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FAKTEN – QUELLEN – ZUSAMMENHÄNGE

Brot, Ernährung, Landwirtschaft

 

aktuellste Eintragungen am Ende, farbig gekennzeichnet

der einzelnen Themenbereiche

abgeschlossen mit Stand von Januar 2018

 

 

·         Der Spiegel, 36/98 S.204ff.:
* Bericht über neue Diät-Pillen
* 18 Mill. Menschen in Deutschland tragen XXL
* jeder zweite Deutsche trägt zuviel Masse mit sich herum, jeder  6. Leidet an krankhafter Fettsucht
* Adipositas - teilweise genetisch bedingte - Krankheit, die schwere Folgeleiden nach sich zieht:
  weit häufiger als die Gesamtbevölkerung leiden stark Übergewichtige unter Diabetes, Bluthochdruck,
  Herzkrankheiten und Gelenkverschleiß;
  30 Mrd. DM jährlich kosten die Fettsucht und ihre Folgekrankheiten die Krankenkassen
* BMI
  Alter in Jahren     optimaler BMI
  19-24                       19-24
  25-34                        20-25
  35-44                        21-26
  45-54                        22-27
  55-64                        23-28
  >65                           24-29
  oberhalb BMI 30 steigt das Sterblichkeitsrisiko

·         FP 9.9.98
Fleischverzehr pro Kopf
1993: 64,2 kg
1997: 60,0 kg

·         GEO 5/98 S.40ff.
* in D. 230000 Barcodes für Nahrungsprodukte vergeben (wer täglich 10 probieren würde, brauchte 65 Jahre
* NESTLE-Konzern hat 4x soviel Personal wie alle UNO-Organisationen (221000 Mitarbeiter, ( 80 Mrd DM Umsatz pro Jahr)
* 220 Mrd Dm geben Deutsche jährlich für Essen und Trinken aus
* weitere 100 Mrd DM für Linderung der Folgen der Überernährung
* pro Jahr weltweit verzehrt: 876 Mio t Getreide, 730 Mio t Obst/Gemüse, >180 Mio t Fleisch, 73 Mio t Meeresgetier
* Rat: viel Obst, Gemüse und Ballaststoffe; weniger Fett, Fleisch und Einfachzucker

·         Biol. Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft: Grünbuch Pflanzenschutz, 1997, S. 24
in Deutschland
abgesetzte Wirkstoffmengen Pflanzenschutzmittel:
1989:    65725 t (davon 31100 t DDR)
1991     44331 t
1994      26733 t
1996      32079 t

·         BMU: Umweltbericht 1998, Zusammenfassung S. IV:
1990/95 Rückgang Düngemittel: P -60%, N -25%, PSM - 30%

·         Spektrum der Wissenschaft 8/98 S.62ff
Kleine
Kulturgeschichte des Alkohols

 

2.1.07

·         Welternährungsorganisation FAO Studie: weltweit erzeugen 1,5 Milliarden Rinder, 1,7 Milliarden Schafe und Ziegen sowie unzählige Schweine und Hühner 18 % der weltweit freigesetzten Treibhausgase und somit mehr als der gesamte Transportsektor;;
auf einem Drittel der weltweit verfügbaren Ackerfläche werden inzwischen Pflanzen fürs Vieh und nicht für Menschen angebaut;
Weiden und Felder, auf denen das Viehfutter angebaut wird, bedecken inzwischen fast 30 % des Festlandes;
Viehwirtschaft für 9 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich; viel entscheidender ist jedoch Methangas, das Wiederkäuer bei der Verdauung freisetzen
(taz 5.1.07)

 

1.6.07

·         Interview mit dem Vorstandschef von NESTLE zu Landwirtschaft, Ernährung und Wasser
für 1 Tonne Getreide benötigt man 1 Million Liter Wasser;
Maisanbau in den USA für Bioethanolproduktion: bis 2008 sollen 138 Millionen Tonnen Mais angebaut werden; für 1 Liter Ethanol braucht man 4560 Liter Wasser; der Preis für 1 Tonne Mais ist bereits von 128 auf 335 Dollar gestiegen;
zum Trinken, Waschen und für die Körperpflege braucht der durchschnittliche Europäer etwa 50 Liter Wasser am Tag; hinzu kommt, dass wir auch noch bis zu 8000 Liter Wasser am Tag essen. Jede pflanzliche Kalorie kostet in der Herstellung einen Liter Wasser, jede Kalorie aus tierischer Nahrung das Zehnfache; (Kilokalorie ??? JK)
Wasser ist ein menschenrecht. Aber nur, sagen wir, 25 Liter pro Person und Tag; in Südafrika hat man das umgesetzt, dort hat neuerdings jeder das Recht auf 25 Liter kostenloses Wasser am Tag. Wer mehr will, muss dafür zahlen. Es gibt kein Menschenrecht auf einen vollen Swimmingpool;
pro Liter Flaschenwasser brauchen wir zusätzlich 0,6 Liter Wasser – für die Herstellung der Verpackung, Reinigung der Abfüllanlage usw. 1 Liter Cola benötigt 3-4 Liter Wasser, ein Liter Bier fast 7
(Die Zeit 4.4.07 S.25)

·         Spirituosenverbrauch pro Kopf und Jahr in Deutschland 5,7 Liter (reiner Alkohol?)
(taz 5.6.07)

·         Slowaken tranken 2003 7,4 Liter reinen Alkohol pro Jahr, 1991 waren es noch 13,7 Liter
(Spiegel 17/2007 S.109)

·         drei Viertel der deutschen Männer und  59% der Frauen, 16% der Kinder  haben Übergewicht; 60 Milliarden Euro kostet das die Krankenkassen pro Jahr
(taz 9.5.07)

·         gesamte Subventionen der Industrieländer 2004 für Subvention von Produktion und Export landwirtschaftlicher Güter: 349 Milliarden Dollar;
subventionierte (billige) und verschenkte Nahrungsmittelüberschüsse aus den reichen Ländern machen in den armen Ländern die Märkte kaputt und verhindern, dass einheimische Produzenten ihre Waren verkaufen können;
im UNO-Bericht zur menschlichen Entwicklung 2005 steht: „Das Grundproblem, das bei den Gesprächen der WTO über Landwirtschaft in Angriff genommen werden muss, lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Subventionen reicher Länder.“;
in Industrieländern wird von Masthähnchen nur das magere Brustfleisch genutzt; der Rest gilt als Fast-Abfall; statt die Reste als Tiermehldünger auf die Felder zu streuen, Geflügelteile billig nach Westafrika geliefert; den senegalesischen Geflügelzüchtern wurde so der Garaus gemacht (bis dahin prosperierender Sektor); einheimischer Markanteil fiel innerhalb von 5 Jahren von 80 auf 35 %;
(Spiegel 19/2007 S.123)

·         (84) schon heute haben rund 70 % aller Lebensmittel eine Verbindung zur Gentechnik, sagt Ministerin Künast;
(93) wer gesund ist und sich ausgewogen ernährt, muss sich in Deutschland eigentlich nur über zwei Bausteine seiner Ernährung lebenslang Gedanken machen: Jod und Folsäure. Vom Jod gibt es in Mitteleuropa zu wenig in der Nahrung, weshalb jodiertes Speisesalz zum Backen verwendet wird und auch im Supermarkt die Auswahl dominiert.
Zu wenig Folsäure führt zu einem erhöhten Spiegel der Aminosäure Homocystein im Blut, die wiederum ein Risikofaktor für Arteriosklerose ist. Bei Schwangeren steigt zudem die Gefahr einer Missbildung des Kindes infolge des Folsäuremangels der Mutter (Gefahr, dass Kind einen Neuralrohrdefekt hat);
(Spiegel spezial „Besser essen besser leben“ 5/2005)

·         Preis für Heizöl mit 62 Cent pro Liter auf den höchsten Stand des Jahres gestiegen
(Freie Presse Juli 2007)

 

17.10.07

·         Selbst eine Verdopplung des derzeitigen Brot-Getreidepreises würde die Brotpreise lediglich um 3,5 % steigen lassen;
Bier für 100 Liter 17 kg Malz; = 22 kg Braugerste; aktueller Preis 2007: 190 Euro je Tonne; Kosten für 100 Liter Bier 4,20 Euro; in einem Kasten Bier (10 Liter 12 Euro) ist Braugerste im Wert von 40 Cent enthalten
(Freie Presse Chemnitz 15.8.07)

·         Rindfleisch: jedes Kilogramm kostet mehr als 7 kg Futtergetreide;
Mais ist ein beliebtes Futtergetreide: Anbau eines kg davon benötigt rund 900 Liter Wasser;
wer Fleisch verzehrt, beansprucht also mehr Ackerfläche als ein Vegetarier – und ein Vielfaches an Wasser;
eine Ethanol-Tankfüllung eines normalen Geländewagens kostet rund 200 kg Mais;
allein in der indonesischen Provinz West Kalimantan könnten wegen der Abholzung für Palmölproduktion bis zu 5 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden;
Preissteigerungen? – Halbliterflasche Bier Gerste-Anteil 2 Cent; Brötchen für 20 Cent enthält nur für 0,4 Cent Getreide
(Zeit 9.9.07 S.20)

·         Weizen kostet derzeit etwa 200 Euro je Tonne, 70 Euro mehr als vor einem Jahr; Braugerste von 140 auf 240 Euro gestiegen;
weltweite Getreidereserven auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren: damals Vorräte für 110 Tage, heute für 57 Tage
(Süddeutsche Zeitung 25.7.07 S.17)

