist nur ein verwickeltes
physikalisches Problem.“;
(23) Unter „Wunder“ versteht man im gewöhnlichen Sprachgebrauch sehr
verschiedene Vorstellungen. Wir nennen eine Erscheinung wunderbar, wenn wir sie
nicht erklären und ihre Ursachen nicht begreifen können. Wir nennen aber ein
Naturobjekt oder ein Kunstwerk wunderschön oder wundervoll, wenn es
außerordentlich schön oder großartig ist, wenn es die gewohnten Grenzen unseres
Vorstellungskreises überschreitet. Nicht in diesem übertragenen relativen
Begriff sprechen wir hier vom Wunder, sondern in dem absoluten Sinne, in
welchem eine Erscheinung die Grenzen der Naturgesetze überschreitet und für die
menschliche Vernunft überhaupt unerklärbar ist.;
(28) In der Philosophie blieb (im Mittelalter) ganz überwiegend die Autorität
des Aristoteles; sie wurde von der herrschenden christlichen Kirche ihren
Zwecken dienstbar gemacht.;
(35) eine „Beseelung“ der Atome ist nach meiner Überzeugung eine notwendige
Annahme für die Erklärung der einfachsten physikalischen und chemischen
Prozesse (z.B. Massenanziehung, chemische Wahlverwandtschaft JK);
(36ff) Naturalismus; Monismus
In dem streng monistischen Sinne von Spinoza fallen für uns die Begriffe von
Gott und Natur zusammen (Deus sive Natura). Ob es jenseits der Natur ein Gebiet
des „Übernatürlichen“ oder eine „Geisterreich“ gibt, wissen wir nicht.
(37) Kunst und Wissenschaft ... unsere Einbildungskraft strebt nach der
Produktion einheitlicher (geschlossener? JK) Gebilde, und wenn sie ... auf Lücken stößt, so sucht sie diese
durch Neubildungen zu auszufüllen. Solche selbständige, die Lücken der
Vorstellungskreise ergänzende Produkte ... nennen wir Hypothesen, wenn sie mit
den erfahrungsmäßig festgestellten Tatsachen logisch vereinbar sind, dagegen
Mythen, wenn sie diesen Tatsachen widersprechen;
(39) Naturwissenschaft ... betrachtet ihre Objekte ... als wirklich
existierende Dinge, deren Eigenschaften uns durch unsere Sinne ... und unsere
Denkorgane ... bis zu einem gewissen Grade erkennbar sind. Dabei sind wir uns
kritisch bewusst, dass beiderlei Erkenntnisorgane – also auch die durch sie
gewonnene Erkenntnis selbst – unvollkommen sind und dass vielleicht noch ganz
andere Eigenschaften der Organismen existieren, die uns unzugänglich sind.;
·
(155f.)
“Die Ontogenesis ist eine kurze und schnelle Rekapitulation der Phylogenesis,
bedingt durch die physiologischen Funktionen der Vererbung und Anpassung.“ …
Biogenetisches Grundgesetz
Schon in der Bezeichnung „Grundgesetz“, die ich absichtlich für meine
Formulierung der „Rekapitulations-Theorie“ gewählt habe, ist der Anspruch
eingeschlossen, dass dasselbe ganz allgemeine Gültigkeit besitzt. … dass die
Rekapitulation immer eine teilweise und abgekürzte Wiederholung des
ursprünglichen phylogenetischen Entwicklungsganges ist. …
Q17 Haeckel, E.: Die
Welträthsel, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart, 1899
·
(11)
die jetzt größtenteils bewiesenen „kosmologischen Lehrsätze“:
1. Das Weltall (Universum oder Kosmos) ist ewig, unendlich und unbegrenzt.
(120) das Wissen (Kenntnis der Außenwelt JK) bleibt immer lückenhaft und
unbefriedigend, wenn nicht die Phantasie die ungenügende Kombinationskraft des
erkennenden Verstandes ergänzt und... entfernt liegende Erkenntnisse zu einem
zusammenhängenden Ganzen verknüpft. Dabei entstehen neue allgemeine
Vorstellungsgebilde, welche erst die wahrgenommenen Tatsachen erklären und das
„Kausalitäts-Bedürfnis der Vernunft befriedigen.“ Die Vorstellungen, welche die
Lücken des Wissens ausfüllen oder an dessen Stelle treten, kann man im weiteren
Sinne als „Glauben“ bezeichnen ... Indessen dürfen in der Wissenschaft nur
solche Hypothesen zugelassen werden, die innerhalb des menschlichen
Erkenntnis-Vermögens liegen, und die nicht bekannten Tatsachen widersprechen.
...
Die Erklärung einer größeren Reihe von zusammenhängenden Erscheinungen durch
Annahme einer gemeinsamen Ursache nennen wir Theorie. Auch bei der Theorie, wie
bei der Hypothese, ist der Glaube (im wissenschaftlichen Sinne!) unentbehrlich;
denn auch hier ergänzt die dichtende Phantasie die Lücke, welche der Verstand
in der Erkenntnis des Zusammenhangs der Dinge offen lässt. Die Theorie kann
daher immer nur als eine Annäherung an die Wahrheit betrachtet werden; es muss
zugestanden werden, dass sie später durch eine andere, besser begründete
Theorie verdrängt werden kann.
·
(33)
„Höchst verhängnißvoll aber wurde für die Wissenschaft das theoretische Dogma,
welches schon von Linné selbst mit seinem praktischen Species-Begriffe
verknüpft wurde. Die erste Frage, welche sich dem denkenden Systematiker
aufdrängen mußte, war natürlich die Frage nach dem eigentlichen Wesen des
Species-Begriffes, nach Inhalt und Umfang desselben. Und gerade diese
Fundamental-Frage beantwortete sein Schöpfer in naivster Weise, in Anlehnung an
den allgemein gültigen Mosaischen Schöpfungs-Mythus: "Species tot sunt
diversae, quot diversas formas ab initio creavit infinitum ens". (- Es
giebt so viel verschiedene Arten, als im Anfange vom unendlichen Wesen
verschiedene Formen erschaffen worden sind. -). Mit diesem theosophischen Dogma
war jede natürliche Erklärung der Art-Entstehung abgeschnitten. Linné kannte
nur die gegenwärtig existirende Thier- und Pflanzen-Welt; er hatte keine Ahnung
von den viel zahlreicheren ausgestorbenen Arten, welche in den früheren
Perioden der Erdgeschichte unseren Erdball in wechselnder Gestaltung bevölkert
hatten.“
·
(96)
„III. Heptamerale Kreation: die Schöpfung in sieben Tagen (nach Moses).
Obgleich nur wenige Gebildete heute noch wirklich an diesen mosaischen Mythus
glauben, wird er dennoch unseren Kindern schon in der frühesten Jugend mit dem
Bibel-Unterricht fest eingeprägt. Die vielfachen, namentlich in England
gemachten Versuche, denselben mit der modernen Entwickelungslehre in Einklang
zu bringen, sind völlig fehlgeschlagen. Für die Naturwissenschaft gewann
derselbe dadurch große Bedeutung, daß Linné bei Begründung seines Natur-Systems
(1735) ihn annahm und zur Begriffs-Bestimmung der organischen (von ihm für
beständig gehaltenen Species benutzte: „Es giebt so viele verschiedene Arten
von Thieren und Pflanzen, als im Anfang von dem unendlichen Wesen erschaffen
worden sind." Dieses Dogma wurde ziemlich allgemein bis auf Darwin (1859)
festgehalten, …“
·
Q18 Horn, S.O.,
Wiedenhofer, S. (Hrsg.):Schöpfung und Evolution – Eine Tagung mit Papst
Benedikt XVI. in Castel Gandolfo; Sankt Ulrich Verlag, Augsburg, 2007
·
S.8ff.
(Vorwort Kardinal Schönborn:)
Heute ist insofern ein neues Stadium der Debatte erreicht, als „Evolution“ über
ihren naturwissenschaftlichen Gehalt hinaus zu einem Denkmodell erhoben worden
ist, das mit dem Anspruch auf Erklärung des Ganzen der Wirklichkeit auftritt
und so zu einer Art von „erster Philosophie“ geworden ist. Wenn das Mittelalter
eine „Rückführung aller Wissenschaft auf die Theologie“ (Bonaventura) versucht
hatte, so kann man hier von einer Rückführung aller Realität auf „Evolution“
sprechen, die auch Erkenntnis, Ethos, Religion aus dem Generalschema Evolution
glaubt ableiten zu können. Dass diese Philosophie sich als scheinbar reine
Auslegung naturwissenschaftlicher Erkenntnis darbietet, sich mit ihr geradezu
identifiziert, gibt ihr eine fast unwidersprechliche Plausibilität, die
inmitten der allgemeinen Krise philosophischen Denkens nur umso wirksamer ist.
…
Wenn es für den Glauben heute keine Schwierigkeit mehr bereitet, die
naturwissenschaftliche Hypothese Evolution sich gemäß ihrer eigenen Methoden
ruhig entfalten zu lassen, so ist der Totalanspruch des philosophischen
Erklärungsmodells „Evolution“ um so mehr eine radikale Anfrage an Glaube und
Theologie …
Wo Naturwissenschaft zur Philosophie wird, ist es die Philosophie, die sich mit
ihr auseinandersetzen muss.
·
S.12f.
Die Frage … ob das als Weg verstandene Sein, die Evolution im ganzen, einen
Sinn habe, bleibt dabei freilich offen, und sie kann auch nicht innerhalb der
Evolutionstheorie selbst entschieden werden; für sie ist das eine
methodenfremde Frage, für den lebendigen Menschen freilich ist es die
Grundsatzfrage des Ganzen. Die Naturwissenschaft erklärt dazu heute in
richtiger Erkenntnis ihrer Grenzen, dass diese dem Menschen unerlässliche Frage
nicht innerwissenschaftlich, sondern nur im Rahmen eines „Glaubenssystems“
beantwortet werden könne. …
Schöpfung ist, von unserem Weltverständnis her betrachtet, nicht ein ferner
Anfang und auch nicht ein auf mehrere Stadien verteilter Anfang, sondern sie
betrifft das Sein als zeitliches und werdendes …
Der Schöpfungsglaube sagt uns nicht das WAS des Weltsinnes, sondern sein DASS …
An Schöpfung glauben heißt die von der Wissenschaft erschlossene Werdewelt im
Glauben als eine sinnvolle, aus schöpferischem Sinn kommende Welt zu verstehen.
…
·
S.15
Das erste DU, das – wie stammelnd auch immer – von Menschenmund zu Gott gesagt
wurde, bezeichnet den Augenblick, in dem der Geist aufgestanden war in dieser
Welt. Hier war der Rubikon der Menschwerdung überschritten. … Dies hält die
Lehre von der besonderen Erschaffung des Menschen fest …
Die Evolutionstheorie hebt den Glauben nicht auf; sie bestätigt ihn auch nicht
…
·
S.21
(Zitat Ratzinger:)
Das christliche Bild der Welt ist, dass die Welt im einzelnen in einem sehr
komplizierten Evolutionsprozess entstanden ist, dass sie aber im tiefsten eben
doch aus dem LOGOS kommt. Sie trägt insofern Vernunft in sich.
·
S.26ff.
(Vortrag Peter Schuster, Prof. für Theoretische Chemie:)
Die wissenschaftliche Erforschung der biologischen Evolution widmet sich zwei
unterschiedlichen Fragestellungen, welche zweckmäßig getrennt betrachtet werden
sollten:
1) Die Untersuchung der Mechanismen der Evolution, welche im Prinzip direkt
experimentell zugänglich gemacht werden können, sucht nach den physikalischen
und chemischen Ursachen der beobachtbaren Veränderungen und führt sie nach
Möglichkeit auf bekannte Prozesse zurück, und
2) Die wissenschaftliche Rekonstruktion der Entstehung und Entwicklung unserer
heutigen Biosphäre stellt eine historische Wissenschaft dar, die sich
traditionell auf die Paläontologie stützt und in den letzten fünfzig Jahren
zunehmend auf Interpretationen von zusätzlichen Befunden aus den molekularen
Lebenswissenschaften zurückgreifen kann. …
(Mendel:)
Die vererbbaren Eigenschaften werden nicht durch das „Mischen“ des väterlichen
und mütterlichen Erbmaterials weitergegeben, sondern in Form von „Erbpaketen“ …
Die Mutationen sind von Natur aus sprunghaft …
Mutationen oder Rekombinationsereignisse sind ungerichtet, und dies bedeutet,
sie treten nicht deshalb häufiger auf, weil ihr Träger einen Vorteil hat, und
seltener, wenn sie nachteilig für den Träger sind. Zweckdienlichkeiten von
Veränderungen und Anpassungen erscheinen nur a posteriori als Folge der Optimierung durch Variation und
Selektion begründbar. …
Im DNA-Molekül … wird neben der Anleitung für die Herstellung eines Autos auch
der Plan für den Bau der Autofabrik weitergegeben …
dass es neben der genetischen Vererbung auch eine epigenetische Weitergabe von
Eigenschaften gibt … entscheiden, welche Gene … aktiv sind …
dass der morphologische und der molekulargenetische Stammbaum des Lebens von
Ausnahmen abgesehen bis ins feinste Detail übereinstimmen. Da die beiden
Rekonstruktionsmethoden der Geschichte des Lebens voneinander unabhängig sind,
bilden sie gemeinsam … das Rückgrat der heutigen Evolutionsbiologie. …
In der retrospektiven Betrachtung gibt es viele Weichenstellungen in der
Evolution der Biosphäre, welche sich trotz seinerseitiger Überlebenstüchtigkeit
als unkorrigierbarer Nachteil für die spätere Entwicklung herausstellten
(Ableitung der Nervenfasern durch die Netzhaut; Überkreuzung von Luft- und
Speiseröhre; Beschränkung auf vier Gliedmaßen …) …
dass die biologische Evolution nicht wie ein designender Ingenieur arbeitet,
der Teile seiner Maschinen immer neu ausdenkt und am Reißbrett entwirft,
sondern wie ein Bastler, der seine Konstrukte aus den eben vorhandenen Stücken
zusammensetzt …
Verdopplung von ganzen Genomen … Brauerhefe vor etwa 100 Millionen Jahren …
Variation der nicht benötigten Duplikate möglich …
Respekt und Bewunderung sind angebracht in Hinblick auf das Ergebnis des
evolutionären Bastelns …
… möchte ich meiner geäußerten Absicht, nur über Naturwissenschaft zu
schreiben, doch noch ein wenig untreu werden und eine persönliche Bemerkung
anfügen. Was mich fasziniert und bewegt, ist der relativ schmale Korridor in
der Vielfalt aller möglichen Welten, durch welchen der Pfad vom Anfang der
naturwissenschaftlichen Vorstellungen des Urknalls bis zum heutigen Kosmos
führt …
Das erfolgreiche Zusammenspiel dieser vielen Bedingungen erscheint mir höchst
bemerkenswert, und hier und nicht durch Eingriffe in den Verlauf der
biologischen Evolution, so könnte ich mir vorstellen, wäre Raum für einen
Brückenschlag zwischen Theologie und Naturwissenschaft.
·
S.57ff.
(Vortrag Robert Spaemann, Philosoph)
Friedrich Schiller hat Naturwissenschaftlern und Philosophen schon zu seiner
Zeit die Mahnung gegeben: „Feindschaft sei zwischen euch, noch kommt das
Bündnis zu frühe./ Wenn ihr im Suchen euch trennt, wird erst die Wahrheit
erkannt.“
·
S.84ff.
(Vortrag Kardinal Schönborn:)
… war Darwin von dem Willen „besessen“, eine wissenschaftliche, plausible
Erklärung des Ursprungs der Arten zu geben, die gänzlich auf eigene, gesonderte
Schöpfungsakte Gottes verzichten kann. …
bleibt kaum ein Zweifel, dass Darwin mit seiner Theorie dem Materialismus
wissenschaftlich zum Sieg verhelfen wollte. In diesem Bemühen stand er ja weiß
Gott im 19. Jahrhundert nicht alleine. Karl Marx und Friedrich Engels haben
nicht zufällig Darwins Theorie begeistert als wissenschaftliche Grundlage für
ihre eigene Theorie begrüßt. …
Die „kreationistische“ Position basiert auf einem Bibelverständnis, das die
katholische Kirche nicht teilt. Die erste Seite der Bibel ist nicht ein
kosmologischer Traktat über die Weltentstehung in sechs Sonnentagen. Die
Bibel lehrt uns nicht, „how the heavens go, but how to go to heaven“. …
Der katholische Glaube
halt, mit der Bibel des Alten und des Neuen Bundes, daran fest, dass die
Vernunft die Existenz des Schöpfers aus seinen Spuren in der Schöpfung mit
Gewissheit, wenn auch nicht ohne Mühe erkennen kann. …
“I cannot look at the universe as a result of blind chance. Yet I can see no
evidence of benefit design, or indeed any design of any kind, in the detail.” (er könne im Detail keinerlei Art
von Design erkennen) …
Ordnung und Schönheit in der Natur … Woher kommen diese? Die Evolutionstheorie
mit ihrer naturwissenschaftlichen Methode kann darauf keine Antwort geben, sie
kann nur die in der Natur empirisch feststellbaren und wirkenden Ursachen
erforschen. …
Der ideologische Evolutionismus war nicht umsonst die wissenschaftliche
Verbrämung sowohl des Kommunismus wie des Nationalsozialismus. Er ist es heute
für den wirtschaftlichen Sozialdarwinismus, der einen schrankenlosen
wirtschaftlichen „Kampf ums Dasein“ rechtfertigt.
·
S.129;
133
(Diskussion; Vincent Twomey, Kardinal Schönborn:)
Das Problem ist, glaube ich, dass die Naturwissenschaft wahrscheinlich von
Anfang an einen falschen Schöpfungsbegriff hatte.
viele Probleme, die schon bei Darwin sehr deutlich zu sehen waren, rühren
daher, dass man in diesen Kreisen eine sehr defiziente Schöpfungstheologie
hatte, gegen die man dann zu Felde zog
·
S.149f.
Papst Bendikt XVI:
… dass es nicht darum geht, sich entweder für den Kreationismus zu entscheiden,
der sich der Wissenschaft grundsätzlich verschließt, oder für eine
Evolutionstheorie, die ihre eigenen Lücken überspringt und die über die
methodischen Möglichkeiten der Naturwissenschaft hinausreichenden Fragen nicht
sehen will. …
… wenn wir den Satz von Johannes Paul II. richtig auslegen wollen: „Die
Evolutionslehre ist mehr als nur eine Hypothese.“ Als der Papst dies sagte,
hatte er seine Gründe. Aber zugleich gilt, dass die Evolutionslehre noch keine
komplette, wissenschaftlich verifizierte Theorie ist.
·
S.154
Peter Schuster:
den Prozess als Ganzen sehen, diesen langen Korridor vom Urknall über die
Entstehung des Lebens zur Entstehung des Menschen, so dokumentiert dieser,
denke ich, einen Plan, den ich nicht in der Naturwissenschaft finde, welche ja
die einzelnen Prozesse betrachtet. Dieser Korridor kann das Werk eines
Schöpfers darstellen. …
·
S.159
Siegfried Wiedenhofer:
Ich denke aber, dass man die Vernünftigkeit des Glaubens nicht in einer
möglicherweise intensiven oder extensiven Ordnungsstruktur der Welt suchen
sollte, darin, dass sozusagen alles gut läuft. Gerade weil das tatsächlich ja
nicht der Fall ist, sollte man das Argument der Schöpfungsordnung nicht
überstrapazieren. …
·
S.160
Kardinal Schönborn:
Die Katastrophe mit den Dinosauriern … dass ein Aseroid die Erde traf und
deshalb vermutlich 90 % der Arten zugrunde gingen,… ist bestimmt nicht Teil
eines Planes
·
S.161
Papst Benedikt XVI.:
Auf die Erklärungsfähigkeit des Glaubens allein für das Ganze würde ich nicht
setzen.
·
S.173ff.
schriftlicher Beitrag Siegfried Wiedenhofer, Theologe:
Insofern ich die Welt wissenschaftlich erfahre, erfahre ich sie nicht religiös,
und umgekehrt. Und auch die Gegenstände der Wissenschaftswelt sind andere als
die Gegenstände der Welt der Religion. In dieser Hinsicht handelt es sich beim
Verhältnis von Schöpfung und Natur, Schöpfungslehre und Evolutionstheorie,
religiösem Glauben und wissenschaftlichem Wissen um klare Alternativen; sie
dürfen daher nicht vermischt werden. …
Die schöpferische Verursachung und Wirkung bedeutet Entlassung in das
Selbstsein, Befähigung zur Autonomie. Gott ist der, der macht, dass Welt und
Mensch machen können …
Schaffen und Wirken Gottes sind ein personales Freiheitsgeschehen.
Sie schließen die freie Mitwirkung des Geschöpfs, der Welt und des Menschen
ein. Gott wirkt, indem er je schon gewirkt hat und nun Natur und Mensch wirken
lässt …
Gottes schöpferisches Wirken … ist Nähe und Ferne zugleich, das Geschenk einer
zuverlässigen „Welt“ und die Raum zum Selbstsein gewährende Selbstrücknahme,
vergleichbar der Dialektik elterlicher Nähe und Ferne zum Kind, die eine
notwendige Bedingung dafür sind, dass Sozialisation und Individuation gelingen.
…
Der biblische Schöpfungsglaube selbst hat außerdem sehr unterschiedliche
Erfahrungs- und Motivationsgrundlagen. Dazu gehört sicher auch die Erfahrung
der Geordnetheit und Schönheit der Welt. Der dominante Ausgangspunkt der
religiösen Erfahrung und Deutung der Welt als Schöpfung ist jedoch nicht die
Erfahrung des Überflusses, der Schönheit und Wohlgeordnetheit der Welt, sondern
die allesumgreifende Grunderfahrung der Ambivalenz und Labilität der
Wirklichkeit, des Miteinanders von Werden und Vergehen, der ständigen Bedrohung
des Seins durch das Nichts, der Ordnung durch das Chaos, des Lebens durch den
Tod, der Omnipräsenz des Leidens, der Negativität, des Bösen und des Unheils.
Der Schöpfungsglaube ist daher seit seinem Ursprung Teil der religiösen
Soteriologie, eine kontrafaktische Gewissheit, die Hoffnung und Bestand
gewährt: Trotz allen Anscheins hat die Welt einen guten und zuverlässigen
Grund.
Theologisch muss daher der Gedanke der Schöpfungsordnung und des Schöpfungsplanes
und damit auch die Vorstellung von einem intelligent
design mit großer Vorsicht verwendet werden.
Q19 Huber,
Wolfgang (Bischof und Ratsvorsitzender der Ev. Kirche in Deutschland)
Bericht des Rates
der EKD - Teil A, (6. Tagung der 10. Synode der EKD, Dresden, 04. - 07.
November 2007)
"Und sie bewegt sich
doch! – Eppur si muove" – Galileo Galilei wird dieser Satz zugesprochen.
Dass er ihn so nicht gesagt hat, gilt als sicher. Und doch markiert er einen
symbolträchtigen Punkt im Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Theologie.
Galilei hatte den experimentellen Nachweis zu der These von Nikolaus Kopernikus
geliefert, dass sich nicht die Sonne um die Erde, sondern umgekehrt die Erde um
die Sonne dreht. Galilei geriet dadurch in einen heftigen Konflikt mit der
kirchlichen Lehrmeinung seiner Zeit; er ertrug ihn dadurch, dass er seiner
wissenschaftlichen Meinung abschwor. "Und sie bewegt sich doch!" ist
so zu einem Satz des symbolischen Aufbegehrens geworden. Gerne wird er
beispielhaft verwendet, um die vermeintliche Überlegenheit der
naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über kirchliche Glaubensansprüche zu
dokumentieren.
Heute hat man manchmal den
Eindruck, das Rad solle in die Zeit der Entdeckungen der
"Himmelsphysik" zurückgedreht werden. Unter den Namen
"Kreationismus" und "Intelligent Design" werden Debatten
angestoßen, die längst überwunden schienen. Dabei wird mit biblischen Texten in
einer Weise umgegangen, als habe es die Entwicklung der Theologie insbesondere
in ihrer durch die Reformation angestoßenen wissenschaftlichen Gestalt nie
gegeben. Das geschieht unter anderem auf die Weise, dass die biblischen
Schöpfungsberichte zu einer quasiwissenschaftlichen Welterklärungstheorie gemacht
werden.
Neuerdings ist versucht
worden, das durch einen aufwändig gestalteten, von einem Muslim
herausgegebenen, "Atlas der Schöpfung" zu untermauern.(19) In der
Türkei, in Frankreich, Spanien und Belgien, nun auch in Deutschland ist dieser
Atlas kostenfrei an Schulen und andere öffentliche Einrichtungen versandt
worden. Jeweils auf einer Doppelseite wird das Foto eines Fossils neben das
eines heute lebenden Vertreters jener abgebildeten Art gestellt. Diese
Gegenüberstellung soll beweisen, dass diese Lebewesen vor Millionen Jahren
bereits genauso existiert hätten wie heute; damit soll die Haltlosigkeit der
Evolutionstheorie unter Beweis gestellt werden.
Der
"Kreationismus" tritt mit der Forderung auf, dass in den Schulen
nicht die Evolutionstheorie, sondern eine biblische Weltanschauung unterrichtet
wird.(20) Der Glaube an den Schöpfer wird so zu einer pseudowissenschaftlichen
Weltanschauung; dieser Glaube selbst soll nämlich das zutreffende Wissen über
die Entstehung und Entwicklung der Welt vermitteln. Mit dieser Verkehrung des
Glaubens an den Schöpfer in eine Form der Welterklärung hat die Christenheit
immer wieder Schiffbruch erlitten. Indem ein zur Weltanschauung missdeuteter
Glaube an die Stelle der wissenschaftlichen Vernunft treten sollte, wurde in
Wahrheit das Bündnis von Glaube und Vernunft aufgekündigt. Deshalb ist aus
Gründen des Glaubens ein klarer Widerspruch notwendig, wenn die biblischen
Schöpfungserzählungen in einem solchen "kreationistischen" Sinn
missbraucht werden.
Neuerdings wird der
Evolutionstheorie auch eine Auslegung der Schöpfungslehre entgegengesetzt, der
man den Namen "Intelligent Design" gibt.(21) Weil man die innere
Folgerichtigkeit der Evolution nicht anders begründen könne, müsse man aus
wissenschaftlichen Gründen, so wird gesagt, einen göttlichen Welturheber
annehmen, der die Welt von Anfang an so intelligent konzipiert hat, dass es zur
Entstehung des Lebens und zur Entwicklung des Menschen als der Krone der
Schöpfung kam.
Damit wird freilich Gott
den Ursachen in Raum und Zeit gleichgesetzt. Solchen Vorstellungen liegt eine
Denkweise zu Grunde, die der Philosoph Immanuel Kant gerade überwinden wollte,
als er erklärte, er habe "das Wissen aufheben" müssen, "um zum
Glauben Platz zu bekommen".(22) Er meinte damit, dass er den Gottesbegriff
aus der Umklammerung durch das an die Kategorien von Raum und Zeit gebundene
Erfahrungswissen befreien musste, damit der Begriff Gottes als der alles
umfassenden Wirklichkeit überhaupt wieder zur Geltung kommen konnte. Hinter
diese Befreiung Gottes aus der Vorherrschaft des Erfahrungswissens fällt wieder
zurück, wer die Notwendigkeit des Gottesbegriffs auf der Ebene des
Erfahrungswissens festzuhalten oder zu beweisen versucht.
Es kann nicht verwundern,
dass dem ideologischen Missbrauch des christlichen Schöpfungsglaubens, wie er
im Kreationismus und in der Lehre vom "Intelligent Design" vorliegt,
spiegelbildlich ein Missbrauch entspricht, der meint, aus den Einsichten der
modernen Naturwissenschaften zwingend eine Leugnung Gottes und die Verpflichtung
auf einen kämpferischen Atheismus ableiten zu können. Beispielhaft ist dafür
der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der sich mit seinem Buch "Der
Gotteswahn" ("The God Delusion") an die Spitze dieser Bewegung
gesetzt hat.(23) Dawkins restauriert ein Weltbild, nach welchem Religion einem
vorwissenschaftlichen Zeitalter angehört und mit dem Siegeszug des
wissenschaftlichen Bewusstseins zum Verschwinden kommt. Weil sich dieses
Verschwinden nicht von selbst einstellt, muss es durch einen weltanschaulichen
Kampf vorangetrieben werden, für den man sich der Unterstützung durch
vermeintlich wissenschaftliches Handeln zu versichern versucht. Das
Gottesverständnis soll auf dem Weg destruiert werden, dass danach gefragt wird,
ob man auf die Gotteshypothese angewiesen sei, um die Entstehung der Welt und
des Lebens zu erklären. Die Auseinandersetzung mit dem Gottesbegriff wird also
ganz und gar auf dem Missverständnis eines "Lückenbüßergottes"
("God of the gaps") aufgebaut.(24) Dafür sind Kreationismus und
"Intelligent Design" willkommene Gegner; Richard Dawkins überhöht
deren Vertreter deshalb zu den maßgeblichen Repräsentanten des Christentums, ja
der Religion überhaupt. Er verbindet – ebenso wie Hitchens – das zugleich mit
einer maßlosen Polemik, die religiöse Erziehung mit Kindesmisshandlung
gleichsetzt und das alttestamentliche Gottesbild in einer Weise beschimpft, die
historischen Sinn und moralische Proportion in gleicher Weise vermissen lässt.
Der grundlegende Fehler in
dieser Debatte liegt darin, dass der Schöpfungsgedanke nicht als Thema des
Glaubens, sondern des Wissens angesehen wird. Der Glaube richtet sich auf die
Wirklichkeit im Ganzen; er hat es mit dem Grund der Welt wie meines
persönlichen Lebens zu tun. Ihm verdanke ich die Weltgewissheit wie die Daseinsgewissheit,
die meinem Leben Sinn verleihen. Unter Wissen dagegen ist in solchen Fällen das
Erfahrungswissen zu verstehen, das wir mit den Mitteln von Beobachtung und
Experiment erwerben. Dieses Erfahrungswissen ist an die Bedingungen von Raum
und Zeit gebunden; der Glaube dagegen richtet sich auf die Wirklichkeit Gottes,
die Raum und Zeit umgreift und übersteigt. Zwar bleibt der Glaube auf das
Wissen bezogen, ja angewiesen. Aber er ist nicht mit ihm identisch – das ist
der entscheidende Punkt. Glaube und Wissen sind also bewusst voneinander zu
unterscheiden; sie treten aber damit nicht beziehungslos auseinander, werden
also nicht voneinander getrennt. Weder ist die Bibel ein Naturkundebuch, noch
vermag die Naturwissenschaft Aussagen über Gott zu machen. Gott ist kein
naturwissenschaftliches Postulat. Wer Gott allein mit den Mitteln der
Naturwissenschaft zu erfassen sucht, bringt sich um die Möglichkeit einer
Begegnung mit dem befreienden Wort Gottes.
In diesem Zusammenhang
wurde verschiedentlich die Frage erörtert, ob im Biologieunterricht auf den
biblischen Schöpfungsglauben und ob im Religionsunterricht auf die
Evolutionstheorie Bezug zu nehmen sei. Am günstigsten wäre es ohne Zweifel,
wenn das Verhältnis zwischen beiden Betrachtungsweisen in interdisziplinären
Unterrichtsprojekten geklärt würde. Dann könnten biologische und theologische
Perspektiven jeweils in ihrer Eigenbedeutung zur Geltung gebracht werden. Man
könnte lernen, dass man die Beziehung zwischen diesen beiden Betrachtungsweisen
nur dann zureichend bestimmen kann, wenn man zuvor gelernt hat, sie voneinander
zu unterscheiden. Das aber setzt voraus, dass sowohl hinsichtlich der
biologischen als auch hinsichtlich der theologischen Fragen die gebotene
Sachkenntnis gegeben ist. Das gilt auch für die Fälle, in denen im Biologie-
oder im Religionsunterricht über das Verhältnis von Schöpfungsglauben und
Evolutionstheorie gesprochen werden soll.
Wer aus biologischer
Perspektive über den biblischen Schöpfungsglauben spricht, braucht dafür
entsprechende theologische Kenntnisse. Insbesondere muss er es vermeiden, die
biblischen Schöpfungserzählungen zu konkurrierenden Welterklärungsmodellen zu
machen und das eine gegen das andere auszuspielen. Sowohl das Ergebnis:
"Darwin beweist, dass es Gott nicht gibt", als auch das Ergebnis:
"Gott beweist, dass Darwin Unrecht hat" wäre eine didaktische
Fehlleistung. Ebenso klar ist, dass der Biologieunterricht die Grenze zur
weltanschaulich-religiösen Bildung nicht überschreiten darf; er darf nicht
unter der Hand zum Religionsunterricht – auch nicht in einem antireligiösen
Sinn – werden.
Fußnoten:
19 Harun Yahya, Atlas
der Schöpfung, Bd. I, Istanbul 2006.
20 Zur Diskussion in Deutschland vgl. als Beispiel: Ulrich Kutschera
(Hg.), Kreationismus in Deutschland. Fakten und Analysen, Münster 2007.
21 Als Beispiel nenne ich: William A. Dembski, Intelligent Design. The
Bridge between Science and Theology, InterVarsity Press 1999.
22 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Vorrede zur zweiten Auflage,
Werksausgabe hg. von W. Weischedel, Bd. 3, Frankfurt 1988, S 33
23 Richard Dawkins, Der Gotteswahn, Berlin 2007. Vgl. auch Christopher
Hitchens, Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt vergiftet, München
2007.
24 Vgl. zu diesem und anderen Aspekten die eindrucksvolle
Auseinandersetzung mit Richard Dawkins, die Alister McGrath vorgelegt hat:
Alister McGrath / Joanna Collicutt McGrath, The Dawkins Delusion? Atheist
fundamentalism and the denial of the divine, London 2007.
Q20 Küng, H.: Der Anfang aller Dinge, Naturwissenschaft und
Religion, Piper, München, 2005
·
(159) schon der griechische Philosoph und Atomist
Demokrit (ca. 470 – 380 v. Chr.) hatte geschrieben: „Alles, was im Weltall
existiert, ist Frucht von Zufall und Notwendigkeit.“;
Jacques Monod räumte dem Zufall entschieden den Vorrang ein: „der reine Zufall,
nichts als der Zufall, die absolute, blinde Freiheit als Grundlage des
wunderbaren Gebäudes der Evolution“;
(160) Manfred Eigen (1975): „Naturgesetze steuern den Zufall“;
(163) Entweder ein Mensch sagt nein zu einem Urgrund, Urhalt und Urziel des
ganzen Evolutionsprozesses: Dann muss er die Sinnlosigkeit des ganzen Prozesses
und die totale Verlassenheit des Menschen in Kauf nehmen (so versteht es
J.Monod JK);
Oder ein Mensch sagt ja ... Dann darf er die grundlegende Sinnhaftigkeit des
ganzen Prozesses und der eigenen Existenz zwar nicht aus dem Prozess selbst
begründen, wohl aber darf er sie vertrauend voraussetzen ...;
Q21 Lesch, H. / Müller,
J.: Big Bang zweiter Akt – Auf den Spuren des Lebens im All, Bertelsmann,
München 2003
·
Naturwissenschaften sind trotz einer Menge
gesicherter Messdaten nicht im Besitz eines kompletten Wissens über die
Entstehung und Entwicklung des Universums. Es klaffen noch gewaltige Lücken.