·         Im Treibstoff sind die wertvollen Essenzen aus Mais, Raps und Sojabohnen vergeudet – viel wirkungsvoller wäre es, die Anbauflächen aufzuforsten, um Holz zum Heizen zu gewinnen;
der Mais, der für die Herstellung einer einzigen Tankfüllung Bioethanol benötigt wird, reicht aus, um einen Erwachsenen ein ganzes Jahr satt zu machen, aber deutsche Autofahrer zahlen besser als mexikanische Landarbeiter;
Produktion und Export des indonesischen Palmöls schaden dem Klima mehr, als es die Verbrennung einer entsprechenden Menge fossilen Treibstoffs täte
(Zeit 27.9.07 S.1)

·         Preise für Molkepulver auf dem Weltmarkt innerhalb eines Jahres verdoppelt;
der Milchsee ist ausgetrocknet, der Butterberg abgetragen;
12 % ihres Einkommens gibt die typische deutsche Familie für Lebensmittel aus, vor 50 Jahren waren es gut 50%;
(Spiegel 32/2007 S.18)

·         Zu Beginn des 20. Jahrhunderts aß jeder Mensch weniger als 5 kg Süßes im Jahr, heute sind es in Europa 40 bis 60
(Ökotest 2/07 S.43)

·         43 Prozent aller Fische, die weltweit für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, stammen lt. FAO bereits aus Fischfarmen
(Ökotest 1/07 S.30)

·         über 84 kg Fleisch verzehrt jeder Deutsche jährlich;
(Ökotest 8/07 S.46)

·         ein Landwirt ernährte
1949: 10 Menschen; 1980: 47; 2005: 143
(Ökotest 5/07 S.53)

·         In 120 Ländern wird derzeit „BIO“ angebaut, weltweite Fläche von rund 5 Millionen Hektar 1996 auf 31 Millionen ha 2005 gestiegen;
der Glaubenssatz, „Regional“ sei bei „Bio“ die bessere Wahl, wackelt; Giessener Ernährungswissenschaftler Schlich errechnet, dass ein Ökosteak aus Argentinien inklusive Schiffspassage energiesparender produziert wird als sein Pendant aus Bayern, weil die argentinischen Rinder im Freien leben und weder Stall noch Zusatzfutter brauchen;
“Biotomaten“ aus Spanien: Pflanzen stehen im künstlich bewässerten Gewächshaus in Reih und Glied, computergesteuert werden sie mit einer Nährlösung versorgt; wenn der Nachbar anruft „morgen wird gespritzt“, dichtet der Biobauer die Folien ab; Marienkäfer (für biologische Schädlingsbekämpfung) und Hummeln (für Bestäubung) bezieht er dosenweise aus Holland;
auch bei BIO muss für jede Legehenne ein männliches Küken sein Leben lassen; Anbindehaltung für Rinder ist selbst bei Demeter nicht verboten; Kälber werden mutterlos großgezogen;
(Spiegel 36/07 S.35ff)

·         Ökobilanz Äpfel aus Neuseeland:
Transportstrecke 23.000 km (Kühlschiff); verbraucht rund 1/3 mehr Energie als der einheimische Apfel, der nach Saisonende 5 Monate Winterschlaf im Kühlhaus hält;
Unterschied entspricht etwa dem CO2-Ausstoß, den man mit dem Auto zum 3 km entfernten Supermarkt verursacht
(Das Parlament 22.10.07)

·         Weizenpreis hat sich an der Börse von Minneapolis/USA seit Ende 2005 mehr als verdoppelt;EU-Agrarkommissarin Boel: der Rohstoff Weizen macht höchstens 4 % des Preises für einen Laib Brot aus
(Spiegel 41/07 S.92)

·         Pro-Kopf-Konsum Alkohol in Deutschland am höchsten in Europa; als reiner Alkohol: 10 Liter
(taz 13.11.07)

·         90% der Deutschen besuchen gelegentlich ein Schnellrestaurant; mehr als 60% mindestens 1 x im Monat; 25% der 14- bis 30-jährigen gehen mindestens 1 x pro Woche hin
(taz 16.11.07)

·         Jährlich werden 142 Millionen Tonnen Fisch gefangen, so viel wie nie zuvor;
mehr als 40% der weltweit vom Menschen verzehrten Fische stammen aus Aquakultur, Farmen vor den Küsten;
Futterpellets , gepresst aus Fischmehl und –öl (aus speziell dafür gefangenen Fischen; ein Viertel des weltweit gefangenen Fischs ist Futter);
weltweit pro Jahr:
mehr als 220 Millionen Tonnen Fleisch (Hälfte Schwein, je 1 Viertel Rind und Geflügel);
mehr als 300 Millionen Tonnen Kartoffeln (Hälfte als Futter);
mehr als 700 Millionen Tonnen Mais (in den USA vorwiegend Futter, zunehmend Biogas);
mehr als 600 Millionen Tonnen Milch;
600 Millionen Tonnen Reis (fast durchweg als Nahrungsmittel);
600 Millionen Tonnen Weizen (große Mengen auch als Tierfutter);
214 Millionen Tonnen Soja (bis zu 80% Viehfutter; Abholzung von Wäldern, gentechnische Sorten);
bis zu 90% des Wassers verbraucht die Landwirtschaft; 1 kg Mais = 900 Liter, 1 kg Rindfleisch = 16.000 Liter;
(ZEIT 29.11.07 S.58f)

·         Derzeitiger Marktpreis für Backweizen: 22 Euro je Doppelzentner
(taz 24./25.11.07)

·         Sicherung einer gesunden Ernährung: mindestens 1300 Kubikmeter Verdunstungswasser pro Person;

Wasserverbrauch des Menschen in Kubikmeter pro Person und Jahr

 

angestrebt

tatsächlich

 

Entwick­lungs­länder

Industrie­länder

Durch­schnitt

Schwan­kungs­breite

Ernährung

1300

1600

1200

600 - 1800

Haushalt

40

40

30

20 - 40

Industrie

130

130

130

10 - 140

Summe

1470

1760

1360

630 - 1980

Die Produktion von Fleisch ist im besten Fall mit dem dreifachen und im schlechtesten Fall mit dem 17-fachen Wassereinsatz verbunden wie die Produktion der gleichen Menge pflanzlicher Nahrungsmittel;
Beispiel Hamburger: für die Produktion der 20 Gramm schweren Brothälften 20 Liter Wasser, für den 100-Gramm-Hackfleischbratling je nach Haltung der Tiere zwischen 3500 und 7000 Litern Wasser; das bedeutet: beim Verzehr eines Burgers 35 gefüllte Wannen Wasser „virtuell“ zu sich genommen;
mehr als 20 Milliarden Tiere sind weltweit nur deshalb am Leben, um vom Menschen verspeist zu werden;
(bild der wissenschaft plus 11-2007: Die Erde hat Fieber)

·         Getreidepreise 2000 bis 2008 Grafik
Dollar je 100 Scheffel Weizen (1 Scheffel = 1 Bushel W. = 27,2 kg)
2000: 220; 2006: 250; Ende 2007: 900;
Dollar je Tonne Reis:
2000: 210; 2006: 250; Anfang 2008: 750;

einige Gründe für steigende Preise:
+ Weltbevölkerung wächst, Anbauflächen nehmen ab;
+ Klimaveränderungen bewirken irreversible Verluste an Ackerland;
+ veränderte Ernährungsgewohnheiten: immer mehr Viehweiden;
+ hoher Ölpreis (auch durch Spekulation getrieben) führt zum Anbau von Energiepflanzen
(Der Spiegel 16-2008 S.115)

·         Gesundheitssystem in Deutschland gibt 30 % für die Folgen ernährungsbedingter Krankheiten aus = über 70 Milliarden Euro pro Jahr;
geschätzt 240.000 Produkte im Lebensmittelbereich
(Der Spiegel 16-2008 S.96)

·         Kanzlerin Merkel gibt im Gegensatz zu Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul nicht der steigenden Biospritproduktion die Hauptschuld bei der Preisexplosion bei Nahrungsmitteln; Änderung der Ernährungsgewohnheiten in Entwicklungsländern; in Indien nähmen inzwischen rund 300 Millionen Menschen jetzt eine zweite Mahlzeit pro Tag ein; Chinesen beginnen Milch zu trinken
(taz 18.4.08)

·         In Sachsen übergewichtig und fettleibig:
57,2% der Frauen, 64% der Männer
(ZEIT 8.5.08 S.32)

·         Wegwerfen von essbaren Lebensmitteln:
USA 60 Kilogramm monatlich pro 4-köpfige Familie;
Großbritannien: ein Drittel wird weggeworfen;
Schweden: 1 Viertel geht in den Müll
(ZEIT 21.5.08 S.12)

·         Energiepflanzen-Anbau ist nicht neu;
es darf nicht vergessen werden, dass die Landwirtschaft schon lange Rohstoffe für die Industrie und zur
Energiegewinnung herstellt, pflanzliche und tierische Fasern, Öle, Farben usw. Bei uns kommen nur etwa ein Viertel der geernteten Kartoffeln auf den Teller, etwa 10% sind Saatkartoffeln, der Rest wird vor allem zu Stärke und zu Alkoholen für die chemische und andere Industrie verarbeitet. Noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurden ca. 25 bis 50% des geernteten Getreides als Futter für Zugtiere veranschlagt
(taz 2.6.08 Leserbrief)

·         40 Millionen Küken sterben jährlich allein in deutschen Vermehrungsbetrieben (rund 300 Millionen in der EU), weil sie das falsche Geschlecht haben;
Hälfte der ausgebrüteten Küken ist männlich; taugen nicht zur Fleischmast, weil das Federvieh auf Legeleistung getrimmt ist; sind schlicht Abfall, werden mit Kohlendioxid vergast oder lebendig im „Homogenisator“, einer Maschine mit rotierenden Messern, zu Brei zermatscht;
das Töten von Tieren „ohne vernünftigen Grund“ widerspricht dem Tierschutzrecht. Die Hahnentötung „ist das größte Problem im Tierschutz“ (Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund Bonn);
Früherkennungsmethode für das Geschlecht wird erprobt; am 8. Bruttag (Beginn der Hormonproduktion) werden Eier durchleuchtet und durch Anpieksen etwas Material entnommen; Geschlechtserkennung an Hormonen möglich; etisch scheint der Brutabbruch am 8. Tag vertretbar: Schmerzempfindung des Vogelembryos angeblich erst ab dem 10. Tag
(ZEIT 12.6.08 S.35)

·         Sojabohne;
stammt ursprünglich aus Asien;
USA mehr als 85 Millionen Tonnen pro Jahr, Brasilien 50, Argentinien 38;
90% werden an Tiere verfüttert;
(ZEIT 26.6.08 S.22)

·         Weizenpreis je Tonne: 4.6.07 127 Euro; Februar 2008 250 Euro;
Stickstoffdünger Oktober 2007 250 Euro je Tonne; jetzt fast 500;
Preis für Phosphor um 180% gestiegen,
Kali kostete vor 3 Jahren 140 Euro je Tonne, jetzt 630;
(ZEIT 26.6.08 S.13ff.)

·         Brotweizen Erzeugerpreise in Deutschland: Januar 2006 96 Euro je Tonne; Januar 2008 236;
(taz 1.7.08)

·         89 Gramm Obst essen 25- bis 50-jährige am Tag; das entspricht nur 37% der empfohlenen Menge von 240 Gramm;
ein 45-jähriger hat in seinem Leben schon 45.000 Mal gegessen; Gewohnheiten …;
Fleischverzehr pro Woche: Männer 1000 Gramm (143 g/d), Frauen 850 g (121 g/d); Empfehlung DGE: 600 g (86 g/d);
in einem Glas Cola sind zwölf Zuckerwürfel gelöst;
(ZEIT Wissen Nr.3 2008 S.17ff)

·         In ihrer Ursprungsregion in den Anden bringt es die Kartoffel auf rund 3000 Sorten;
vom Reis lebt mehr als die Hälfte der Menschheit täglich;
Mais ist die meistangebaute Pflanze der Welt, Menschen ernährt er seltener als Vieh; als angeblich klimaschonender Biosprit landet er im Tank – vier Fünftel des Energieertrags gehen für Pestizide, Dünger und Maschinen drauf
(ZEIT 3.4.08 S.35)

·         Ausgaben für Pestizide pro Hektar Anbaufläche 2005 in Euro:
Deutschland 132, Niederlande 275, Rumänien 18;
Weltmarkt für Pflanzenschutzmittel 2007: 24,6 Mrd Euro; EU-Europa 25%;
weltweit sterben pro Jahr 300.000 Menschen an Pestizidvergiftungen
(Der Spiegel 51/2008 S.88)

·         Nahrungsmittel Angaben für Deutschland:
Anteil der Ausgaben am Gesamtkonsum 11,2%; Afghanistan 61,3%; USA 7,2%;
Tageskonsum pro Kopf: Kartoffeln 184 Gramm, Reis 11 g, Fleisch 216 g,
(ZEIT-Wissen Heft 1/2009, S.47)

·         den meisten Menschen ist nicht klar, dass Trinken und Waschen nur zehn Prozent ihres Wasserbedarfs ausmachen, 90 % stecken zum Beispiel in Kleidung, aber auch in Dienstleistungen und vor allem im Essen: die Produktion einer Tasse Kaffe verbraucht 14 Liter Wasser, ein Hamburger 2400, 1 Paar Lederschuhe 8000, 1kg Fleisch 16.000, 1 kg Getreide 1000
5000 Liter solches „virtuelles Wasser“ verbraucht ein Bewohner der Industrieländer pro Tag
(Spiegel 35/2008 S.147)
1 Tasse Kaffee erfordert bei der Herstellung 140 Liter Wasser
1 Liter Milch – 1000 l Wasser; 1 kg Reis – 3400 l Wasser; 1 kg Rindfleisch – 16.000 l Wasser;
(National Geografic: Planet Erde 2008, S.48)

·         die deutschen Bauern haben 2008 49,9 Millionen Tonnen Getreide eingefahren, gut 20% mehr als 2007, auch im Vergleich zum langjährigen Mittel ein Plus von 13%;
jeder freie Hektar wurde bepflanzt, die Hälfte aller Brachflächen zu Acker umgebrochen, die EU hat ihr Programm zur Flächenstilllegung zu den Akten gelegt;
Felder waren auch viel ertragreicher: 2007 weniger als 70 dt Weizen je Hektar, 2008 81;
in den letzten 12 Monaten haben sie 15% mehr Kali-, 20% mehr Phosphat- und 13% mehr Stickstoff-Dünger gekauft als im Vorjahreszeitraum
(taz 5.9.08)

·         Getreideernte 2008 nach Schätzungen der FAO rund 2,2 Milliarden Tonnen, 2,8% mehr als 2007
(taz 19./20.7.08)

·         (9) in Bangladesh braucht eine Familie 80% des Einkommens für ihre Ernährung;
(11) in China wird heute 5 x mehr Fleisch verzehrt als 1980; 1 Kalorie aus der Tierproduktion erfordert 2 bis 7 pflanzliche Kalorien;
noch heute würde die weltweite Nahrungsmittelproduktion ausreichen, um die 6,7 Milliarden Menschen zu ernähren;
(12) auch in Afrika könnte genug produziert werden;
auch die Ernährung von 9 Milliarden Menschen bis Mitte des Jahrhunderts ist möglich;
(13) ungefähr 40% der Nahrungsmittel werden heute durch Schädlinge ungenießbar (und vernichtet? JK)
(16) weltweit werden 36% des Getreides als Futtermittel eingesetzt, in der EU 45%;
(23) Unkräuter verursachen weltweite Ernteverluste von 14%; Insekten etwa 15% und Pilze etwa 13%
(29) weltweit 2006 rund 30,4 Mill. ha weltweit unter zertifizierter ökologischer Bewirtschaftung
(Aus Politik und Zeitgeschichte; 6-7/2009 Welternährung)

·         Kann BIO die Welt ernähren?
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Chef des weltgrößten Pestizidherstellers Syngenta: Ohne Pflanzenschutzmittel könnten wir weltweit 4 Milliarden Menschen ernähren und nicht wie mit konventioneller Landwirtschaft 6,5 Milliarden;
Versuche in Schleswig-Holstein: auf den Bio-Feldern sanken die Erträge je nach Bodenqualität um 20 bis 70 %;
Schweizer Institut für biologischen Landbau (Fibl) Versuche über 30 Jahre: Ertragseinbußen durchschnittlich 20%;
Grund: Nährstoffe fehlen;
Forscherteam der Biobranche: weltweit könnte mit BIO-Methoden 50% mehr erzeugt werden als alle Bauern derzeit schaffen; Kritiker dazu: die Daten stammten nicht nur aus BIO-Anbau;
(taz 20./21.122008 S.4)

·         Ein Landwirt ernährte 1900 4 Personen; 1950 (BRD) 10, 2000 119:
Anteil der privaten Ausgaben der Haushalte für Nahrungsmittel: 1900 46,7%, 1950 (BRD) 43,5%, 2000 15,6%;
Pro-Kopf-Verbrauch wichtiger Nahrungsmittel (Kilogramm pro Jahr)

Lebensmittel

um 1900

um 1950 (BRD)

2000

Getreideerzeugnisse

139,2

106,9

75,2

Kartoffeln

271,1

188,8

70,0

Fleisch

47,0

37,7

94,3

Öle und Fette

3,2

1,8

29,6

Eier (Stück)

90

126

224

(Der Sonntag, Kirchenzeitung Sachsen; 5.10.08 S.3)

·         rund 40% aller Fische und Meerestiere, die weltweit in die Netze der Fischindustrie gehen, sind Beifang und werden wie Müll ins Meer gekippt; mindestens 39 Mill. Tonnen jährlich;
(Die Zeit 16.4.09 S.36)

·         insgesamt 1.094 Tiere verspeist jeder Deutsche im Laufe seines Lebens: 4 Kühe oder Kälber, 4 Schafe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Truthähne, 46 Schweine und 945 Hühner;
würde jeder wöchentlich einen fleischfreien Tag einlegen, könnten jährlich 157 Millionen Tiere verschont werden;
in Deutschland leben 5 bis 6 Millionen Vegetarier
(Deutscher Vegetarierbund)
(taz 1.10.09 S.08)

·         Die Viehzucht verursacht derzeit nicht weniger als 18 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen;
dass schon ein einmaliger Fleischverzicht pro Woche zur Einsparung von 170 kg CO2 im Jahr führe;
Während sich die Weltbevölkerung seit Anfang der 1960er Jahre etwa verdoppelt hat, nahm der Verzehr von rotem Fleisch um den Faktor 4 zu, der von Geflügel hat sich gar verzehnfacht. Heute leben mehr Nutztiere auf der Erde als je zuvor, Schätzungen sprechen von 60 Milliarden. Und die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO erwartet, dass die jährliche globale Fleischproduktion sich bis 2050 noch einmal fast verdoppeln wird, auf 465 Millionen Tonnen;
Im letzten Klimareport des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) liest man, dass knapp ein Drittel der durch die Ernährung verursachten Emissionen sich durch „fleischreduzierte Kost“ vermeiden ließe,
(Die Zeit 10.12.09 S.39)

·         Kleinbauern ernähren die Welt; auf Höfen, die kleiner sind als 2 Fußballfelder (1,6 ha) wird der größte Teil der Nahrungsmittel produziert;
nur 15 Pflanzenarten liefern 90% unserer Lebensmittel;
40% der weltweit erzeugten Kalorien beruhen auf künstlich hergestelltem Stickstoffdünger;
die Sojaanbaufläche allein für die Tierproduktion in Deutschland beträgt 28.000 Quadratkilometer (= Meckl.-Vorpommern + Saarland);
(Das Parlament, Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte Heft 5/6-2010: Landwirtschaft)