Die Erkenntnisse über unseren Kosmos finden ihren Niederschlag vielmehr in
einer Vielzahl von Hypothesen und Theorien, welche die Abläufe möglichst genau
zu beschreiben versuchen. Allerdings unterliegen diese Theorien strengen
Kriterien:
- ihre Aussagen müssen den fundamentalen Gesetzen des Mikro- und Makrokosmos,
der Teilchenphysik, der Quantenphysik und der allgemeinen Relativitätstheorie
genügen
- sie müssen das gegenwärtige Erscheinungsbild des uns zugänglichen Universums
im Einklang mit den Beobachtungs- und Messergebnissen der Astronomen qualitativ
und quantitativ eindeutig erklären lassen;
eine Theorie verliert sofort ihre Gültigkeit, sobald sich aufgrund neuer
Erkenntnisse oder Messergebnisse einer ihrer Prozesse als falsch erweist
Q22 Mohr, H. in: Aus
Politik und Zeitgeschichte,
Beilage zur Zeitung „Das Parlament“, B15/1992 S.10ff
·
Ideologie als politisch relevante Weltanschauung, als
eine Art Gattungsname für divergierende politische Entwürfe, Welt- und
Geschichtsdeutungen; unter einer freiheitlichen und liberalen Verfassung
manifestieren sich ideologische Differenzen in philosophischer, religiöser und
weltanschaulicher Pluralität; Lehrmeinungen, Lehrsätze, Doktrinen;
Die methodische Objektivität impliziert, dass keine außerwissenschaftlichen
Kräfte, Meinungen und Wertungen die Grundsätze des wissenschaftlichen Forschens
und die Ergebnisse beeinflussen dürfen. Der Wissenschaftler hat sich, solange
er forscht oder lehrt, von ideologischen und weltanschaulichen (besonders
parteipolitischen) Vorgaben gänzlich freizuhalten;
Wenn ein wissenschaftliches Gutachten, ein wissenschaftliches Buch, eine
wissenschaftliche Vorlesung, eine wissenschaftliche Expertise die
Parteizugehörigkeit des Wissenschaftlers erkennen lässt, hat der Betreffende
seinen Platz im Kreis der Wissenschaft verlassen. Gewiss kann der
Wissenschaftler absichtlich und überlegt aus diesem Kreis heraustreten, indem
er sich politisch äußert, aber er muss dies klar markieren und deutlich
erkennen lassen, wann er als Homo politicus auf politische Zustimmung zielt und
wann er als Homo investigans Sachverhalte oder Interpretationen
wissenschaftlich begründen kann.;
Fall Galilei: was die Repräsentanten der Kirche … gegen Galilei aufbrachte, war
vermutlich nicht in erster Linie das von Galilei propagierte kopernikanische
Weltbild, sondern die Abkehr vom Aristotelismus (hatte ein spekulatives
Weltbild von imponierender Geschlossenheit konstruiert), der Umstand, dass
Galilei mehr an die „Macht des Experiments“ glaubte als an Autoritäten;
Den Fall Galilei fassen wir auf als einen Konflikt zwischen dem Anspruch der
Wissenschaft und dem Anspruch kirchlicher Doktrin. Es handelt sich nicht um
einen Konflikt zwischen dem wissenschaftlichen Ethos und dem Gottesglauben. Als
Naturforscher sind wir Repräsentanten einer bestimmten Weltsicht. Das
wissenschaftliche Weltbild unserer Zeit ist gottlos – aber es ist nicht
antitheistisch. Die besonnene Antwort von Laplace, der auf die provokative
Frage Napoleons nach seinem Verhältnis zu Gott antwortete: „Sire, je n`avais pas
besoin de cette hypothèse“ (ich brauche diese Hypothese nicht JK), spiegelt
keine Hybris, sondern die methodische Sorgfalt, die Disziplin im Denken eines
Naturforschers wider – daran hat sich seit Laplace nichts geändert;
Konflikt zwischen Biologie und dialektischem Materialismus in der Sowjetunion
in den 1930er Jahren; es lag vor allem am Anspruch des dialektischen
Materialismus, im strengen Sinn Wissenschaft, unfehlbare Wissenschaft zu sein
und somit entscheidend und autoritativ in Sachfragen der Naturforschung
eingreifen zu können; Vor 1935 hielten sich auch die sowjetischen Biologen an
die bereits klassischen Vorstellungen: Genbegriff, Mendel-Genetik,
Chromosomentheorie der Vererbung, Theorie der Mutation, Rekombination und
Selektion als Grundlage der Populationsgenetik, Neodarwinismus als Erklärung
der Evolution. … Lyssenko leugnete die Existenz von Genen und erklärte
kurzerhand die bereits klassischen Theorien der Genetik und der Evolution für
„idealistisch“, „bürgerlich“ und „metaphysisch“. … Im Prinzip stellten sich
Lyssenko und seine Anhänger auf den Standpunkt, dass sich unter dem Einfluss
der Umwelt die genetische Substanz ständig ändere, und zwar derart, dass die
Umweltfaktoren die Richtung der Änderung direkt bestimmten. Derlei
Vorstellungen („unvermittelte Vererbung“, „Vererbung erworbener Eigenschaften“)
waren zwar wissenschaftlich längst geprüft und widerlegt; sie kamen aber den
Theoretikern des dialektischen Materialismus entgegen … im August 1948 wurde
der „Lyssenkoismus“ schließlich zur einzigen auf der Grundlage des Diamat
beruhenden Biologie erklärt. Im Protokoll der betreffenden Sitzung heißt es: „Wir Vertreter der sowjetischen Biologie
behaupten, dass die Vererbung von Eigenschaften, die Pflanzen und Tiere in
ihrem Entwicklungsprozess erwerben, möglich und notwendig ist. Damit steht
jedem Biologen der Weg offen, die Natur der pflanzlichen und tierischen
Organismen zu lenken, sie durch die Lenkung der Lebensbedingungen … in der für
die Praxis erforderlichen Richtung zu verändern.“
Q23
Mozetic, G.: Die
Gesellschaftstheorie des Austromarxismus. Geistesgeschichtliche
Voraussetzungen, Methodologie und soziologisches Programm. Darmstadt 1987, S.
117 f.; zitiert nach http://www.tu-braunschweig.de/Medien-DB/hispaed/erziehung.pdf
Seite 27
Q24 Reichholf, J.H.: Was stimmt? Evolution – Die
wichtigsten Antworten; Herder spektrum, Freiburg, 2007
·
S.7
Als vor rund 200 Jahren klar geworden war, dass der Mensch nicht das Ergebnis
eines eigenen göttlichen Schöpfungsaktes darstellt, sondern einen natürlichen Werdegang
hinter sich hat wie alles Leben auf der Erde, riefen diese Erkenntnisse
vielfachen und mitunter auch heftigen Widerstand hervor. …
Als vor gut 150 Jahren der englische Naturforscher und Privatgelehrte Charles
Darwin (1809 – 1882) jenes Buch veröffentlichte, das die westliche Welt
erschütterte, behandelte er den Menschen und seine Herkunft gar nicht.
·
S.9
Die uns nächstverwandten Schimpansen unterscheiden sich im Erbgut, im Genom,
nur zu gut einem Prozent von uns Menschen. Weshalb uns das „erniedrigen“
sollte, wenn wir davon ausgehen, dass Gott alles geschaffen hat, verstehen
sicherlich jene Biologen am wenigsten, die sich mit der Großartigkeit der
Evolution befassen. …
·
S.10
(Kreationismus, Intelligent Design) …
um die vermeintliche Sinnlosigkeit der Evolution als eine geistige Verwirrung
jener anzuprangern, die an solches „glauben“ wollen. Allerdings vertritt die
Evolutionsbiologie überhaupt keine Sinnfragen, denn diese liegen gänzlich
außerhalb ihres wissenschaftlichen Forschungsfeldes. Niemandem wird von der
Evolutionsbiologie angeraten oder vorgeschrieben, im Leben, in seinem Werden
und Vergehen keinen Sinn zu sehen.
·
S.27f.
Charles Darwin … was er das Ringen um die Existenz (struggle for existence)
nannte. Er meinte damit also weit mehr die Anstrengungen, gleichsam das
„Strampeln“, als den später geprägten Ausdruck „Kampf ums Dasein“, von dem der
Sozialphilosoph Herbert Spencer sprach und meinte, die Natur sei rot von Blut
an Zähnen und Krallen.
Bekanntlich verselbständigen sich solche griffigen Ausdrücke schnell. Das
ursprünglich Gemeinte wird verbogen oder gar in eine unbeabsichtigte Richtung
gedrängt. In Verbindung mit dem gleichfalls von Darwin stammenden Ausdruck vom
„Überleben des Tauglichsten“ (survival of the fittest) war das Grundprinzip der
Evolution damit schon wenige Jahre nach der Veröffentlichung von Darwin in eine
von ihm selbst nicht gemeinte und gewollte Richtung abgedrängt. Sie passte zum
Zeitgeist im ausgehenden 19. Jahrhundert; insbesondere zum Kolonialismus und
zum Industrie- und Manchesterkapitalismus.
·
S.30
Fit fürs Überleben zu sein, heißt nicht automatisch, über die größte Kraft zu
verfügen. Fit sein bedeutet Lebensgestaltung. Was „tauglich fürs Überleben“
ist, ergibt sich erst aus der Rückschau. Die Gegenwart lebt für die Zukunft und
diese ist offen. Der momentane Erfolg muss nicht von Dauer sein. Die Geschichte
lehrt eher das Gegenteil. Evolution sei zukunftsblind, meinen die
Evolutionsbiologen.
·
S.34
Natürliche Auslese, Selektion, verursacht weit seltener die „Natur“, die wir
zumeist meinen, also Wetter und Klima, Wasser oder Trockenheit oder gar die
Naturkatastrophen, sondern weitaus wirkungsvoller greifen Mikroben in den Gang
des Geschehens ein. Krankheiten verursachen oft die hohen Verluste, denen
zufolge sich die genetische Zusammensetzung verändert.
·
S.35
In der Evolution sieht die Rolle des Zufalls ganz anders aus (als beim
Würfeln). Jede zufällige Änderung hängt davon ab, in welchem Zustand sich das
Erbgut befindet und welche Neukombination oder Veränderung lebensfähig ist.
Falsche Kombinationen entwickeln sich gar nicht erst oder scheitern früh, bevor
sich der Träger dieser Änderung wieder fortpflanzen kann. Allein die
Voraussetzung, dass sich jede Veränderung in das Leben des Organismus einfügen
muss, sortiert einen Großteil der echten Fehler aus.
Dennoch brauchen solche Mutationen, die im Erbgut enthalten und weitergegeben
werden, nicht gleich oder grundsätzlich vorteilhaft zu sein. Es reicht, wenn
sie zunächst keinen Schaden anrichten. Die große Mehrheit aller Mutationen ist
daher „neutral“. …
Um zu einer nachhaltigen Veränderung zu kommen, würde ein Individuum allein gar
nichts beitragen können, wenn nicht viele Partner schon vorhanden wären, die
bereits ähnlich ausgestattet sind …
Das Wozu ergibt sich aus dem Woher und nicht aus einer vorgegebenen Richtung
oder gar aus einem festgelegten Ziel. Selbst wenn wir Menschen uns ein Ziel
vorgeben möchten, muss dieses „realistisch“, also auf die gegebene Wirklichkeit
bezogen sein. …
·
S.40
Oft ziehen wir … den falschen „echten Zufall“ heran, anstatt den „richtigen“,
den vom Vorhandenen gelenkten Zufall zugrunde zu legen.
·
S.53
Was besagt dieser „Ein-Prozent-Unterschied“ (im Erbgut) zwischen Affe und
Mensch? Zunächst einmal bedeutet der Befund, dass wir Menschen eine ganze
Anzahl, nämlich knapp 400 verschiedene Gene in uns tragen, die Schimpansen und
andere Menschenaffen nicht haben. Da sich die Stammeslinien von Menschenaffen
und Menschen schon vor gut 6 Millionen Jahren voneinander getrennt haben, würde
sich rein rechnerisch ein neues oder anderes Gen alle 15.000 Jahre ergeben.
·
S.60
Der Mensch weicht bei seiner (Individual-)Entwicklung im „Zeitprogramm“ weitaus
stärker von den Menschenaffen ab, als an dem Grad seiner Abweichung in den
Genen abzulesen ist. Die Menschwerdung liegt offensichtlich nicht allein in den
anderen Genen als vielmehr in einem anderen Programm begründet.
·
S.85ff.
“Es gibt nichts dahinter oder darüber“
Hat die Evolution einen Sinn?
Der Mensch, das Leben, die Welt, das alles muss doch einen Sinn haben? Wer oder
was treibt die Evolution an? Solche und ähnliche Fragen bewegen die meisten
Menschen. Dass wir auf unserer Erde nichts weiter seien als „Zigeuner am Rande
des Universums“, wie es der französische Nobelpreisträger Jacques Monod
ausgedrückt hatte, wollen die wenigsten glauben. Manch angesehener, von der
Öffentlichkeit wahrgenommener Physiker vermutete oder erkannte vor dem Urknall,
mit dem vor mehr als 10 Milliarden Jahren alles begonnen haben soll, oder
jenseits der Wirklichkeit den Anstoß oder das Wirken einer höheren Kraft.
Besonders Astrophysiker und Physiker, die sich mit dem auf mathematische
Formeln verdichteten Unbegreiflichen befassen, landeten in ihrem Denken
vielfach bei Gott. Dass dieser aber willkürlich in den Lauf der Welt eingreife
und zeitweise die Naturgesetze außer Kraft setze, schließen sie hingegen in
aller Regel aus. Das allumfassende Wunder des Seins ist aus
naturwissenschaftlicher Sicht nicht teilbar in viele beliebige kleine Wunder,
die ohne naturgesetzliche Verursachung geschehen. …
Seriöse Naturwissenschaft sollte darauf bedacht sein, ihre Befunde und
Erkenntnisse von den Schlussfolgerungen, die sie daraus zieht, zu trennen.
Etwas, das „ist“, zu bewerten, stellt ein anderes Unterfangen dar als die
Feststellung selbst. Die häufigsten Missverständnisse ergeben sich aus dieser –
unbeabsichtigten oder durchaus auch absichtlichen – Vermengung von Befunden und
Bewertungen.
·
S.89
Wir Menschen nehmen sicherlich zu Recht in Anspruch, einen menschlichen Geist
zu haben. Zu gern vergessen wir, das „menschlich“ hinzuzufügen.
Denn ohne Zweifel sind Vorgänge die über Nerven ablaufen und in Gehirnen
ausgewertet werden, zumindest auch bei vielen Tieren (die wir als „höhere“ oder
„intelligente“ Tiere ganz von selbst einstufen!) vorhanden. Katze und Hund,
Vogel und Fisch haben sicherlich auch „Geist“, nur eben nicht den menschlichen!
·
S.90
Die Gesamtheit der Lebewesen ist (zumindest aus unserer Sicht) nicht einfach
und umfassend „gut“. Die Welt des Lebens enthält außerordentlich viel Zerstörerisches.
·
S.91
Ergibt sich aus alledem die Notwendigkeit, eine lenkende, die Richtung
vorgebende Kraft für die Evolution anzunehmen oder gar einzufordern? Die
meisten Evolutionsbiologen werden dazu genauso nein sagen wie die Physiker und
Chemiker als „exakte Naturwissenschaftler“, die ein zeitweises Außerkraftsetzen
der Naturgesetze durch Wunder ablehnen. …
Lenkende Eingriffe oder Wunder sind nirgends in der Evolution zu finden oder
als Erklärung für die Vorgänge notwendig. Schließlich gibt es auch keine
Anzeichen dafür, dass die Evolution einer bestimmten festgelegten Richtung
folgen würde. Im Gegenteil: Sie erscheint uns offen und frei für die Zukunft,
nicht vorbestimmt und auf eine Bahn gezwungen. Freiheit kennzeichnet den
Verlauf – und eben diese Freiheit wollen wir auch für uns, für unser eigenes
Leben in Anspruch nehmen. Wir betrachten uns nicht wie Marionetten, denn wenn
wir solche wären, hätten wir auch keine Verantwortung und keinen freien Willen.
·
S.92ff.
“Durch die Gesetze der Evolution ist alles festgelegt“ …
(darauf bezogen)
Beide Möglichkeiten der Antwort sind daher aller Wahrscheinlichkeit nach
falsch, wenn wir die „Feststellung“ am Anfang dieses Kapitels als Frage
betrachten. Nein, es gibt keine allgemeine Festlegung der Evolution durch
unverrückbare „Gesetze“! Nein, es ist auch nicht alles frei! Die Abläufe in der
Zeit, die wir als „Evolution“ zusammenfassen, zeichnen sich durch beides aus;
Bedingtheit und Freiheit!
Eingeschränkte Willensfreiheit …
Wir können nur im Rahmen dessen frei entscheiden, was wir wollen können.
Vielleicht nimmt die Freiheit der Entscheidungen sogar mit dem Älterwerden ab.
Je mehr wir uns auf unserem Lebensweg bereits festgelegt haben, desto schwerer
wird es, sich dagegen zu entscheiden und den berühmten, meist doch nicht
glückenden Neuanfang zu wagen.
·
S.99
Das Geistige existiert dennoch, auch wenn es stofflich nicht fassbar ist. Zur
Evolution wäre dies nicht nur kein Widerspruch, sondern vielmehr die
Fortsetzung der grundlegenden Vorgänge in eine weitere Sphäre hinein (vorher:
Eroberung des Landes und der Luft als Lebensraum).
·
S.101
“Stammeslinien“ sind nichts weiter als künstlich gezogene Linien, die in
Wirklichkeit höchst krumme Wege sind und ganz unterschiedliche Zeitverläufe
hinter sich haben.
·
S.102
Richtungsveränderungen können auf zwei recht unterschiedliche Weisen zustande
kommen. Die eine, überwiegend angenommene beruht auf einem „Druck“ der Umwelt.
Die betreffende, unter Druck geratene Art weicht nach und nach aus …
Weit weniger bekannt, für die großen Veränderungen aber unvergleichlich
bedeutungsvoller ist die ganz andere Möglichkeit: Es haben sich neue
Lebensperspektiven ergeben, die genutzt werden können. Die Art, die angefangen
hat, diese zu nutzen, entwickelt sich ohne Druck in diese hinein.
·
S.104
Brauchen wir nicht doch eine alles lenkende Kraft, die zwar viel Freiheit
lässt, aber dem Strom des Lebens durch die Zeit Richtung gibt, so wie die
Schwerkraft das Wasser eines wirklichen Stroms lenkt, aber keinen bestimmten
Weg vorschreibt?
Naturwissenschaft und Transzendenz
Diese Fragen reichen weit über den Forschungsbereich der Biologie und der
Naturwissenschaften im Allgemeinen hinaus. Sie kann mit ihrer Denk- und
Vorgehensweise nichts über „letzte Ursachen“ aussagen und auch „Endziele“ nicht
behandeln. Ihr Forschungsbereich ist die erfassbare Wirklichkeit. Was diese
Wirklichkeit durchdringt, verlässt oder außerhalb davon existiert, das
Transzendente also, ist der Naturwissenschaft nicht zugänglich. Das bedeutet
aber nicht, dass sich Biologen wie alle anderen Naturwissenschaftler auch keine
Gedanken dazu machen würden oder gar machen dürften. Sie müssen nur die Grenzen
beachten, die ihnen der Stand der Forschung und die verfügbaren, von anderen
Wissenschaftlern nachvollziehbaren Methoden setzen. Die fortschreitende
Forschung verschiebt beständig die Grenzen des Wissens und des Erforschbaren.
Wie viel es jenseits dieser Grenzen gibt, die zur betreffenden Zeit vorhanden
sind, entzieht sich jeglicher Abschätzung. Weil wir nichts über das wissen können,
was wir nicht kennen. Jenseits dieser Grenze beginnt daher die Domäne des
Glaubens …
·
S.110
Vielleicht werden wir das Sein auch nie begreifen, sondern nur glauben können.
…
·
S.114ff.
“Intelligent Design“? …
Die Falltür bildet die vorgefasste Meinung. Will man nur alles, was schön und
gut ist, sehen und nur das gelten lassen, was fein abgestimmt und harmonisch
erscheint, nimmt man offensichtlich nur einen Teil der Wirklichkeit wahr. …
Die weitaus meisten Arten, die das Leben hervorbrachte, sind auch wieder
ausgestorben. Die Erde ist weit davon entfernt, ein ausgewogenes System
darzustellen. Viele Millionen Jahre lang wucherten Wälder so sehr, dass die
Überproduktion, die sie erzeugten, nicht wieder in den Kreislauf der Stoffe
zurückkehren konnte …
Vulkanausbrüche, Erbebenwellen aus dem Meer, Stürme, Feuersbrünste und sonstige
Katastrophen vernichten offenbar ziel- und planlos Leben in großem Umfang. Und
sollte der intelligente Plan gar falsch gewesen sein, sodass mit der Urgewalt
kosmischer Einschläge von Riesenmeteoriten das Leben mehrfach auf eine neue
Bahn gebracht wurde? …
… „Design“ ist Vorbestimmung. Freiheit ist das nicht!
·
S.118f.
Dieser Urknall kann der Schöpfungsakt gewesen sein. …
Alles, das gesamte All von Anfang an als ein Schöpfungswerk begreifen zu
wollen, stellt keinen Widerspruch zur naturwissenschaftlichen Erforschung von
Weltall, Erde und Evolution dar. …
(naturwissenschaftliche) Forschung sucht nach Einsichten in die Wirklichkeit.
Sie schafft Wissen, das durch besseres Wissen korrigiert werden kann, und sie
trifft keine dogmatische Festlegung auf eine bestimmte Sicht. Ihre
Vorgehensweise schließt das Staunen über die Natur nicht nur nicht aus, sondern
setzt dieses in aller Regel voraus. … Gerade weil dieses Eindringen in die Natur
mehr Einblick eröffnet, als mit dem bloßen Augenschein möglich ist, offenbart
sich den Naturwissenschaften die Größe der Natur in besonderer Weise.
Vielleicht ist vielen Naturwissenschaftlern ein „intelligenter Designer“
einfach zu klein geraten. Wer das Göttliche für die gesamte Natur, für alles
Sein sucht, muss dafür wohl auch das denkbar Größte annehmen.
·
S.120f.
Die Genesis ist aus der Sicht der Naturwissenschaft keine wissenschaftliche
Kurzfassung zum Verlauf der Schöpfung. Daher kann sie auch nicht
„wissenschaftlich überholt“ sein. …
Problematisch wird die Betrachtung der Genesis also nur, wenn man sie allzu
wörtlich nimmt. Dass dies weder das Ziel der Bibel gewesen sein kann, noch die
Botschaft, welche die Zeiten überdauern sollte, ergibt sich für die
Evolutionsbiologie allein schon daraus, dass die Theologie eine geschätzte
Wissenschaft ist und dies auch bleiben wird. Bedürfte die Bibel aber keiner
Auslegung, keiner Exegese, wie sollte sich da die Theologie rechtfertigen?
Auch der naturwissenschaftliche Befund, seien es Messungen oder Fossilien, muss
„ausgelegt“, also einer Art Exegese unterworfen werden. …
Die Bibel wird daher aus guten Gründen nicht für ein kurz gefasstes Lehrbuch
der Evolution gehalten – und sollte dafür auch lieber nicht ge- oder gar
missbraucht werden! Die Evolutionsbiologen haben daher wie die Theologen und
wohl so gut wie alle übrigen Wissenschaftler und die allermeisten Menschen auch
keine Probleme mit dem Text der Genesis. …
Das „Woher“ als eine der beiden Grundfragen des Menschen konnte die
Wissenschaft ganz gut klären. Zum „Wohin“ weiß sie nichts Verbindliches zu
sagen, weil sich Ziele nicht mit ihren Forschungsmethoden erfassen lassen …
Streng genommen kann die Naturwissenschaft auch nicht erklären, was gut oder
böse, was Recht oder Unrecht ist. …
Warum möchten wir nicht hinnehmen, dass wir das Ziel setzen müssen, wenn wir
etwas erreichen wollen? …
Die Sinnsuche liegt in uns Menschen. Sie wird uns nicht abgenommen, so wenig
wie die Verantwortung. Beide sind der Preis für die Freiheit des Menschen. Wer
Hilfe bei der Suche nach Sinn braucht, wird sie in den Religionen finden.
Q25
Stuhler, E.: Margot Honecker – Die
Biografie, Heyne Verlag, München, 2005
Q26
Vollmer, G.: Biophilosophie, Reclam,
Stuttgart, 1995
·
S.38
Biologie ist, wie alle Wissenschaft, fehlbar, vorläufig, hypothetisch.
Allerdings sollte man aus dieser Einsicht nicht den Schluss ziehen,
wissenschaftliche Erkenntnis sei, weil nicht sicher, im Grunde nur spekulativ
und darum wertlos. Zwischen Sicherheit und bloßer Spekulation liegt ein weites
Spektrum …
Notwendige Merkmale einer guten erfahrungswissenschaftlichen Theorie sind
Zirkelfreiheit, Widerspruchsfreiheit, Erklärungswert, Prüfbarkeit und
Testerfolg; wünschbar sind darüber hinaus: Einfachheit, Anschaulichkeit,
Breite, Tiefe, Lückenlosigkeit, Präzision, Axiomatisierbarkeit, Anwendbarkeit
... (siehe ausführlicher auch S. 101)
Alle diese Kriterien reichen zwar nicht aus, die einst erträumte Sicherheit
wissenschaftlicher Erkenntnis wiederherzustellen; sie können aber doch dazu
dienen, wissenschaftliche Hypothesen als zulässig und bewährt, sogar als
zuverlässig oder vertrauenswürdig auszuzeichnen. …
·
S.51
Biologie als Naturwissenschaft schließt gewisse Fragen einfach aus, die
anderswo gestellt werden. Fragen nach Daseinszielen, nach dem Sinn des Lebens,
nach einem Weltenschöpfer oder Weltenlenker, nach Geltungsgründen oder
moralischen Rechtfertigungen werden in der Biologie nicht nur nicht
beantwortet: Sie werden gar nicht erst gestellt, nicht einmal zugelassen. Als
legitim gelten innerhalb der Erfahrungswissenschaften nur Fragen, die Tatsachen
betreffen und die im Rahmen erfahrungswissenschaftlicher Methoden wenigstens
prinzipiell Aussicht auf Beantwortung haben.
·
S.53
Selbst ein so gut bewährter, bisher nie widerlegter und in die gesamte
Naturwissenschaft eingebundener Satz wie der Energiesatz könnte sich eines Tages doch als falsch erweisen. Auch Behauptungen
über Unmögliches stehen deshalb grundsätzlich unter dem Vorbehalt möglichen
Irrtums. …
·
S.55
Biologie liefert keine moralischen Normen.
Falsch wäre es, alle Forschung verbieten zu wollen, deren Ergebnisse möglicherweise einmal missbraucht werden
könnten. Es lässt sich ganz klar und knapp sagen, was dabei von der
Wissenschaft übrig bliebe: nichts. Auch Mathematik wird angewandt, und selbst
die vermeintlich so unschuldigen Primzahlen finden in Codierungssystemen
praktische und sogar militärische Verwendung...
Aus Fakten (der Erfahrungswissenschaften) lassen sich Normen nicht gewinnen ...
Wer es gleichwohl versucht, begeht den sogenannten naturalistischen Fehlschluss: Allein aus der Tatsache, dass ein
Verhalten sich in der Evolution herausgebildet und somit bewährt hat, folgt
beispielsweise noch nicht, dass es gut oder richtig wäre. Das Natürliche ist
nicht automatisch auch schon das Richtige. …
·
S.100
Die Wissenschaftstheorie hat zu interessanten Ergebnissen geführt … Eines ihrer
Hauptergebnisse ist die Einsicht in den vorläufigen, hypothetischen oder Vermutungscharakter allen Tatsachenwissens,
auch der wissenschaftlichen Erkenntnis …
·
S.108
Wirklichkeitserkenntnis ist eine adäquate (interne) Rekonstruktion und
Identifikation äußerer Objekte. …
·
S.111
Die realen Objekte werden – durch Licht, Schallwellen, chemische Substanzen,
Wärmestrahlung oder Gravitationsfelder – projiziert auf unsere Sinnesorgane,
die meist auf der Körperoberfläche liegen. Auch technische Geräte,
Beobachtungs- und Messinstrumente, Fernrohre, Mikrophone, Thermometer, Kompass
oder Geigerzähler, dienen lediglich der Verbreiterung dieses
Projektions-„Schirmes“, der Übersetzung von Projektionssignalen in solche, die
unser natürlicher Apparat verarbeiten kann. …
Alles Tatsachenwissen ist hypothetisch
…
·
S.128
Unser Gehirn ist freilich nicht als Erkenntnisorgan, sondern als
Überlebensorgan entstanden. …
·
S.28
Dobzhansky: Nichts in der Biologie ergibt Sinn außer im Lichte der Evolution;
·
S.35
Nach dem Popperschen Falsifikationskriterium – eine gute
erfahrungswissenschaftliche Theorie muss an der Erfahrung scheitern können –
böte die Biologie, vor allem aber die Evolutionstheorie, also nur ein zwar
fruchtbares, letztlich aber doch metaphysisches Forschungsprogramm …
(Seite 105: Popper selbst hat sein Urteil über die Evolutionstheorie
widerrufen. 1977 erklärte er, die Theorie der natürlichen Auslese sei doch eine
prüfbare Theorie)
·
S.42
Genetik und Entwicklungsbiologie erklären zwar (ansatzweise), wie aus Lebewesen
neue Lebewesen entstehen, und die Evolutionstheorie erklärt (ansatzweise), wie
aus Arten neue Arten entstehen, wie jedoch die ersten Lebewesen entstanden
sind, das erklären sie nicht. Sie können das auch gar nicht, da sie die
Existenz von Lebewesen ja schon immer voraussetzen. Erste Lebewesen
können offenbar nicht aus belebten Systemen entstehen, (da sie sonst nicht die
ersten Lebewesen wären), sondern nur aus unbelebten. ...
Die Entstehung des Lebens kann also, wenn überhaupt, nur durch Physik und
Chemie erklärt werden …
·
Zufällige Ereignisse haben keine Ursache und damit
auch keine Erklärung …
sind nicht völlig gesetzlos, sondern genügen statistischen Gesetzmäßigkeiten.
Solche Gesetze sind jedoch nur dann anwendbar, wenn es sich um Ereignisklassen
handelt, der Erklärung von Einzelereignissen können sie dagegen nicht dienen …
·
S.68ff., S.95ff.
(Evolutionstheorie – wichtige Aspekte)
·
S.84
Selektion nicht nur durch die äußere, auch durch die innere Umwelt (z.B.
Embryonalentwicklung);
·
S.96
Darwin selbst spricht nicht von EVOLUTION, weil dieser Begriff zu seiner Zeit
noch anderweitig vergeben war, sondern von „transmutation“ oder von „descent
with modification“. …
·
S.105
Tatsächlich ist bisher kein Faktum bekannt, das der Evolutionstheorie widersprechen
oder sie widerlegen würde. Freilich gibt es noch viele ungelöste Probleme.
Viele Kritiker verwechseln die bestehende Unvollständigkeit der
Evolutionstheorie mit Falschheit.
Q27 Vollmer, G.: Die Unvollständigkeit der
Evolutionstheorie, in: Kanitscheider, B. (Hrsg.): Moderne Naturphilosophie,
Würzburg 1984
·
(30) Man schätzt die Zahl der heute lebenden Arten
auf zwei Millionen. Etwa hundertmal so viele, also rund 200 Millionen, sind
bereits wieder ausgestorben. Alle Arten unterscheiden sich voneinander in
mehreren Merkmalen. Es gibt also so unglaublich viele Merkmale bei Organismen,
dass eine vollständige phylogenetische Erklärung über Doppelfunktionen nicht
für alle Merkmale erhofft werden kann. In diesem Sinne wird die
Evolutionsbiologie immer unvollständig und lückenhaft bleiben.
(36) Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses seien für den Physiker die
Naturgesetze, für den Biologen dagegen die individuellen Randbedingungen. Was
den Physiker an einem Doppelsternsystem interessiert, ist das, was es mit
anderen Doppelsternsystemen oder mit anderen gravitativ gebundenen Systemen
gemeinsam hat. Den Biologen dagegen interessiert an seinen Forschungsobjekten
gerade das Besondere, Individuelle, Einmalige; für ihn ist das Typische, das
Auffällige, das „Spezifische“ einer biologischen Spezies nicht das, was sie mit
anderen Arten verbindet, sondern das, was sie von allen Arten unterscheidet.
Q28 Vollmer, G., UNIVERSITAS 8/1991, S.768f.
Das klassische Ideal einer erfolgreichen Ordnungssuche
stellt der Laplacesche Dämon dar:
„Ein
Geist, der für einen Augenblick alle Kräfte kennte, welche die Natur beleben,
und die gegenseitige Lage aller Wesenheiten, aus denen die Welt besteht, müßte,
wenn er zudem umfassend genug wäre, um alle diese Angaben der (mathematischen)
Analyse zu unterwerfen, in derselben Formel die Bewegungen der größten
Himmelskörper und die der leichtesten Atome überblicken. Nichts wäre ungewiß
für ihn, und Zukunft wie Vergangenheit wären seinen Augen gegenwärtig.“
Laplace behauptet also, daß unter gewissen Bedingungen die
ganze Welt berechenbar wäre. Es ist lehrreich, sich die Voraussetzungen und die
Konsequenzen dieses epistemischen Ideals klarzumachen. Dies versuchen wir in
der Tabelle.
In dieser Darstellung wird vom Prinzip der schwachen
Kausalität Gebrauch gemacht: Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen.
Die klassische Physik hat stillschweigend ein weit stärkeres Prinzip
zugrundegelegt, das Prinzip der „starken" Kausalität: Ähnliche
Ursachen haben ähnliche Wirkungen. Danach wirken sich kleine Abweichungen
in den Anfangsbedingungen auch auf die späteren Zustände des betrachteten
Systems nur geringfügig aus; kleine Ursachen haben nicht beliebig oder
unvorhersagbar große Wirkungen. Laplace hat dieses Prinzip nicht formuliert;
wir dürfen aber annehmen, daß er es, wie die spätere Physik auch,
uneingeschränkt bejaht hätte. Bei den Prämissen in der Tabelle entfällt dann
die Forderung der absoluten Genauigkeit, und deshalb dürfen dann auch die
Rechenergebnisse entsprechende, d. h. mit den anfänglichen Abweichungen
vergleichbare Ungenauigkeiten aufweisen.
WENN die Welt
+ deterministisch wäre und
+ ausschließlich aus (untereinander
wechselwirkenden) Teilchen bestünde,
wenn die Newtonsche
Bewegungsgleichung m • b = K uneingeschränkt gültig wäre,
wenn wir
+ alle Naturgesetze,
insbesondere alle Kraftgesetze, und
+ alle Rand- und
Anfangsbedingungen zu einem bestimmten Zeitpunkt (d. h. bei Gültigkeit der
Newtonschen Gleichung die Orte und
Geschwindigkeiten aller Teilchen)
+ mit absoluter Genauigkeit
kennten und
wenn wir
+ alle diese Daten
speichern,
+ mathematisch verarbeiten
und
+ schnell genug
+ alle einschlägigen Gleichungen
lösen könnten,
DANN wäre
nicht nur der Lauf der Welt
+ in allen Einzelheiten
+ eindeutig bestimmt
(gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen),
sondern dann könnten wir
(oder wenigstens der Laplacesche Dämon oder ein gigantischer Supercomputer)
sogar
+ alle Ereignisse
+ der Vergangenheit und der
Zukunft rechnerisch ermitteln.
Die Suche nach Ordnung und Struktur, nach Regelmäßigkeiten
und Naturgesetzen, war, das lehrt die Wissenschaftsgeschichte, recht
erfolgreich. Aber eine Garantie, daß sie immer und überall zum Ziel führen
werde oder gar müsse, gibt es nicht. Tatsächlich haben sich längst auch Grenzen
dieses Ansatzes gezeigt. Sie liegen zum einen in der Verfaßtheit der realen
Welt, zum anderen in den Möglichkeiten (oder vielmehr in den Beschränkungen)
des erkennenden Subjekts. Sieht man genau hin, so erweisen sich alle Prämissen
des Laplaceschen Determinismus, soweit sie nicht sowieso nur epistemische Idealisierungen
unbeschränkten Wissens und Könnens darstellen, als verfehlt. Dies kann hier
allerdings nur noch durch eine Aufzählung belegt werden.
·
Die Welt ist nicht deterministisch. Nach der üblichen
Deutung der Quantenphysik gibt es absoluten Zufall (und damit z.B. für den Zeitpunkt eines spontanen Kernzerfalls
nicht nur keine Ursache, sondern auch und erst recht keine Erklärung).
·
Die Welt besteht nicht nur aus Teilchen; sie enthält
auch Felder. Der klassische Determinismus läßt sich allerdings auf (klassische) Felder übertragen, so daß die Entdeckung von
Feldern im 19. Jahrhundert den Determinismus noch nicht ernsthaft gefährdete.
·
Die Newtonsche Bewegungsgleichung ist nicht
universell anwendbar, insbesondere nicht auf Teilchen ohne Ruhemasse, etwa auf Photonen.
·
(Ob wir alle Kraftgesetze kennen oder kennen könnten,
darf offenbleiben; daß es so sei, hat ja auch Laplace nicht behauptet.)
·
Messungen können den Zustand eines Systems verändern
(stören), in einer Weise, die weder vorhergesagt noch nachträglich bestimmt werden kann.
·
Ort und Impuls eines einzelnen Teilchens sind nicht
nur nicht gleichzeitig beliebig genau meßbar; reale Systeme haben überhaupt nicht scharfen Ort und Impuls. Die Quantenphysik
definiert den Zustand eines Teilchens deshalb anders als die klassische
Physik.
·
Absolute Genauigkeit einer Messung würde bei einer kontinuierlichen
Größe (wie Ort, Zeit, Geschwindigkeit) die empirische
Bestimmung einer reellen Zahl, also von unendlich vielen Dezimalstellen
bedeuten. Das ist nicht realisierbar.
·
Daß die Prämissen der umfassenden Datenspeicherung,
Datenverarbeitung und Rechengeschwindigkeit für uns Menschen nicht erfüllbar
sind, wußte natürlich auch Laplace; gerade deshalb hat er ja einen Geist mit übermenschlichen Fähigkeiten eingeführt. Jedoch
durfte Laplace noch davon ausgehen, daß alle mathematischen Probleme durch
angebbare Verfahren, also letztlich algorithmisch, gelöst werden können.
Heute wissen wir, daß auch diese Annähme falsch ist. Für manche Probleme konnte
gezeigt werden, daß es für sie keinen Lösungsalgorithmus geben kann. Außerdem
ist für viele durchaus realistische Probleme ein Lösungsweg zwar bekannt;
jedoch würde er selbst den ins Auge gefaßten kosmischen Supercomputer
nachweislich weit überfordern. Und einen
eleganteren Lösungsweg gibt es dabei nicht; in einigen Fällen ist das bewiesen,
in anderen ist es höchstwahrscheinlich.
·
Das Prinzip der starken Kausalität ist nicht erfüllt.
Wie die Untersuchungen an chaotischen Systemen zeigen, können auch beliebig kleine Änderungen der
Anfangsbedingungen immer noch zu unübersehbaren Abweichungen in späteren
Zuständen führen. Bei solchen Systemen ist trotz ihrer deterministischen
Struktur (also trotz schwacher Kausalität) keine zuverlässige
langfristige Prognose möglich.
Es sind also drei Entwicklungen in der
modernen Wissenschaft, die den Laplaceschen Dämon, den klassischen Determinismus
und damit die traditionelle Ordnungssuche ganz entscheidend in Frage stellen:
Quantenphysik, Algorithmentheorie (Metamathematik) und Chaos-Theorie.
Q29 Wabbel, T.D. (Hrsg.):
Im Anfang war (k)ein Gott – naturwissenschaftliche und theologische
Perspektiven; Patmos, Düsseldorf, 2004
·
S.14ff.
George Coyne:
Die Schöpfung erklärt die Existenz der Dinge, nicht die Veränderung der Dinge
an sich.
Die Schöpfung ist nicht ausschließlich, und nicht einmal in erster Linie, ein
fernes Ereignis. Der Schöpfungsakt Gottes ist das kontinuierliche, vollständige
Verursachen der Existenz von allem Seienden.
Die Behauptung, dass alle Dinge geschaffen wurden, ist eine metaphysische und
religiöse Behauptung.
(Geschichte des Universums) … gelangt man zu dem Eindruck, dass selbst Gott den
Ausgang nicht mit Gewissheit kennen konnte
·
S.67ff.
Ulf von Rauchhaupt:
Große vereinheitlichte Theorie, Supersymmetrie, String- oder M-Theorie, wie
solche Theorien heißen, enthalten kaum testbare Hypothesen. Es sind von
mathematischer Ästhetik geleitete Extrapolationen von bekannter, durch
Beobachtung geprüfter Physik auf unbekannte.
·
S.99
William C. Mitchell, jr.:
Die Wissenschaft kann nicht zur Beurteilung der Religion herangezogen werden.
Ebenso wenig eignet sie sich zur Problematisierung von Literatur, Malerei,
Musik, den darstellenden Künsten usw.
·
S.123
Rupert Sheldrake:
Was ist mit den ewigen Naturgesetzen? Wo waren die Naturgesetze vor dem
Urknall? Wenn die Naturgesetze schon vor dem Urknall existiert haben, dann ist
klar, dass sie nicht-physischer Natur sind; tatsächlich sind sie metaphysischer
Natur …
Vielleicht sind die Naturgesetze die Gewohnheiten des Universums
·
S.149ff.
Gerd Theißen:
Die katholische Kirche hatte schon 1950 in der Enzyklika Humani Generis die
Evolutionstheorie, wenn auch noch mit Vorbehalten, die später wegfielen,
bejaht. In den großen protestantischen Kirchen war es ohnehin
selbstverständlich, naturwissenschaftliche Ergebnisse zu akzeptieren. …
Die Naturwissenschaft fragt nach dem Faktischen, die Theologie nach Sinn und
Wert. …
Die Verwandtschaft aller Geschöpfe kann Grund tiefen religiösen Erlebens sein.
In allen Lebewesen lebt und leidet etwas von uns. Wir haben dieselben Gene wie
sie. …
Das anthropische Prinzip ist freilich kein Beweis dafür, dass der Mensch im
Kosmos gewollt ist. Aber es kann im Lichte religiösen Glaubens die Welt
transparent für etwas anderes machen. …
Der Sozialdarwinismus wollte aus der Feststellung, dass im biologischen Kampf
ums Dasein der Geeignetste siegt, eine Norm machen: Auch unter Menschen solle
es so zugehen. Das ist ein unzulässiger Rückschluss von dem, was faktisch
geschieht, auf das, was sein soll … (naturalistischer Fehlschluss) …
Das biblische Ethos ist antiselektionistisch. … (bis Liebe zu den Feinden) …
Die Wirklichkeit, an die sich alle Lebewesen durch harte Selektion anpassen
müssen, erweist sich auf einer fortgeschritteneren Stufe als eine Wirklichkeit,
die nicht den Tod des Sünders will: sie will, dass er umkehre und lebe!
Anpassung an sie heißt nicht, Überlegenheit … sondern Liebe gegenüber dem
Schwachen, der keine Überlebenschancen hat …
Überwindung der biologischen Selektion in der kulturellen Evolution …
der Mensch als erster Freigelassener in einem kleinen Bereich der Welt, der
kultureller Gestaltung zugänglich ist …
Wenn man naturwissenschaftliche Welterklärungen mit theologischen Weltdeutungen
ins Gespräch bringen will …
Vor kurzem antwortete ein deutscher Wissenschaftler (H.M. Keplinger) auf die
Frage, was ihm Gott bedeute, zunächst im Sinne einer wohlwollenden
soziobiologischen Religionsdeutung. Gott sei für ihn „eine Hypothese, die auch
dann mehr positive als negative Auswirkungen auf die Lebenden hat, wenn sie
falsch ist.“ Doch dann fügte er hinzu: „Die Liebe ist die Ahnung von dem, was
sein könnte, wenn die Hypothese richtig ist.“
·
S.189
Franz Wuketits:
Die Natur ist kein paradiesischer Garten … sie ist ein Schlachtfeld und ein
gewaltiger Friedhof. Die Evolution ist eine ununterbrochene Geschichte von
Katastrophen …
Höherentwicklung ? … (jedes Lebewesen) kommt auf seine Weise zurecht …
alle Lebewesen sind vorübergehende Erfolgsmodelle …
·
S.200
John F. Haught:
Ich brenne ein Holzfeuer an; der Nachbar fragt, warum es brennt; ich sage: weil
sich Kohlenstoff mit Sauerstoff verbindet; oder: weil ich es mit einem
Streichholz angezündet habe; oder: weil ich Kartoffeln rösten will …
·
S.212
Roger Trigg:
(zwei Vorgaben für Naturwissenschaft, Naturalismus)
erstens, dass die Welt geordnet sein muss (nicht selbstverständlich und
notwendig)
zweitens, dass sie vom menschlichen Verstand erfasst werden kann (Einschränkung
von Realität)
S.232
Hans Küng:
Die Ablehnung von Religion überhaupt hing immer zusammen mit der Ablehnung von
institutionalisierter Religion, Ablehnung von Gott immer mit Ablehnung von
Kirche
Descartes, Pascal, Kopernikus, Kepler, Galilei, Leibniz, Newton, Boyle – sie
alle waren nicht nur Gottgläubige, sie waren bekennende Christen!
Die moderne Wissenschaft – und analog zu den Naturwissenschaften
selbstverständlich auch die Humanwissenschaften – musste und muss, wenn sie
methodisch einwandfrei vorgehen will, Gott, der ja nicht wie andere Objekte
empirisch konstatiert und analysiert werden kann, notwendig aus dem Spiel
lassen. Darin hat der wissenschaftliche
Atheismus entschieden Recht.
Zweifellos enthält Religion wie alles menschliche Glauben, Hoffen und Lieben
ein Moment der Projektion. Aber damit hatte Feuerbach noch keineswegs bewiesen,
dass Religion nur Projektion ist!
Dass Gott ist, kann nicht auf Grund eines Beweises, sondern nur in einem –
freilich in der Wirklichkeit selbst begründeten – vernünftigen Vertrauen
angenommen werden. …
Gottesglaube ist also grundlegend Sache des Vertrauens!
Q30 Die Zeit, 7.2.2008, S.34, Interview mit Andrei
Linde und Alexander Vilenkin: „Der Spielraum Gottes schrumpft“
·
Linde
und Vilenkin zählen zu den besten Kosmologen der Welt
·
Viele
Universen
·
wir
reden von sehr weit entfernten Regionen im selben Raum
·
der
Urknall, den wir in unserem Teil des Universums hatten …
·
in
sehr weiter Entfernung gibt es auch Regionen, in denen ganz andere Naturgesetze
herrschen
·
mit
Verlaub, das ist eine ziemlich bizarre Schöpfungsgeschichte
·
das
Multiversum bestehe aus Blasen …
neue Blasen entstehen, manche sogar innerhalb existierender Blasen …
·
man
könnte andere Universen im Teilchenbeschleuniger erzeugen …
·
die
Unterhaltung, die wir gerade führen, passiert genauso mit den gleichen Leuten
unendlich Mal in anderen Universen
·
es
passiert alles, was nicht von Naturgesetzen verboten ist
·
Die
Theorie kann nicht vorhersagen, dass sie falsch ist
·
Gibt
es im Multiversum noch Platz für den lieben Gott?
Der Spielraum Gottes in der Kosmologie schrumpft. Früher konnte man vielleicht
noch annehmen, er habe das Universum irgendwie zum Laufen gebracht. Aber im
Multiversum beschreiben die Naturgesetze auch die Entstehung der Universen aus
dem Nichts. Man kann natürlich noch fragen, woher die Naturgesetze kommen. Das
ist ein Mysterium. Es beweist allerdings nicht die Existenz Gottes, noch
widerlegt es sie.
(ewige Naturgesetze, wo sie doch überall anders sein können s.o.???
Q31 Fischer, Ernst Peter: Aristoteles,
Einstein & Co., Piper, München 2005
·
Albertus Magnus (1193-1280)
·
Dominikanermönch
und Bischof;
“Wir haben in der Naturwissenschaft nicht zu erforschen, wie Gott nach seinem
freien Willen durch unmittelbares Eingreifen die Geschöpfe zu Wundern
gebraucht, durch die er seine Allmacht zeigt; wir haben vielmehr zu untersuchen,
was im Bereich der Natur durch die den Naturdingen innewohnende Ursächlichkeit
auf natürliche Weise geschehen kann. ... dass ich mich um Wunder durch Gottes
Eingreifen nicht kümmere, wenn ich Naturkunde betreibe.“
(Fischer 56ff)
Q32 Martin Luther: Biblia das ist die gantze
Heilige Schrifft Deudsch (aus dem Jahre 1534), Band 1, Facsimile-Druck bei
Reclam Leipzig 1983
·
Bild
vor dem Kapitel:
Das Erst Buch Mose
Q33 die tageszeitung berlin, 10.3.08 S.2
Ausgerechnet Galileo Galilei, der mit seiner Behauptung, die
Erde drehe sich doch, den Zorn der Inquisition auf sich zog, wird nun mit einer
Statue im Vatikan geehrt. Die lebensgroße Marmorskulptur soll auf Wunsch der
Päpstlichen Akademie 2009, im UN-Jahr der Astronomie, in den vatikanischen
Gärten aufgestellt werden.
Q34 die tageszeitung 25.10.96
„Neue Erkenntnisse führen zu der
Feststellung,
dass die Evolutionstheorie mehr
als eine Hypothese ist.“
Botschaft von Papst Johannes Paul
II.
an die Mitglieder der Päpstlichen
Akademie der Wissenschaften
Q35
Pinchas Lapide: War Eva an allem schuld?, Gespräche über die Schöpfung,
Grünewald Mainz, 1985
S.18f.
Die Bibel reserviert das hebräische Zeitwort „bara“ (schaffen) nur für Gott.
Das kommt in der ganzen weiten hebräischen Bibel nur im Zusammenhang mit Gott
vor. …
„Bara“ bezeichnet ein souveränes allmächtiges Handeln, das keine menschliche
Entsprechung kennt. …
S.22
(Wenn es am Anfang der Bibel heißt):
Im Anfang schuf Gott, heißt es nicht, Gott hat geschaffen, was eine Beendigung
der Schöpfung bedeuten würde.
- Das heißt, die Schöpfung geht weiter? Auch heute noch? -
Das steht da: „Gott schuf“ und schafft weiter, wobei Sie das hebräische
Zeitverständnis mit einbeziehen müssen, das nicht die krasse Dreiteilung des
Deutschen oder der indogermanischen Sprachen kennt: Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft. Sondern Zeit wird im Hebräischen wie ein Fluss betrachtet, der
ewig weiterströmt und niemals stehen bleiben will. Das ist das Zeitwort von
„Gott schuf“. So heißt es im täglichen Gebet der Synagoge: „Ich glaube mit
voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gelobt sei sein Name, alle Geschöpfe
erschaffen hat, und dass er allein das Schöpfungswerk vollbracht hat,
vollbringt und vollbringen wird.“ Damit ist nicht nur der Grundgedanke einer
fortschreitenden, vorwärts und aufwärts strebenden Evolution zum Ausdruck
gebracht, sondern auch die Erlösung als endzeitliche Vollendung des
Schöpfungswerkes mit einbezogen.
Alle drei Zeitformen werden hier im jüdischen Glaubensbekenntnis in nahtloser
Kontinuität aneinender gereiht, denn die Schöpfung ist ja im Denken des alten
Israel kein einmaliges Heilshandeln Gottes, sondern eine tagtägliche
segensreiche Gegenwart.
„Er erneuert jeden Tag das Werk seiner Schöpfung“, ist ein häufig
wiederholter Gedanke im rabbinischen Schrifttum ...
… ein „Weitergeschaffen-Werden“. Ja, unser gesamtes
Zeitalter mit all seinen fortschrittlichen Entwicklungen mutet wie eine kurze
Momentaufnahme an, ein winziger Ausschnitt aus einem jahrmilliardenlangen
Werdegang der von Gott angebahnten, noch unfertigen Genesis. Es mag wohl sein,
dass der heutige Mensch nicht „das letzte Wort“ der Schöpfung ist, sondern das
vorläufige Ergebnis einer langen Entwicklung, die auf Zukunft hin offen bleibt.
S.39
das wichtigste am dritten Tag ist, dass Gott nicht mehr alleine schafft …
“Und sprießen lasse die Erde Gesproß“. Das heißt, die Erde liegt nicht mehr
stumpf brütend da, nur ein Geschöpf … Sie hilft Gott beim Schaffen. Die Kreatur
hat von nun an ihren tätigen Anteil an Gottes Werk … vom dritten Tag an hat
Gott Mitarbeiter am fortschreitenden Schöpfungswerk … Das Mitschaffen der
Elemente, der von ihm geschaffenen Dinge, die jetzt weiterarbeiten unter seiner
Souveränität, delegiert sozusagen von ihm aus durch die Schöpfungskraft, die
ihnen verliehen wird …
Q36 Claus Westermann: Genesis, Kapitel 1-11,
Teil 2, Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1985
Claus Westermann
(bedeutender evangelischer Theologe für Fragen der Auslegung des „Alten
Testaments“):
(Kein Gegensatz zwischen Schaffen und Entstehen …)
S.172ff.
(Zum ersten Kapitel der Bibel – zum
dritten „Schöpfungstag“, an dem die Pflanzen geschaffen werden: Gen1,11):
„Und Gott
sprach: Es ergrüne die Erde in Grünem!“ – Gottes Wort gibt jetzt die
Schöpfermacht ab, d.h. das Wort wird zur Anordnung an das zuvor Geschaffene,
selbst das weitere Neue entstehen zu lassen. … (in Gen.1,12 geschieht es dann: „Und die Erde ließ frisches Grün
sprossen …“)
Damit aber, dass an dieser Stelle das Schaffen Gottes für das Entstehen offen
ist, ist ein grundsätzlicher Gegensatz von Schaffen und Entstehen ist nicht
mehr möglich und nicht mehr nötig. …
„Die Erde brachte hervor“. Was als Gebot formuliert „es
ergrüne die Erde in Grünem“ hieß, wird in der Ausführung mit einem anderen Verb
genannt: „die Erde bringe hervor“. Dasselbe Verb wird mit dem gleichen Subjekt
dann noch einmal Gen.1,24 gebraucht, hier in der Formulierung des Befehls: „Die
Erde bringe lebende Wesen hervor.“ Dieses „Hervorbringen“ ist zunächst einfach
so gemeint: „etwas, was darinnen ist, herauskommen lassen“. Die Pflanzen sind
in der Erde, und die Erde lässt sie herauskommen … Dahinter steht die über die
ganze Erde verbreitete Vorstellung von der „Mutter Erde“, der Erde als
Gebärerin alles Lebendigen und auch aller Vegetation;
Die beiden Verse können beispielhaft zeigen, wie das Reden von der Schöpfung
nur in der Folge verschiedener Darstellungsweisen möglich ist; die (in diesem Text) in der Mitte stehende
und eigentlich gemeinte Darstellung der Erschaffung der Pflanzen durch das Wort
des Schöpfers schließt weder die uralte Vorstellung des Entstehens (des Lebens) aus der Erde noch das später
aufkommende Fragen nach der Art und Weise des Entstehens aus
(lateinisch evolvere meint „herauswälzen, herauswickeln,
entströmen“ --> Evolution!!! JK) ....;
Q37 „Thesen zum
Kreationismus“ Amtsblatt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens,
Dresden, 31. Juli 1990, S.B57)
(Dieses Papier wurde 1989 vom Beirat für Glaube und Naturwissenschaft
beim Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens erstellt und am 4. Mai 1990 durch die
Kirchenleitung zustimmend zur Kenntnis genommen;
veröffentlicht im Amtsblatt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens,
Dresden, 31. Juli 1990, S.B57)
In den letzten Jahren ist das Gedankengut des sog.
"Kreationismus" in unseren
Gemeinden verbreitet worden und hat -
vor allem unter Jugendlichen – zu Verwirrung und Verunsicherung geführt. Wir
halten - in dem Wissen, dass es im Kreationismus sehr verschiedene Spielarten
gibt - eine Auseinandersetzung mit bestimmten Formen und Inhalten für
notwendig, vor allem, wenn sie ihren Ausdruck in agitatorischer
Missionstätigkeit und der Verbreitung gewisser literarischer Erzeugnisse
finden.
1. Kreationismus
Der Kreationismus (auch "wissenschaftlicher
Kreationismus" oder "Schöpfungswissenschaft") ist vor allem bewegt
von der Sorge, den christlichen Glauben gegenüber der Evolutions-Lehre zu
verteidigen. Er erhebt die "Entscheidung für Schöpfung oder Evolution“
zu einer zentralen Frage christlichen Glaubens und Bekennens. Der
Kreationismus sieht den Schöpfungsglauben durch den Entwicklungsgedanken in
der modernen Naturwissenschaft bedroht und leitet daraus ab, dass ein
Christ der Evolutionslehre nur ablehnend begegnen kann. Den Nachweis für die
Richtigkeit seiner Thesen führt der Kreationismus vor allem mit naturwissenschaftlichen
Argumenten und glaubt, dass zwischen modernen Erkenntnissen der Wissenschaft
und dem Wortlaut der biblischen Überlieferung Harmonie hergestellt und dadurch
der Glaube des einzelnen gestärkt werden kann.
Wir stellen fest:
Der Kreationismus ist eine Bewegung, die in den 60er Jahren
außerhalb der verfassten Kirchen in den USA entstanden ist. Er nimmt
Strömungen auf, wie sie die Geschichte der Kirche seit langem begleiten (Standpunkte
des Fundamentalismus/Biblizismus). Der Kreationismus stellt die wichtige
Frage nach der Bedeutung, die naturwissenschaftlichen Kenntnissen über die
Welt zukommt, neu. Er wendet sich zu Recht gegen den Missbrauch von
Naturwissenschaft im Dienste einer Weltanschauung. Er deckt auf, dass
Wissenschaft heute zum Teil quasi-religiöse Züge aufweist und den Anspruch
erhebt, allein mit ihren Mitteln die Wirklichkeit der Welt erklären und
Antwort auf Sinnfragen geben zu können.
Der Kreationismus hat recht, sofern er die Auseinandersetzung mit
dieser Ideologisierung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse fordert. Er
übersieht aber, dass Naturwissenschaft nicht
notwendigerweise Ideologie oder antireligiös sein muss. In der Bekämpfung
seines Feindbildes ("Evolutionismus", "kommunistischer
Atheismus") ideologisiert er selbst biblische und naturwissenschaftliche
Aussagen und erliegt der Gefahr, die je eigene, begrenzte biblische und
wissenschaftliche Sicht der Welt zu überfordern.
Die Position des Kreationismus kann uns weder theologisch noch
naturwissenschaftlich überzeugen.
2. Bibelverständnis
Nach allgemeiner christlicher Überzeugung ist die Bibel von Gott inspiriert.
Wie diese Überzeugung interpretiert wird, ist unterschiedlich. Die Kreationisten
schließen daraus, dass die Aussagen der Bibel in allen Bereichen irrtumslos
sind und keine Widersprüche enthalten. Sie erklären diese ihre Sicht der
Heiligen Schrift für allein richtig und christlich. Bei Widersprüchen zwischen
dem modernen Weltbild und der biblischen Überlieferung ist der Wortlaut des
Bibeltextes für Kreationisten wahr und verbindlich (fundamentalistisches Bibelverständnis).
Das theologische Interesse des Kreationismus konzentriert sich
fast ausschließlich auf das Thema „Schöpfung“, verstanden als das Fragen nach
dem Anfang der Welt und des Lebens. Durch Auswahl und Neuinterpretation
naturwissenschaftlicher Befunde möchte er die Richtigkeit (Wahrheit) der biblischen
Überlieferung beweisen und damit Glaubens-Gewissheit wecken und stärken.
Wir stellen fest:
Die Kirchen haben in der Geschichte der Schriftauslegung gelernt,
in der Heiligen Schrift Zeugnisse des Glaubens und naturwissenschaftliche Erklärung
der Welt zu unterscheiden. Demgegenüber schafft der Kreationismus erneut
Verwirrung, indem er Glaube und Wissen vermengt. Er wiederholt damit in
seiner Position vergangene Etappen des Schriftverständnisses und wird dem
differenzierten Stand heutiger Schriftauslegung nicht gerecht:
·
Danach ist die Bibel ein geschichtlich entstandenes Dokument. Wir
vernehmen darin die Stimmen verschiedener Zeugen, die in unterschiedlichen
Situationen reden und die Sprache ihrer Zeit und deren Weltbilder verwenden.
Indem glaubende Menschen den Anspruch und die Verheißung Gottes für ihr Leben
verbindlich vernehmen, erweist sich die Bibel als Heilige Schrift.
·
Weiterhin ist die Einsicht allgemein, dass die Texte der Bibel
vorrangig nicht naturwissenschaftliche oder historische Information vermitteln,
sondern Glaubens-Zeugnisse sind. Diese Glaubensaussagen sind nicht gebunden an
naturwissenschaftliche Erkenntnis und werden daher auch nicht mit ihr hinfällig
(Kreationisten fesseln dagegen Glaubensaussagen an eine bestimmte Weltsicht).
·
Glaube kann nur Vertrauen wagen, er stützt seine Gewissheit nicht
auf Beweise, etwa solche naturwissenschaftlicher Art.
·
Nach den heutigen Erkenntnissen der Bibelwissenschaft ist die
Grundthese des Kreationismus (wörtliche Verbindlichkeit) schon allein aufgrund
der unsicheren Quellenlage der biblischen Handschriften nicht haltbar (welcher
Wortlaut welcher Quelle und in welcher Übersetzung ist verbindlich?).
Der Kreationismus redet auch verengt von Schöpfung. Christlicher
Schöpfungsglaube ist nicht allein an der Vergangenheit und an der Frage nach
der Herkunft des Menschen interessiert. Im Gegensatz zu dieser kreationistischen
Engführung ist das biblische Zeugnis von Gott als dem Schöpfer schon im Alten
Testament sehr vielfarbig: es begegnet z.B. in den Schöpfungspsalmen (Psalm 8
oder Psalm 104), in Lehrerzählungen (1.Mose 1 und 2), bei den Propheten
(Jesaja 40ff) oder in den Weisheitsbüchern (Hiob). Von Glaubenden ist zu allen
Zeiten auch das fortdauernde Schöpferhandeln Gottes ("creatio
continua") bekannt worden.
3. Naturwissenschaftliche Beweise für die Wahrheit biblischer
Aussagen
Der Kreationismus führt den Nachweis für seine Thesen weitgehend
mit naturwissenschaftlichen Argumenten. Dabei legt der Wortlaut der Bibel für
ihn den Rahmen und die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Arbeit von
vornherein und nicht mehr hinterfragbar fest. Ziel ist die Suche nach Belegen,
welche jede einzelne Aussage der Bibel bestätigen. Die Heilige Schrift wird
dadurch zum Nachschlagwerk für naturwissenschaftlich und historisch
zutreffende (richtige, wahre) Informationen. So begegnet dann z. B. 1.Mose 1
als Tatsachenbericht über den Ablauf der Weltschöpfung in einer Kalenderwoche,
aus Angaben in 1.Mose 1-11 wird ein Weltalter von etwa 6000 Jahren errechnet
(schon die drei uns vorliegenden schriftlichen Fassungen des
1.Mose-Buches - hebräisch, griechisch und samaritanisch - enthalten in ihren
Geschlechtsregistern erheblich voneinander abweichende Altersangaben!), und
die Sintfluterzählung (1.Mose 6-9) wird als Tatsachenbericht über eine
historisch und naturwissenschaftlich erwiesene globale Katastrophe verstanden.
Auswahl und neue Deutung naturwissenschaftlicher Befunde sollen es nach
Ansicht des Kreationismus möglich machen, die gesamte Kosmologie, Biologie,
Geologie, die Geschichte der Welt und des Lebens alternativ zu den Ansichten
der etablierten Naturwissenschaft und in völliger Übereinstimmung mit den
Aussagen der Bibel darzustellen. Mit dem eigenen Standpunkt nicht harmonierende
naturwissenschaftliche Erkenntnisse werden negiert, hyperkritisch angezweifelt
oder bekämpft - auf der anderen Seite begegnet bei willkommenen Fakten und
Theorien eine unkritische Wissenschafts-Gläubigkeit.
Wir stellen fest:
Naturwissenschaft kommt zu ihren Ergebnissen mit Hilfe bestimmter
Arbeitsmethoden. Für wissenschaftliche Arbeit gibt es verbindliche Regeln.
Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften sind von relativer Bedeutung (im
Rahmen der gewählten Methode), prüfbar (weitgehend frei von subjektiven Einflüssen),
vorläufig und wandelbar (d. h. grundsätzlich immer verbesserungswürdig und
verbesserungsfähig). Ergebnisse, die von vornherein feststehen und nicht hinterfragt
werden dürfen, widersprechen dem Grundansatz wissenschaftlicher Arbeit.
Ergebnisse der Naturwissenschaften dürfen nicht über ihren eigentlichen
Geltungsbereich hinaus weitergehend
gedeutet und/oder zur Grundlage weltanschaulicher Aussagen
gemacht werden ("objektive", "endgültige" oder
"wahre" Erkenntnisse; Aussagen zu Sinnfragen).
Naturwissenschaft macht "richtige" Aussagen nur über
einen begrenzten Bereich der Wirklichkeit (durch Wahl der Methoden und durch
prinzipielle Erkenntnis-Grenzen eingeschränkt).
Christen müssen (und dürfen) sich in ihrem Bekenntnis nicht
auf eine bestimmte naturwissenschaftliche
Theorie oder ein bestimmtes Weltbild festlegen. Soweit der Kreationismus die
etablierte Naturwissenschaft kritisieren will, muss er das im Rahmen der
allgemein anerkannten Regeln wissenschaftlicher Arbeit tun.
Heute sind Kreationisten - entgegen ihrer eigenen Darstellung -
eine Minderheit unter den Naturwissenschaftlern.
4. Christ und Schöpfung heute
Der Kreationismus erhebt den Anspruch, wichtige Fragen des
christlichen Schöpfungsglaubens zu verhandeln. In seiner Argumentation
erhebt er die Stellung zu bestimmten naturwissenschaftlichen Theorien in den
Rang von zentralen Glaubensfragen und fordert ein Bekenntnis: für seine Sicht
der Bibel und der Welt. Christsein entscheidet sich für ihn letztlich am JA
oder NEIN zur Evolutionstheorie. Die Auseinandersetzung wird als Glaubenskrieg
gegen verzerrte Feindbilder geführt.
Wir stellen fest:
Naturwissenschaftliche Erkenntnisse können christlichen Glauben
weder begründen noch erschüttern. Im Streben nach Wahrhaftigkeit sollten
Christen auch gegenüber dem Suchen der Naturwissenschaften offen bleiben.
Der Schöpfungsglaube ist heute vorrangig und in neuer Weise durch
die Bedrohung der Schöpfung herausgefordert, die bedingt ist durch menschliches
Fehlverhalten - auch im Bereich von Naturwissenschaft und Technik. Kirchen
und Theologie stehen vor der Aufgabe, das Nachdenken über "SCHÖPFUNG"
zu beleben und die Gemeinden in diesen Prozess stärker als bisher einzubeziehen.
Aber nicht nur den zerstörerischen Auswirkungen, auch dem ideologischen
Missbrauch, der Vereinnahmung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse
("wissenschaftlich" begründete Weltanschauung, wissenschaftliches
Wahrheitsmonopol) ist zu widerstehen. Hierzu sind manche Fragen des Kreationismus
wichtige Anregungen.
Aber der Kampf, so, wie ihn einige Kreationisten führen, ist für
diesen Prozess nicht hilfreich. Er schafft im Gegenteil Verwirrung in den
Gemeinden und wird den heute anstehenden Herausforderungen weder aus der Sicht
des Glaubens noch aus der der Naturwissenschaften gerecht.
Q38
Junker, R.; Scherer, S.: Evolution – Ein kritisches Lehrbuch,
Weyel-Verlag Gießen, 1998
S.273f.