·         (27) Rinder: etwa 200 Gramm Methan gehen pro Tag und Rind durch Pupsen und Rülpsen in die Luft (etwa 290 Liter)
(Fluter, Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 33/2009: Thema Ernährung)

·         (6) Preise 1950 bis 2008:
Brotpreis 0,30 auf 2,50 Euro
Getreidepreis etwa konstant bei zuletzt 0,13 Euro
Anteil der Weltgetreideernte 2008:
Biokraftstoffe 5%
Saatgut, Industrie, sonstige 13%
Nahrungsmittel 47%
Futtermittel 35%
Verwendung der europäischen Getreideernte 2008:
Tierfutter 63%
Nahrung 23%
Saaten 8%
Industrie 4%
Biokraftstoffe 2%
(Agentur für Erneuerbare Energien: In Sachen Bioenergie 2009)

·         landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland 2008:
Futtermittel 10,2 Mill. ha
Nahrungsmittel 4,5
stoffliche Nutzung 0,3
Brachfläche 0,3
Bioenergie 1,6
(Agentur für Erneuerbare Energien: Erneuerbare Energien 2020 – Sonderausgabe Bioenergie, 2009)

·         Getreidepreise 2010

Getreideart

Preis Ende Juni 2010

Preis Mitte August 2010

Gerste

115
kanad. Dollar je Tonne

135

Mais

2,7
US-Dollar je Scheffel (= 25,4 kg)

3,0

Weizen

3,7
US-Dollar je Scheffel (= 25,4 kg)

5,2

(Spiegel 34-2010 S.74)

·         Malawi; eines der ärmsten Länder Afrikas produziert seit Jahren Nahrungsüberschüsse;
Wunder begann 2005; Präsident legte ein Förderprogramm auf: Düngerpreis auf weniger als 1/7 herunter; Preis für Saatgut auf ein Zwanzigstel gesenkt;
Durchschnittsertrag ist von 600 kg auf 1600 kg Mais je Hektar gestiegen;
“wir hatten jetzt auch drei Jahre gute Niederschläge;
mit modernen Anbaumethoden und Bewässerungsanlagen, mit größeren Flächeneinheiten wären leicht drei- bis viermal so hohe Erträge zu erzielen
(Spiegel 36-2010 S.113)

·         in den USA landen schätzungsweise 27% des Essens in der Mülltonne; das macht 2% des gesamten Energieverbrauchs aus (Erzeugung, Zubereitung und Verpackung);
durch einen sorgsameren Umgang mit Nahrungsmitteln könnten demnach drei Viertel der von US-Atomkraftwerken erzeugten Energie eingespart werden
(Spiegel 41-2010 S.163)

·         Wie die FAO Bauern beibringt, umweltschädliche Pestizide zu benutzen – unter dem Vorwand des Klima- und Bodenschutzes;
Tansania; Kurs „Konservierende Landwirtschaft“; Der Pflug muss weg! (lockerer Boden erosionsgefährdet); mit einem Spezialwerkzeug ein nur wenige Zentimeter tiefes Loch für jeden Samen; dazu leicht lösliche Mineraldünger (effektiv, wenig einsetzen) und chemisch-synthetische Pestizide (Alternative wäre möglich: Hacke); keine Gentechnik; Fruchtfolgen; Pflanzenreste bleiben zwischen den Maispflanzen liegen, Wasser verdunstet so langsamer; höhere Ernteerträge
(taz 1.7.2010 S.3)

·         Ist Chemie in Lebensmitteln wirklich nur schlecht?
Nach dem Lebensmittelrecht gelten Zusatzstoffe als Lebensmittel. Sie dürfen nicht gesundheitsschädlich sein. Das zu beweisen, ist Aufgabe der Hersteller. In einem aufwendigen Zulassungsverfahren wird festgelegt, in welchen Mengen und für welche Lebensmittel ein Zusatzstoff verwendet werden darf.
“künstliche“ Herstellungsverfahren?
viele Zusatzstoffe sind natürlichen Ursprungs: Konservierungsstoff Benzoesäure (E 210) auch in Blaubeeren zu finden, Verdickungsmittel Agar-Agar (E 406) wird aus Rotalgen gewonnen und das Antioxidationsmittel Zitronensäure (E 330) kommt in zahlreichen Obst- und Gemüsesorten vor (100 Gramm Tomaten enthalten 300 Milligramm Zitronensäure, das ist mehr, als die Menge, die Senf vor dem Braunwerden schützt); auch solche „natürliche“ Zitronensäure ist schädlich für die Zähne!;
die häufigsten Allergieauslöser sind natürliche, unverarbeitete Lebensmittel wie Kuhmilch oder Nüsse
(taz 9.10.2010 S.34)

·         Laut Stiftung Warentest sind Biolebensmittel genauso gesund und schmackhaft wie herkömmliche, allerdings enthielten sie weniger Pestizide; Umweltfaktoren flossen in die Bewertung nicht ein;
85 Tests seit 2002 ausgewertet;
„sehr gut“ erhielten je 1% der Bio- und der konventionellen Lebensmittel;
“gut“ gab es für 44% der herkömmlichen und 40% der Bio-Lebensmittel;
“befriedigend“ beide zu je 38%
(taz 28.5.2010 S.8)

·         derzeit weltweit:
1,3 Milliarden Rinder, eine knappe Milliarde Schweine und 20 Milliarden Hühner
(taz 6.8.2010 S.18)

·         Für die mehr als drei Millionen Tonnen Sojaschrot, die pro Jahr von Brasilien nach Deutschland als Futtermittel ausgeführt werden, sind 1,2 Millionen Hektar Anbaufläche nötig.
(Bundesumweltministerium, Magazin „Biologische Vielfalt – der Reichtum unserer Erde“, 2010, S.6)

·         57 % der europäischen Getreideernte dienen der Tierernährung;
75 % aller Tiere werden mit gentechnisch veränderte Futter gefüttert (v.a. Soja aus Brasilien, Argentinien und Paraguay);
Sojaanbau in Paraguay; „Kinder werden blind, Schwangere verlieren ihre Babys, unsere Tiere sterben“, erklärt Geronimo die Folgen der Ackergifte, die auf den Sojafeldern rundherum regelmäßig versprüht werden (???JK);
zweieinhalb Tonnen Sojabohnen und mehr werden heute bei guter Ernte pro Hektar erzielt. Das bringt um die 900 Dollar Verkaufspreis pro Hektar.;
In der EU gibt es eine riesige Eiweißlücke: 80% des Eiweißpflanzenbedarfs werden importiert, das entspricht 20 Millionen Hektar, die wir Europäer für unsere Fleischproduktion importieren. Diese Flächen stehen für eine Ernährung der Bevölkerung vor Ort nicht mehr zur Verfügung. Derzeit werden 36% der weltweiten Getreideernten an Tiere verfüttert, die weltweite Sojaernte geht zu 70% in die Mägen von Tieren.;
Heute ist klar, dass die Fleischproduktion weltweit jährlich – je nach Berechnung – zwischen 18 und 51% (??? JK) der menschlich verursachten Treibhausgasemissionen ausmacht.
(Agrar Info Jubiläumsausgabe Mai 2011, Beilage zur TAZ 21.5.2011, gefördert durch u.a. BMZ, EED, Misereor – www.agrarkoordination.de)

·         (zu EHEC und Bio-Gurken)
aßen die Deutschen 1950 im Durchschnitt 50 Kilogramm Gemüse pro Jahr, sind es heute 100 Kilo;
Bioware ist inzwischen genauso der Industrialisierung unterworfen wie andere Lebensmittel auch;
44 % des Biogemüses werden aus dem Ausland eingeführt; jede zweite Biomöhre eine Importmöhre;
also fliegt die Lufthansa frische Bioerbsen aus Kenia und Biopetersilie aus Israel ein, Biokartoffeln aus Ägypten kommen ebenso per Schiff wie Biogetreide aus Argentinien; Biozitronen, -tomaten und eben auch –gurken bringt der Laster aus Spanien; neun von zehn Exportgurken, darunter auch Biogurken, wachsen in einer einzigen Provinz, in Andalusien; dort steht der größte Gewächshauskomplex der Welt, ganze Landstriche haben dort die Bauern mit Plastikfolie überzogen;
Außer an Sonne fehlt es in der Gegend an allem, was Pflanzen normalerweise zu einem gesunden Gedeihen brauchen, vor allem das Wasser. Ein Drittel des landwirtschaftlichen Anbaus wird aus illegalen Brunnen bewässert. Dafür wird nichts bezahlt, und die Qualität des Wassers wird nicht kontrolliert.
Der Staat hilft, wenn jemand auf Biolandwirtschaft umsteigt. Ein spanischer Bauer erhält für eine konventionelle Gurke 17 bis 25 Cent, für eine Biogurke könne er bis zu 45 Cent erlösen;
Ökobauer Vila behauptet, dass im „Chemielabor“ Almeria viele Erreger resistent gegen die Pestizide geworden seien.;
Viele Transportunternehmen verfügen nicht über die spezifischen Behälter, Container und Lagervorrichtungen für Ökoprodukte;
Escherischia Coli in der Variante HUSEC 41 hat sich irgendwann im Verdauungstrakt von Wiederkäuern entwickelt, als Mutation eines Bakteriums …; Meist wird Ehec durch rohes oder unzulänglich gegartes  Fleisch, Mett oder Rohmilchprodukte übertragen
(Die Zeit 23-2011, 1.6.2011, S.27)

·         Der bislang schwerste Ehec-Ausbruch ereignete sich 1996 in Japan, wo sich 11000 Schulkinder nach dem Genuss verunreinigter Rettichsprossen ansteckten. Die Pflanzen waren auf dem Feld durch angeschwemmten Rinderdung kontaminiert worden;
Im Fachblatt Science erschien eine Studie, nach der ein höherer Anteil von Heu und Stroh im Viehfutter die Zahl der Bakterien reduziert – aber die Studie konnte von anderen Wissenschaftlern nicht reproduziert werden.
(Die Zeit, 1.6.2011, S.36)

·         Rezension Buch; Montgomery D.R.: Dreck, Oekom, München 2010;
jährlich gehen 24 Milliarden Tonnen Erdboden verloren, die Erosion erfolgt mit der 10- bis 20-fachen Geschwindigkeit der Boden-Neubildung
(bild der wissenschaft 6-2011 S.75)

·         200 Millionen Tonnen Gülle werden jedes Jahr auf deutschen Feldern ausgeschüttet
(entspricht bei 82 Millionen Menschen 2,44 Tonnen je Einwohner im Jahr; = 6,7 kg je Einwohner am Tag JK)
(Der Spiegel 22-2011 S.17)

·         seit 1991 hätten die Bauern in Sachsen rund 38.400 Hektar Ackerland eingebüßt, sagte der Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB);
auf dieser Fläche könnte genug Getreide angebaut werden, um alle Sachsen mit Brot zu versorgen;
Gründe für den Flächenverlust: ungebremster Bau von Straßen, Wohn- und Gewerbegebäuden, Stromleitungen, Bauern müssten Ausgleichspflanzungen für den Straßenbau dulden; Umweltminister Kupfer: Ziel sei es, den durchschnittlichen Flächenverlust von derzeit 5 Hektar am Tag bis 2020 auf unter 2 ha zu verringern
(Freie Presse Chemnitz 6.5.2011 S.7)

·         (Leserbrief)
obwohl Deutschlands Bevölkerungszahl bereits abnimmt, werden jeden Tag weitere 94 Hektar Naturland in Siedlungs- oder Verkehrsfläche umgewandelt
(Der Spiegel 19-2011 S.11)

·         Hühnerhaltung Haltungsformen (Prozent Anteil):
Haltung      1995     2010
Käfig          93,7      15,7
Boden        4,6       63,5
Freiland      1,6       14,3
ökologisch             6,5
Legeleistung pro Henn und Jahr: 1960 152 Eier; 1980 242 Eier; 2010 285 Eier;
2009 10 Milliarden Eier in Deutschland erzeugt; 52% von Privathaushalten gekauft
(Die Zeit 20.4.2011 S.35)

·         Interview mit Jochen Flasbarth, Umweltbundesamt;
Die alarmierende Entwicklung. 79.000 Quadratkilometer Agrarland sind in den vergangenen dreißig Jahren weltweit unbrauchbar geworden. Das ist eine Fläche, so groß wie Österreich;
Wir hatten im selben Zeitraum Zugewinne von 25.000 Quadratkilometern. Doch für dieses Neuland wurden oft wertvolle Ökosysteme wie der Regenwald unter den Pflug genommen;
Es gibt einen immer höheren Nutzungsdruck, ausgelöst durch das Bevölkerungswachstum; überdies wollen die Konsumenten in den Industrieländern und wachsende Mittelschichten weltweit mehr Fleisch konsumieren, deshalb werden mehr Flächen für den Anbau von Futtermitteln gebraucht. Außerdem steigt die Nachfrage nach Energiepflanzen. Auch durch Wetterextreme als Folge des Klimawandels werden Böden verweht, verwüstet oder einfach weggespült;
Private oder staatliche Anleger suchen anderswo nach Ackerflächen. Besonders oft kommen sie aus bevölkerungsreichen Ländern wie China, Südkorea oder Saudi-Arabien, die selbst über wenig fruchtbaren Boden verfügen. Dieses land grabbing bedroht den sozialen Frieden, weil das Land dann für die Versorgung der lokalen Bevölkerung fehlt. Es ist kaum vorstellbar, dass afrikanische oder südamerikanische Bauern ruhig bleiben, wenn ihre Familien Hunger leiden, während neben ihrem Dorf auf den Feldern ausländischer Investoren die Nahrungspflanzen üppig gedeihen;
Auch in Mitteleuropa gibt es Erosion, auch bei uns ist der Humusgehalt der Böden oft gering, und sie sind mit Schadstoffen belastet. Täglich werden in Deutschland rund 100 Hektar Land durch Neubauten und Straßen neu versiegelt, und von dem erklärten Ziel, wenigstens auf 30 Hektar herunterzukommen, sind wir noch immer weit entfernt
(Die Zeit 22.6.2011 S.39)

·         Jährlich gehen weltweit 24 Milliarden Tonnen Ackerboden verloren, die Erosion erfolgt mit der 10- bis 20-fachen Geschwindigkeit der Boden-Neubildung
(bild der wissenschaft 6-2011 S.75)

·         Was die Etiketten verstecken - "Ohne Gentechnik" bedeutet oftmals doch "mit", denn die Kennzeichnungspflicht ist lückenhaft;
Immer wieder spricht sich in Umfragen eine deutliche Mehrheit der Deutschen gegen die Anwendung von Gentechnik aus. Viele dürften sie für eine exotische Nischentechnologie halten, auf die man in Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion genauso gut verzichten könnte. Schließlich scheint im Lebensmittelregal nichts davon anzukommen. Dem widersprechen Schätzungen von Experten: 50, 60 oder gar 80 Prozent aller Artikel in einem typischen Supermarkt seien bei irgendeinem Herstellungsschritt mit der Technologie in Berührung gekommen;
in Wahrheit weiß es niemand so richtig. »Dazu haben wir keine Angaben«, sagt der Sprecher von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner und fügt hinzu: Eine Analyse müsse wohl ganz unten beginnen, »also bei Vitaminen, Zucker, Milch, Tierfutter...«;
Als Konsequenz aus dem Honigurteil des EuGH könnte die Auswahl schrumpfen. Der Nulltoleranzidee folgend, hatten die Luxemburger Richter im Sinne eines Augsburger Imkers geurteilt: Enthält Honig auch nur einen einzigen Pollen einer hierzulande nicht zugelassenen, genveränderten Sorte, dann darf er ohne eigene Zulassung nicht verkauft werden. Nichts zu tun hat das Urteil mit Gesundheitsrisiken (darauf gab es keine Hinweise) und der Möglichkeit, dass der Pollen sich noch verbreiten könnte (kann er definitiv nicht);
Keine einzige genetisch veränderte Speisesorte besitzt derzeit diese Zulassung, nur eine Industriefrucht. Es ist die Kartoffel Amflora, die allerdings nur für die chemische Industrie angebaut werden soll;
Die Käsetheke – Aus Milch kann erst Käse werden, wenn das Milcheiweiß aus der restlichen Flüssigkeit ausfällt. Dieser künstlichen Verdauung half man früher mit natürlichen Verdauungssäften auf die Sprünge, mit dem Magensaft von Kälbern (Lab), der das Enzym Chymosin enthält. Inzwischen wird dieses überwiegend synthetisch erzeugt, und zwar mithilfe genetisch veränderter Mikroben;
Als Produktionshilfsstoff muss Lab nicht in der Zutatenliste auftauchen. Diese Stoffe stammen auch bei anderen Lebensmitteln – vor allem industriell erzeugten – oft aus weißer Gentechnik;
Die Fleischtheke – Beim Kauf von Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch springt bei manchen Verpackungen wie auch bei Milchprodukten das Siegel »Ohne Gentechnik« ins Auge. Mit diesem Etikett wollte die Bundesregierung mehr Transparenz schaffen, doch die Kennzeichnung ist umstritten, weil sie Ausnahmen zulässt: So dürfen Rinder bis zu 12 Monate vor ihrer Schlachtung mit transgenen Pflanzen gefüttert werden. Bei Schweinefleisch sind es vier Monate, bei Hähnchen zehn Wochen Karenzzeit.
Jederzeit dürfen Fleisch-, Milch- und Eierlieferanten zudem Zusatzstoffe ins Futter mischen, die aus dem Bioreaktor stammen, um Ernährungsmängel bei der Mast auszugleichen. Zufällige Verunreinigungen des Futters mit zugelassenen und als sicher befundenen Gentechniksorten, etwa mit importierter Soja, werden bis zu einer gesetzlich festgelegten Grenze von 0,9 Prozent toleriert. Hinzu kommt, dass alle Nutztiere mit gentechnisch erzeugten Medikamenten und Impfstoffen fit gehalten werden dürfen. Somit können an der Fleischtheke und im Milchregal nicht nur die grüne und die weiße, sondern auch die »rote Gentechnik« vertreten sein;
Eine Viertelmillion verschiedener Produkte stehen in deutschen Lebensmittelgeschäften, jedes Jahr kommen Zehntausende hinzu;
Dennoch bleibt Spielraum für Ungewissheit. Jährlich führt die EU 35 Millionen Tonnen Soja ein, doch eine absolute Trennung zwischen transgenen und anderen Bohnen ist bei der Verarbeitung nicht möglich (in solchen Fällen greift die 0,9-Prozent-Regel). Daher finden sich auch in als »gentechnikfrei« deklarierten Produkten sehr geringe Mengen gentechnisch veränderter Soja – bundesweit. 2008 war bereits gut ein Viertel der Nahrungsmittel betroffen.
Die Getränkeecke – Vom herkömmlichen Saft bis hin zum exotischen Fruchtsaftgetränk, oft wird die Natürlichkeit betont. Doch auch bei ihrer Herstellung kann Gentechnik eingesetzt worden sein. Etwa beim Auspressen der Früchte, wenn mittels Enzymen die Zellwände zerstört werden, um mehr Saft aus Apfel, Traube und Co. herauszupressen. Die Enzyme Pektinase, Cellulase oder Xylanase können allesamt von gentechnisch veränderten Mikroben stammen. Zusätzlich werden Amylasen eingesetzt, um trübe Säfte klar werden zu lassen.
Auch Vitamin C ist nicht immer natürlichen Ursprungs. Es wird in unbekanntem Maße bereits kommerziell von transgenen Mikroorganismen hergestellt. Die Vitamine B2 und B12 stammen sogar fast ausschließlich von Gentechnik-Bakterien. Vitamin E wird oft aus genetisch veränderter Soja gewonnen;
Die süße Quengelware – Schokoriegel, Bonbons und Eiscreme enthalten Zucker, der oft aus Zuckerrüben hergestellt wird. Die Pflanze ist 2009 weltweit auf mehr als 4,3 Millionen Hektar angebaut worden, 11 Prozent davon waren genetisch verändert. In der EU ist das nicht erlaubt, der Import von gv-Rüben aus Nordamerika – ihr Anteil beträgt dort 95 Prozent – hingegen schon. Einige US-Produkte mit Gen-Süße finden sich daher auch in deutschen Supermärkten. Sie müssen allerdings gekennzeichnet werden – unabhängig davon, ob genveränderte Stoffe der Rübe im Endprodukt nachgewiesen werden können;
(Die Zeit 15.9.2011 S.49 - http://www.zeit.de/2011/38/Gentechnik-Kennzeichnung )