Die Schöpfungslehre („Kreationismus“) ... geht davon aus, daß die
Heilige Schrift nicht nur in Fragen Schöpfung, sondern auch bezüglich des
Ursprungs von physischem Tod, Leid und Katastrophen in der Schöpfung für die
Rekonstruktion der Geschichte der Lebewesen relevant ist. Die in den ersten 11
Kapiteln des Genesisbuches (dem ersten Buch der Bibel) geschilderte „biblische
Urgeschichte“ wird als reale Menschheitsgeschichte verstanden und für das
Verständnis der Geschichte des Lebens vorausgesetzt. Demzufolge werden Adam und
Eva nicht nur als historische Personen, sondern auch als die Stammeltern der
Menschheit aufgefaßt. Ebenso werden der Sündenfall und die Sintflut als
geschichtliche Ereignisse angesehen....
Die Lebewesen sind in getrennten taxonomischen Einheiten erschaffen worden...
Die Grundtypen wurden (geologisch gesehen) gleichzeitig ins Dasein gerufen....
Den Tod - auch in der Tierwelt - gibt es erst seit dem Sündenfall des
Menschen...
Die biblisch bezeugte Sintflut war eine weltumspannende Überflutung ...
Q39
Studiengemeinschaft WORT
UND WISSEN: „Schöpfung und Wissenschaft“, Hänssler-Verlag Neuhausen-Stuttgart
1990
S.35
Die Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN vertritt eine Schöpfungslehre, die nicht nur gegenüber der
Evolutionslehre, sondern darüber hinaus auch gegenüber einer
historisch-kritischen Textauslegung der Bibel in der modernen Theologie eine
kritische Position einnimmt.
Dadurch sind zwangsläufig viele Konflikte zwischen Theologen und Gemeinde oder
zwischen Religionslehrer und Schüler vorprogrammiert.
Q40 Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches
Institut Leipzig, 1964
S.417
Zur physikalischen Deutung der
Rotverschiebung. Wenn man die gemessenen Rotverschiebungen in den Spektren
entfernter Sternsysteme nach dem Doppler-Effekt deutet, ergibt sich eine mit
zunehmender Entfernung zunehmende Geschwindigkeit, mit der sich die Objekte
voneinander entfernen, eine Ausdehnung des beobachteten Teils des Weltalls.
„Hieraus zogen idealistische
Philosophen und Astronomen den Schluss, dass das gesamte Weltall einst auf
außerordentlich kleinem Raum konzentriert, eine Art „Uratom“ gewesen sei, sich
aber zu irgendeinem Zeitpunkt plötzlich auszudehnen begonnen habe, womit auch
die „Ausdehnung des Raumes“, der ursprünglich unendlich klein gewesen sei,
eingesetzt habe. Dem wurde die Erklärung hinzugefügt, dieses „Uratom“ sei von
Gott geschaffen worden und habe sich nach seinem Willen auszudehnen begonnen.
Diese reaktionäre, offen fideistische Theorie von der „Expansion des Weltalls“,
von der „Expansion des Raumes“, hält keiner Kritik stand. Erstens liegt
keinerlei Grund vor, die von uns beobachteten extragalaktischen Nebel mit dem
ganzen Weltall überhaupt zu identifizieren. Sie sind nur ein unermesslich
kleiner Teil des Weltalls. Zweitens haben wir keinen Grund zu der Annahme, dass
sich die Bewegung schlechthin aller extragalaktischen Nebel auf entsprechende
Weise vollzieht, nämlich nur vom „Zentrum“ weg, und dass es keinerlei
entgegengesetzte oder noch kompliziertere Bewegungen anderer extragalaktischer
Nebel gäbe. Drittens besteht kein Grund zu der Annahme, dass selbst in dem von
uns beobachteten Teil des Weltalls die Nebelbewegung immer dieselbe geblieben
ist. Also haben wir keine Ursache, eine lokale Erscheinung, die nur in einem
durchaus begrenzten Teil des Weltalls vorkommt und in einem relativ
unbedeutenden Zeitintervall beobachtet wird, für ein allgemeines
Bewegungsgesetz des unendlichen Weltalls insgesamt auszugeben. Dazu kommt, dass
die Erklärung der Rotverschiebung extragalaktischer Nebel durch ihr Auseinanderstreben
streng genommen nicht die einzig mögliche und endgültige ist, da noch andere
Faktoren entdeckt werden können, die denselben Effekt hervorzurufen imstande
sind.“ (Grundlagen der marxistischen Philosophie, S.149/150)
Die Theorie von der Expansion des Weltalls ist also in
keiner Weise geeignet, die These von der Unendlichkeit des Weltalls in Raum und
Zeit zu erschüttern.
S.601
Die Abstammungslehre und die Faktoren
der Evolution
Abstammungslehre und
Weltanschauung. Die
Evolutionstheorie (Entwicklungslehre) oder Deszendenztheorie (Abstammungslehre)
bildet heute die gesicherte Grundlage aller biologischen Wissenschaften. Die
Entwicklungslehre ist die Bestätigung des dialektischen Materialismus in der
Biologie. Sie bedarf heute keines Beweises mehr. Das schon während des
vergangenen Jahrhunderts angehäufte Beweismaterial reicht völlig aus, um jeden
objektiv Urteilenden von ihrer Richtigkeit zu überzeugen. …
Der weltanschauliche Kampf um die Abstammungslehre wird allerdings so lange
weitergehen, wie es Kräfte gibt, die eine Verbreitung wissenschaftlicher
Wahrheiten fürchten. Aber auch auf diesem Gebiet wird die Gesetzmäßigkeit der
historischen Entwicklung den Sieg der Wahrheit erzwingen. …
Q41 Unterrichtshilfen Biologie 10. Klasse, zum Lehrplan 1971, Volk und
Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1971
S.9ff.
Zu den Aufgaben des Biologieunterrichts
der 10. Klasse für die Bildung und Erziehung sozialistischer Persönlichkeiten
… Die Stoffgebiete in Klasse 10 sind besonders geeignet, Wesentliches
zur Erziehung sozialistischer Staatsbürger beizutragen. Anliegen des
Unterrichts muss also sein, zusammen mit der Stoffvermittlung vor allem die
Herausbildung politisch-ideologischer Grundüberzeugungen zu unterstützen …
Der Stoff der 10. Klasse ist besonders geeignet, die
wissenschaftliche Weltanschauung der Schüler zu festigen …
(Schülervorträge) Für die Vorbereitung … müsste ihnen
entsprechende Literatur (z.B. „Weltall, Erde, Mensch“, Brockhaus „ABC
Biologie“, Urania-Bände) … empfohlen werden …
… zwingt der Stoff dazu, nachzuweisen, wie in kapitalistischen Staaten
pseudowissenschaftliche Lehren entwickelt wurden, um die Rassenverfolgung z.B.
in den USA und Südafrika zu „begründen“. … Dass diese aktuellen menschen- und
naturfeindlichen Theorien, Haltungen und Unternehmungen der herrschenden
kapitalistischen Klasse ein Grundzug dieses Systems sind und im Verlaufe der
Geschichte beständig gefährlichere Formen angenommen haben, wird historisch
belegt. Das kann eindrucksvoll und überzeugend bei der Behandlung der
Abstammungslehre geschehen. Hier ergeben sich besonders enge Beziehungen zum
Geschichts- und Staatsbürgerkundeunterricht, die für die weitere Entwicklung
der Schülerpersönlichkeiten … genutzt werden müssen.
Die Überzeugung von der Richtigkeit der Abstammungslehre wird weiter gefestigt.
Sie hat große Bedeutung für die weltanschauliche Bildung und Erziehung der
Schüler …
S.15
Stoffgebiet „Genetik“
Vorbemerkungen zum Stoffgebiet „Genetik“
… Bei der Behandlung dieses Stoffgebietes sollen die Schüler
die Grundlagen und Gesetzmäßigkeiten der Vererbung kennenlernen. Dabei soll
besonderer Wert auf das Erläutern philosophischer Zusammenhänge gelegt werden.
Der Schüler muss erkennen, dass auch das Vererbungsgeschehen materielle
Grundlagen hat und nichts Mystisches darstellt. Die Erkennbarkeit der Welt
durch ständig neue, fortschreitende Erkenntnisse der Wissenschaft soll dem
Schüler bewusst werden …
S.20
Stundenentwürfe Stoffgebiet „Genetik“
Relative Konstanz der Arten
…Arten sind über viele Generationen relativ konstant …
S.63
Stoffgebiet „Abstammungslehre“
Stoffeinheit „Theorie der Stammesentwicklung“
Vorbemerkungen zur
Stoffeinheit „Theorie der Stammesentwicklung“
… Durch den gesamten Biologieunterricht der Klassen 5 bis 9
zieht sich immanent die Tatsache der Evolution der lebenden Materie …
Die einführende Stoffeinheit festigt in vielfacher Weise die
philosophisch-weltanschaulichen Einsichten der Schüler und ist in dieser
Hinsicht bewusst erzieherisch zu nutzen …
Am Beispiel der Höherentwicklung und Spezialisierung sollte den Schülern die
Dialektik der Evolution deutlich werden. Die Evolution ist kein „geradliniger“,
etwa „zielgerichteter“ Prozess. …
S.67ff.
Stundenentwürfe
Faktoren der Evolution
– Wirken der Auslese in der Population
… Überzeugung von der Entwicklung der lebenden Materie
festigen. Einsicht entwickeln, dass es für „zweckmäßige“ Erscheinungen in der
lebenden Natur eine wissenschaftlich exakte, materialistische Erklärung gibt,
dass alle Erscheinungen kausal erklärbar und streng determiniert sind …
mündliches Erörtern von weltanschaulichen Problemen
… sind folgende Probleme mit den Schülern zu erörtern:
Wissenschaftliche Erklärung für die Zweckmäßigkeit in der Natur als Teil der
materialistischen Weltanschauung und andererseits Annahme einer zielgerichteten
Zweckmäßigkeit unter dem Wirken einer überirdischen Macht in der idealistischen
Naturauffassung …
(Tafelübersicht)
… Zweckmäßigkeit in der Natur ist wissenschaftlich erklärbar …
S.72
Stammesentwicklung und Höherentwicklung
Stundenziele
…Einsicht von der Entwicklung der Organismen festigen, damit Vertiefung der
materialistischen Weltanschauung der Schüler …
S.89
Übergangsformen in der Wirbeltierreihe
… Durch den Urvogel kann die Abstammung der Vögel von den Reptilien
eindeutig belegt werden …
S.95
Stoffeinheit „Aus der
Geschichte der Abstammungslehre“
Vorbemerkungen zur
Stoffeinheit „Aus der Geschichte der Abstammungslehre“
Diese Stoffeinheit ist besonders gut geeignet, die
wissenschaftliche Weltanschauung der Schüler weiter zu festigen. Die Schüler
sollen erkennen, „dass die Abstammungslehre eine naturwissenschaftliche Lehre
von großer ideologischer Bedeutung ist“ (Lehrplan Klasse 9/10, S.49). Es kommt
deshalb darauf an, die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Entwicklung
und Entwicklung der Wissenschaften deutlich hervorzuheben. An ausgewählten
Beispielen muss erarbeitet werden, warum
1. unwissenschaftliche Lehren über die Abstammung der Lebewesen so lange
verbreitet werden konnten,
2. sich gerade im 18. und 19. Jahrhundert der Entwicklungsgedanke allmählich
durchsetzen konnte und
3. die wissenschaftlich begründete Abstammungslehre Darwins große Bedeutung für
die Verbreitung der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse
erlangte. …
Die Verbreitung der wissenschaftlichen Abstammungslehre ist ein einprägsames
Beispiel dafür, dass sich der Fortschritt nur im Kampf mit dem Alten und
historisch Überlebten durchsetzt. Als einen der bedeutenden Kämpfer für den
Darwinismus lernen die Schüler Ernst Haeckel kennen. Neben seinen großen
wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Zoologie und der
Abstammungslehre sollen sie auch die Bedeutung seiner Auseinandersetzungen um
den Darwinismus für die Arbeiterklasse kennenlernen. …
S.96ff.
Einige Vorstellungen aus der Zeit vor
Charles DARWIN über die Entstehung der Arten
Stundenziele
Die Abstammungslehre gibt eine wissenschaftliche Erklärung der Herkunft der
Organismenarten. Manche Gelehrte des Altertums (Jahrhunderte v.u.Z.) vertraten
bereits die Auffassung von einer natürlichen Entwicklung der Arten. Bedingt
durch die gesellschaftliche Situation war jedoch die idealistische Auffassung
von der Erschaffung der Organismen durch ein höheres Wesen und ihre
Unveränderlichkeit (Konstanz) bis ins 19. Jahrhundert eine verbreitete Lehre. …
Stoffliche Gliederung
(1) Idealistische Vorstellungen von der Herkunft der
Formenmannigfaltigkeit
- Schöpfungslehre – älteste Auffassungen der Menschen
- Konstanz der Arten
- Gesellschaftliche Bedingtheit der Verbreitung dieser Lehren
(2) Die Schaffung der naturwissenschaftlichen
Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Abstammungslehre …
Methodische Hinweise
(1) In einem Lehrervortrag erhalten die Schüler einen Überblick über die
verschiedenen unwissenschaftlichen Vorstellungen über die Herkunft der
Organismen und ihre Formenmannigfaltigkeit …
es ist darauf zu achten, dass nur wirklich wesentliche Fakten diskutiert werden
…
(Tafelübersicht)
Wichtige Etappen der Geschichte der Abstammungslehre
Schöpfungsgeschichte
Konstanz der Arten …
S.98f.
Die Begründung der wissenschaftlichen
Abstammungslehre durch Charles Darwin
… In seinem Hauptwerk … (1859) legt Darwin die nach
objektiven Gesetzen verlaufende Entwicklung dar. Marx und Engels maßen Darwins
Werk große Bedeutung bei….
(Methodische Hinweise)
… (4) Der Lehrer legt dar, worin die große Bedeutung von
Darwins Werk für die Entwicklung der Biologie und der Gesellschaft liegt. Er
verweist auf die Äußerungen von Marx und Engels zu Darwins Hauptwerk.
S.99f
Der Kampf um die Durchsetzung des
Darwinismus
(Stundenziele)
… Im Bündnis mit der Kirche setzte die Bourgeoisie alle Mittel ein, um die
Verbreitung von Theorien zu verhindern, die die Herausbildung einer
wissenschaftlichen Weltanschauung fördern konnten. Die fortschrittlichen Teile
der Arbeiterklasse aber griffen Darwins Lehre auf. Die Auseinandersetzung war
und ist also eine gesellschaftliche Auseinandersetzung. …
(Stoffliche Gliederung)
(1) Die Ursachen für die Auseinandersetzungen um den
Darwinismus
- Die Bedeutung der Theorie für die
Klassenauseinandersetzungen
- Die wissenschaftlichen „Lücken“ der Theorie …
(Methodische Hinweise)
… deutlich zu machen, das Darwin noch nicht alle Fragen befriedigend lösen
konnte, das dadurch aber die Bedeutung seiner Arbeit nicht gemindert wird und
der Hauptwiderstand gegen seine Lehren gesellschaftlich bedingt war. Die
richtige Einschätzung des Darwinismus durch Marx und Engels wird
herausgestellt. …
S.101ff.
Stoffeinheit „Die
Entstehung des Lebens auf der Erde“
Wissenschaftlich
begründete Theorien über die Entstehung des Lebens auf der Erde
(Stundenziele)
Die im Urozean entstandenen makromolekularen Verbindungen
waren noch keine Lebewesen. Wie diese entstanden, ist noch nicht im einzelnen
bekannt. Dazu gibt es verschiedene wissenschaftliche Theorien. Beide gehen
davon aus, dass Leben aus Nichtlebendem entstand. …
Obwohl die einzelnen Schritte der Entstehung des Lebens bisher nicht bewiesen
sind, muss deutlich werden, dass die bisherigen Ergebnisse der Forschung
schlüssig beweisen, dass die Entwicklung so verlaufen sein kann. Die
Überzeugung von der Materialität des Lebens und von der Erkennbarkeit der Welt
wird weiter gefestigt.
(Methodische Hinweise)
… Zu betonen ist, dass noch nicht Bewiesenes bzw. nicht
Erkanntes nicht zugleich nicht Erkennbares ist, sondern dass mit Sicherheit das
gesamte Problem der Entstehung des Lebens gelöst werden kann. …
S.106ff.
Stoffeinheit „Die Stammesentwicklung des
Menschen“
Vorbemerkungen zur Stoffeinheit „Die Stammesentwicklung des Menschen“
… Wesentliche Voraussetzungen für das Verständnis der
gesellschaftlichen Entwicklung des Menschen bringen die Schüler aus dem
Geschichts- und Staatsbürgerkundeunterricht sowie aus den Stunden zur
Vorbereitung auf die Jugendweihe mit …
… sollen die Schüler an evolutionsgenetische Überlegungen herangeführt werden
und begreifen, dass sie die zum Menschen führende Entwicklung nur von einem
materialistischen Standpunkt aus wissenschaftlich exakt erfassen können. Das
ist besonders für die Nutzung der erzieherischen Potenzen der Stoffeinheit von
Bedeutung …
Die Stoffeinheit „Die Stammesentwicklung des Menschen“
enthält zahlreiche erzieherische Potenzen, die im Verlauf des
Aneignungsprozesses genutzt werden müssen, um die Vorstellungen der Schüler von
der Materialität und der Erkennbarkeit der Welt weiter zu konkretisieren und zu
vertiefen. Die Schüler werden dadurch ein weiteres Mal in die Lage versetzt,
die Unhaltbarkeit der Lehre von der Schöpfung und den Missbrauch der Religion
durch die herrschenden Gesellschaftsklassen in feudalistischen und
kapitalistischen Staaten zur Unterdrückung, Ausbeutung und Knechtung der
Menschen zu erkennen und zu verurteilen. …
S.112
Die Stellung des Menschen in Natur und
Gesellschaft
… So gab es über die Herkunft des Menschen bis in die
jüngste Zeit noch verschiedene Auslegungen. Idealistische Vorstellungen wurden
unter feudalistischen und kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen von den
herrschenden Klassen ausgenutzt, um die unterdrückten Massen besser beherrschen
und ausbeuten zu können. Diese Tendenz ist in einigen kapitalistischen Staaten
bis heute noch nicht überwunden. Die Erkenntnisse der Wissenschaft, die
besonders durch Darwin und Haeckel eingeleitet wurden, lassen jedoch keinen
Zweifel über die Abstammung des Menschen aus dem Tierreich mehr zu. …
Die Bedeutung dieser wissenschaftlich-materialistischen
Position auch in Bezug auf den Menschen bietet wesentliche Potenzen für die
ideologische Erziehung vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus.
S.115ff.
Biologische und psychische Merkmale der
Menschenaffen und der Menschen
(Vergleiche von Körpermasse und Gehirngröße) …Die sich
daraus ergebenden Fragestellungen ermöglichen es den Schülern …, das Problem
der Menschwerdung vom dialektisch-materialistischen und historisch-materialistischen
Standpunkt aus zu betrachten und aus evolutionsgenetischer Sicht zu verstehen.
…
S.130ff.
Stoffeinheit
„Wiederholung und Systematisierung“
Die Bedeutung und
Wissenschaftlichkeit der Abstammungslehre
(Stundenziele)
Die Abstammungslehre hat einen entscheidenden Anteil an der Herausbildung einer
wissenschaftlichen Weltanschauung …
(Methodische Hinweise)
In einem einleitenden Gespräch erörtert der Lehrer mit den Schülern die Frage,
warum sich im Bereich der Biologie unwissenschaftliche, idealistische
Auffassungen über das Wesen des Lebens, seine Entstehung und über das Auftreten
des Menschen im Bereich der lebenden Natur sehr lange halten konnten und zum
Teil heute noch vorhanden sind. Da im Verlauf des Unterrichts bisher kaum
Fragen in dieser Hinsicht an die Schüler herangetragen wurden … sind die
Schüler unter Umständen mit dieser Tatsache erst bekannt zu machen (z.B.
religiöse Auffassungen). …
Das Gespräch wird unter der Thematik „Die Bedeutung der Abstammungslehre für
die materialistische Auffassung der Natur“ fortgeführt. Hier sind folgende
Antworten zu erwarten: die Abstammungslehre hat den Nachweis für die
Entwicklung vom Niederen zum Höheren erbracht, sie hat bewiesen, dass auch der
Mensch der biologischen Evolution unterliegt. Forschungen über die Entstehung
des Lebens schließen eine Schöpfung durch ein überirdisches Wesen aus. …
(Tafelübersicht)
Bedeutung der Abstammungslehre
- Sie dient der Herausbildung einer wissenschaftlichen
Weltanschauung …
S.158
Stoffgebiet
„Wiederholung, Systematisierung, Ausblick“
… In der Stoffeinheit
„Zelle-Lebewesen-Population-Biozönose-Biosphäre“ sind zahlreiche Möglichkeiten
gegeben, philosophisch-weltanschauliche Grunderkenntnisse zu festigen und zu
untermauern. Das gilt vor allem für die Materialität des Lebens, die
prinzipielle Erkennbarkeit der Welt, das Verhältnis von Einzelnem und Ganzem. …
Q42 Weltall Erde Mensch, Verlag Neues Leben, (Berlin) 1955
S.3
(Walter Ulbricht)
… In dem vorliegenden Buch wird, ausgehend von den Erkenntnissen der fortgeschrittensten
Wissenschaft, der Sowjetwissenschaft, die Entwicklung in Natur und Gesellschaft
dargelegt und den realen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend
aufgezeigt, dass wir durch unseren Kampf die Entwicklung der menschlichen
Gesellschaft zum Höheren, zum Vollkommeneren beschleunigen können.
Gleichzeitig wird der Kampf gegen Aberglauben, Mystizismus, Idealismus und alle
anderen unwissenschaftlichen Anschauungen geführt. …
S.5
(Erich Honecker)
… Jeder Jugendliche wird mit Begeisterung und Spannung die vielen Beiträge über
die Entstehung der Erde und des Menschen aufnehmen. Gleichzeitig hilft dieses
Buch den Nebel zu zerreißen, der noch allzuoft über den Werdegang der
menschlichen Entwicklung, über die Entstehung der Natur und die Gesetze des
gesellschaftlichen Fortschritts gehängt wird …
S.7ff.
(Professor Dr. Robert Havemann)
Die Einheitlichkeit von Natur und
Gesellschaft
S.10f.
…wurde eine Naturgottheit nach der anderen entthront. Als letzte blieb für
einige Jahrtausende die eine Gottheit der monotheistischen Religionen übrig,
die nichts anderes darstellt als die nicht weniger naive Personifizierung der
Gesamtheit der vom Menschen noch unerkannten Gesetzmäßigkeiten seines eigenen
gesellschaftlichen Lebens. …
Die Ausbeuter waren darum stets daran interessiert, die ausgebeutete Klasse in
Dumpfheit und Unkenntnis zu erhalten. Die Inkarnation der Macht der Ausbeuter
über die Ausgebeuteten stellt der Zauberer, der Medizinmann, der Hohepriester
dar, der direkt mit der Gottheit verkehren kann, weil er selber um ihre
Natürlichkeit weiß. …
Heute ist das einst revolutionäre Bürgertum zur absterbenden
Klasse einer untergehenden Gesellschaftsordnung entartet. Nichts blieb vom dem
Kampf gegen den phantastischen Glauben der Kirche …
Die moderne Naturwissenschaft, die sich auf
materialistischer Grundlage entwickelte, gelangt heute zu den gleichen
philosophischen Positionen, die schon von den großen griechischen Philosophen
errungen wurden und in den Worten des Heraklit unvergleichlichen Ausdruck
finden: „Die Welt, eine und dieselbe aus allem, hat keiner der Götter noch
Menschen gemacht, sondern sie war und ist und wird sein ewig lebendes Feuer,
nach Maß sich entzündend und nach Maß erlöschend.“
… Wenn es auch heute viele und darunter bedeutende
Naturforscher gibt, die sich selbst nicht für Materialisten halten, so sind
diese Naturwissenschaftler doch in ihrer Arbeit im Laboratorium urwüchsige
Materialisten und geben sich nur sonntags, wenn die Arbeit ruht, zum Zwecke
ihrer Erbauung theologischen und idealistischen Spekulationen hin. …
S.13
… Die längst verstaubten Ideen des englischen Bischofs Berkeley aus dem Jahre
1710 werden seit Mach und Avenarius in immer neuer Maskerade als angeblich
allerneueste, streng wissenschaftliche Philosophie der modernen Naturwissenschaft
angepriesen. Und sie dienen doch alle, einschließlich der Sophismen ihrer
neuesten Vertreter, der englischen Modephilosophen Bertrand Russell,
Wittgenstein und Carnap, keinem anderen Zweck als der Zerstörung der
materialistischen philosophischen Grundlage der Naturwissenschaft …
Der große Einbruch in das mechanische Denken der klassischen
Naturwissenschaft erfolgte auf dem Gebiet der Biologie durch die genialen
Gedanken des großen Charles Darwin. Darwin bewies, dass nichts unsinniger ist
als die Vorstellung eines einmaligen Schöpfungsaktes aller Arten und Gattungen
von Lebewesen, die seit dem Tage der Schöpfung unverändert existiert haben
sollen. Darwin führte den dialektisch-materialistischen Entwicklungsgedanken in
die Biologie ein. Seit Darwin wissen wir, dass Pflanzen und Tiere in einem
langen Entwicklungsprozess sich von Stufe zu Stufe von einfachen zu höheren und
immer komplizierteren Formen weiterentwickelt haben und dass auch der Mensch
nichts anderes darstellt als die Fortsetzung des allgemeinen biologischen
Entwicklungsprozesses …
S.15
… Im Unterschied zu allen vergangenen philosophischen Lehren stellt der
dialektische Materialismus kein System von Dogmen dar, sondern nur die
Widerspiegelung der objektiven Dialektik von Natur und Gesellschaft in der
subjektiven Dialektik der menschlichen Erkenntnis. …
Die allgemeinen Grundzüge der Dialektik, die von Stalin in genialer Weise
formuliert wurden …
S.16
… Da, wie der erste Grundsatz der Dialektik lehrt, alle Erscheinungen in der
Natur miteinander in unlösbarem Zusammenhang stehen, liegt in der
Beschränktheit unserer sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit keinerlei Schranke für
den Fortschritt unserer Erkenntnis.
S.19ff.
(Diedrich Wattenberg)
Unsere Erde und das Weltall
…
Das kopernikanische Weltsystem
…
Aber dennoch waren es zunächst Luther und Melanchthon, die auf die
Bibelwidrigkeit des Werkes (des
Kopernikus JK) hinwiesen, weil an einer einzigen Stelle (Josua 10,12) in
der Bibel gesagt sei, „Sonne stehe still zu Gibeon“. Das sollte, wie Luther meinte,
so auszulegen sein, dass die zuvor bewegte Sonne stillgestanden habe, und nicht
die Erde. Aber nicht nur die rein astronomischen Beziehungen waren es, die
einen solchen Widerspruch auslösten, sondern vor allem auch rein religiöse
Grundannahmen, die in der anthropozentrischen (den Menschen in den Mittelpunkt
stellenden) Weltauffassung der Bibel ihren Ausdruck fanden. …
Aber auch die Astronomen haben das neue Weltbild nicht
sofort angenommen. Das lag daran, weil es einmal noch keinen unmittelbaren und
nicht widerlegbaren Beweis für die Wahrheit des neuen Systems gab, und zum
anderen auch daran, dass Kopernikus eine ihnen wohlvertraute Denkgewohnheit
erschütterte …
So wurde Tycho de Brahe (der als der größte beobachtende Astronom des 16.
Jahrhunderts galt) zu einem Gegner des Kopernikus, weil die Beobachtungen ihm
keine andere Wahl zu lassen schienen …
(Galilei) fand in der Nachbarschaft des Jupiters vier
winzige Sterne, die sich als Monde des Planeten erwiesen. Er erkannte die
Scheibenform des Jupiters, entdeckte den Phasenwechsel der Venus, die
Sonnenflecken und die Bergwelt des Mondes, so dass nunmehr kein Zweifel daran
blieb, dass die Planeten der Erde verwandte Himmelskörper sind und dass das
kopernikanische Weltbild der Wahrheit entspricht. …
S.62
Insofern ist es verständlich, dass die Astronomen des Altertums, die oft
gleichzeitig Priester waren, in der Sternenwelt des Ausdruck für eine göttliche
Schöpfung erblickten und sich über die eigentliche Entwicklungsgeschichte keine
sehr tiefgehenden Gedanken machten …
Es ist (heute) gelungen, ein umfangreiches Tatsachenmaterial zu sammeln, das es
gestattet, eine wissenschaftlich begründete Entwicklungsgeschichte des Weltalls
zu schreiben. In einer solchen Kosmogonie bleibt für mystische Gedankengänge
kein Raum. Die Materie selbst ist an keinen Ursprung gebunden; sie ist ewig
währender Bestand des Weltalls, aber doch eindeutiger Entwicklungen fähig. …
S.125ff.
(Prof. Dr. Jacob Segal)
Wie das Leben auf der Erde entstand
S.148f.
Die Theorie der „natürlichen Zuchtwahl“, wie sie Darwin nannte, geht im
wesentlichen von zufälligen, angeborenen Schwankungen der Tierart aus und zieht
die im Laufe des individuellen Lebens dabei erlittenen Veränderungen kaum in
Betracht. Später wurde unter dem Einfluss Weismanns diese einseitige
Beurteilung noch übertrieben. Weismann und seine Nachfolger leugnen überhaupt,
dass Veränderungen eines Lebewesens nach seiner Zeugung auf die Nachkommen
vererbt werden können. Nennenswerte Veränderungen der Arten können nach Ansicht
der Weismannisten nur dadurch entstehen, dass in der Erbmasse von Zeit zu Zeit
zufällige Änderungen auftreten, sogenannte Mutationen, die erbliche
Veränderungen hervorrufen können. … Es ist schwer, sich die Entwicklung der
Arten durch Anhäufung nützlicher zufälliger Mutationen vorzustellen. Ein
lebender Organismus stellt einen Präzisionsapparat dar, bei dem sämtliche Teile
aufs genaueste aufeinander abgestimmt sind. Wird ein Teil abgeändert, so müssen
Hunderte andere ebenfalls umgebaut werden, wenn die Gesamtleistung gerettet
werden soll. In der Tat sind die uns bekannten Mutationen vom biologischen
Standpunkt als Misserfolge zu werten. … Wirklich biologisch nützliche
Mutationen scheinen zur Zeit nicht bekannt zu sein.
Einen ganz neuen Weg der Entwicklung von Pflanzen und Tieren zeigte der
sowjetische Pflanzenzüchter Mitschurin. Er versuchte, im mittleren Teil der
Sowjetunion Apfelsorten aus dem südlichen heimisch zu machen; aber alle seine
Versuche, kräftige, ausgewachsene Stämme in das neue Klima zu verpflanzen,
endeten mit Misserfolgen. Früher oder später vernichtete sie ein besonders
kalter Winter, ein besonders scharfer Frostwind. Zog er dagegen selbst Sämlinge
auf und setzte die empfindlichen jungen Pflanzen auf den kältesten,
sturmgepeitschten Hügelhang, so stellte er fest, dass ein Teil von ihnen
überlebte und sich zu widerstandsfähigen Bäumen entwickelte, die allen Unbilden
der Witterung standhielten. Diese Winterhärte übertrug sich auch auf ihre
Nachkommen. Neue, erbliche Eigenschaften waren somit entstanden, eine Anpassung
an die neuen Bedingungen war erfolgt.
Mitschurin und sein Nachfolger Lyssenko …
Diese sprunghafte Entwicklung, die von Art zu Art führt, konnte Lyssenko in
folgender Weise anschaulich nachweisen. Im Vorgelände des Kaukasus, wo der
Weizen nur noch spärlich gedeiht, findet man in Weizenfeldern eine starke
Verunreinigung durch Roggenähren, weit mehr, als dies bei normaler
Saatgutreinigung der Fall sein sollte. Lyssenko fragte sich, ob dies nicht von
einem Umschlag des Weizens zum Roggen, einer nah verwandten, aber den
klimatischen Bedingungen des Vorgebirges besser angepassten Form herrührt. Der
Beweis hierfür wurde erbracht, als er in einigen Weizenähren vereinzelte
Roggenkörner entdeckte, die also unmöglich durch eine Verunreinigung des
Saatgutes hineingekommen sein konnten. Auch bei anderen Kulturpflanzen und auch
Unkräutern wurden derartige Umschläge von einer Art in eine andere beobachtet …
Weinberge um Leningrad, Getreidefelder in der sibirischen Tundra und
Gemüsekulturen jenseits des Polarkreises, sie alle legen ein beredtes Zeugnis
ab von der Richtigkeit der Vorstellung über den Mechanismus der Entwicklung der
Lebewesen, die wir Mitschurin und Lyssenko verdanken.
S.241ff.
(Wolfgang Padberg)
Was wir von der Entstehung des Menschen
wissen
… Im Orient, wo sich sehr frühzeitig eine hochstehende
Töpferkunst entwickelte, war es nur natürlich, dass man sich die Schaffung des
Menschen aus Ton (beziehungsweise Lehm) vorstellte (Abb.1). …
Abb.1. Eine ägyptische Göttin modelliert die ersten
Menschen.
S.243
Die Forschungen des 19.Jahrhunderts hatten also, sich stützend auf die
Evolutionstheorie Darwins und das entdeckte archäologisch-anthropologische
Material, zu dem Gesamtergebnis geführt, dass der Mensch nicht einer
übernatürlichen Schöpfung sein Dasein verdankt, sondern von tierischen
Vorfahren abzuleiten sei.
S.343ff.
(Ludwig Einicke)
Der Sozialismus und Kommunismus – die
Epoche der revolutionären Umgestaltung von Natur und Gesellschaft
Die Wissenschaft überwindet den Aberglauben und die
Scheintheorie
Die in den kapitalistischen Ländern herrschenden
reaktionären Kräfte haben sich zum Zwecke der Aufrechterhaltung ihrer
Herrschaft der Mystik, des Aberglaubens, des Dunkelmännertums und der Religion
schon immer bedient, um die Volksmassen niederzuhalten und zu unterdrücken. Die
herrschende Klasse propagierte die Idee, dass die bestehende Ordnung
gottgewollt und vorausbestimmt sei. Eine Veränderung dieser Ordnung sei daher
also gar nicht möglich, so lehrten und lehren die „Geschichtswissenschaftler“
der herrschenden Klassen.
Alles, also auch die gesellschaftlichen Verhältnisse, seien unabänderlich, und
die Menschen müssten sich daher in das für sie bestimmte Schicksal fügen.