·         vom Essensmüll der USA und Europas könnten die Hungernden der Erde siebenmal satt werden;
pro Kopf der Weltbevölkerung erzeugen die Bauern täglich 4600 Kilokalorien 1400 davon erreichen niemals einen Magen;
die Hälfte der Lebensmittel, die in Deutschland weggeworfen werden, könnten noch gegessen werden;
(Die Zeit 15.9.2011 S.48)

·         In Deutschland landen jährlich geschätzte 20 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll;
Welternährungsorganisation FAO herausgefunden, dass der größte Teil in den wohlhabenden Staaten beim Verbraucher verdirbt: Amerikaner und Europäer werfen pro Person im Schnitt rund 100 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. Allerdings ist der Schwund auch in den Entwicklungsländern beträchtlich. Dort kommen bis zu 40 Prozent der Ernte erst gar nicht bei den Menschen an. Falsche Lagerung, Transportschäden und fehlende Verpackungen bringen die bäuerlichen Kleinbetriebe um ihr Einkommen.
Derzeit leben etwa sieben Milliarden Menschen auf der Welt, fast jeder siebte hungert.
Im Jahre 2050 dürften neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Um alle satt zu bekommen, müssten die Ernteerträge drastisch steigen, sagt Robert van Otterdijk. Er ist der Landwirtschaftsexperte der FAO;
Einige Handelsketten haben das Problem erkannt. So schult beispielsweise die Metro-Gruppe bereits seit 2002 Lieferanten aus Entwicklungs- und Schwellenländern, Hygienestandards einzuhalten sowie Transport und Logistik zu optimieren. »Die Verluste, die nach der Ernte entstehen, konnten in der Regel um 40 Prozent reduziert werden«, sagt Jürgen Mattern. Er ist bei der Metro Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement. Manchmal helfe es schon, darauf aufmerksam zu machen, dass der Esel nicht neben dem Berg von Gemüse geparkt werden sollte;
Der eigentlich skandalöse Teil spielt in den gut versorgten und wohlgenährten Industriestaaten. Viele Lebensmittel schaffen es dort allein aus optischen Gründen nicht in die Regale der Supermärkte. Sie werden aussortiert, weil sie der EU-Vermarktungsverordnung nicht genügen. Prominentes Beispiel war lange Zeit die Gurke, die einen gewissen Krümmungsgrad nicht überschreiten durfte: Erlaubt waren zehn Millimeter auf zehn Zentimeter Länge. Was krummer war, hatte keine Chance. Seit 2009 ist damit zwar Schluss. Aber nicht bei allen Gemüse- und Obstsorten. Äpfel, Salate, Paprika und Tomaten unterliegen noch immer einem strikten Regime, bei dem es nicht um Gesundheit, sondern lediglich um die Form und ums Aussehen geht. So muss ein Apfel einen Durchmesser von mindestens sechs Zentimetern haben;
Kuchen, Brot und Brötchen ergeht es aus anderen Gründen nicht viel besser. Weil etliche Backshops in den Supermärkten bis zum Ladenschluss das gesamte Sortiment vorhalten müssen, bleibt dort besonders viel übrig: Gut zehn Prozent aller Backwaren sind Überschuss. Der wird unter anderem an Tiere verfüttert – oder verbrannt. Brot hat nahezu den selben Heizwert wie Holz;
Zur automatisierten Verschwendung kommt es in der Nahrungsmittelindustrie. So hat Tristram Stuart, der in seinen Büchern bereits seit Jahren die Verschwendung geißelt, unter anderem eine Sandwich-Fabrik besucht. Stuart berichtet, dass sie jeden Tag 13.000 Scheiben frisches Brot entsorgt. Nicht, weil sie schlecht plant, sondern weil sie von jedem Laib die ersten und letzten beiden Scheiben nicht nutzt;
Laut der Welternährungsorganisation FAO sind die Weltmarktpreise für Getreide seit 2000 um satte 200 Prozent gestiegen.
Die Konsumgesellschaft verlangt nach Vielfalt und prall gefüllten Regalen – und das zu jeder Zeit, sagt der Handel. Über Schwund aber schweigt man sich dort aus. Lebensmittelverluste in Supermärkten sind – bislang jedenfalls – ein gut gehütetes Geheimnis. Selbst das EHI Retail Institute, das für die Branche forscht, verfügt über keinerlei exakte Zahlen. Das soll sich ändern. Eine Studie läuft. In ersten Schätzungen wurde die Wegwerfquote auf etwa fünf Prozent taxiert. Ein Missverständnis, heißt es inzwischen. Erste Auswertungen der Umfragen hätten gezeigt, dass diese Quote nicht mehr als 1,6 Prozent betrage, sagt Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI und des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels. Doch selbst das bedeutet, dass die Händler Nahrungsmittel im Wert von fast zwei Milliarden Euro jährlich entsorgen. Das Sortiment zu reduzieren, um den Schwund zu minimieren, hält Gerling für problematisch. Das verbiete der scharfe Wettbewerb, sagt er: »Die Kunden wandern ab, wenn es etwa nur noch eine Sorte Kartoffeln gibt
Zur großen Verschwendung trägt ein kleiner Stempel bei: das Mindesthaltbarkeitsdatum. Es ist den Deutschen sehr wichtig, zeigen Umfragen. Und wird oft missverstanden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum zeigt nämlich nicht an, bis wann ein Lebensmittel haltbar ist, sondern bis wann es seine ursprünglichen Eigenschaften bewahrt. Verdorben ist es danach noch nicht. Umrühren beim Joghurt reicht beispielsweise, um ihn wieder cremig werden zu lassen. Man sollte sich mehr auf seinen Geschmack und seine Nase verlassen, raten Verbraucherschützer. Den Hinweis darauf, wann ein Lebensmittel tatsächlich entsorgt werden muss, gibt der Vermerk »haltbar bis« oder »zu verbrauchen bis«. Er ist zum Beispiel bei Hackfleisch vorgeschrieben.;
Der Folienspezialist Cofresco, der zur Melitta-Gruppe gehört, kann stattdessen mit konkreten Zahlen aufwarten, wenn es um private Haushalte geht. Laut seiner Studie werfen sie allein in Deutschland jährlich Lebensmittel im Wert von 25 Milliarden Euro in den Müll. Andere Umfragen liefern die Begründung: Sie haben schlicht zu viel gekauft. Jeder Vierte wirft Nahrungsmittel deshalb weg, weil die Packungen einfach zu groß sind. Kein Wunder, wenn 500 Gramm Toastbrot 1,09 Euro kosten – und die Hälfte nur 10 Cent weniger;
Hamburger Biowerk. Dort sorgt eine Separationshammermühle dafür, dass aus den Lebensmitteln alles aussortiert wird, was später den Prozess im Bioreaktor stören könnte; etwa Verpackungen. Danach gehen Bakterien an die Arbeit. Bei 38 Grad sorgen sie für die Umwandlung des Biobreis in Gas. Das wiederum treibt den Verbrennungsmotor eines Blockheizkraftwerkes an und ermöglicht so die Erzeugung von Strom und Fernwärme. 2.500 Hamburger Haushalte decken so ihren Energiebedarf.
Das Biowerk der Stadt Hamburg zählt noch zu den Kleinen in der wachsenden Branche. Im deutschen Geschäft mit Essensresten ist die Firma ReFood die Größte: Satte 1200 Tonnen Küchen- und Speiseabfall, Brot und Backwaren, Obst, Gemüse sowie Fleischreste sammelte das Unternehmen im vergangenen Jahr ein. Am Tag
(Die Zeit 11.8.2011 S.22 - http://www.zeit.de/2011/33/Lebensmittelvergeudung )