Nach dieser „Theorie“ ist die Welt von einer außerhalb der Welt bestehenden und
für die Menschen nicht erkennbaren Kraft, von einem Gott, erschaffen. Es gibt
viele Beispiele in der Geschichte, aus denen hervorgeht, dass die
fortschrittlichen Wissenschaftler, die an dem Dogma von der Erschaffung der
Welt zu rütteln wagten, von den herrschenden Mächten verfolgt, in den Kerker
geworfen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden …
S.347
In der Sowjetunion … haben die Lehren der weltberühmten Biologen und
Naturwissenschaftler Mitschurin und Lyssenko durch die Anwendung der
dialektischen Methode den vollen Sieg über die Biologen des idealistischen
Lagers davongetragen. … dass es möglich ist, durch die bewusste Steuerung der
Lebensbedingungen bestimmter Organismen pflanzliche und tierische Organismen zu
verändern … dass durch Eingreifen des Menschen jede Tier- und Pflanzenform
gezwungen werden kann, sich schneller, und zwar nach der dem Menschen
erwünschten Seite, zu verändern.
S.361ff.
In den kapitalistischen Ländern verbreitet sich immer mehr
die Scheintheorie vom sogenannten „physikalischen“ Idealismus. …
Auf diesem Wege wird auch der Versuch unternommen, die materialistische
Grundlage der Naturwissenschaften zu erschüttern und idealistische religiöse
Vorstellungen in die wissenschaftliche Arbeit einzuschmuggeln. …
Das Bestreben, abstrakte religiöse Behauptungen von der Endlichkeit und
Unerkennbarkeit der Welt zur Grundlage der Wissenschaft zu machen, ist ein
Ausdruck der tiefen Krise … im Lager der im Dienste des Kapitalismus stehenden
Forscher…
im Gegensatz … stehen die Wissenschaftler, die sich in ihrer Arbeit auf den
dialektischen und historischen Materialismus stützen … sie beweisen, dass die
Materie tatsächlich vorhanden ist; dass sie unabhängig vom Bewusstsein der
Menschen existiert; dass die Einheit der Welt in ihrer Materialität besteht und
dass die Materie und ihre Bewegung ewig und unzerstörbar sind. Nach der
Auffassung des dialektischen Materialismus gibt es ein absolutes Naturgesetz,
nach dem weder Materie noch Bewegung beim Vorgang einer Veränderung der Materie
oder in der Bewegung der Materie einfach irgendwohin verschwinden kann. Materie
und Bewegung können auch nicht aus dem Nichts entstehen …
Eine solche wissenschaftliche Auffassung lässt keine Märchen
vom „Schöpfer“, „Weltgeist“ und „Lenker“ der Welt zu. Sie liefert den Beweis,
dass sich die Welt aus den der Materie innewohnenden Gesetzen in ewiger
Bewegung und Veränderung entwickelt….
Die Anhänger des Idealismus sind dagegen der Meinung, es sei nicht möglich, die
Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Sie bestreiten die Zuverlässigkeit
des menschlichen Wissens und sind der Ansicht, dass es in der Welt
Erscheinungen und Dinge gibt, die die Wissenschaft niemals erkennen kann. …
Die Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten sind erkennbar, und das vom praktischen
Leben bewiesene Wissen hat, wie Stalin sagt, die Bedeutung objektiver Wahrheit.
S.363
Die marxistische Philosophie ist eine geschlossene, konsequente Weltanschauung.
Sie umfasst den dialektischen und den historischen Materialismus. Der
dialektische Materialismus ist die Methode und Theorie zur Erforschung der
Natur, der historische Materialismus ist die Methode und Theorie zur
Erforschung der menschlichen Gesellschaft.
S.364
Die Begründer der materialistischen Auffassung von der Welt beweisen, dass die
Entwicklung der Welt aus der Materie zu erklären ist. …
Dagegen vertreten die Anhänger des philosophischen Idealismus der verschiedenen
Richtungen letzten Endes den unwissenschaftlichen Standpunkt, dass die Welt und
alle ihre Erscheinungen das Werk eines „Schöpfers“, das heißt also eines Gottes
sind. …
S.365
Der dialektische und historische Materialismus dient als Mittel zur Erkenntnis
der Welt …
Q43 Tietz, Gertraudis;
Landeskatechetin der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens; Vortrag auf der
Herbsttagung der Landessynode der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens 1964,
Reg.Nr.2243/14: „Das sozialistische Bildungssystem“ (maschinenschriftliche
Fassung)
S.1f.
Der Öffentlichkeit sind im Entwurf „Grundsätze für die Gestaltung eines
einheitlichen sozialistischen Bildungssystems“ zur Stellungnahme vorgelegt
worden …
In den „Grundsätzen tritt uns das dritte Schulsystem seit
1945 entgegen. Im Jahre 1946 wurde die antifaschistisch-demokratische Schule
konstituiert, deren §1 lautete: „Die deutsche demokratische Schule wird jedem
Kinde und Jugendlichen ohne Unterschied des Besitzes, seines Glaubens und
seiner Abstammung die seiner Neigung und Fähigkeiten entsprechende vollwertige
Ausbildung geben.“ Im Jahre 1959 wurde diese Schule abgelöst durch die Schule
des Übergangs von der antifaschistisch-demokratischen Schule zur
sozialistischen Schule. §3 des Schulgesetzes lautet: „Die Schule hat die Jugend
auf das Leben und die Arbeit im Sozialismus vorzubereiten.“ Die „Grundsätze“
bereiten nun der Schule unter den Bedingungen des umfassenden Aufbaus des
Sozialismus in seinem Übergang zum Kommunismus den Weg. …
Was besagt nun der Entwurf des neuen Schulsystems?
Es handelt sich in ihm um Grundsätze im eigentlichen Sinne des Wortes. Es sind
Leitlinien ausgeführt, die die Basis für schulische Gesetze, Verordnungen,
Lehrpläne und zu erstellende Schulbücher bilden sollen. Sie wollen die Richtung
der Entwicklung des Schulwesens für die nächsten 10 bis 15 Jahre angeben. …
S.2f.
… die Grundprinzipien … es sind drei …
I. Die Schule konstituiert sich als Weltanschauungsschule.
Der eindeutig sich zur Weltanschauung des Marxismus-Leninismus sich bekennende
und danach handelnde Mensch ist das Erziehungsziel. Die weltanschauliche
Durchdringung aller Unterrichtsfächer und die Einführung des Fachs
Staatsbürgerkunde als Konzentrationspunkt der ideologischen Erziehung ist der
eingeschlagene Weg zur Erreichung dieses Zieles.
“Gleichzeitig (zugleich mit der Übermittlung mathematischer,
naturwissenschaftlicher und ökonomischer Kenntnisse) sind ihnen (den
Mitgliedern der Gesellschaft) feste Grundlagen der sozialistischen
Weltanschauung zu vermitteln.“ (I, Vorwort, Sonderdruck S.30). …
„Zur Allgemeinbildung gehören die Einführung in die
Gesellschaftswissenschaften, besonders in die marxistisch-leninistische
Philosophie als Grundlage für die Formung der wissenschaftlichen Weltanschauung
…“ (I,2 S.38)
“Als weltanschauliche, erkenntnistheoretische und methodologische Grundlage der
Natur- und Gesellschaftswissenschaften trägt die Philosophie eine große
Verantwortung für die Festigung und Entwicklung der wissenschaftlichen
Weltanschauung, die weltanschaulich-atheistische Propaganda und für die
politisch-ideologische Erziehung der studentischen Jugend und aller
Werktätigen.“ (II,8 S.103) …
sagt der Minister für Volksbildung: „Ganz klar ist die Forderung im
Parteiprogramm, dass die politische und weltanschauliche Erziehung der Schüler
Prinzip aller Unterrichtsfächer sein muss …“ (Deutsche Lehrerzeitung 17/1964) …
S.4
“Insbesondere sollte an allen Schulen … über den Beitrag der einzelnen
Unterrichtsfächer zur ideologischen Erziehung und Bildung beraten werden. …
Durch diese weltanschaulichen Vorleistungen der einzelnen Unterrichtsfächer
wird der Staatsbürgerkundeunterricht in Zukunft ein festes Fundament erhalten.“
(„Pädagogik“ 5/1964 S.388).
Im Sinne dieser Zielsetzungen veranstaltete die Zeitschrift „Biologie und
Schule“ gemeinsam mit dem Pädagogischen Institut Mühlhausen und dem Institut
für Philosophie der Humboldt-Universität (Berlin) im Oktober 1963 eine
Konferenz zur ideologischen Erziehung im Biologieunterricht. In den
Verlautbarungen darüber heißt es: „Die moderne Biologie führt notwendig zum
dialektischen Materialismus.“
S.5
“Was die sozialistische Schule betrifft, so gilt es, als besondere Aufgabe der
weltanschaulich-erzieherischen Einwirkungen, die atheistische Erziehung der
Kinder herauszustellen, Die Herausbildung der dialektisch-materialistischen
Weltanschauung ist notwendig mit wissenschaftlich-atheistischer Erziehung
verbunden.“ (Wiss. Zeitschrift der Universität Rostock, gesellschafts- und
sprachwissenschaftliche Reihe, 8. Jahrgang, Heft 3)
(Kommentar von Tietz:)
Es ist kein
wissenschaftlicher Satz, zu behaupten, die moderne Biologie führe notwendig zum
dialektischen Materialismus. … Weltanschaulicher Unterricht verfälscht die
Wissenschaft. Es gibt keine wissenschaftliche Weltanschauung. Wissenschaft
führt weder zum Idealismus noch zum Materialismus noch zum Gottesglauben.. Eine
Schule, die die Weltanschauung in alle Unterrichtsfächer einbezieht, verwischt
fortgesetzt die Grenze zwischen Weltanschauung und Wissenschaft. … Echte
Wissenschaftlichkeit lässt den Raum frei für diese oder jene weltanschauliche
Entscheidung. …
Es ist aber ein Unterschied, ob eine Schule Kenntnisse über
eine Weltanschauung vermittelt, oder ob sie sich vornimmt, das Denken, Handeln
und Fühlen von einer Weltanschauung her zu bestimmen.
S.10
… unsere Stellungnahme so lautet: Es möge die weltanschauliche Überlagerung der
Wissenschaftsübermittlung abgebaut … werden …
Die Gemeinde muss über alle Fragen, die an die Kinder durch
ihren Lehrstoff herantreten, orientiert sein: Naturwissenschaft und Glaube;
Weltbild und Glaube; Luther – ein Verräter; im Himmel ist kein Gott zu finden.
Gemeinde, gib Antwort!
Q44 Bertolt Brecht: Leben des Galilei, Reclam, Leipzig 1968
S.29
Das Denken gehört zu den größten Vergnügungen der menschlichen Rasse.
S.37
(Galilei und einige Professoren)
sie werden aufgefordert, im Fernrohr die Jupitertrabanten zu betrachten;
der Philosoph und der Mathematiker versuchen, Galilei zu einem formalen Diskurs
zu bewegen: Könnten solche Planeten existieren?; Sterne, die im Himmel keine
Stütze haben?; Sind solche Sterne nötig? Aristoteles sagt …
sie sehen bis zum Schluss nicht durch das Fernrohr; der Theologe, der auch mit
dabei steht, sagt kein Wort …
Federzoni: … es gibt keine Sphärenschale.
Der Philosoph: Jedes Schulbuch wird ihnen sagen, dass es sie gibt, mein guter
Mann.
Federzoni: Dann her mit neuen Schulbüchern.
S.51
Ein sehr dünner Mönch kommt mit einer
aufgeschlagenen Bibel nach vorn, fanatisch den Finger auf eine Stelle stoßend.
Was steht hier in der Schrift? „Sonne, steh still zu Gibeon und Mond im Tale
Ajalon!“ Wie kann die Sonne stillstehen, wenn sie sich überhaupt nicht dreht,
wie diese Ketzer behaupten? Lügt die Schrift?
(Die zitierte Bibelstelle steht bei Jusua
10, 12 JK)
S.55
Barberini den Zeigefinger auf Galilei.
„Die Sonne geht auf und unter und kehrt an ihren Ort zurück.“ Das sagt Salomo,
und was sagt Galilei?
(Die zitierte
Bibelstelle steht bei Prediger 1,5)
S.68
Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und
sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!
S.104
Die Wissenschaft kennt nur ein Gebot: den wissenschaftlichen Beitrag.
S.105
Unsere neue Kunst des Zweifelns entzückte das große Publikum.
Q45 Claus Westermann: Schöpfung und Evolution, Zeitwende 53 (1982) 3,
S.146ff.
In der reformatorischen Theologie hat der zweite Glaubensartikel
ein solches Übergewicht bekommen, dass er nicht nur als die Mitte, sondern als
das Ganze des christlichen Glaubens verstanden wurde; vielfach ist man so weit
gegangen, dass Theologie mit Soteriologie gleichgesetzt wurde, m.a.W, dass
alles, was von Gott zu sagen sei, in der Rettung des Menschen von Sünde und Tod
beschlossen sei. Der Glaubensartikel von der Schöpfung verlor damit seine
Eigenbedeutung; das, was die Bibel von Schöpfung sagt, wurde auf die Einleitung
der Heilsgeschichte eingeschränkt. …
Nach der traditionellen christlichen Lehre befand sich der
von Gott geschaffene Mensch zu Anfang in einem „status integritatis“ (unversehrt, rein, vollkommen JK),; ihn
beendete der „Sündenfall“, der mittels Vererbung die gesamte Menschheit in den „status
corruptionis“ (verdorben, schlecht JK)
versetzte; sie ist nach dem Fall die „gefallene Menschheit“. Diese in die
christliche Dogmatik eingegangene Auslegung der ersten Kapitel der Bibel
entspricht dem Text nicht. …
… bei den Naturvölkern wird fast nur von der
Menschenschöpfung erzählt, die Weltschöpfung kam erst in den Hochkulturen zur
Bedeutung. Auf diesem Unterschied beruht die Gliederung in Naturwissenschaften
und Humanwissenschaften. …
… ist zu beachten, dass die Gliederung von Pflanzen und Tieren
in Arten nicht zu den überkommenen Schöpfungstraditionen gehört; sie begegnet
außerhalb der Bibel nirgends. …
Q46
EKD-Texte 94: Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der
Schule; eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland, Hannover 2008
S.5
Viele Debattenbeiträge zum Verhältnis zwischen dem Schöpfungsglauben auf der
einen und naturwissenschaftlichen Theorien über die Entstehung der Welt und des
Lebens auf der anderen Seite sehen … beide Seiten auf derselben Ebene. Deshalb
gehen sie davon aus, dass entweder die Evolutionstheorie dem Schöpfungsglauben
oder der Schöpfungsglaube der Evolutionstheorie weichen muss. Das wird jedoch
weder der einen noch der anderen Seite gerecht. …
S.6
So wird auch hierzulande die Frage erörtert, ob im
Biologieunterricht auf den biblischen Schöpfungsglauben und ob im
Religionsunterricht auf die Evolutionstheorie Bezug zu nehmen sei. Auf der
Linie der hier vorgelegten Überlegungen liegt es, das Verhältnis zwischen
beiden Betrachtungsweisen vorzugsweise in interdisziplinären
Unterrichtsprojekten zu klären …
es wird deutlich, dass man die Beziehung zwischen diesen beiden
Betrachtungsweisen nur dann zureichend bestimmen kann, wenn man zuvor gelernt
hat, sie voneinander zu unterscheiden.. Das setzt aber voraus, dass sowohl
hinsichtlich der biologischen als auch hinsichtlich der theologischen Fragen
die gebotene Sachkenntnis gegeben ist und in den Schulen auf angemessene Weise
zum Ausdruck kommt. Das gilt auch für die Fälle, in denen im Biologie- oder im
Religionsunterricht über das Verhältnis von Schöpfungsglauben und
Evolutionstheorie gesprochen werden soll. …
S.7
Es wäre … unangemessen, die Erforschung von Evolutionsprozessen als Bekenntnis
zum Atheismus zu verstehen, wie es umgekehrt verfehlt wäre, den in den USA
verbreiteten Kreationismus einfach mit dem christlichen Schöpfungsglauben
gleichzusetzen. Der Kreationismus ist vielmehr eine Verkehrung des Glaubens an
den Schöpfer in eine Form der Welterklärung, die letztlich dazu führt, dass das
Bündnis von Glaube und Vernunft aufgekündigt wird …
S.10f
Der Dank für das gegenwärtige Wirken
Gottes ist die in der Bibel bei weitem dominante Form des Bekenntnisses zum
Schöpfer. …
Beispielhaft ist die Sicht Martin Luthers in seiner Auslegung
des Ersten Artikels im Kleinen Katechismus. Luther denkt – ganz auf der Linie
der biblischen Texte – von der Aktualität des göttlichen Schaffens her … die
Erhaltung der Welt durch Gott realisiert sich als aktuelles Schaffen in einem
nicht einfach als abgeschlossen zu betrachtenden Prozess (creatio continua). …
Dass ich Gottes Geschöpf bin, erfahre ich nicht in
Spekulationen über die erste Sekunde des Universums, sondern darin, dass ich
mir des Geschenkcharakters meiner eigenen Existenz bewusst werde. …
Man kann – so verdeutlichte es Luther – von Universität zu Universität ziehen
und sich alle Weisheit über das Werk der Schöpfung aneignen. Den Glauben, der
im Schöpfercredo enthalten ist, findet man dadurch nicht. Ich selber muss mich
als Geschöpf Gottes glauben, das alles von ihm empfängt und ihm danken kann. …
S.12
Die meisten Naturwissenschaftler blieben religiös – und das aus tiefster
Überzeugung. Und die Theologen lernten es durchaus, mit den neuen Erkenntnissen
zu leben und dennoch die Überzeugung vom Schöpferwirken Gottes festzuhalten …
Man kann nicht sagen, dass die moderne Wissenschaftsentwicklung maßgeblich den
modernen Atheismus vorangetrieben oder gar hervorgebracht habe. Dieser speist
sich aus anderen Wurzeln, vor allem aus der Absolutsetzung der innerweltlichen
Rationalität und aus dem Aufbegehren gegen alles Religiöse …
S.13
Das Realitätsfeld der Naturwissenschaften ist so aufgebaut, dass sich hier die
Gottesfrage weder wissenschaftlich stellen noch wissenschaftlich beantworten
lässt. Das eröffnete der Theologie die Möglichkeit, die freie Entwicklung der
Naturwissenschaften und die damit verbundenen Erkenntnisfortschritte bewusst zu
bejahen. …
S.14
2.5. Die Irrwege des Kreationismus
„Kreationismus“ ist eine Sammelbezeichnung für – von Minderheiten
im Christentum vertretene – Auffassungen, die sich vehement gegen die Annahmen
der Evolutionstheorie wenden. Ausgehend von der wörtlichen Inspiriertheit der
biblischen Texte verteidigt der Kreationismus die Irrtumslosigkeit der
biblischen Texte. …
Der Kreationismus stützt sich auf die ungeklärten Fragen der Evolutionstheorie
und ist auf den Nachweis von Ungereimtheiten bedacht … Indem der Kreationismus
auf die weltanschauliche Ideologisierung evolutionstheoretischer Annahmen
reagiert, wie sie ein antikirchlicher „Ultradarwinismus“ verfochten hat, nimmt
auch er den Charakter einer Wissenschaftsideologie an …
S15
Wie jede ernstzunehmende wissenschaftliche Hypothese muss natürlich auch die
Evolutionstheorie der Kritik zugänglich bleiben. Viele ihrer Annahmen sind auch
nach den Maßstäben der Biologie weniger gesichert, als es in
populärwissenschaftlichen Darstellungen zum Ausdruck kommt. Die
Evolutionstheorie ist freilich nicht dadurch widerlegt, dass man ihre offenen
Stellen aufzeigt. Es gibt starke Argumente, die für sie sprechen. Als
wissenschaftlicher Erklärungsversuch zur Entstehung des Lebens, der Arten und
der Artenvielfalt besitzt sie höchste Wahrscheinlichkeit und
Erschließungskapazität …
S.16
Am Beispiel des doktrinären Marxismus lässt sich darlegen, wohin es führt, wenn
naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die für sich genommen gut fundiert sein
können, ideologisch übersteigert werden. So wurde im Namen eines
weltanschaulichen Alleinvertretungsanspruchs des Staates in den Schulen der DDR
der Glaube an den Schöpfer als wissenschaftsfeindlich diffamiert.
Der heute von Richard Dawkins und anderen Autoren propagierte „neue Atheismus“
fügt sich nahtlos in dieses ideologische Schema ein; er setzt methodisch den
eigenen Ansatz auf fundamentalistische Weise absolut. …
Auch hier wird die Auseinandersetzung mit dem Gottesbegriff ganz und gar auf
dem Missverständnis eines „Lückenbüßergottes“ aufgebaut. Dafür sind
Kreationismus und „intelligent design“ willkommene Gegner, die zu den
maßgeblichen Repräsentanten des Christentums, ja der Religion überhaupt,
überhöht werden. …
S.18
Nach evangelischem Verständnis ist Bildung mehr als Wissen oder Können. Bildung
umfasst auch die Fragen nach dem Grund allen Wissens sowie nach dem Ziel allen
Erkennens. Wissenschaftstheoretische und erkenntnistheoretische Fragen gehören
deshalb ebenso zur Bildung wie die nach dem Woher und Wohin des menschlichen
Lebens. Wissen und Wissenschaft tragen nur dann zur Bildung bei, wenn sie auch
im ethischen Horizont wahrgenommen werden. Bildung bedeutet Wertschätzung von
Wissen, Erkenntnis und Vernunft, schließt aber auch die Einsicht in deren
Grenzen ein …
S.19
Die Einrichtung spezialisierter Unterrichtsfächer beispielsweise für Biologie,
Physik und Religion gewährleistet die Wahrnehmung entsprechender Perspektiven
auf die Wirklichkeit, kann jedoch auch zu einer (Selbst-)Isolierung der
verschiedenen Weltzugänge führen. Für eine nach Fächern organisierte Schule
sind fächerverbindende Einheiten oder Arbeitsweisen deshalb besonders wichtig.
…
S.20
Im Religionsunterricht hat das christliche Bekenntnis eine grundlegend andere
Bedeutung als in anderen Fächern. Zu diesem Bekenntnis gehört der Glaube an
Gott, den Schöpfer, nicht jedoch der Kreationismus. Ein evangelischer
Religionsunterricht … kann deshalb den Kreationismus zwar thematisieren, ihn
jedoch nicht vertreten …
Bei der bildungstheoretisch und schulisch wünschenswerten
Auseinandersetzung mit Schöpfungsglauben und Evolutionstheorie, aber auch mit
dem Kreationismus sowie deren Verhältnis zueinander stoßen die einzelnen
Unterrichtsfächer notwendigerweise an die Grenzen ihrer Kompetenz … In der
Regel empfiehlt sich … ein fächerverbindender Unterricht, in den zwei oder mehr
Lehrkräfte ihre unterschiedlichen Kompetenzen einbringen können …
S.21
Ein angemessener Umgang mit Schöpfungsglauben und Evolutionstheorie setzt
Einsichten in erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Zusammenhänge voraus …
Als besonders klärungsbedürftig müssen dabei häufig von populären
Missverständnissen begleitete Begriffe wie „Tatsache“, „Beweis“ und
„Widerlegung“ (Verifikation und Falsifikation), „Hypothese“, „Theorie“,
„Erkenntnisfortschritt“ usw. gelten. Darüber hinaus sollten die
unterschiedlichen Zuordnungsmodelle für unterschiedliche Weltzugänge,
insbesondere im Sinne eines komplementären Denkens, eingeführt werden.
Weiterführende Klärungen lassen sich nur erzielen, wenn
beide, Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie, nicht von ihren problematischen
Verzerrungen, sondern von einem ihnen jeweils angemessenen differenzierten
Verständnis her aufgenommen werden. Der Bezug auf den Ultradarwinismus oder auf
den Sozialdarwinismus eignet sich dazu ebenso wenig wie der auf den
Kreationismus, so wichtig die kritische Auseinandersetzung mit ihnen im Übrigen
ist. Ähnlich verhindert eine Einführung der Evolutionstheorie als
wissenschaftliche Kritik am Schöpfungsglauben oder gar als Ersatz für diesen
von vornherein ein sachliches Verständnis der Eigenart beider Weltzugänge in
ihrer Unterschiedenheit.
S.22
Die Auseinandersetzungen zwischen Evolutionstheorie und Kreationismus sowie
ihre Auswirkungen auf die Schule haben in der Öffentlichkeit große
Aufmerksamkeit gefunden. Darüber sollte nicht übersehen werden, dass
tatsächlich andere Probleme, vor die sich Naturwissenschaften und
Schöpfungstheologie gestellt sehen, eine weit höhere Dringlichkeit besitzen.
Die Frage, ob und wie Leben und Überleben in einer auf viele Weisen gefährdeten
Welt gesichert werden können, mit welchen Mitteln etwa den Folgen eines durch
menschliches Handeln mitverursachten Klimawandels begegnet werden soll und wie
die Rechte zukünftiger Generationen im Blick auf endliche Ressourcen gewahrt
werden können, ist ebenso offen wie die Frage nach den Grenzen für menschliche
Eingriffe im Bereich der Humangenetik. Diese und viele andere Herausforderungen
betreffen Naturwissenschaften und Theologie gleichermaßen; die größte
Herausforderung besteht darin, wie sie gemeinsam zu einem Leben und Überleben
in Humanität beitragen können …
Q47 Hemminger, Hansjörg: Das Wirklichkeitsverständnis der
Naturwissenschaft, EZW-Texte Impulse Nr.23, Evangelische Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen, Stuttgart, 1986
S.4
Das Ziel der Wissenschaft besteht in der planmäßigen, gezielten Annäherung der gedanklichen
Wirklichkeit des Menschen an die Realität der Welt, also der immer besseren –
weil realistischeren – Abbildung der Welt in die Wirklichkeit menschlichen
Denkens und Tuns. …
Allerdings gibt es viele Wissenschaftler, die mit der hier
gegebenen Charakterisierung der Naturwissenschaft nicht einverstanden wären.
Sie fassen den Teil als Ganzes auf und betrachten die „natürlichen Dinge“ als
die einzigen, denen Realität zukommt. Wenn man so denkt, wird die
Naturwissenschaft zur einzig möglichen Wissenschaft, die Wirklichkeit und
Realität einander näher annähern kann, und ihre empirische Methodik wird die
einzige legitime wissenschaftliche Arbeitsweise.
Der Name für diese Art von Erkenntnistheorie ist bekannt, er lautet
Positivismus. Und die dazugehörige Naturphilosophie trägt den Namen
Naturalismus – beides bezeichnet Einstellungen, die innerhalb und außerhalb der
Naturwissenschaft von unzähligen Menschen geteilt werden.
S.5
Die Unterschiede der Gewissheit oder Wahrheitsnähe werden durch verschiedene Begriffe
wie Arbeitshypothese, Hypothese, Theorie, Theorem und … Paradigma ausgedrückt.
Unter „Theorem“ und „Paradigma“ werden dabei nur Gesetze mit weitem
Geltungsbereich verstanden. … gehen alle diese Aussageformen fließend
ineinander über, und die Grenzziehungen sind mehr oder weniger willkürlich.
S.14f.
Die Naturwissenschaft benötigt die Annahme nicht, dass es keine anderen Arten
von Ursachen gäbe, als sie dem Menschen durch mittelbare Sinneserfahrungen
zugänglich sind. Diese Annahme bildet die Grundlage des philosophischen
Naturalismus, nicht diejenige der Naturwissenschaft. Was in der
Naturwissenschaft allerdings vorausgesetzt werden muss, ist eine gewisse
Regelhaftigkeit im Bereich der „natürlichen Dinge“ …
Daher darf der Begriff der Kausalität in der Naturwissenschaft nur
erkenntnistheoretisch und nicht naturphilosophisch verstanden werden, nämlich
als ein vom Menschen formulierter logischer Zusammenhang in Form eines
„wenn-dann-Satzes“, durch den die menschliche Naturerfahrung verallgemeinert
wird …
Die Aussage „A ist Ursache von B“ heißt für Naturwissenschaftler lediglich:
„Wenn A von uns methodisch richtig beobachtet (gemessen, erzeugt) wurde,
brachte es B hervor.“ Dass auf A immer und notwendig B folgen muss, stellt die
Naturwissenschaft nicht fest. …
Aus dem erkenntnistheoretischen Verständnis der Kausalität folgt, dass die
pouläre Vorstellung von unbedingt gültigen „Naturgesetzen“ keinen Teil
naturwissenschaftlichen Denkens darstellt. Die Kausalbeziehungen, die die
Naturwissenschaft feststellt, sind keine Gesetze, nach denen sich die Natur
richtet. Wenn überhaupt, dann sind die Naturgesetze Regelmäßigkeiten, die der
Mensch anhand seines momentanen Erfahrungsschatzes formuliert. Nicht die Natur
folgt den Naturgesetzen, sondern diese folgen der Natur, indem der Forscher sie
immer wieder an die zunehmende Erfahrung anpasst.
… wenn „Naturgesetze“ nicht nur beschreibend und erklärend
benutzt werden, sondern wenn sie normative, wertende Deutungen erfahren. Von
„ewigen Naturgesetzen“ oder von den „unerbittlichen Gesetzmäßigkeiten der
Natur“ kann man nur als Naturphilosoph, nicht aber als empirischer Forscher
sprechen.
S.17
Trotzdem widerlegt nicht jede falsche Erklärung, jede nicht
eingetroffene Vorhersage, gleich grundlegende Naturgesetze: Denn naturwissenschaftliche
Erklärungen beruhen … nicht nur aus Gesetzen, sondern auch auf den Anfangs- und
Randbedingungen eines Naturgeschehens. Und da diese Bedingungen nur durch
vereinfachende Annahmen verfügbar werden, ist es häufig nicht ohne weiteres
festzustellen, ob eine nicht eingetroffene Vorhersage ein Naturgesetz
tatsächlich widerlegt. Man kann vermuten, es habe an der Kontrolle über die
Randbedingungen gefehlt, eine der vereinfachenden Voraussetzungen sei
unzulässig gewesen usw. Ob und in welchem Maße die „scientific community“ zu
solchen Annahmen Zuflucht nimmt, anstatt ihre Theorien zu überprüfen, hängt vom
Stellenwert der Theorie im Gesamtgebäude der Naturwissenschaft ab, in hohem Maß
aber auch von außerwissenschaftlichen Einflüssen. Für die Wissenschaft grundlegende
oder soziokulturell bedeutsame Theorien können viele Falsifikationen
überstehen, ohne ernsthaft überprüft oder gar ersetzt zu werden. Bestätigungen
erhalten dadurch in der Praxis einen höheren (und z.T. außerwissenschaftlich
bedingten) Erkenntnisrang, als ihnen abstrakt logisch zusteht,und Misserfolge
werden praktisch weniger bedeutsam. Diese geschichtliche Erfahrung wurde von
KUHN in seiner Theorie des „Paradigmenwechsels“ aufgenommen und systematisiert.
S.19
Viele scheinbar oder wirklich „ganz natürliche“ Ereignisse, die für den
Menschen von höchster Bedeutung sind, unterliegen einer mehr oder weniger stark
ausgeprägten objektiven Unerklärbarkeit. Und selbst sicher
naturwissenschaftliche Aussagen lasen sich nur dann in Handeln umsetzen, wenn sie
normativen Vorgaben, wenn sie einem Ethos oder einer konkreten Utopie dienen
können. Die Unerklärbarkeiten der Existenz und die Notwendigkeit von Normen,
von ethischem Handeln machen die Lebenspraxis des Menschen für die
Naturwissenschaft unverfügbar. Dies zu missachten, führt zu einer irreführenden
Wissenschaftsgläubigkeit, zum sogenannten Szientismus. Nur allzuleicht wird die
scheinbar wissenschaftliche Aussage dann zum ideologischen Dogma …
S.21
Falsche Wissenschaftlichkeit beruht, wie am Beispiel des KKW-Unfalls, immer
entweder auf dem Verschleiern objektiver Unerklärbarkeiten, also auf einer
Scheingewissheit, oder auf dem Verschleiern von außerwissenschaftlichen
Interessen und Absichten, also auf einer Scheinobjektivität.
S.22f.
christlicher Schöpfungsglaube:
Nach ihm bildet die Natur und der ganze Kosmos das Werk eines Schöpfers. Sie
ist nicht alles, was ist, sondern etwas Gemachtes, dem der Mensch als
Statthalter Gottes prüfend und fragend gegenübertreten kann. Die Naturkräfte
haben keinen eigenen Willen oder Charakter, sie sind Werkzeuge göttlichen
Willens, auch wenn der Mensch ihnen unterliegt. Dadurch wird die menschliche
Vernunft imstande gesetzt, hinter dem ungeordneten Katarakt der
Naturerscheinungen die göttliche Ordnung zu suchen. Nur vom Schöpfungsglauben
geprägte Männer wie Isaac Newton oder Johannes Kepler konnten annehmen, dass
„Gott ein Mathematiker“ ist. Damit drückten sie ihren Glauben aus, dass die
menschliche Vernunft Abbild göttlicher Vernunft und als solche fähig zum
Nachvollziehen der Schöpfungsordnung sei. …
Bertolt Brecht charakterisiert in seinem „Galileo Galilei“
die Wissenschaft in meisterhafter Kürze als „Kunst des Zweifelns“ …
… war und ist die naturwissenschaftliche Forschung … ein
Unternehmen der Wahrheitssuche, ein Streben nach immer besserer Aneignung der
Realität durch das menschliche Denken. Als Wahrheitssuche konnte die
Naturwissenschaft zwar sehr wohl in Widerspruch zur kirchlichen Autorität und
zu Detaillehren geraten, kaum aber in Gegensatz zum christlichen Schöpfungsglauben.
Der Konflikt zwischen Kirche und Naturwissenschaft war also ursprünglich kein
Konflikt zwischen Schöpfungsglaube und Vernunft ... Er war jedoch ein Konflikt
zwischen der Autorität einer Institution und der Gedankenfreiheit des einzelnen
Forschers. Die Naturwissenschaft war und ist daher auch ein emanzipatorisches
Unternehmen, ein Versuch, die Autonomie des erkennenden Menschen gegenüber
allem scheinbar sicheren Wissen und gegenüber allen Lehrautoritäten zu
erreichen …
S.29
(christliche Naturwissenschaftler des 19.
und 20. Jh. orientierten sich nicht an liberaler oder existenzialistischer
Theologie) …
Sämtliche mir bekannten Naturwissenschaftler, die sich selbst als Christen
bezeichnen, vertreten eine Theologie, die man nur als orthodox oder „mythologisch“
kennzeichnen kann, und dabei scheinen sie nicht unter ungewöhnlichen
erkenntnistheoretischen Spannungen zu leiden. …
Naturwissenschaftler waren und sind entweder ziemlich orthodoxe Christen oder –
was viel häufiger ist – bewusste Nichtchristen.
S.31f.
… von der „Kunst des Zweifelns“ allein kann man nicht leben, der Mensch
verlangt nach einer Sinndeutung der eigenen Existenz und nach verlässlichen
Wahrheiten, die dem Zweifel entzogen sind. Daher kann auch die
naturwissenschaftliche Forschung nur dort ihren eigenen Gesetzen gemäß
arbeiten, wo sie in einen deutenden, weltanschaulichen Gesamtzusammenhang
eingebettet wird, der ihr Sinn und Ziel zuspricht. Dieser Sinn wurde
ursprünglich vom christlichen Schöpfungsglauben her gewonnen, der in der Forschung
das Nachvollziehen göttlicher Ordnungen erblicken konnte. Die Aufklärung
erblickte den Sinn des Forschens dagegen in der Emanzipation des Menschen und
damit in der Macht über Natur und Mitmensch, die durch den Fortschritt eine
heilere Welt schaffen würde. Diese aufklärerische Sinngebung hat heute an
Überzeugungskraft verloren, obwohl sie noch keineswegs ganz überwunden ist.
Bereits die Zerfallssymptome führen jedoch zu einer neuen Suche nach
Sinnhaftigkeit, und vor dies allem unter den naturwissenschaftlich und
technisch gebildeten Schichten der Bevölkerung.
Dass die weltanschauliche Sinnfrage mitten in der säkularen
Welt neu gestellt wird, zeigt sich bereits darin, dass bei der Entwicklung der
pantheistischen „New-Age“-Mythologien der letzten Jahre Naturwissenschaftler
eine führende Rolle spielten. Diese Mythologien wirken sich … keineswegs so
gravierend auf unser Weltbild aus, wie die Propheten der „Wendezeit“ selbst
glaubten. Trotzdem belegt ihre schnelle Aufnahme, dass die Sehnsucht nach neuen
Existenzdeutungen sich weit verbreitet hat. Nichts hätte deutlicher machen
können, dass die „Kunst des Zweifelns“ der Naturwissenschaftler … nicht selbst
Weltanschauung ist, sondern dass sie für ihren existenziellen Vollzug eine
tragende Weltanschauung benötigt. Und nichts hätte den theologischen
Grundgedanken der Entmythologisierung drastischer in Frage stellen können als
der bunte und vielfältige Aufbruch weltanschaulicher Mythologien in der
naturwissenschaftlich gebildeten Schicht der westlichen Welt. Der spitze Satz
Rudolf Bultmanns: „Man kann nicht elektrisches Licht und Rasierapparat
benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische Hilfe in Anspruch nehmen,
und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testament glauben“
wirkt vor diesem Hintergrund wie eine naturalistische Beschwörungsformel
vergangener Zeiten. Die Gegenwart beweist, dass elektrisches Licht
schamanistische Rituale beleuchten kann, dass Ärzte moderner Kliniken mit der
Hoffnung meditieren können, sie würden dadurch in der Luft schweben lernen, und
dass Intercity-Züge die Teilnehmerinnen von Hexenkongressen zusammenführen. Die
Ansicht, dass Hexenglauben nur dort möglich sei, wo anstatt Intercity-Zügen
Reisigbesen verkehren, wurde in nur 30 Jahren vielfach widerlegt …
Das Missverständnis liegt darin, dass das naturalistische
Weltbild mit der Naturwissenschaft verwechselt wird. Es wird übersehen, dass
der Naturalismus – noch mehr der Materialismus oder gar der Mechanismus – als
weltanschauliche Gesamtdeutungen von Existenz und Kosmos nicht zwingend aus der
Naturwissenschaft hervorgehen, dass sie geschichtlich nicht so eng mit der
Naturwissenschaft verbunden sind, wie viele Menschen meinen, und dass sie mit
der Wahrheitsnähe und dem Erkenntniswert von Naturgesetzen nichts zu tun haben.
Nur durch eine Ideologisierung naturwissenschaftlichen Denkens kann dem
ganzheitlichen naturalistischen Weltbild, das alles Übernatürliche ausschließen
und alle Unerklärbarkeiten leugnen will, dieselbe Gewissheit und Realitätsnähe
zugestanden werden, die nur die besten Einzelerklärungen der Naturwissenschaft
haben. Nur von daher kann man meinen, man könne das naturalistische Weltbild
den sonstigen Weltanschauungen gegenüberstellen und seine Aussagen als
unmythologisch, alle anderen aber als „mythologisch“ klassifizieren. In
Wirklichkeit ist es genauso mythologisch oder unmythologisch, den Kosmos als
ein großes Uhrwerk zu betrachten, in dem ewige Kausalgesetze gelten, wie ihn
als Schöpfungswerk zu sehen, in dem der Schöpferwille Gestalt gewinnt und es
Phänomene gibt, die sich der Erklärung aus Logik und Sinneserfahrung entziehen.
Aus der Sicht der Naturwissenschaft sind Naturalismus, Materialismus und
Mechanismus ebenso ganzheitliche philosophische Weltdeutungen wie der
Schöpfungsglaube der Bibel. …
S.33f.
Das Eigentliche der Naturwissenschaft liegt in dem Bestreben, alles durch Logik
und Erfahrung kritisierbare Wissen zu kritisieren, sobald dieses Wissen zu
Problemen führt. Auf diesem Erkenntnisweg lässt sich die menschliche
Wirklichkeit der Realität annähern, aber es werden dabei auch die Grenzen
erkennbar, die menschlicher Logik und Sinneserfahrung gesetzt sind …
Der Glaube muss sich ideologiekritisch äußern, wenn er in
der nachchristlichen … Kultur des späten 20. Jahrhunderts gehört werden will.
Denn dass Naturalismus und Szientismus in Kultur und Politik ein schreckliches
Eigenleben gewinnen und Freiheit und Gerechtigkeit zerstören können, haben
Sozialdarwinismus und Rassismus, Atombombe und Umweltbelastung deutlich genug
bewiesen. Es ist Aufgabe der Christen, solchen Ideen und Zielen gegenüber
selbst die „Kunst des Zweifelns“ anzuwenden und ihnen ein Menschenbild
entgegenzuhalten, das Verantwortung vor Gott und Mitmensch möglich macht, das
auf einen Lebenssinn hinweist, den der Mensch nicht für sich selbst schaffen
muss. Ein solches Menschenbild wird niemals im Widerspruch zu dem Teil der
Realität stehen, den der Naturwissenschaftler zu erforschen sucht, aber es
reicht weit darüber hinaus.
Q48 Westermann, Claus: Schöpfung; Kreuz Verlag Stuttgart 1979
S.13f.
wo die Kirche im Aufbruch der Naturwissenschaft versagt hat …: Woran lag das? …
Man hatte aus dem Erzählen von der Schöpfung und dem Lob des Schöpfers eine
Lehre von der Schöpfung gemacht. Das bedeutete eine Festlegung, etwa auf die
sieben Tage des Schöpfungswerkes oder auf bestimmte Vorstellungen, wie etwa des
Himmels als eines festen Körpers. Dies war ein schweres Missverstehen des
Redens von Schöpfer und Schöpfung in der Bibel. Für dieses ist gerade
charakteristisch, dass es erzählend ist, und zwar von verschiedenen Standorten
her, die verschiedene Vorstellungen ermöglichen …
Niemals wird im Alten Testament vom Glauben an den Schöpfer gesprochen, niemals begegnet ein Satz wie
etwa: „Ich glaube, dass die Welt von Gott geschaffen ist“ …
Der Grund dafür ist leicht zu sehen: Eine andere Möglichkeit der Weltentstehung
gab es für die Menschen des Alten Testaments nicht. Die Schöpfung war für sie
kein Glaubenssatz, weil es dafür keine Alternative gab. Anders gesagt: Sie
hatten darin ein anderes Wirklichkeitsverständnis als wir, dass es für sie eine
andere als von Gott gesetzte Wirklichkeit nicht gab. Sie brauchten nicht zu
glauben, dass die Welt von Gott geschaffen ist, weil das eine Voraussetzung
ihres Denkens war.
Q49 Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches
Institut, Leipzig 1983
S.59f.
Es wird im Allgemeinen vorausgesetzt, dass die Naturgesetze universell, d.h.
räumlich und zeitlich unverändert, gültig sind. Gewisse vereinfachende Annahmen
lassen sich meist nicht umgehen, ermöglichen oft sogar erst die Behandlung des
Problems; z.B. wird oft stillschweigend vorausgesetzt, dass die Materie im
Kosmos kontinuierlich verteilt ist …
1.8.6.1. Postulat über die Globalstruktur des Kosmos
Eine grundlegende Annahme der Kosmologie besteht im kosmologischen Prinzip oder Postulat, nach dem der Weltraum homogen und isotrop ist, d.h.,
dass die Verteilung der Materie weder vom Ort noch von der Richtung abhängt …
Die moderne Kosmologie beruht auf der allgemeinen
Relativitätstheorie von Albert EINSTEIN und wird als relativistische Kosmologie
bezeichnet. Sie liefert eine konsequente und widerspruchsfreie Beschreibung der
Raum-Zeit-Struktur des Weltalls; im Sinne von F. ENGELS sind Raum und Zeit
Existenzformen der Materie, und die im Weltall verteilte Materie tritt als
bestimmende Größe für die Geometrie des Raumes und seine zeitliche Entwicklung
auf …
1.8.6.4.1. Kosmische Singularität und Weltalter …
S.266
4.8.1. Entstehung des Lebens auf der Erde
Je weiter man die Entwicklungsgeschichte der Lebewesen auf der Erde
zurückverfolgt, desto geringer wird die Anzahl exakter Belege, desto dunkler
sind die Zusammenhänge im konkreten Fall.
Über die Entstehung des Lebens gibt es nur Hypothesen, die
aber durch Anwendung der ständig fortschreitenden Erkenntnisse insbesondere auf
molekularbiologischem Gebiet zunehmend an Wahrscheinlichkeit gewinnen …
Q50 Heller,
Bruno: Naturwissenschaft und die Frage nach der Religion; EZW-Texte Impulse
Nr.28, Evangelische Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen, Stuttgart 1989
S.4
So bildet denn die griechische Idee der Wissenschaft keinen Gegensatz zu dem,
was auch die antiken Philosophen noch als ein Göttliches ansahen: zum
„theorein“ (dem Betrachten) des höchsten Wesens
S.8
Redet man davon, dass man ein „Weltbild“ habe, so ist wohl gemeint, dass man
sich das Ganze der Welt so oder so vorstelle … im Sinne von Vor-sich-Hinstellen
…
S.9f.
Hypothesenbildung ist eine Sache des schöpferisch-produktiven Verstandes … Auch
die (hypothetisch entworfenen) Weltbilder der modernen Naturwissenschaft sind
Kunstwerke, wenngleich nicht mit dem Pinsel gemalte …
sind solche Weltbildentwürfe auch stets korrigierbar und ändern sich mit dem
Fortgang der Hypothesenbildung, denn immer bleibt sich der (kritische) Forscher
dessen bewusst, dass er Konstrukteur
ist und seine Konstruktionen nicht Endgültigkeit beanspruchen dürfen. Das „ego
cogito“ wird auch aus noch so gut fundierten Theorien nicht hinauskatapultiert.
…
S.10
Die Vorstellung von „der Natur“ ist dem Alten Testament völlig fremd; es
besitzt nicht einmal ein Wort für das, was die Griechen als „physis“
bezeichneten. Das sollte bedenken, wer im ökologischen Sinne die bedrohte Natur
bewahren und den geistlichen Auftrag dazu aus dem Schöpfungsbericht zu gewinnen
sucht. …
Erst die Neuzeit hat den Typus Mensch hervorgebracht, der
Weltbilder entwirft, sich als Subjekt einem Erkenntnisobjekt gegenüberstellt
und damit auch die Freiheit beansprucht, seine eigenen Entwürfe (Hypothesen,
Theorien) gegebenenfalls zu korrigieren oder auch wieder zu verwerfen. Moderne
Weltbilder sind prinzipiell kritisierbar, gerade weil sie gedankliche Freiheit
voraussetzen. Sie bergen beides: die Chance des gedanklichen Vorankommens und
das Risiko, nirgendwo beruhigende Gewissheit finden zu können. Fordern sie
endgültige Anerkennung, so verwandeln sie sich in Ideologien bzw. schlagen in Dogmatismus um. …
S.11
Albert Einstein, der einem seiner Werke den schlichten Titel „Mein Weltbild“
gab …
S.16
Albert Einstein:
“Jene mit einem tiefen Gefühl verbundene Überzeugung von einer überlegenen
Vernunft, die sich in der erfahrbaren Welt offenbart, bildet meinen
Gottesbegriff: man kann ihn also in der üblichen Weise als „pantheistisch“
(Spinoza) bezeichnen.“ …
S.32f.
Wissenschaftliches Arbeiten beginnt mit heuristischen Vorstellungen über das,
was man suchen will, mit Annahmen und Erwartungen. Das gilt sogar schon für die
einfache Beobachtung. Während Wahrnehmung zufällig sein kann, ist Beobachtung
immer zielgerichtet, setzt also eine Beobachtungsabsicht
voraus, und auch für sie gib es dann irgendein apriorisches Konzept …
Jedes Modell zeigt die Handschrift dessen, der es entworfen hat, ist also in
einem entscheidenden Sinne subjektiv, und das gilt auch für die Naturwissenschaften
….
S.35
Der Buddhismus zum Beispiel – zwar zu den Weltreligionen gerechnet – verlangt
keinen Glauben, sondern gibt sich als Lehre, die gedanklich nachzuvollziehen
ist … Und die Griechen Homers haben sicherlich nicht an ihre Götter „geglaubt“,
sondern diese erschienen ihnen als unmittelbar Wirkliches; an Realität muss man
aber nicht glauben, sondern kann sich ihrer im direkten Erleben sicher sein …
S.40
Scaliger datierte 1583 den Weltbeginn an Hand der mosaischen Chronologie auf
das Jahr 3949 v. Chr.
S.42
Als die Naturwissenschaften im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert ihren
Siegeszug vollbrachten, schien für Gott in der verselbständigten und dem
Menschen unterworfenen Natur kein Platz mehr zu sein. So konnte Pierre s. de
Laplace nach dem Abschluss seiner „Himmelsmechanik“ (1805) auf die Frage
Napoleons, wo Gott in diesem System bleibe, trocken antworten: „Sire, diese
Hypothese habe ich nicht nötig.“
Q51 Ewald, Günter:
Naturwissenschaftliche und religiöse Ideologien; EZW-Texte Impulse Nr.35, Evangelische Zentralstelle für
Weltanschauungsfragen, Stuttgart 1993
S.2
Die Bezeichnung „Ideologie“ taucht zum ersten Mal in
Frankreich zur Zeit der französischen Revolution auf. Eine Gruppe von Gelehrten
und Philosophen versuchte im Gefolge der Aufklärung, eine Psychologie des
Menschen aus biologischen und physiologischen Tatsachen abzuleiten. Die
Bewusstseinsinhalte oder Ideen eines Menschen entstehen danach aus
wissenschaftlich beschreibbaren „Empfindungen“, aus bloßer Sinnlichkeit.
Religiöse Bezüge spielen dabei keine Rolle mehr. Von einem
der Gelehrten, Destutt des Tracys, stammt die Bezeichnung „Ideologie“. Er nennt
Ideologie ausdrücklich einen Teil der Zoologie. Die Gruppe der „Ideologen“
wollte nicht nur eine akademische naturwissenschaftliche Psychologie
entwickeln, sondern auch Grundlagen für politisches Handeln schaffen. …
Allgemeiner sollte ein Weltbild geschaffen und in das Erziehungswesen
eingebracht werden, durch das ein gesellschaftlicher Konsens und soziale
Harmonie verbürgt wird. …
Marx verstand sich nicht in erster Linie selbst als Ideologe, sondern betrieb
Ideologiekritik. Er sagte: Ideologie ist nicht die Bemühung von Einzelpersonen
um Natur- und Gesellschaftsverständnis. Sie ist der geistige Überbau einer
Klassengesellschaft, die entfremdete Bewusstseinsform, die in der jeweiligen
Stufe gesellschaftlicher Entwicklung die sozialen Widersprüche aufrechterhält,
begründet und legitimiert. Ideologie ist nicht falsches Bewusstsein eines
richtigen Seins, sondern richtiges Bewusstsein eines falschen Seins. Geändert
werden muss das Sein, dann wird auch das Bewusstsein neu …
Allerdings sieht Marx die Aufgabe der Philosophen nicht nur
in einer Interpretation, sondern in der Veränderung, im Überwinden von ideologischem
Überbau, letztlich im Durchsetzen einer Ideologie der klassenlosen
Gesellschaft. Das heißt, er möchte zu einer Art Erlösungsideologie beitragen,
die in der Überwindung der Klassengesellschaft zur Identität von Sein und
Bewusstsein führt, zur Überwindung der Entfremdung des Menschen von den
Produkten seiner Arbeit. Ideologie und Wahrheit werden dann identisch … Marx
ist Ideologiekritiker und Ideologe zugleich …
Lenin … forderte eine von der Partei verfasste Weltanschauung,
nach der sich nicht nur Ökonomie, gesellschaftliches Leben und Kultur zu
richten hatten, sondern auch die Wissenschaft. Bürgerliche Wissenschaft ist
nach Lenin an den Bewusstseinszustand des Bürgertums gebunden, dialektische
Wissenschaft hat dagegen andere Grundlagen und kommt zu anderen Ergebnissen. …
S.4
Ideologie ist der Versuch, Wahrheit in intellektuell verstehbaren Sätzen zu
formulieren und die formulierte Wahrheit für absolut und verbindlich zu
erklären …
Normen, die man setzt, politische Grundsatzentscheidungen,
die man trifft, werden auch ohne Ideologie immer Ausdruck von nichtrationalen
Überlegungen sein. Ideologisch werden sie erst dann, wenn sie sich auf
unabdingbare wissenschaftliche Notwendigkeit berufen. Meist ist das verbunden
damit, dass Wissenschaft selbst als Instrument verstanden wird, mit dem man
absolute Wahrheit formulieren kann, das heißt, Wissenschaft wird selbst
ideologisiert.
S.6
Physiker St. Hawking, 1988 Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“;
Der Untertitel des Buches lautet: „Die Suche nach der Urkraft des Universums“ …
„Mein Ziel“, sagt Hawking, „ist ein vollständiges Verständnis des Universums,
warum es so ist, wie es ist, und warum es überhaupt existiert.“ Die Antwort zu
finden, „wäre der endgültige Triumph der menschlichen Vernunft.“
Mit seiner wissenschaftlichen Autorität strahlt Hawking eine Hoffnung aus, die
nicht durch die Physik selbst gedeckt ist. Wendet man radikal kritisches Denken
an, so lautet, wie ich meine, das Fazit: Es wird keine Weltformel geben, und
die Rede von ihr ist Ideologie. Der erhoffte Triumph, sie zu finden, ist
Illusion und zeigt eine Hybris, einen Machtanspruch naturwissenschaftlichen
Denkens an, der sich niemals einlösen lässt.
Penrose (Lehrer und Physiker-Kollege von
Hawking JK) weist zunächst auf die Schwierigkeiten hin, die schon in der
mathematischen Seite einer Theorie verborgen liegen. Bereits 1931 hatte der
österreichische mathematische Logiker Gödel bewiesen, dass jedes formale
mathematische System mit ausgefeilten Axiomen und Ableitungsregeln Aussagen
hervorbringt, die sich im System weder beweisen noch widerlegen lassen. Dieser
Satz ist bereits für die Mathematik eine Katastrophe. Viele ahnen nicht, auf
welch wackeligem logischem Fundament die Mathematik aufgebaut ist, entgegen der
verbreiteten Vorstellung, in der Mathematik sei doch alles klar.
S.8
Ohne hier auf Einzelheiten des Kreationismus einzugehen, sei dessen Verständnis
von Naturwissenschaft angesprochen. Für Kreationisten hat Naturwissenschaft
stets Grundvoraussetzungen, die die Inhalte der Wissenschaft entscheidend
bestimmen, sogenannte Paradigmen. Den Evolutionsbiologen wird das Paradigma eines atheistischen
Naturverständnisses zugeordnet, nach dem sich alles aus sich selbst heraus
entwickelt und höherentwickelt. Paradigma der Kreationisten dagegen ist die
Wahrheit der biblischen Schöpfungsoffenbarung. Wie oben erwähnt, kommen
evolutionistische, weltanschauliche Äußerungen mancher Biologen den
kreationistischen Behauptungen über ihre Wissenschaft entgegen. Eine große
Schwierigkeit für Kreationisten ist aber die Tatsache, dass es auch viele
Naturwissenschaftler gibt, die an einen Schöpfergott im Sinne der Bibel glauben
und dennoch die Evolutionstheorie – ohne ihren gelegentlichen weltanschaulichen
Ballast – für eine gute und gut belegte wissenschaftliche Theorie halten. Denen
wird gegen ihr Selbstverständnis ein atheistisches Paradigma unterstellt.
Bemerkenswert ist, wie das fundamentalistisch-kreationistische
Wissenschaftsverständnis dem Leninschen sehr ähnlich ist. Für Lenin liegt das
Paradigma in der Klassenzugehörigkeit, die als Sein das Bewusstsein bestimmt,
für die Kreationisten liegt es in der Zugehörigkeit zur Gruppe der (in ihrem
Sinne) Bibelgläubigen bzw. Nichtbibelgläubigen, mit erleuchtetem oder nicht erleuchtetem
Bewusstsein. In beiden Fällen handelt es sich um blanke Ideologie.
S.10
Man kann fragen: Muss nicht etwa eine
christliche Kirche von ihren Mitgliedern ein Mindestmaß an Glaubensinhalten
fordern, die sich in formulierten Grundwahrheiten niederschlagen; wird nicht
sonst Chaos und Sektentum Tür und Tor geöffnet? Noch einmal: Das gesprochene
und das geschriebene Wort sollen nicht diskreditiert werden. Nichts auch gegen
das Glaubensbekenntnis, wie wir es in den Gottesdiensten gemeinsam sprechen. Aber
wir bekennen nicht objektive Richtigkeiten, sondern fassen einen großen Glauben
in kleine Worte, bruchstückhaft, unvollständig und in der Denkwelt, die unsere
Worte umgibt.
„Ideologie“ ordnen wir zunächst politischen,
naturwissenschaftlichen und religiösen Versuchen zu, absolute Wahrheiten zu
formulieren und Herrschaft daran zu knüpfen. …
Ideologien sind … niemals von vornherein als Unterdrückungsinstrument erfunden
worden; sie waren stets vom Willen geprägt, Wahrheit und Klarheit zu schaffen,
Wege zum Besseren anzubieten. Die Rigorosität aber, mit der sie erschienen,
verkehrte die guten Absichten in ihr Gegenteil. Die Mächte, die Hilfe anbieten
sollten, begannen ein Zerstörungswerk …
S.12
Kierkegaard: „Wahrheit ist das Wagnis, mit unendlicher Leidenschaft dem
objektiv Ungewissen zu begegnen.“
Q52 stud. christ.
Spezialfernkurs; Naturwissenschaft – eine Herausforderung des Glaubens;
Kirchentagskongress der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1978, Lehrbrief 2
S.7f.
mythische Mächte = als Götter vorgestellte Teile der Natur …
Es ist ja gerade der Mythos, der Teile der Natur und Naturvorgänge
personifiziert und in ihnen Götter erkennt …
Außer der israelitischen Theologie hat auch die griechische
Philosophie zu einer „Entgöttlichung“ des kosmischen Himmels und der Erde
beigetragen. Allerdings ist dieser Prozess im Gegensatz zur israelitischen
Religion auf halbem Wege gestoppt worden. Die als Götter vorgestellten
Naturkräfte (Wasser, Feuer, Quellen, Gestirne usw.) wurden vergeistigt zu
„göttlichen Prinzipien“.
S.10
Das Weltbild des Ptolemäus
Der Himmel hat Kugelgestalt und dreht sich mit den daran befestigten Sternen
(daher „Fix“-Sterne = festgemachte Sterne) wie eine Kugel.
Die Erde bildet den unbeweglichen Mittelpunkt dieser Kugel und ist in ihrer
Gestalt selbst eine Kugel.
S.12
die kopernikanische Vorstellung enthielt einen Hauptfehler: sie setzt voraus,
dass die Erde mit gleich bleibender Geschwindigkeit auf einer kreisförmigen
Bahn die Sonne umlaufe. Dadurch entstanden Differenzen zwischen seinen Berechnungen
und den Beobachtungen. In dieser sachlichen Unvollkommenheit und nicht in der
Furcht vor der Inquisition war das Zögern begründet, das bereits um 1530
fertige Manuskript seines Hauptwerkes („Über die Umläufe der Himmelskörper“)
zum Druck freizugeben
S.15f.
Giordano Bruno
Er proklamierte die Unendlichkeit des Weltalls im Gegensatz zur Fixsternsphäre.
Da die Sterne nach seiner Meinung
relativ regelmäßig im unendlichen Raum verteilt sind, ist auch ihre Zahl
unendlich. Sie sind alle Sonnen, von Planeten umkreist, auf denen Lebewesen
vorhanden sind wie auf unserer Erde. Der Gedanke der unbegrenzten Fülle von
Lebensformen im unendlichen All ist der Kerngedanke der Brunoschen
Weltvorstellung, die mehr philosophisch als naturwissenschaftlich begründet
ist. Bruno war kein Atheist. Er wollte den unendlichen Gott mit einer
unendlichen Schöpfung verherrlichen. Es sei Gottes unwürdig, nur eine endliche
Welt geschaffen zu haben, hat er einmal gesagt. …
Giordano Bruno wurde nicht wegen seiner weltbildhaften Vorstellungen oder
seines Eintretens für Kopernikus, sondern wegen seiner Leugnung der Trinität
Gottes verurteilt. Diese Leugnung war allerdings eine Konsequenz seiner
Unendlichkeitshypothese. …
S.17
C.F.v.Weizsäcker:
Die neuzeitliche Naturwissenschaft beginnt und hält durch mit einem Pathos der
diesseitigen Unendlichkeit, d.h. die Welt ist von jeher dagewesen; auch
räumlich ist sie unendlich …
S.22
(seit Beginn der Neuzeit) … man beschränkt sich auf die Aspekte der Welt, die
durch Mathematik und Naturwissenschaften erfassbar und verstehbar sind. Damit
aber ist zugleich die Frage nach Gott und einem durch ihn gegebenen Grund und
Ziel der Welt vom Ansatz her ausgeklammert worden. Insofern sind die Weltbilder
der letzten Jahrhunderte ihrer Voraussetzung nach in dem Sinne atheistisch,
dass sie keine Aussagen zur Frage nach Gott machen wollen oder können. …
S.24
Aufgabe 5:
Lesen Sie den 2. Artikel des Glaubensbekenntnisses ….
1. Versuchen Sie zu beschreiben, welche Aussagen Ihnen weltbildhaft überholt
und nicht nachvollziehbar erscheinen …
Q53 stud. christ.
Spezialfernkurs; Naturwissenschaft – eine Herausforderung des Glaubens;
Kirchentagskongress der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1978, Lehrbrief 3
S.4
Unbeweisbare, aber logisch einsichtige Voraussetzungen der Entstehungsforschung
(z.B. Entstehung der Sterne, des Lebens
JK)
(Damit es möglich wird, fundierte Aussagen zu machen),
müssen drei Forderungen erfüllt sein. Diese sind nicht beweisbar, werden aber
doch im allgemeinen als gültig vorausgesetzt (sogenannte Postulate):
1. Die uns bekannten Naturgesetze dürfen nicht nur lokale Bedeutung haben,
sondern müssen für das ganze Weltall in jeglicher räumlichen und zeitlichen
Ausdehnung gelten.
2. Es darf außer den uns von der Physik und Chemie her
bekannten Wirkursachen keine wesentlich anderen im Kosmos geben.
3. Unser Bild vom räumlichen Nebeneinander der Naturobjekte
muss einen für die Gesamtwirklichkeit typischen Ausschnitt darstellen. Es darf
nicht sein, dass wir mit unserem durch die Forschung gewonnenen Bild von der
Welt einen zufälligen Spezialfall vor Augen haben. …
S.10
Klassifizierung der Schöpfungsmythen
1. Schöpfung als eine Art von Selbstzeugung, so z.B. in der indischen Religion
(Weltall spaltet sich; Sonnengott Ra kommt aus dem Weltei hervor …)
2. Schöpfung als Zeugung durch die Gottheit
3. Schöpfung durch kämpferisch-aktiven Einsatz der Götter …
S.15f.
Grundlegend muss daran festgehalten werden, dass wir nicht von
Schöpfungs-„Wissen“, sondern von Schöpfungs-„Glauben“ sprechen.
Kirchlicherseits hat man immer wieder versucht, den Schöpfungsglauben durch
naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu untermauern oder seine angebliche
Infragestellung durch die Wissenschaft außer Kraft zu setzen, indem man
wissenschaftliche Erkenntnisse in Zweifel zog. Das ist meist gut gemeint, aber
doch ein untaugliches Verfahren, Glauben retten zu wollen. Man hebt ja dadurch
gerade seinen „Glaubens“-Charakter auf und bringt ihn in falscher Weise in
Beziehung zum Wissen.
Ebenso ist natürlich die atheistische Argumentation, Glaube sei durch die
Wissenschaft widerlegt, grundlos., da es sich ja nicht um ein
Konkurrenzunternehmen gegenüber der Wissenschaft handelt.
S.18
Mit der Naturwissenschaft teilt der Schöpfungsglaube die Offenheit für neue
Erkenntnisse im Naturbereich, seine Freiheit gegenüber jeglichem
Weltbild-Dogmatismus.
Gegen die Naturwissenschaft steht der Schöpfungsglaube dort, wo diese sich zum
Wissenschaftsaberglauben wandelt, indem sie sich absolut setzt und den Anspruch
erhebt, alle Lebensfragen mit ihrer Methode beantworten zu können.
Die Gefahr solcher Überschätzung der Naturwissenschaft ist gegeben – nicht von
der Naturwissenschaft her, sondern vom Menschen aus, der sie betreibt.
Und unsere Zeit scheint besonders anfällig dafür zu sein. Hier hat der
Schöpfungsglaube eine bedeutsame Aufgabe zu erfüllen:
Nicht etwa, dass er an die Stelle naturwissenschaftlicher Aussagen
Glaubenserfahrungen als sogenanntes „Quasi-Wissen“ setzt oder gar Bibelzitate
dagegenstellt, sondern nur, indem er den Naturwissenschaftler zur Besinnung
ruft und ihn an die seiner Wissenschaft eigene Aussagen-Exaktheit gemahnt. …
Der Schöpfungsglaube mahnt aber auch uns Christen, dass es
nicht nur einen Wissenschaftsaberglauben gibt, sondern dass sich auch der Glaube
als „Aber-Wissen“ präsentieren kann – und diese Gefahr ist in unserer Zeit
nicht minder groß!
Q54 Fischer, E.P.: Leonhardo, Heisenberg & Co., Piper
Verlag Taschenbuch München 2004
S.231
Heisenberg;
die sogenannte Unbestimmtheitsrelation, die unter dem (weniger genauen) Namen
Unschärferelation in die Alltagssprache eingegangen ist …
Heisenbergs Relation erfasst die Tatsache, dass sich nicht alle Eigenschaften
eines Objekts von atomaren Ausmaßen mit beliebiger Genauigkeit in einem
Experiment messen lassen. Man kann z.B. nicht den Ort und die Geschwindigkeit
eines Elektrons zugleich ermitteln,
wie Heisenberg zum ersten Mal erkannte …
Es geht weniger um Ungenauigkeit und mehr um Unbestimmtheit. Es geht in
Wahrheit nicht einfach darum, dass sich zwei Eigenschaften eines Elektrons
(oder anderer Gegebenheiten der atomaren Sphäre) nicht gleichzeitig messen
lassen; schließlich nimmt man in diesem Fall an, dass die anvisierten
Eigenschaften einen aktuellen Wert unabhängig davon haben, ob sie jemand messen
will. In Wahrheit ist die Sache viel schlimmer, wie Heisenberg erkannte.
Tatsächlich besitzt ein Elektron gar keine bestimmte Eigenschaft, bis jemand es
auf sie abgesehen hat und sich um deren Messung bemüht. Objekte der atomaren
Wirklichkeit sind ohne die auf sie gerichtete Aufmerksamkeit (ohne einen
Eingriff) eines Beobachters unbestimmt, und zwar präzise in der Weise, in der
es die (mathematisch formulierten) Unbestimmtheitsrelationen angeben.
Elektronen halten sich alle Möglichkeiten offen, bevor sie – unter der Vorgabe
eines Subjekts in Form des Experimentators – aktuelle Qualitäten annehmen …
Heisenberg schreibt in den 1950er Jahren in seinem Buch Physik und Philosophie …: „Wir müssen uns daran erinnern, dass das,
was wir beobachten, nicht die Natur selbst ist, sondern Natur, die unserer Art
der Fragestellung ausgesetzt ist.“
Q55 Steinmüller,A., Steinmüller,K.: Charles
Darwin – vom Käfersammler zum Naturforscher Verlag Neues Leben Berlin, 1985
S.86f.
Zu Charles Darwins Pflichtlektüre (während seines Theologiestudiums in
Cambridge ab 1827) gehören die theologischen Werke des 1805 verstorbenen
Archidiakonus William Paley. …
Besonders beeindruckt Charles die „Natürliche Theologie“ von Paley. … eine
Auffassung, die Gottes Wirken überall in der belebten Natur sehen will und
durch die Zweckmäßigkeit der Organismen begründet. Paley benutzt dabei das
althergebrachte Bild von der Uhr und dem Uhrmacher, um die Existenz Gottes zu
beweisen. Angenommen, wir finden eine Uhr auf dem Wege liegen, argumentiert er,
„wenn wir die Uhr aufheben und genau betrachten, bemerken wir …, dass ihre
Teile für einen speziellen Zweck erfunden und zusammengefügt wurden … Der
Mechanismus lässt unausweichlich darauf schließen, dass die Uhr einen
Konstrukteur hat … der sie für diesen Zweck entworfen hat.“
Genauso, lehrt Paley, stehe es mit der belebten Natur. All ihre Teile griffen
ineinander, jedes einzelne sei der Umwelt und den anderen Teilen sinnvoll
angepasst. Allein durch die Weisheit und Güte ihres Schöpfers, sagt Paley,
könne man die Zweckmäßigkeit der Organismen erklären.
S.356
Friedrich Engels schrieb am 12.Dezember 1859 an Karl Marx:
„Übrigens ist der Darwin, den ich jetzt gerade lese, ganz famos. Die Teleologie
war nach einer Seite hin noch nicht kaputtgemacht, das ist jetzt geschehen.
Dazu ist bisher noch nie ein so großartiger versuch gemacht worden, historische
Entwicklung in der Natur nachzuweisen …“
Marx´ bestätigt diesen Leseeindruck später: „… ist dies das Buch, das die naturhistorische
Grundlage für unsere Arbeit enthält.“
Q56
Zahrnt, Heinz: Mutmaßungen über Gott,
Piper Verlag München Zürich, Taschenbuch 1997, S.11ff.