·         Viele Verbraucher halten Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum für verdorben. Das sei häufig eine Fehleinschätzung, sagen Experten, und außerdem eine Ursache von Lebensmittelverschwendung. Die Industrie profitiert davon;
die deutsche Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) sieht Datumsangaben vor, die explizit auf Haltbarkeitsgrenzen verweisen. Um Haltbarkeit im engeren Sinn geht es aber nur beim "Verbrauchsdatum", beispielsweise auf abgepacktem Frischfleisch oder Fisch. Dazu Paragraf 7a der LMKV: "Bei in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblichen Lebensmitteln, die nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten, ist (…) das Verbrauchsdatum anzugeben." Und: "Lebensmittel (…) dürfen nach Ablauf des Verbrauchsdatums nicht mehr in den Verkehr gebracht werden." Daran ist nichts misszuverstehen.
Was auf allen anderen Produkten, außer beispielweise frischem Obst und Gemüse, steht, heißt "Mindesthaltbarkeitsdatum". Und das ist, gelinde gesagt, irreführend. Denn anders als seine Bezeichnung nahelegt, ist das Datum mitnichten eine Frist für den gesundheitlich unbedenklichen Verzehr eines Produkts;
"Das Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels ist das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifischen Eigenschaften behält", sagt Paragraf 7 der LMKV. Hier ist nur vom Genusswert des Produkts die Rede. Es geht um Aroma, Vitamingehalt oder Konsistenz, nicht um Verderblichkeit.
Von einem Verkehrsverbot nach Ablauf des Datums steht nichts im Text. Dass dafür auch kaum Veranlassung bestünde, hat unter anderem eine Reihe von Stichprobenstudien gezeigt, die Guido Ritter im Auftrag von Stern TV durchgeführt hat.
Lebensmittel waren danach oft weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus in einwandfreiem Zustand, geschmacklich und mikrobiologisch. Dass unklare Begriffe von Genusstauglichkeit die Konsequenz haben, unsere Mülltonnen mit Lebensmitteln zu füllen, beweisen Felicitas Schneiders Wiener Abfallanalysen deutlich genug;
Was kaum ein Verbraucher weiß: Das Mindesthaltbarkeitsdatum wird von keiner Behörde festgelegt. Diese Angabe darf von den Herstellern selbst aufgedruckt werden;
Über die Hälfte aller Lebensmittel landet nach Thurns Recherchen in Deutschland im Müll. Viel davon scheint dem Umgang mit Mindesthaltbarkeitsfristen geschuldet.
(taz 5.8.2011 S.18)

·         Ist Biokost gesünder als konventionelle Ware? Können wir uns mit Öko-Radieschen ein langes Leben sichern, fit und froh? Eine neue, breit angelegte Meta-Analyse von WissenschaftlerInnen der Universität Stanford will die immer wieder gestellte Frage neu beantworten. Die Studie hat 237 Untersuchungen aus fünf Jahrzehnten ausgewertet - die bisher umfangreichste Analyse überhaupt. Ernüchterndes Ergebnis: "Es bestehen kaum Unterschiede zwischen biologisch und konventionell erzeugten Lebensmitteln." Dies betrifft vor allem die inneren Werte wie Vitamin- und Mineralstoffe, Fette, Proteine und andere Nährstoffe. Allerdings wäre es auch naiv gewesen, hier messbare Vorteile von Bio zu erwarten, zumal die Nährstoffgehalte in sturer Regelmäßigkeit immer wieder - ergebnislos - verglichen wurden.
Relevante Unterschiede wurden dagegen bei Pestiziden und Antibiotika gefunden. Konventionelle Lebensmittel enthielten mehr Pestizidrückstände. Doch die gesundheitliche Bedeutung dieses Befunds bleibt in der Studie unklar. Die Forschergruppe um Dena Bravata räumt den Pestiziden keine große Bedeutung ein, weil die Rückstände nicht alarmierend hoch waren. Gleiches gilt für die leicht geringere Belastung mit antibiotikaresistenten Bakterien in der Biokost. Beides führt dazu, dass die Nachrichtenagenturen schüchtern bilanzieren, Biokost sei "ein wenig" gesünder. Angesichts der hohen Erwartungen an Bio wird daraus aber ein negativ gefärbtes "nur ein wenig gesünder".
(taz 5.9.2012 S.04)

·         China:
Jahreseinkommen: 1990 341 Dollar pro Kopf – 2011 5400 Dollar
Fleischkonsum: 1990 26 kg – 2011 56 kg pro Kopf und Jahr
USA: Maisnutzung 2011/12 Anteile in Prozent: Biosprit 39, Futtermittel 37, Export 13, Nahrungsmittel 11; Anbaufläche Mais 2000 29,3 Millionen Hektar, 2010 32,9;
Der Bonner Agrarökonom Berg ist zuversichtlich, dass jeder Bewohner der Erde satt zu kriegen sei, selbst im Jahre 2050. "Um die neun Milliarden Menschen, die dann voraussichtlich auf dem Planeten leben werden, ernähren zu können, müssen wir unsere heutige Agrarproduktion verdoppeln", rechnet er vor: "Theoretisch ist das möglich." Dazu aber müsste die Landwirtschaft weltweit Produktivitätsreserven heben: mit den besten Getreidesorten, effizienterer Bewässerung oder leistungsfähigen Maschinen. Das Potential ist enorm: In Russland erwirtschaften die Bauern pro Hektar Land 1,9 Tonnen Weizen, in Deutschland liegt der Ertrag mit 7,8 Tonnen viermal so hoch.
(Spiegel 34-2012 S. 64ff)

·         muss der neue Bauernpräsident Joachim Rukwied schon sehr zufrieden sein, wenn er bei den Preisen von Agrarrohstoffen "äußerst feste Tendenzen" beobachtet und feststellt: "Das sind ordentliche Preise." Soll heißen: Wer in diesem Jahr Weizen, Gerste oder Roggen angebaut hat, der verdient richtig Geld. Bis zu 240 Euro pro Tonne Weizen bekommt der Landwirt, vor einem Jahr waren es nicht mal 200 Euro.
Auch die Biobauern profitierten derzeit vom "weltweiten Verknappungsszenario" auf den Getreidemärkten, sagt Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg. Ihren Weizen oder Roggen können sie zu guten Preisen verkaufen, zudem wartet eine stetig wachsende Käuferzahl auf ihre Produkte. Eine Ausweitung der Anbaufläche gibt es aber trotzdem nicht. Zum einen gehe es den konventionell wirtschaftenden Bauern derzeit so gut, dass sie keinen Grund zur Umstellung sähen. Zum anderen leiden Bauern unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, das über die Subventionen für Biogas auch den Anbau von Mais fördert.
"Landwirte, die Mais für Biogasanlagen anbauen, die zahlen Pachtpreise jenseits von Gut und Böse", sagt Wimmer. Er schätzt, dass Mais mit um die tausend Euro pro Hektar subventioniert wird. Mit Mais ließen sich daher Erlöse erwirtschaften, die mit Brotweizen oder Roggen unerreichbar seien. Kauf- und vor allem Pachtpreise für Ackerland steigen stetig. Davon profitieren die Landwirte, die auf Bioenergie setzen, solche, die Nahrungsmittel pflanzen, bringt das Preisgefüge in arge Bedrängnis.
(taz 23.8.2012 S.03)

·         Mit 4.000 Milliarden Tonnen speichert der Boden weltweit mehr Kohlenstoff, als Atmosphäre und Wälder zusammen. Gesunde Böden sind die Voraussetzung dafür, dass genug Nahrungsmittel für demnächst 9 Milliarden Menschen angebaut werden können. 70 Prozent des weltweiten Lebensmittelbedarfs werden derzeit auf Böden erzeugt, 30 Prozent Nahrungsmittel kommen aus dem Wasser. Zudem müssen auf den Böden auch noch genug Pflanzen für Chemieindustrie und Energiewirtschaft wachsen, wenn die Industrie das Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen will. Dabei ist die Ressource Boden knapp: Nur 12 Prozent der Erdoberfläche sind landwirtschaftlich nutzbar, mit abnehmender Tendenz. Laut IASS stehen jedem Menschen weltweit nur noch 0,22 Hektar fruchtbaren Bodens zur Verfügung, da Boden verloren ging und die Bevölkerung gewachsen ist. 1960 hatte jeder Mensch rechnerisch noch mehr als die doppelte Menge Boden.;
Größter Feind des Bodens ist die Landwirtschaft. Doch befassen sich Kampagnen zum Bodenschutz in Deutschland meist damit, dass auf fruchtbarer Erde zu viele Straßen, Häuser und Gewerbegebiete gebaut werden. "13 Prozent der Landesfläche sind inzwischen versiegelt", kritisiert Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzrings. Im Schnitt gingen täglich 87 Hektar verloren. Doch auf dem Boden gedeihen eben nicht nur Nahrungsmittel, sondern Böden sind auch Lebensraum, Wasser- und Kohlenstoffspeicher. Böden sind lebendige Organismen: Bis zu 10.000 Arten von Bakterien leben auf einem Quadratmeter gesunden Bodens.;
Zudem nutzen die Deutschen nicht nur den Boden vor ihrer Haustür, sondern importieren jährlich Millionen Hektar "virtuellen" Landes. So werden aus den USA vor allem Soja und Getreide eingeführt, aus Tschechien Getreide, Bier, Milch und Fleisch, Ungarn liefert Mais, Raps, Sonnenblumenkerne, aus China kommen hauptsächlich Obst- und Gemüsekonserven und Getreide.;
In einem komplexen Zusammenspiel bilden abgestorbenen Pflanzen, Tiere und Mineralien fruchtbaren Boden: Für eine 2 Millimeter dicke Schicht brauchen sie hundert Jahre.;
In Deutschland wachsen auf 12 Millionen Hektar fruchtbarem Ackerland Getreide, Futterpflanzen und Gemüse. Verbraucht wird aber viel mehr: 14,8 Millionen Hektar Land sind 2007 „virtuell importiert“ worden … dabei handelt es sich um Netto-Importe, d.h., die “virtuellen Exporte“ sind schon abgezogen
(taz 20.11.2012 S.04)