Soll ich meinen Glauben als Christ auf einen kurzen Satz
bringen, so kann ich sagen: Ich habe eine gute Vermutung zu Gott. Denke ich
aber über diese gute Vermutung nach, so ergeben sich nur Mutmaßungen über Gott.
Das geht jedoch nicht allein dem Theologen so, sondern jedem Christen, der über
seinen Glauben nachdenkt - und wer täte dies nicht?
Damit kommt die Absicht des Buches in Sicht. Ich versuche
in ihm meinen religiösen
Lebensweg zugleich als theologischen
Denkweg nachzuzeichnen: wie Glauben und Verstehen, religiöse Erfahrung und
theologische Reflexion sich für mich spannungsvoll, oft auch widerborstig aufeinander
bezogen und wechselseitig korrigiert haben. Von der Kindheit bis ins Alter
wollte der Glaube Stück um Stück immer neu gelebt und bedacht sein: Die
Autorität der Bibel ebenso wie die Christologie, die Kirche wie die
Weltreligionen, das politische Handeln wie das ewige Leben und in all dem immer
wieder die Frage nach Gott. Was der Christ und der Zeitgenosse in mir sich
dabei zu sagen hatten, worüber sie sich ausgetauscht, auch miteinander
gestritten haben, darüber hat der Theologe nachgedacht, und der Autor hat es
niedergeschrieben.
Dem Anliegen des Buches entspricht sein Titel »Mutmaßungen über Gott«.
Der Ausdruck geht nicht auf Uwe Johnsons Roman »Mutmaßungen über Jakob« zurück,
sondern stammt von Nikolaus von Kues (»coniecturae Dei«). Für den Kusaner ist
Gott in seinem Wesen vom Menschen nicht zu erkennen und zu benennen. Weil er
unsichtbar ist, gibt es nur Ansichten von ihm - Projektionen, je aus der
Perspektive des Betrachters verschieden und entsprechend vielfältig und
ungenau. Die Vielfalt und Ungenauigkeit bedeutet jedoch keine Beliebigkeit!
Weil das Unendliche im endlichen Erkennen gegenwärtig ist, gibt die Welt dem
Menschen Anhaltspunkte für seine Bilder von Gott an die Hand.
Mutmaßungen über Gott sind demnach keine grundlosen Behauptungen,
sondern Aussagen mit Wahrheitsgehalt. Bieten sie auch keine endgültige
Erkenntnis Gottes, so gewähren sie doch Teilhabe an seiner Wahrheit. Diese
ständige Unfertigkeit aller Gotteserkenntnis versetzt den Menschen in Unruhe;
sie nötigt ihn zu immer neuen Revisionen. Es gibt keine abgeschlossene
kartographische Erfassung des Wesens Gottes - das Gelände muss immer neu
erkundet und vermessen werden.
Wie dieser Prozess in meinem Leben aussieht, davon handelt das Buch. Ich
nehme mit ihm die Thematik meines vor fast zwanzig Jahren geschriebenen und
seit langem vergriffenen Buches »Warum ich glaube« noch einmal auf - nicht in
Neuauflage, sondern als eine neue Arbeit. Seitdem habe ich noch eine ganze
Reihe von Büchern geschrieben. Auch ihr Stoff ist in dieses Buch eingeflossen.
Dabei meinte ich es verantworten zu können, früher Geschriebenes, weil nach
meiner Ansicht endgültig ausformuliert, wieder aufnehmen zu dürfen. So ist
schließlich die theologische Summe aus
achtzig Lebensjahren entstanden, geprägt von dem immer stärkeren Streben
nach dem Einfachen und Elementaren.
Dabei war es wie stets meine Absicht, den christlichen
Glauben zwar verstehbar, aber nicht für die Vernunft gefällig zu machen. Statt
Probleme zu verschleiern, habe ich sie lieber überzeichnet, statt
Harmonisierungen anzustreben Dissonanzen markiert. Denn wir mögen es drehen
und wenden, wie wir wollen - der Glaube an Gott bleibt angesichts der Welt, wie
sie ist, eine unglaubliche Zumutung.
Ich habe mich bemüht, das Buch so persönlich und ehrlich
wie möglich zu schreiben. Darum hoffe ich, dass auf mich nicht der Satz Max
Frischs zutrifft: »Jeder erfindet früher oder später eine Geschichte, die er
für sein Leben hält.«
Q57 Pressemitteilung www.idea.de, 15.9.08
„Kirche von England“ schließt
Frieden mit Darwin
L o n d o n
(idea) – Ihren Frieden mit dem Begründer der Evolutionstheorie, Charles Darwin
(1809-1882), hat die anglikanische Kirche von England geschlossen. Am 15. September
eröffnete sie eine Internetseite (www.cofe.anglican.org/darwin), auf der sie
sich unter anderem für Angriffe der Kirche auf den englischen Naturforscher
posthum entschuldigt.
Anlass sind die bevorstehenden Darwin-Jubiläen im nächsten Jahr. Vor 200
Jahren, am 12. Februar 1809, wurde er in Shrewsbury geboren, und vor 150 Jahren
(1859) veröffentlichte er sein Hauptwerk „On the Origin of Species“ (Die
Entstehung der Arten). Schon zu Lebzeiten wurde Darwin scharf von
Kirchenkritikern angegriffen, die seine Lehren im Widerspruch zu den biblischen
Schöpfungsberichten sahen. Noch heute gehören christliche Vertreter des
Kreationismus (Schöpfungslehre) zu den schärfsten Gegnern der
Evolutionstheorie. „Charles Darwin - 200 Jahre nach Ihrer Geburt schuldet Ihnen
die Kirche von England eine Entschuldigung dafür, Sie missverstanden zu haben,
und weil unsere erste Reaktion falsch war, haben wir andere ermutigt, Sie immer
noch misszuverstehen“, schreibt der Direktor für Mission und Öffentlichkeit der
Kirche, Malcolm Brown (London). In Darwins Erkenntnissen finde sich nichts, was
im Widerspruch zu christlicher Lehre stehe. Jesus selbst habe dazu
aufgefordert, die Welt zu beobachten und daraus auch Erkenntnisse über Gott zu
erlangen. Brown: „Zwar glauben Christen, dass die Bibel alles enthält, was wir
wissen müssen, um aus unserer Sünde errettet zu werden, aber sie behaupten
nicht, dass die Bibel ein Kompendium allen Wissens sei.“ Es sei vernünftig, von
einem Evolutionsprozess über Jahrtausende auszugehen. Man dürfe jedoch nicht
die natürliche Auswahl auf das menschliche Zusammenleben übertragen und daraus
ableiten, dass sich der Stärkere durchsetzen müsse. Vor diesem
Sozial-Darwinismus müsse man Darwin selbst schützen, so Brown.
Q58 GEO kompakt 14, Die 100 größten
Forscher aller Zeiten, 2008
(S.35 zu
Kopernikus:)
Vor allem protestantische Theologen widersprechen den Zweiflern am
althergebrachten Weltmodell. Für sie ist die Bibel die einzig maßgebliche
Instanz.
(S.38ff. zu
Galilei):
Nie hat ein einzelner Prozess einer Institution so geschadet wie dieser. Bis heute hängt dem Vatikan das
Verdikt an: wissenschaftsfeindlich, rückwärtsgewandt, unbelehrbar! Der Prozess
gegen Galilei war, so die übliche Lesart, der Höhepunkt der jahrhundertelangen
Unterdrückung Andersdenkender, der letzte Beweis für die Intoleranz der
Inquisition.
Zugleich war er der Beginn einer strahlenden Epoche, an der die Kirche weder
teilhaben konnte noch durfte: Aufklärung, moderne Wissenschaft, Fortschritt!
Galilei war ein Held, die Kirche ein Schurke. So wird das Drama bis heute
gelesen.
Nur kann die neueste Forschung diese Deutung nicht bestätigen. Sie findet im
Galilei-Prozess weniger ein Heldenstück als eine Tragikomödie: ein verworrenes
Lehrstück über Macht und Missbrauch, über Eitelkeit und Eigennutz, über
Verfehlungen und Verirrungen. Nur eines kommt darin kaum vor: Wissenschaft. Um
sie ging es am wenigsten, auch wenn das Stück mit ihr beginnt. …
(Galilei beobachtet mit seinem Teleskop:) Auf dem Mond gibt es Berge! Täler!
Krater! Das kann, das darf nicht sein.
Nach gängiger Lehre, unbezweifelt seit den antiken Gelehrten Aristoteles und
Claudius Ptolemäus, ist der Kosmos in zwei Sphären unterteilt. In der irdischen
Sphäre sind alle Dinge veränderlich, endlich, unvollkommen. Jenseits davon, im
himmlischen Reich, auf dem Mond also und bei den Sternen, ist alles ewig,
unveränderlich, vollkommen. Daher hat man sich den Mond als glatt polierte,
wenngleich leicht fleckige Kugel vorgestellt.
Denn am perfekten Himmel kann nur eine perfekte Kugel hängen.
Aber nichts davon: Der Mond gleicht der Erde in all ihrer Unvollkommenheit –
sollten Himmel und Erde also aus dem gleichen Stoff sein? Es wäre ein
kosmologischer Umsturz …
Die Sonne, so erkennt er später, hat Flecken – ist auch sie nicht perfekt? …
Den Jupiter umkreisen vier Monde! …
In jenen Tagen glaubt man, das gesamte Universum habe nur einen einzigen
Drehpunkt: die Erde. … Die Monde, die ihre Bahnen um den Jupiter ziehen, sind
der Beweis, dass nicht alle Himmelskörper um die Erde kreisen …
Rasch schreibt er nieder, was er entdeckt hat … Die nur 48-seitige Broschüre
(„Die Sternenbotschaft“ 1610) macht ihn innerhalb weniger Wochen zum
berühmtesten Wissenschaftler Europas …Die Herrscher – weltliche wie geistliche
– gieren nach Sensationen, nach Abwechslung. Ob das Weltbild wankt,
interessiert sie wenig.
Ganz anders die Philosophen, die das Geistesleben Europas beherrschen und weit
energischer als Kirche und Obrigkeit die traditionelle Weltsicht verteidigen.
Diese scholastischen Gelehrten werden in den folgenden Jahren zu Galileis
erbittertsten Feinden.
Sie haben auch am meisten zu verlieren: Sollte sich Galileis Forschungsmethode
durchsetzen – Erkenntnis durch Beobachtung und Experiment – wären sie
entbehrlich.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sie auf einigen Grundsätzen des Aristoteles und
anderer antiker Philosophen ein überwältigend komplexes Denksystem errichtet.
Das Messen, Experimentieren, Wiegen, so wie es Galilei unternimmt, gilt ihnen
als völlig untauglicher Weg zur Erkenntnis. Nach ihrer Vorstellung lassen sich
die tiefsten Seinsgründe nicht durch Beobachtung, nicht durch die Sinne
erschließen, sondern nur durch die Vernunft, durch eine rein geistige
Wesensschau. …
Es gehört zum Mythos der modernen Naturwissenschaft, dass ihre frühen
Entdeckungen die Menschen wie selbstverständlich überzeugt hätten, allein durch
die Macht ihrer Wahrheit. Und dass nur verstockte Ewiggestrige wie die
kirchlichen Inquisitoren sich deren Evidenz verweigert hätten.
Aber so ist es nicht gewesen. Nach dem damaligen Kenntnisstand haben Galileis
Gegner gute wissenschaftliche Argumente. Also muss der Astronom dafür sorgen,
dass seine Entdeckungen auf anderen Wegen akzeptiert werden. …
Galilei widmet seine Schrift
„Sternenbotschaft“ dem Großherzog der Toskana … dieser ernennt ihn zu seinem
„Ersten Mathematiker und Philosophen“ und stattet ihn mit Empfehlungsschreiben
aus… Kaiser Rudolf II. in Prag schaut „glücklich und zufrieden“ durch das ihm
von Galilei geschickte Fernrohr …
1611 reist Galilei nach Rom an den päpstlichen Hof … Kardinäle besuchen seine
Teleskopvorführungen, die jesuitischen Astronomen bestätigen seine Entdeckungen
und feiern ihn auf einer eigens einberufenen Konferenz. Papst Paul V. gewährt
ihm eine Privataudienz – es gibt keinerlei Anzeichen, dass die Kirche ihren
Glauben bedroht sieht durch Galileis Entdeckungen.
Dennoch hält sich bis heute die Legende, die Kirche sei durch Galileis Teleskop
in eine tiefe Krise geraten. Und dass sie ihn verfolgt habe von Anfang an, als
Ketzer, als Zerstörer des Glaubens.
Nichts dergleichen. Das sind Erfindungen des 18. und 19. Jahrhunderts, als
Aufklärer die Kirche schwärzer malen, als diese jemals gewesen ist.
Die Kirche ist in der frühen Neuzeit der bedeutendste Förderer des Wissens.
Italien steht weitgehend unter dem Einfluss des Papstes, und Kunst und
Wissenschaft florieren wie kaum anderswo in Europa. …
Schon Kirchenlehrer wie Augustinus (354-430) und Thomas von Aquin (1225-1274)
haben Naturerkenntnis und Glauben zu unterscheiden gewusst. Sie waren klug
genug, die Bibel nicht wegen jeder neuen wissenschaftlichen Entdeckung Zweifeln
auszusetzen.
In der Astronomie, verkündete im 4. Jh. Augustinus, könne ein Ketzer mitunter
besser informiert sein als ein frommer Christ. Und zu Galileis Zeit heißt es:
Die Bibel zeigt den Weg in den Himmel, aber nicht, wie es im Himmel zugeht.
Die katholische Kirche hat die Heilige Schrift zu keiner Zeit als wörtliche
Wahrheit verstanden. erst recht nicht als wissenschaftliches Lehrbuch. …
Als Galilei seine Entdeckungen macht, kennt die Kirche daher kein Dogma, nach
dem die Welt sich um die Erde drehe. Zwar sind die meisten Theologen – wie
praktisch alle Menschen jener Zeit – fest vom Geozentrismus überzeugt; aber bis
dato ist er nicht zur Glaubenssache erhoben worden.
Erbitterte Gegner des Heliozentrismus von Copernicus finden sich in jener Zeit
eher unter Protestanten, eben weil sie die Bibel oft wortwörtlich nehmen. …
1613: Galilei verteidigt in seinen „Briefen über die Sonnenflecken“ zum ersten
und einzigen Mal in seinem Leben schriftlich die Lehren des Nicolaus
Copernicus.
1614: Der Karmeliterpater Paolo Antonio Foscarini veröffentlicht eine
Streitschrift, in der er die Bibel Punkt für Punkt mit dem heliozentrischen
Weltbild aussöhnt. Er legt sie dem Kardinal-Inquisitor Bellarmin vor.
1615: Ein Dominikanerpater zeigt Galilei an, aber die römische Inquisition
sieht keinen Anlass, ein Verfahren zu eröffnen. Bellarmin schreibt Foscarini in
einem höflichen Brief, die Kirche habe nichts gegen Kopernikus einzuwenden,
solange die Forscher dessen Lehre bloß „ex suppositione“ darstellen, also als
Hypothese, nicht als bewiesene Wahrheit.
Der 73-jährige Kardinal will auf diesem Wege beides schützen, die herrschende
Bibelauslegung und die Freiheit der Forschung. Die meisten Wissenschaftler
akzeptieren den Vorschlag. Er behindert ihre Arbeit nicht, und einen Beweis für
das copernicanische Weltbild kann eh noch niemand erbringen.
Einer der wenigen, die gegen den Kompromiss anschreiben, ist Galilei. Er
verlangt, dass sich die Kirche aus allen naturwissenschaftlichen Fragen
heraushalte – nicht so sehr, um die Forschung vor der Kirche zu bewahren,
sondern um im Geiste der Kirchenlehrer die Bibel vor neuen Erkenntnissen zu
schützen. Dennoch schafft er sich viele Feinde, weil er sich weit auf das
Gebiet der katholischen Theologen wagt.
Die werden immer nervöser, je mehr sich der Protestantismus ausbreitet. Die
Bibelexegese ist der zentrale Streitpunkt zwischen den Konfessionen, und in
jenen Tagen gilt jede Neudeutung als heikel: Wenn man die astronomischen
Aussagen der Bibel neu auslegen kann, so fürchtet der Vatikan, warum dann nicht
gleich die ganze Bibel?
1616 gewinnen die Hardliner im Vatikan die Oberhand. Die Kirche setzt das
Hauptwerk des Kopernikus „De revolutionibus orbium coelestium“ („Über die
Umdrehungen der Himmelskörper“ – genauer:
der himmlischen Kreise, Copernicus nahm noch kreisförmige Kugelschalen an,
Sphären, die sich mit den Himmelskörpern bewegten JK -, 1543), das sie 73
Jahre lang toleriert hatte, auf den Index.
Zugleich billigt der Papst ein drastisches Edikt: Der Standpunkt der
Copernicaner, die Sonne sei der Mittelpunkt der Welt, sei „philosophisch
töricht und absurd, und formal ist er ketzerisch.“ Das gleiche gelte von der
Erdbewegung, auch sie sei „hinsichtlich der theologischen Wahrheit zumindest
glaubensmäßig irrig.“
Erstmals in ihrer Geschichte macht sich die Kirche eine kosmologische Lehre
offiziell zu eigen – und dann ausgerechnet jenen Geozentrismus, den die meisten
Astronomen zwar noch unterstützen, der aber längst nicht mehr zweifelsfrei dasteht.
…
Die Folgen dieses neuen Dogmatismus sind zunächst allerdings weit weniger
dramatisch als befürchtet. Denn wieder einmal ist der Vatikan alles andere als
konsequent. Eigentlich müsste die römische Inquisition nun sofort ein Verfahren
wegen Ketzerei gegen Galilei einleiten. Stattdessen zitiert Kardinal Bellarmin
den Forscher herbei und übergibt ihm in herzlicher Atmosphäre eine schriftliche
– und väterliche – Ermahnung, die beiden verbotenen Aussagen nicht mehr zu
verteidigen …
Erstaunlich milde verfährt die Kirche auch mit dem Buch des Copernicus. Sie
lässt nach der Indizierung alle Aussagen über die Erdbewegungen als Hypothesen
umschreiben, und bereits 1620 erhält das Werk wieder die Druckerlaubnis.
Galilei lässt sich durch seine kurze Konfrontation mit den römischen
Glaubenswächtern nicht sonderlich beunruhigen … 1623 wird sein Freund und
Gönner Maffeo Barberini als Urban VIII. auf den Papstthron gewählt. Im Jahr
darauf empfängt Urban Galilei sechsmal in seinem Palast zu langen
philosophischen Gesprächen; er schenkt ihm Medaillen, gewährt ihm Ablässe und
eine lebenslange Pension.
Urban ermuntert en Forscher zudem, in seinem nächsten Buch „durchaus die
mathematischen Betrachtungen der copernicanischen Annahme über die Bewegung der
Erde“ anzuführen, solange er sie als Hypothese darstelle. Der Papst ist nicht
der einzige, der hofft, Galilei könne den ursprünglich griechisch-heidnischen
Aristotelismus ablösen und dem Christentum eine neue Weltsicht schenken. …
1632 veröffentlicht Galilei den „Dialog über die beiden hauptsächlichen
Weltsysteme, das ptolemäische und das coprnicanische“, die Ideen sind
weitgehend als Hypothesen verfasst … zwar
haben kirchliche Zensoren die Druckerlaubnis erteilt, doch Papst Urban
verbietet den weiteren Verkauf … Hintergrund: Galilei hat Vereinbarungen nicht
eingehalten, Urban hat außenpolitischen Druck, muss Härte und
Durchsetzungsvermögen zeigen ... es geht um Politik und Macht … Urban beruft
ein Sondertribunal ein, um die Anklage gegen Galilei zu formulieren …
Die Anklage ist merkwürdig zahnlos. Galilei steht nicht etwa wegen Ketzerei vor
Gericht – oder weil er ein verbotenes Weltbild vertreten habe. …
Das gilt nicht für den einzigen ernst zu nehmenden Vorwurf: Er lautet auf
Ungehorsam gegen die Kirche und stützt sich auf ein Dokument von 1616, das
Galilei nach eigener Aussage nie zuvor gesehen hat. … Demnach hätte Galilei den
Copernicanismus „in keiner Weise, weder in Wort noch Schrift“ lehren dürfen,
also auch nicht als Hypothese. Gegen diese Auflage habe Galilei verstoßen. Eine
wackelige Argumentation: Denn das mysteriöse Dokument trägt weder Stempel noch
Unterschrift … (nach einem Privatbesuch
eines Kommissars der Inquisition) gesteht Galilei drei Tage später seinen
Irrtum ein. …
Es vergehen noch einmal fast zwei Monate, ehe die Kardinäle im Tribunal ihr
Urteil sprechen, „dass Du, Galilei, Dich der Häresie sehr verdächtig gemacht
hast; das heißt, dass Du eine Lehre geglaubt und behauptet hast, welche falsch
und der Heiligen und Göttlichen Schrift zuwider ist.“
am 22.6.1633 schwört Galilei ab …
In seinem letzten Lebensjahr diktiert Galilei in einem Brief an einen
Freund …: „Dass das copernicanische System falsch sei, darf um keinen Preis
bezweifelt werden, vor allem nicht von uns Katholiken. Und genau wie ich die
Beobachtungen und Vermutungen des Copernicus für unzureichend halte, so halte
ich ebenso und noch mehr diejenigen von Ptolemäus und Aristoteles für
trügerisch und irrig.“ …
(Im „Dialogo“ hatte er geschrieben:) „Es gibt kein Geschehnis in der Natur,
auch nicht das einfachste, das von den Theoretikern jemals vollkommen
verstanden werden kann.“
Alles Wissen ist vorläufig und richtig nur, bis es als falsch erwiesen wird. …
Das ist Galileis radikale, antimetaphysische, moderne Botschaft.
Q59 Benjamin Gruner, in:
Sächsisches Gemeinschaftsblatt, Hrsg. Landesverband Landeskirchlicher
Gemeinschaften Sachsen e.V., Heft 4/2008 S.2
Die Bibel ist Gottes Wort
… Wenn man gleich am Anfang der Bibel liest, wird von der wunderbaren
Schöpfung der Erde in sechs Tagen berichtet.
Es gibt heute viele Menschen, die sich Christ nennen und die Schöpfung in sechs
Tagen ablehnen.
Ja sogar die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) lehnt die Schöpfung, wie
sie in der Bibel steht, ab.
Ich kann nicht begreifen, warum sich diese Leute Christen nennen. Gott sagt uns
ganz deutlich, dass Menschen, die sein Wort in Frage stellen, untüchtig für den
Glauben sind (2.Tim.3,8).
Wir brauchen uns nicht immer neue Lehren auszudenken.
Denn die Bibel war damals und ist heute das unfehlbare und irrtumslose Wort
Gottes.
Jegliche Bibelkritik ist ein Zeichen, dass Menschen sich von Jesus weg bewegen
…
Ideologie
... in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommener Begriff, der in wörtl.
Entsprechung zunächst Wissenschaft von den Ideen, dann aber auch System oder
Menge von Ideen, schließlich die Anordnung und das Hervorbringen von
Vorstellungen zur Interpretation der Welt in einer bestimmten (z. B.
interessegeleiteten und damit verfälschten) Sichtweise bedeutet.
Schon diese versch. Schattierungen weisen darauf hin, dass es für die
Begriffsbestimmung von I. keine eindeutige Definition gibt, dass es sich
hierbei vielmehr um ein operatives Konzept handelt, das in jeweils
unterschiedlichen histor. und polit. Situationen, in der allgemeinen Sprache
und in und in unterschiedl. wiss. Fragestellungen und gesellschaftstheoret.
Entwürfen eine jeweils eigene Gestalt, einen eigenen Begriffsumfang und eine je
nach Standort versch. Wertzuschreibung erfahren kann. Eine allen
Verwendungsweisen von I. mag darin bestehen, dass es sich bei der Beschäftigung
mit I. jeweils um die Betrachtung des Verhältnisses einer Vorstellungswelt zu
einer -
wie immer aufgefassten - wirklichen Welt handelt; es geht also um die
Betrachtung von Ideen, Aussagen, Welt- und Denkmodellen im Hinblick auf ihre
gesellschaftl. (gruppenspezifischen) histor., polit. oder ökonom. Grundlagen
und Auswirkungen, wobei die Zuordnungen und Erklärungen, nicht zuletzt die
Bewertungen dieser Relation (anhand von Kriterien wie Wahrheit, Angemessenheit,
Notwendigkeit oder Plausibilität) große Unterschiede aufweisen können. Die
Frage nach der I. zielt also auf >den Zusammenhang von Bewusstsein und
Gesellschaft< (H.-J. Lieber) ...
Im allgemeinen Sprachgebrauch hat der Begriff I. eine negative Färbung,
insoweit als unter I. eine unbegründete, willkürl. oder durch Interesse
verzerrte, keineswegs also allgemeingültige (gar >richtige<) Deutung der
Wirklichkeit im Lichte des jeweils eigenen (also partikularen) Ideensystems
verstanden wird. In diesem Sinn werden als I. auch die weltanschaul. Lehren
bezeichnet, deren Anerkennung durch die Bevölkerung in totalitären Systemen
erzwungen wird. Mitunter dient der Begriff I. auch zur Bez. einer praxisfernen,
an einer >reinen Lehre< orientierten und deshalb unzureichenden oder
verfälschenden Auffassung der Wirklichkeit.
Im wissenschaftsorientierten, aber auch im polit. Gebrauch lassen sich dagegen
ein krit., ein neutraler und ein positiver I.-Begriff unterscheiden. ...
Q61 Fuchß, H.: Hat die Bibel recht?, Urania-Verlag Leipzig 1957, S.13
„Grenzenlos in Raum und Zeit ist das Weltall.“
Q62 Spektrum der Wissenschaft Heft 9/2007 S.102ff.
Evolutionsforscher Richard Dawkins (in einer Buchrezension):
„Sicher ist jemand, der bei einer Unterhaltung behauptet, nicht an die
Evolution zu glauben, ungebildet, dumm oder verrückt.“
Q63 bild der
wissenschaft Heft 2/2009 S.54ff.
Der dänische Astronom Tycho Brahe schlug 1587 einen
Kompromiss (zwischen dem ptolemäischen
und dem kopernikanischen Weltbild) vor: Die Erde bleibt im Zentrum,
umkreist von Mond und Sonne … die Sonne wiederum steht im Mittelpunkt der
Kreisbahnen der anderen Planeten …
Johannes Kepler machte sich in seinem Werk „Astronomia Nova“
(1609) an den Nachweis, dass sich sowohl nach dem ehrwürdigen geozentrischen
System des Ptolemäus als auch nach dem neuen heliozentrischen System des
Kopernikus die einigermaßen sicheren Positionen der Planeten errechnen lassen.
Auch wenn man beide Systeme kombiniert, wie es Tycho Brahe getan hat, kommt man
zu vernünftigen Ergebnissen. Alle drei Systeme sind geometrisch und
mathematisch miteinander kompatibel. Die bloße Beobachtung und die Beschreibung
der Phänomene bringt also keine Entscheidung über falsch oder richtig … Kepler
ging den Schritt von der reinen Beobachtung zur begründenden Erklärung …
probierte viele Möglichkeiten … und kam zu dem Resümee: „Also ist die
Planetenbahn eine Ellipse … “
Galilei hatte Keplers „Astronomia Nova“ wohl nicht gelesen,
jedenfalls erwähnt er nichts davon. Noch 1632 schrieb er in seinem „Dialog“
unbeirrt von Kreisen und nicht von Ellipsen, auf denen die Planeten um die
Sonne laufen.
Q64 Martin Luther: Der Kleine
Katechismus (1529), Erklärung zum ersten Artikel des christlichen
Glaubensbekenntnisses
Der erste Artikel: Von
der Schöpfung
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und
der Erde.
Was ist das?
Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat
samt allen Kreaturen,
mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder,
Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält;
dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken,
Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter;
mit allem, was not tut für Leib und Leben,
mich reichlich und täglich versorgt,
in allen Gefahren beschirmt
und vor allem Übel behütet und bewahrt;
und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher
Güte und Barmherzigkeit,
ohn all mein Verdienst und Würdigkeit:
für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam
zu sein schuldig bin.
Q65 Bild der
Wissenschaft, Heft 12-2003 S.40
Ohne die Maxwellschen Gleichungen
der Elektrodynamik hätten wir weder Radio- noch Röntgengeräte, ohne Albert
Einsteins Relativitätstheorie weder GPS noch Satelliten-Wetterbilder, und ohne
die Schrödinger- und Dirac-Gleichung in der Quantenmechanik weder CD-Spieler
noch Kernspin- und Positronen-Emissions-Tomografie zur Diagnose von
Erkrankungen und zur Abbildung von Hirnaktivitäten. ...
Q66 bild der wissenschaft 11-2008 S.10
„Wir verdanken unseren Wohlstand der Entscheidung,
Wissenschaft zu betreiben.“
(Ernst Peter Fischer, Wissenschaftshistoriker)
Q67 Die Bibel,
erschlossen und kommentiert von H. Halbfas, Patmos 2001, S.29
Werner Heisenberg:
„Der Gegenstand der Forschung ist nicht die Natur an sich, sondern die der
menschlichen Fragestellung ausgesetzte Natur, und insofern begegnet der Mensch
auch hier wieder sich selbst.“
Q68
Christian Schwarke / Roland Biewald: Weltbilder – Menschenbilder; Themenhefte
Religion, Ev. Verlagsanstalt Leipzig, 2003, S.27
„Für Luther ist Schöpfung vor allem eine
Beziehungskategorie. Die Dinge erweisen sich insofern als Gottes Schöpfung, als
sie von Gott für mich geordnet sind. Die Welt wird als Teil einer
Dreierbeziehung (Gott – Mensch – Welt) zur „Schöpfung“, insofern ihr ein Sinn
zukommt.“
Q69 Boost, Ch., Gensichen, H., Pfeiffer, G.:
Ist der Kreationismus haltbar? Thesen gegen einen neuen Anti-Evolutionismus in
der Kirche; Kirchliches Forschungsheim Wittenberg, 1983
Q70 WIKIPEDIA; zu „Kopernikus“,
„Galilei“ und „Religion und heliozentrisches Weltbild“;
gelesen 16.12.08
„Kopernikus
zögerte lange mit der Veröffentlichung seiner astronomischen Arbeiten, möglicherweise
weil seine teilweise letztlich falschen, auf Aristoteles' Annahmen als Kreis
als idealharmonisch-vollkommenem mathematischen Gebilde beruhenden Berechnungen
der Planetenbahnen in Kreisumläufen um die Sonne nicht durch Beobachtungen
gestützt werden konnten und deshalb eine Ablehnung durch das wissenschaftliche
oder kirchliche Establishment zu befürchten war. Wegen der falschen Annahme der
Kreisbahnen konnte Kopernikus seine Kritiker letztlich nicht zwingend
widerlegen. …
Kopernikus widmete sein Werk „De Revolutionibus …“ Papst Paul III. …
Der Reformator Andreas Osiander hatte zudem eigenmächtig und anonym ein Vorwort
hinzugefügt, in dem das neue Weltbild als bloßes Rechenhilfsmittel dargestellt
wird, und somit Kopernikus Aussagen verfälscht und widerspüchlich gemacht. Die
Katholische Kirche, der Kopernikus angehörte, hielt sich eventuell auch
deswegen mit einer Stellungnahme zurück. Eine Verfolgung durch die Inquisition
hatte Kopernikus' Werk also – anders als Galileo Galilei einige Jahrzehnte später
– nicht zu befürchten, da seine Theorie lediglich als mathematische
Hilfskonstruktion zur einfacheren Berechnung der Planetenbahnen angesehen
wurde. So waren die von Erasmus Reinhold neu erstellten preußischen Tafeln
leichter zu berechnen als die veralteten alfonsinischen Tafeln, obwohl beide
zum gleichen Ergebnis führten. …
Während das Werk des Kopernikus zunächst als reines Rechenmodell verwendet
wurde, lieferten die Beobachtungen von Galileo Galilei von 1610 an überzeugende
Argumente für die physikalische Realität des heliozentrischen Systems.
Den
eigentlichen Nachweis konnten erst James Bradley 1728 mit der Entdeckung der
Aberration des Lichtes und 1837 Friedrich Wilhelm Bessel mit der ersten
sicheren Beobachtung der Fixsternparallaxe erbringen.“
(Wikipedia: Nikolaus Kopernikus,
16.12.08)
„Im Jahr
1615 veröffentlichte der Kleriker Paolo Antonio Foscarini (ca. 1565–1616) ein
Buch, das beweisen sollte, dass die Kopernikanische Astronomie nicht der
Heiligen Schrift widersprach. Daraufhin eröffnete die Römische Inquisition nach
Vorarbeit des bedeutenden Kirchenlehrers Kardinal Robert Bellarmin ein
Untersuchungsverfahren. 1616 wurde Foscarinis Buch gebannt. Zugleich wurden
einige nichttheologische Schriften über Kopernikanische Astronomie, darunter auch
ein Werk von Johannes Kepler, auf den Index gesetzt. Das Hauptwerk des
Kopernikus, De Revolutionibus Orbium Coelestium, in dessen Todesjahr
1543 erschienen, wurde nicht verboten, sondern „suspendiert“: Es durfte fortan
bis 1822 im Einflussbereich der Römischen Inquisition nur noch in Bearbeitungen
erscheinen, die betonten, dass das heliozentrische System ein bloßes
mathematisches Modell sei. …
Wenige Tage
nach der förmlichen Index-Beschlussfassung schrieb Kardinal Bellarmin an
Galilei einen Brief mit der Versicherung, Galilei habe keiner Lehre abschwören
müssen; gleichzeitig jedoch enthielt dieses Schreiben die nachdrückliche
Ermahnung, das kopernikanische System in keiner Weise als Tatsache zu
verteidigen, sondern allenfalls als Hypothese zu diskutieren. …
1624 reiste
Galilei nach Rom und wurde sechs Mal von Papst Urban empfangen, der ihn
ermutigte, über das kopernikanische System zu publizieren, solange er dieses
als Hypothese behandle …
Im Februar
1632 erschien der Dialogo. In zweierlei Hinsicht setzte der Dialogo
im aktuellen, astronomischen und eben auch weltanschaulich-theologischen
Diskurs neue Akzente: 1. An die Stelle der Wissenschaftssprache Latein war die
Volkssprache Italienisch getreten und die Diskussionen sollten gezielt über die
Kreise der Wissenschaft hinausgetragen werden. 2. Das von den Jesuiten
besonders favorisierte Planetenmodell Tycho Brahes, das wie das Kopernikanische
die Phänomene, z.B. die Phasengestalt der Venus, erklärt, wurde bewusst
verschwiegen. Im Kampf um die Deutungshoheit des astronomischen Weltbildes
bekämpfte Galilei den Konkurrenten Tycho Brahe mit Totschweigen. …
Dass
Galilei überhaupt verurteilt wurde, war unter den zuständigen zehn Kardinälen
durchaus strittig; drei von ihnen (darunter Francesco Barberini, der Neffe des
Papstes) unterschrieben das Urteil nicht. …
Nachdem
Galilei geschworen hatte, „… stets geglaubt zu haben, gegenwärtig zu glauben
und in Zukunft mit Gottes Hilfe glauben zu wollen alles das, was die
katholische und apostolische Kirche für wahr hält, predigt und lehret“, erhielt
er „lediglich“ Kerkerhaft, die bereits nach wenigen Wochen in Hausarrest
umgewandelt wurde. In einem Kerker hat Galilei jedoch nie eingesessen. …
Galilei sah
zeitlebens die Kreisbahnen als zentralen Bestandteil des kopernikanischen
Systems an und lehnte elliptische Bahnen aus diesem Grund ab. …
Ab dem Juli
1633 – noch in Siena – hatte Galilei an seinem physikalischen Hauptwerk Discorsi
e Dimostrazioni Matematiche intorno a due nuove scienze gearbeitet. Obwohl
das Inquisitionsurteil kein explizites Publikationsverbot enthielt, stellte
sich eine Veröffentlichung im Einflussbereich der katholischen Kirche als
unmöglich heraus. So geschah es, dass die Welt zuerst durch Matthias Berneggers
lateinische Übersetzung von Galileis Werk Kenntnis erhielt (erschienen u.d.T. Systema
cosmicum, Straßburg: David Hautt 1635). Ein Druck des italienischen Texts
der Discorsi erschien erst ein Jahr danach 1636 bei Louis Elsevier in
Leiden. …
1741
gewährte das Heilige Offizium – umgangssprachlich Inquisition genannt – auf
Bitte Benedikts XIV. das Imprimatur auf die erste Gesamtausgabe der Werke
Galileis. Unter Pius VII. wurde 1822 erstmals ein Imprimatur auf ein Buch
erteilt, das das Kopernikanische System als physikalische Realität behandelte.“
(Wikipedia: Galileo Galilei, 16.12.08)
„Galilei
wurde nicht der Kritik der Bibel, sondern des Ungehorsams gegenüber dem Papst
beschuldigt.“
…
„Papst Benedikt XIV. hob am 17. April 1757 den Bann gegen Werke auf, die
ein heliozentrisches Weltbild vertraten. Ausgelöst wurde diese Entscheidung
durch die allgemeine Anerkennung, die die Werke Isaac Newtons in der
wissenschaftlichen Welt gefunden hatten. Am 11. September 1822 entschied die
Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition dann, dass der Druck und
die Publikation von Werken, die die Bewegung von Planeten und Sonne in
Übereinstimmung mit der Auffassung der modernen Astronomen darstellten,
generell erlaubt sei. Diese Entscheidung wurde kurz darauf durch Papst Pius
VII. ratifiziert.“
(Wikipedia: Religion und
heliozentrisches Weltbild, 16.12.08)
Q71 Dawkins,
Richard: Der Gotteswahn, Ullstein, Berlin, 2008
Q72 Darwin, Charles: Mein Leben, Insel Taschenbuch,
Frankfurt/Main, 2008
S.102f.
„Ein anderer Grund für den Glauben
an die Existenz Gottes, der mit der Vernunft, nicht mir Gefühlen zusammenhängt,
scheint mir mehr ins Gewicht zu fallen. Dieser Grund ergibt sich aus der
extremen Schwierig-keit oder eigentlich Unmöglichkeit, sich vorzustellen,
dieses gewaltige, wunderbare Universum einschließlich des Menschen mitsamt
seiner Fähigkeit, weit zurück in die Vergangenheit und weit voraus in die
Zukunft zu blicken, sei nur das Ergebnis blinden Zufalls oder blinder
Notwendigkeit. Wenn ich darüber nachdenke, sehe ich mich gezwungen, auf eine
Erste Ursache zu zählen, die einen denkenden Geist hat, gewissermaßen dem
menschlichen Verstand analog; und ich sollte mich wohl einen Theisten nennen.
Wenn ich mich recht erinnere, beherrschte diese Schlussfolgerung mein Denken in
der Zeit, als ich Über die Entstehung der Arten schrieb;
seither schien sie mir ganz allmählich immer weniger überzeugend;
ich schwankte jedoch sehr …
Das Mysterium vom Anfang aller Dinge können wir nicht aufklären; und ich
jedenfalls muss mich damit zufrieden geben, Agnostiker zu bleiben.“
Agnostizismus
Der Agnostizismus ist eine Weltanschauung, die insbeson-dere
die prinzipielle Begrenztheit menschlichen Wissens betont. Die Möglichkeit der
Existenz transzendenter Wesen oder Prinzipien wird vom Agnostizismus nicht
bestritten. Agnostizismus ist sowohl mit Theismus als auch mit Atheismus
vereinbar, da der Glaube an Gott möglich ist, selbst wenn man die Möglichkeit
der rationalen Erkenntnis Gottes verneint.
Die Frage „Gibt es einen Gott?“ wird vom Agnostizismus dementsprechend nicht
mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet, sondern mit „Es ist nicht geklärt“, „Es ist
nicht beantwortbar“.
Unabhängig davon ist die Frage „Glauben Sie an einen Gott?“. Diese ist auch von
einem Agnostiker mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortbar.
(Wikipedia, gelesen 23.2.2009)
Q73 Ullrich, Henrik; Junker, Reinhard (Hrsg.): Schöpfung und
Wissenschaft – Die Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN stellt sich vor;
Hänssler Verlag Holzgerlingen 2008
Bei WORT UND WISSEN ist die
biblische Schöpfungslehre Bestandteil des Fundaments der ersten unbewiesenen
Voraussetzung, der verbindlichen Wahrheit biblischer Gottesoffenbarung. Dieses
Fundament steht für sie unverrückbar fest. Hierin kann es keine Annäherung an
naturalistische Evolutionslehren geben.
Die biblischen Schilderungen der
Urgeschichte im Buch Genesis (1.Mose) sind historisch zuverlässig. … Die
biblische Urgeschichte beinhaltet allgemeinverständliche, wirkliche
Beschreibungen grundlegender Ereignisse der Schöpfung und Urzeit.
Biblische Schöpfungsaussagen
enthalten naturwissenschaftlich relevante Elemente …
… Alter des Lebens in der
Größenordnung von ca. 10.000 Jahren
Wir gehen davon aus, dass
Grundtypen aller Lebewesen als klar voneinander getrennte Formen in der
Schöpfungswoche erschaffen wurden.
Q74 Der Spiegel
23/1998 S.90
Giordano Bruno hatte die Glaubenshüter mit dem Entwurf eines
pantheistisch beseelten Universums provoziert, in dem unendlich viele Sonnen
Mittelpunkte gleichfalls unzähliger Planetensysteme bilden. Zum Flammentod verurteilt
wurde er 1600 jedoch nur, weil er hartnäckig das Kirchendogma der Trinität, der
Heiligen Dreieinigkeit, leugnete.;
Galilei wurde 1616 in das Haus des Kardinals Bellarmin bestellt, der ihn milde
ermahnte, die Ansichten des Herrn Kopernikus forthin nur noch als Hypothesen zu
behandeln;
drei der zehn Inquisitionsrichter hatten sich geweigert, das Urteil gegen
Galilei zu unterzeichnen;
er widerrief seine Aussagen
Q75 Charles Darwin:
Mein Leben, Autobiographie, Insel Taschenbuch, 2008
(Darwin schreibt das Buch 1876, im Alter von 77 Jahren)
S.67
Um das BA-Examen (Bachelor of Arts in
Cambridge JK) zu bestehen, musste man auch Paleys Evidences of Christianity und seine Moral Philosophy kennen. Hier leistete ich gründliche Arbeit, und
ich bin überzeugt, dass ich die Evidences
vollkommen korrekt und lückenlos hätte schriftlich wiedergeben können, wenn
auch nicht in der klaren Sprache Paleys. Die Logik dieses Buches, auch der Natural Theology, das möchte ich
hinzufügen, begeisterte mich genauso wie der Euklid …
Ich zerbrach mir damals nicht den Kopf über die
Angemessenheit von Paleys Voraussetzungen; ich nahm sie unbesehen hin und war
von seiner langen Argumentationskette bestrickt und überzeugt.
Zu Charles Darwins Pflichtlektüre (während seines Theologiestudiums in
Cambridge ab 1827) gehören die theologischen Werke des 1805 verstorbenen
Archidiakonus William Paley. …
Besonders beeindruckt Charles die „Natürliche Theologie“ von Paley. … eine
Auffassung, die Gottes Wirken überall in der belebten Natur sehen will und
durch die Zweckmäßigkeit der Organismen begründet. Paley benutzt dabei das
althergebrachte Bild von der Uhr und dem Uhrmacher, um die Existenz Gottes zu
beweisen. Angenommen, wir finden eine Uhr auf dem Wege liegen, argumentiert er,
„wenn wir die Uhr aufheben und genau betrachten, bemerken wir …, dass ihre
Teile für einen speziellen Zweck erfunden und zusammengefügt wurden … Der
Mechanismus lässt unausweichlich darauf schließen, dass die Uhr einen
Konstrukteur hat … der sie für diesen Zweck entworfen hat.“
Genauso, lehrt Paley, stehe es mit der belebten Natur. All ihre Teile griffen
ineinander, jedes einzelne sei der Umwelt und den anderen Teilen sinnvoll
angepasst. Allein durch die Weisheit und Güte ihres Schöpfers, sagt Paley,
könne man die Zweckmäßigkeit der Organismen erklären.
(Steinmüller,A., Steinmüller,K.: Charles Darwin – vom
Käfersammler zum Naturforscher, Verlag Neues Leben Berlin, 1985, S.86f.)
S.94ff.
An Bord der Beagle
war ich ganz orthodox, und ich weiß noch, wie etliche Schiffsoffiziere … laut
über mich lachten, weil ich die Bibel als unanfechtbare Autorität in der Frage
der Moral zitierte …
Aber zu diesem Zeitpunkt war mir allmählich klar, dass das
Alte Testament wegen seiner offenkundig falschen Weltgeschichte mit dem Turmbau
zu Babel, dem Regenbogen als Zeichen usw. usw, und auch deshalb, weil es Gott
die Gefühle eines rachsüchtigen Tyrannen zuschreibt, um nichts glaubwürdiger
ist als die heiligen Bücher der Hindus oder irgendeine Barbaren-Religion. …
Nun überlegte ich weiter: Um einen klardenkenden Menschen zum Glauben an die
Wunder zu bringen, die das Christentum stützten, waren die eindeutigsten
Beweismittel nötig, aber – je mehr wir von den feststehenden Gesetzen der Natur
wissen, umso unglaubhafter werden Wunder – die Menschen waren damals unwissend
und gutgläubig in einem für uns unfasslichen Maß …
dass ich allmählich nicht mehr glauben konnte, das Christentum sei eine
Offenbarung Gottes. …
So wunderbar die Morallehre des Neuen Testamentes auch ist, lässt sich doch
nicht leugnen, dass ihre Vollkommenheit zum Teil von der Deutung abhängt, die
wir Metaphern und Allegorien jetzt geben. … Aber ich fand es zunehmend
schwieriger, Beweismittel zu erfinden, die mich überzeugen würden … So
beschlich mich der Unglaube ganz langsam, am Ende aber war er unabweisbar und
vollständig. … Ich kann nun wirklich nicht einsehen, warum sich jemand wünschen
sollte, das Christentum sei wahr: wenn es nämlich wahr wäre, dann, das scheint
mir die Sprache des Textes unmissverständlich zu sagen, würden alle Menschen,
die nicht glauben, also mein Vater, mein Bruder und fast alle meine nächsten
Freunde, ewig dafür büßen müssen.
Und das ist eine verdammenswerte Doktrin.
Erst viel später in meinem Leben dachte ich gründlicher über
die Existenz eines persönlichen Gottes nach … Das alte Argument vom Bauplan in
der Natur, das Argument Paleys. das mir früher so schlüssig vorgekommen war,
hat inzwischen, seit das Gesetz der natürlichen Selektion entdeckt ist, seine
Kraft verloren. Wir können nicht mehr so argumentieren, dass zum Beispiel ein
so wundervoller Gegenstand wie eine zweischalige Muschel ebenso von einem
intelligenten Wesen gemacht sein muss wie eine Türangel vom Menschen. In der
Variabilität organischer Wesen und in dem Vorgang natürlicher Selektion scheint
uns nicht mehr Planung zu stecken als in der Richtung, aus der der Wind bläst.
Alles in der Natur ist das Ergebnis feststehender Gesetze.
S.99
Ein so mächtiges und wissendes Wesen wie ein Gott, der das
Universum erschaffen könnte, ist für unser begrenztes Vorstellungsvermögen
allwissend und allmächtig, und unser Verstand empört sich gegen die
Vorstellung, die Güte dieses Wesens sei nicht grenzenlos; denn welchen Vorteil
soll das endlose Leiden von Millionen niederer Lebewesen haben? Dieses alte
Argument, die Existenz von Leiden sei ein Beweis gegen die Existenz einer
intelligenten ersten Ursache, kommt mir sehr überzeugend vor …
S.101
Der Gemütszustand, den großartige Landschaften früher in mir
hervorriefen – er war eng mit dem Glauben an Gott verbunden -, war nicht
wesentlich verschieden von dem Gefühl, das man häufig die Empfindung des
Erhabenen nennt; und wie schwierig es auch sein mag, die Entstehung dieser
Empfindung zu erklären, als Beweis für die Existenz Gottes lässt sie sich kaum
anführen …
S.102f.
Ein anderer Grund für den Glauben an die Existenz Gottes,
der mit der Vernunft, nicht mir Gefühlen zusammenhängt, scheint mir mehr ins
Gewicht zu fallen. Dieser Grund ergibt sich aus der extremen Schwierigkeit oder
eigentlich Unmöglichkeit, sich vorzustellen, dieses gewaltige, wunderbare
Universum einschließlich des Menschen mitsamt seiner Fähigkeit, weit zurück in
die Vergangenheit und weit voraus in die Zukunft zu blicken, sei nur das
Ergebnis blinden Zufalls oder blinder Notwendigkeit. Wenn ich darüber
nachdenke, sehe ich mich gezwungen, auf eine Erste Ursache zu zählen, die einen
denkenden Geist hat, gewissermaßen dem menschlichen Verstand analog; und ich
sollte mich wohl einen Theisten nennen.
Wenn ich mich recht erinnere, beherrschte diese Schlussfolgerung mein Denken in
der Zeit, als ich Über die Entstehung der Arten schrieb; seither schien
sie mir ganz allmählich immer weniger überzeugend; ich schwankte jedoch sehr …
Das Mysterium vom Anfang aller Dinge können wir nicht aufklären; und ich jedenfalls
muss mich damit zufrieden geben, Agnostiker zu bleiben.
Der Agnostizismus ist
eine Weltanschauung, die insbesondere die prinzipielle Begrenztheit
menschlichen Wissens betont. Die Möglichkeit der Existenz transzendenter Wesen
oder Prinzipien wird vom Agnostizismus nicht bestritten. Agnostizismus ist
sowohl mit Theismus als auch mit Atheismus vereinbar, da der Glaube an Gott
möglich ist, selbst wenn man die Möglichkeit der rationalen Erkenntnis Gottes
verneint.
Die Frage „Gibt es einen Gott?“ wird vom Agnostizismus dementsprechend nicht
mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet, sondern mit „Es ist nicht geklärt“, „Es ist
nicht beantwortbar“.
Unabhängig davon ist die Frage „Glauben Sie an einen Gott?“. Diese ist auch von
einem Agnostiker mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortbar.
(Wikipedia 23.2.2009)
S.104
Nichts ist bemerkenswerter als das Zunehmen der Skepsis oder des Rationalismus
in meiner zweiten Lebenshälfte.
S.141
Sobald ich die Überzeugung gewonnen hatte – also 1837 oder 1838 -, dass die Arten
veränderlich sind, konnte ich mich auch der Überzeugung nicht mehr entziehen,
dass die Menschen unter dasselbe Gesetz fallen …
Unnütz und für den Erfolg des Buches (Die
Entstehung der Arten … JK) schädlich wäre es gewesen, wenn ich meine
Ansicht über den Ursprung des Menschen ausposaunt hätte, ohne Beweismaterial zu
liefern.
S.153
Soweit ich das selbst beurteilen kann, bin ich kein Mensch, der blind
Vordenkern folgt. Ich habe mich immer strebend bemüht, meinen Geist frei zu
halten, so dass ich jede Hypothese wieder aufgeben kann, auch wenn sie mir noch
so gefällt (und es ist für mich ein unwiderstehlicher Reiz, zu jedem Problem
eine Hypothese aufzustellen), sobald Tatsachen auftauchen, die sie widerlegen.
S.157
Deshalb ist mein Erfolg als Wissenschaftler, worauf immer er sich berufen mag,
soweit ich es beurteilen kann, von komplexen, verschiedenartigen Eigenschaften
und Verfassungen meines Geistes bestimmt. Die wichtigsten von ihnen sind die
Liebe zur Wissenschaft, grenzenlose Geduld zu langem Nachdenken über jedes
Thema, Fleiß beim Beobachten und Sammeln von Tatsachen und eine gehörige
Portion Phantasie und gesunder Menschenverstand
Q76 Weber, Thomas P.:
Darwin und die neuen Biowissenschaften, DuMont Köln, 2005
S.33
Für Soziologen, Historiker, Anthropologen und Ethnologen beginnt das „Soziale“,
sobald zwei oder mehr Menschen in Wechselwirkung stehen: Wissenschaft kann
daher nicht anders als „sozial“ sein. Für Naturwissenschaftler ist das Soziale
dagegen das Ungebändigte, Irrationale, das nie in das Heiligtum des Labors
eindringen darf.
Q77 Drewermann, Eugen: Glauben in Freiheit, Bd. 3. Religion und
Naturwissenschaft, Teil 1. „Der sechste Tag: Die Herkunft des Menschen und die
Frage nach Gott“, Walter-Verlag Zürich u. Düsseldorf, 1998, S.56-58
S.56ff.
… veröffentlichte die Päpstliche Bibelkommission unter PIUS XII. 1948 eine
Erklärung an den Erzbischof von Paris … dass man die Historizität der ersten
elf Kapitel der Genesis weder verneinen „noch einfach bejahen könne“, sie
gehörten keiner modernen literarischen Gattung an, und wer sage, sie seien
„nicht historisch“, der lege das Verständnis nahe, sie seien ohne historische
Bedeutung, „wo sie doch in einfachen und bildhaften Worten, die der Fassungskraft
weniger gebildeter Menschen entsprechen, die fundamentalen Heilswahrheiten wiedergeben
und auch in volkstümlicher Weise den Ursprung des Menschen und des auserwählten
Volkes beschreiben.“ …
Papst Johannes Paul II. … erklärte im Weltkatechismus von 1992 (Nr.390), dass
die Geschichte vom „Sündenfall“ (Gen. 3,1-7) zwar eine bildhafte Sprache
verwende, „aber ein ursprüngliches Ereignis bestätigt, eine Tatsache, die am
Beginn der Menschheitsgeschichte stattgefunden hat.“ …
„Bildhafte
Geschichten“ können sehr tiefsinnig sein, doch nur, wenn man sie nicht dazu
benutzt, die ganze Menschheit auf dem Niveau von „Wenigergebildeten“ zu halten!
Q78 chrismon 4/2008
S.11, Interview mit Friedrich Schweitzer
In den Schöpfungserzählungen geht
es um das Geschenk, das Gott den Menschen gemacht hat, und darum, dass ich mich
Gott als meinem Schöpfer verdanke – nicht nur vor ewigen Zeiten, sondern immer.
…
(Frage: Ist die Schöpfungserzählung also metaphorisch gemeint?)
Nein, sie stimmt so wie die Feststellung: Ich liebe dich. Da ist etwas
tatsächlich geschehen, auch wenn es empirisch-rational nicht nachprüfbar ist.
Q79 Weltall Erde Mensch, Neufassung, Verlag Neues Leben,
Berlin 1968
S.3
Weltall Erde Mensch
Ein Sammelwerk zur Entwicklungsgeschichte in Natur und Gesellschaft
S.5f.
Zum Geleit
Dieses Buch ist das Buch der Wahrheit. …
(Walter Ulbricht)
Die Wissenschaft beweist, dass die Welt und ihre
Gesetzmäßigkeiten erkennbar sind und dass es für den forschenden Menschen keine
„ewigen Rätsel“ gibt. Was uns heute noch verborgen ist, werden wir mit
Sicherheit morgen wissen …
Das Kapitel von Robert Havemann in den ersten Auflagen ist
in dieser Ausgabe entfallen
S.14
Was ist eine Weltanschauung? Man versteht darunter die umfassende Anschauung
oder denkende Betrachtung des Weltganzen; genauer, die Auffassungen der
Menschen von der Natur des Weltalls, vom Ursprung und der Entwicklung aller
Dinge, vom Wesen und Wert des Menschen, vom Sinn seines Lebens und davon, was
der Tod ist, von der Entwicklung der Menschheit und ihrer Zukunft, von der
Kraft des menschlichen Denkens und der Macht der Erkenntnis und ähnlichen
grundsätzlichen „letzten“ Fragen. Jeder Mensch besitzt so eine Weltanschauung,
und sie beeinflusst sein Denken und Handeln, sein Fühlen und Wollen in starkem
Maße. …
Nun gibt es jedoch sehr verschiedene Weltanschauungen, und
nicht jede von ihnen hilft uns zu erkennen, was die Welt „im Innersten
zusammenhält“, wie die Welt sich gesetzmäßig entwickelt und wie wir uns heute
im praktischen Leben verhalten müssen. Die noch weitverbreitete religiöse
Weltanschauung steht in völligem Gegensatz zu den Ergebnissen der Natur- und
Gesellschaftswissenschaften, sodass ihre Antworten in Wirklichkeit
Scheinantworten sind. Diese Weltanschauung, die meist von der Unantastbarkeit
der gottgewollten Ordnung ausgeht, kann keine Grundlage für die praktische
Veränderung der Welt, für die Errichtung einer neuen gesellschaftlichen Ordnung
sein. Die Geschichte beweist, dass die religiöse Weltanschauung fast immer
direkt oder indirekt von reaktionären Kräften dazu benutzt worden ist,
Ausbeutung, Unterdrückung und sogar Kriege zu rechtfertigen und zu
sanktionieren. Aus den genannten Gründen gibt diese Weltanschauung keine
Antwort auf die Probleme, die uns heute bewegen. Um ein Missverständnis zu
vermeiden: Viele religiös gebundene Menschen nehmen in unserer Republik aktiv
am Aufbau des Sozialismus teil, und oft schöpfen sie aus ihrer religiösen
Überzeugung Impulse für die Arbeit im Dienst des Fortschritts. Wir achten ihren
religiösen Glauben und sehen darin kein Hindernis für eine enge
freundschaftliche Zusammenarbeit, wie sie sich seit langem bewährt hat. Doch
kann der religiöse Glaube keine Grundlage für die heute zu lösenden Aufgaben
sein. Dazu benötigen wir eine Weltanschauung, die nicht auf Glaubensannahmen, sondern
auf den Ergebnissen der Wissenschaften beruht …
S.27f.
elektrische Leistung aller Atomkraftwerke weltweit wird 1970 etwa 25.000 MW und
1980 etwa 150.000 bis 200.000 MW betragen
S.47
so erhält man Neutronen:
Beschuss von Beryllium mit Alphateilchen
Alpha (4/2) + Be (9/4) à C(12/6) + n(1/0)
S.68f.
Erst Thales von Milet und sein Schüler Anaximander nahmen im 6. Jh. v.u.Z.
einen kugelförmigen Himmel an, in dessen Mittelpunkt weiterhin die Erde als
Scheibe gedacht wurde. …
Die Kugelgestalt der Erde tauchte erst später bei Parmenides auf, bis sie von
Plato und seinen Schülern zu einem wissenschaftlichen Grundsatz erhoben wurde.
Plato lehrte auch die Achsendrehung der Kugel …
S.72
…sodass am Ende des 15. Jahrhunderts das alte Weltbild unangefochten dastand,
wie dies am deutlichsten in einem von Lukas Cranach geschaffenen Holzschnitt
zum Ausdruck kommt, der die Erdscheibe mit dem alttestamentlichen Paradies
zeigt. Er wurde einer 1534 in Wittenberg gedruckten Lutherbibel vorangestellt,
als die Kugelgestalt der Erde längst bewiesen und das heliozentrische Weltbild
bereits vollendet begründet war.
S.73
… bekannten sich viele bedeutende Gelehrte zu Kopernikus, unter ihnen auch der
einstige Mönch Giordano Bruno, der außerdem die Unendlichkeit des Weltalls lehrte
und wegen seines mutigen Eintretens für diese Wahrheiten im Jahre 1600 auf dem
Scheiterhaufen verbrannt wurde.
S.166
(Entstehung des Lebens)
… Mit gesetzmäßiger Notwendigkeit entstanden immer kompliziertere Substanzen,
entwickelten sich immer kompliziertere Verhaltensweisen, und schließlich wurde
das Verhalten so kompliziert, dass man es als LEBEN bezeichnen durfte. Aber so
einfach haben sich die Dinge nicht abgespielt. Das Leben entstand nicht
unmerklich schleichend aus niedrigeren Organisationsformen. Das Verhalten eines
jeden, selbst noch so niedrigen Lebewesens unterscheidet sich grundsätzlich von
den Reaktionen nicht lebender Systeme. Das Auftreten von Leben war eine
Revolution in der Natur.
S.188
Die Lückenhaftigkeit der Überlieferung sowie die begrenzten
Aussagemöglichkeiten, die das Fossilmaterial zulässt, bereiten freilich
Schwierigkeiten, und viele Fragen harren noch der Aufklärung.
S.193
Rund 25 Prozent aller bekannten Tierarten sind Parasiten, darunter viele
Formen, die in den Wirtsorganen leben.
S.286
Wie die Natur ist auch die Gesellschaft Entwicklungsgesetzen unterworfen …
Q80 Clausnitzer, Lutz:
Was der Himmel über die Erde erzählt, Freie Presse Chemnitz 27.3.09, S. A8
Die Erde eine Scheibe? ..
Gelehrte des alten Griechenlands fanden vor mehr als zwei Jahrtausenden heraus,
dass der Schein trügt. Sie fragten, warum sich dem nach Süden Reisenden neue,
vorher nie beobachtete Sternbilder zeigen. Sie wussten, dass bei einer
Mondfinsternis der Mond durch den Erdschatten wandert, und fragten, warum
dieser Schatten auf dem Mond stets eine kreisförmige Begrenzung zeigt. Wäre die
Erde eine Scheibe, müsste sie bei Mondfinsternissen meist als Ellipse, bei
Sonnenauf- und untergang gar als Strich abgebildet werden. Man erkannte schon
damals die Kugel als einzig mögliche Körperform, die unabhängig von der
Beleuchtungsrichtung stets einen kreisförmigen Schatten wirft. Folglich kann
die Erde nur eine solche sein. … Eratosthenes von Kyrene gelang es … den Erdumfang
zu ermitteln … mit einer Abweichung von nur 5 Prozent zum heutigen Wert.
Q81 Drake, Stillman: Galilei, Herder / Spektrum, Freiburg
o.J. (nach 1999, ISBN: 3-926642-38-6)
S.2
dass auslösend für Galileis Prozess und seine Verurteilung durch die Inquisition
nicht etwa sein Widerstand gegen die Kirche, sondern die Anfeindungen
zeitgenössischer Philosophen waren
S.23
Noch bevor sich irgendein Priester gegen ihn aussprach, hatten seine
philosophischen Gegenspieler bereits seine Meinung als nicht mit der Bibel
vereinbar erklärt
S.48
(um 1589)
Galilei vertrat zu dieser Zeit noch immer die Vorstellung, die Erde sei der
Mittelpunkt des Universums, und er schrieb aus dieser Sicht einen Kommentar zum
Almagest des Ptolemäus, obwohl er
bereits das Werk des Kopernikus kannte
S.54
Üblicherweise verbindet man die Verurteilung von Bruno mit der neuen Lehre des
Kopernikus, aber die brisanten Fragen in seinem und in Galileis Fall waren
völlig verschieden. Bruno war tatsächlich ein Eiferer für die kopernikanische Anschauung,
aber wenn das überhaupt etwas mit dem Ausgang seines Prozesses zu tun hatte,
dann nur ganz indirekt. Bruno träumte davon, auf dem Gebiet der Religion
mittels der Einführung einer allumfassenden Philosophie eine universale
Harmonie zu schaffen. Diese Vorstellung hatten die Inquisitoren als ketzerisch
eingeschätzt …
S.55
ein Ausspruch von Baronius, den Galilei 1615 zitiert:
„Die Bibel sagt uns etwas über unseren Lauf zum Himmel, aber nichts über den
Lauf des Himmels.“
S.56
Der führende Astronom nach Kopernikus war der Däne Tycho Brahe, der die
Vorstellung einer Bewegung der Erde verwarf, weil sie sowohl der Bibel
widerspreche als auch den normalen Vorkommnissen, die man auf der Erde
beobachten und die die aristotelische Physik erklären könne. Tychos Modell, bei
dem die Erde weiterhin fest fixiert blieb, die Planeten jedoch in Kreisbahnen
um die Sonne vorgestellt wurden, hatte mindestens genauso viele Anhänger wie
die kopernikanische Astronomie gefunden.
S.72
Als die Philosophen zu ihrer Unterstützung die Theologen heranzogen, sagte
Galilei, man müsse die Naturwissenschaft auf Dinge beschränken, die sich mit
„Sinneserfahrungen und den erforderlichen Demonstrationen“ nachweisen ließen.
S.75
1610 entdeckte Galilei vier Jupitermonde …
wenige Monate später verwendete Kepler selbst ein Teleskop … und bestätigte in
einer Veröffentlichung, er habe sich mittels eigener Beobachtungen von der
Existenz der Jupitermonde überzeugt
S.77f.
charakteristisch für die damals vorherrschende Naturphilosophie … welche die
Theorie höher als die Beobachtung ansetzten
gegen seine Appelle zum Beobachten stellten sie ihre
dogmatischen Prinzipien
S.94
Galilei wollte überhaupt nicht, dass die Kirche sich für eine bestimmte Antwort
auf irgendeine wissenschaftliche Frage entscheide und die andere verbiete, also
daraus eine Glaubensfrage mache. Er schrieb, wenn die Kirche schon irgendetwas
verbieten wolle, dann jedes Einbringen von „Beweisen“ aus der Bibel in
Fragestellungen, die sich ohne sie klären ließen, nämlich einzig mittels
Erfahrung und Vernunft. So sah die Trennung zwischen Religion und Wissenschaft
aus, die Galilei sich wünschte.
S.96
beschränkte das Feld der Naturwissenschaft auf das, was
nicht mit der Rettung der Seele zu tun hatte …
Die Bibel spreche oft metaphorisch und immer zum leichten
Verständnis für gewöhnliche Menschen. Ihre Worte seien der Auslegung
unterworfen, die man den Theologen überlassen solle, während die Natur
unerbittlich für sich selbst spreche.
S.100
Interessanterweise hatte die Inquisition nicht einmal gegen den folgenden Satz
in Galileis Brief an Castelli etwas einzuwenden:
“Die Heilige Schrift lässt sich an vielen Stellen anders auslegen als im
buchstäblichen Sinn; mehr noch: Sie bedarf notwendigerweise einer solchen
Auslegung. Daher meine ich, dass sie in Physikalischen Disputen an letzter
Stelle stehen sollte.“
S.101
Kardinal Bellarmin 1615 … hatte gesagt, man denke gar nicht daran, das Buch des
Kopernikus auf den Index zu setzen, sondern schlimmstenfalls werde man die
Streichung einiger Abschnitte verlangen, seine astronomische Hypothese dürfe
aber stehen bleiben.
S.104
Die Inquisitoren / Zensoren argumentierten primär von der philosophischen Stichhaltigkeit
der Sätze des Galilei her … „töricht und absurd“, nicht etwa „falsch“
S.106
dass die Verantwortung für die Bibelauslegung plötzlich von der Theologie auf
die Philosophie abgeschoben wurde, kam für Galilei völlig überraschend
S.110
5.3.1616 … ein Dekret erlassen, das alle Werke auf den Index der verbotenen
Bücher setzte, in denen die Bewegung der Erde und das Feststehen der Sonne als
Tatsache dargestellt und als vereinbar mit der Bibel beschrieben wurden. …
das Buch des Kopernikus wurde (nur) vorerst aus dem Verkehr gezogen,
bis darin bestimmte Korrekturen vorgenommen seien …Abschnitte sollten entfernt
werden, die von der Vereinbarkeit mit der Bibel handelten oder in denen über
eine rein hypothetische Behandlung der kopernikanischen Vermutungen
hinausgegangen wurde …
erschien 1620 in veränderter Fassung
S.144
Galilei schrieb bei einer Gelegenheit fast verzweifelt, zuweilen würde er am
liebsten sein gesamtes wissenschaftliches Werk verbrennen; aber er dachte nie
daran, seinem Glauben den Rücken zu kehren. Es war die Kirche, die Galilei den
Rücken kehrte …
S.146
Die Sache, für die Galilei litt, war aus seiner Sicht
eindeutig nicht der Kopernikanismus, sondern eine vernünftige Theologie und ein
konsequenter, engagierter christlicher Glaube
Q82 Carroll, S.B.: Die Darwin-DNA, Wie die neueste Forschung
die Evolutionstheorie bestätigt, S.Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 2008
S.252f.
Die Nationale Wissenschaftsakademie der Vereinigten Staaten
definiert eine wissenschaftliche Theorie als „gut belegte Erklärung für einen Aspekt
der Natur, die Tatsachen, Gesetzmäßigkeiten, Schlussfolgerungen und überprüfte
Hypothesen beinhalten kann.“ Wenn Wissenschaftler von der Evolutions„theorie“
sprechen, relativieren sie damit also nicht ihre Unterstützung oder ihr
Vertrauen … sondern sie richten sich nur
nach der fachlichen Definition …
Den Unterschied formulierte Papst Johannes Paul II. im Zusammenhang mit der
Evolutionstheorie in einer Aussage, die 1996 in L´Osservatore Romano erschien:
„Neue Befunde haben zu der Erkenntnis geführt, dass Evolution mehr ist als nur
eine Hypothese. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass diese Theorie nach einer
Reihe von Entdeckungen auf verschiedenen Wissenschaftsfeldern von den Forschern
zunehmend anerkannt wird. Das weder angestrebte noch künstlich herbeigeführte
Zusammentreffen der Ergebnisse von Arbeiten, die unabhängig voneinander
durchgeführt wurden, ist schon allein ein bedeutsames Argument zugunsten dieser
Theorie.“