·         taz: Herr Höhne, kranke Hennen ohne Federn, tote Hühner - solche Bilder haben Tierschützer vor kurzem in einem Massenstall von Deutschlands größtem Bioeiervermarkter Wiesengold aufgenommen. Ist das ein Einzelfall in der Ökobranche?
Walter Höhne: Nein. Das habe ich schon in sehr vielen Bioställen dieser Haltungsgrößen gesehen. Zwar nicht so krass. Aber es ist normal, dass die Hennen im zweiten Halbjahr ihrer Legeperiode zum Teil nur noch schlecht befiedert sind. Und es gibt auch bei Bio immer mehr Ställe mit 24.000 oder mehr Tieren.;
Ihre Betriebe haben doch auch 6.000 Hühner. Bei 6.000 Hühnern kann man ebenfalls nicht mit jedem Huhn sprechen.
Nein, aber die Tiere haben normalerweise eine Bezugsperson. Klar, 6.000 hört sich schon viel an. Aber die Großbetriebe haben jetzt ja als Standardgröße 24.000er-Ställe. Und dann haben sie Standorte, wo nicht nur einer, sondern zwei, drei, vier solcher 24.000er-Ställe stehen. Da laufen dann zwei oder drei Leute durch. Dort ist die Betreuung wesentlich schlechter.;
Was muss passieren, um die Zustände in der Biohaltung zu verbessern?
Die EU sollte in ihrer Ökoverordnung die Haltungsgröße auf zwei mal 3.000 Tiere pro Stallgebäude mit umliegenden Auslaufflächen begrenzen. Klar sind dann immer noch Betriebe mit 50.000 Tieren möglich. Aber das wird dann wegen der zusätzlichen Gebäude viel teurer. So hätten wir zumindest das Problem gelöst, dass die Erzeugungskosten von großen und kleinen Betrieben sich nicht mehr stark unterscheiden.
Was kosten die Eier denn so?
Für EU-Bioeier muss der Verbraucher im Discounter ungefähr 25 Cent bezahlen. Unsere liegen bei 40 bis 45 Cent. Wiesengold und solche Firmen können uns Kleine unterbieten wegen ihrer Größe mit ihren geringeren Personalkosten und ihren Vermarktungsstrukturen.
(taz 4.12.2012 S.03)

·         Jedes Jahr landen weltweit rund 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel auf dem Müll. Diese Verschwendung sorgt nach einem neuen UN-Bericht nicht nur für enorme wirtschaftliche Verluste, sondern richtet auch riesige Umweltschäden an. Dem Bericht zufolge verbraucht die Produktion von Lebensmitteln, die später nicht verzehrt werden, jährlich etwa 250 Kubikkilometer Wasser. Das ist dreimal mehr, als pro Jahr durch die Wolga fließt. Zudem würden dabei jährlich Treibhausgase in die Atmosphäre geleitet, die der Wirkung von 3,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid entsprächen.
(taz 12.9.2013 S.5)

·         1955 beispielsweise gab eine Kuh 3.762 Kilogramm Milch pro Jahr. Bis 2011 hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt - auf 8.173 Kilo. Hühner legen heute fast dreimal so viel Eier wie einst - rund 300 im Jahr.;
Innerhalb nur eines Monats erreichten Hähnchen ein Gewicht von 1.800 Gramm. Der Anteil des Brustfleischs mache bereits mehr als ein Viertel des gesamten Schlachtkörpers aus, bei Puten sogar mehr als ein Drittel, berichtet der Autor. "Skelett und innere Organe können mit dem rasanten Muskelwachstum nicht Schritt halten", so Hörning. Die Brust werde so groß, dass sich der Körperschwerpunkt verlagere, die Tiere liefen unsicher.;
(taz 16.8.2013 S.9)

·         Anteil der Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel in deutschen Privathaushalten in Prozent:
1900 57%; 1925 47; 1950 44; 1960 38; 1970 25; 2000 15; 2012 15
(Der Spiegel 31-2013 S.42)

·         (163) Die Nahrungsmittelproduktion stieg in den vergangenen 40 Jahren eindrucksvoll.- Die jährliche Produktion an Nahrungsmitteln, gemessen in Millionen Tonnen pro Jahr, hat sich zwischen 1970 und 2010 mehr als verdoppelt. Dieser Anstieg wurde vor allem durch den Einsatz von Kapital und neuer technischer Entwicklungen ermöglicht, weniger durch die Erschließung neuer landwirtschaftlicher Flächen. Durch den Einsatz von neuem Saatgut, mehr Dünger, mehr Pestiziden und mehr Bewässerung wurden die Bodenerträge um 90% von 2,4 Tonnen Nahrungsmittel pro Hektar und Jahr (1970) auf 4,6 im Jahr 2010 erhöht….
Zusätzlich wird die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen vorangetrieben werden, zumindest außerhalb Europas. Zwar werden sie sich langfristig voraussichtlich als nicht-nachhaltig erweisen – und man sollte meiner Meinung nach im Idealfall auf sie verzichten – dennoch werden sie in den kommenden Jahrzehnten wohl verbreitet eingesetzt werden. Gentechnisch veränderte Organismen werden die Erträge in zu trockenen, zu feuchten oder anderweitig ungeeigneten Gebieten steigern.;
(165) Im Jahr 2052 werden pro Jahr zehn Milliarden Tonnen Getreideeinheiten an Nahrungsmitteln produziert werden, eine Steigerung um 50% im Vergleich zu heute; Pro-Kopf-Verbrauch wird um 27% steigen; wird es genug Nahrungsmittel für alle geben, die es sich leisten können;
(Jorgen Randers: 2052 – Der neue Bericht an den Club of Rome, Oekom München 2012)

·         Nordrhein-Westfalen untersagt als erstes Bundesland die massenhafte Tötung männlicher Küken. Die sogenannten Eintagsküken werden bei der Zucht in Massenbetrieben als unerwünschtes Nebenprodukt umgehend getötet. NRW räume den Brütereien eine einjährige Übergangsfrist ein, teilte das Agrarministerium mit. Hintergrund ist eine neue Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft Münster, die das Töten männlicher Eintagsküken als tierschutzwidrig ansieht. Brütereien können noch vier Wochen gegen die Verfügung klagen, dann ist sie rechtskräftig.
(taz 24.12.2013 S.18)

·         Groß werden ohne Fleisch
Vegane Ernährung ist für Kinder gefährlich, sagen viele Experten. Das stimmt nur bedingt: Wer gut informiert ist, kann seinen Nachwuchs gesund und ausgewogen ernähren.;
Levi trinkt keine Kuhmilch, weil Kuhmilch den Kuhbabys gehört. Er isst auch keine Eier, denn Eier gehören den Hühnern. So einfach ist das für ihn. Levi ist vier Jahre alt, und er lebt vegan, seit er auf der Welt ist. Seine Mutter Sohra Behmanesh verzichtet seit 14 Jahren auf tierische Produkte. Mutter und Sohn tragen keine Schuhe oder Taschen aus Leder, keine Pullover aus Schafwolle, und sie benutzen keine Daunenkissen. Käse, Butter oder Joghurt sucht man auf ihrem Speiseplan genauso vergeblich wie Wurst und Honig. Denn für jedes dieser Produkte musste ein Tier leiden oder sogar sterben. So sieht es Behmanesh. "Ich bin gegen Gewalt, ich bin gegen Herrschaft", sagt sie. Ein Lebensstil, bei dem Tiere für das menschliche Wohl ausgebeutet werden, lasse sich nicht mit ihrer pazifistischen Haltung vereinbaren. Deshalb lebt sie vegan, seit sie 19 ist. Diese Entscheidung hat sie nie infrage gestellt. Auch nicht, als sie erfuhr, dass sie schwanger war, und dann Levi bekam. "Warum auch? Ich war doch gesund", sagt sie heute.;
Öffentlich rät die DGE "aus Sicherheitsgründen" von einer veganen Ernährung für Säuglinge und Kinder ab. So heißt es auf ihrer Internetseite: "Um eine adäquate Nährstoffversorgung und die Gesundheit des Kindes sicherzustellen", sei eine "rein pflanzliche Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindesalter nicht geeignet".;
Mathilde Kersting vom Dortmunder Forschungsinstitut für Kinderernährung sieht vegane Kinderernährung tatsächlich kritisch. Besser als mit einer "optimierten Mischkost" könne man sein Kind nicht ernähren. Die Professorin orientiert sich an der DGE und setzt deren Empfehlungen in ihre eigenen um. Darin rät sie zu Fisch, Milch und Fleisch. Kersting betont: "Darin ist eine Reihe wichtiger Nährstoffe enthalten, etwa Vitamin B12 , Vitamin D, Jod, Eisen und Zink."
Problematisch ist vor allem die Versorgung mit Vitamin B12 . Es gelangt bei einer gemischten Ernährung über tierische Produkte in den Körper. Fehlt es, können auf lange Sicht Müdigkeit, Blutarmut und Blässe auftreten, bei Kindern können Gehirn und Nervensystem geschädigt werden.;
Berthold Koletzko, Abteilungsleiter am Haunerschen Kinderspital München und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat das schon erlebt. Ein Kleinkind kam zu ihm in die Klinik und war gezeichnet von Fehlernährung, vor allem von Eisen- und Vitamin-B12 -Mangel: Das Kind hatte das Laufen wieder verlernt, war schläfrig, aß schlecht. Und es hatte einen hochgradigen Gehirnschwund. "Insgesamt deutlich zurückgeblieben", urteilt der Kinderarzt. Seine Prognose: Aufholen lasse sich der Rückstand nicht mehr, das Kind werde dauerhaft beeinträchtigt sein. Koletzko ist sich sicher: "Ein Kind kann man nicht gesund vegan ernähren, sofern man nicht Mikronährstoffe zusätzlich gibt." Er geht noch einen Schritt weiter und rät, sich bei jeder vegetarischen Ernährungsform vom Kinderarzt beraten zu lassen.
KLEINES LEXIKON DER ERNÄHRUNGSSTILE
Vegetarier essen kein Fleisch, Veganer verzichten auch auf Milch und Eier. Wer aber weiß, was Flexitarier und Kangatarier weglassen?
Anthroposophen
ernähren sich vegetarisch, setzen auf "individuell geeignete" Lebensmittel
Flexitarier reduzieren bewusst ihren Fleischkonsum: lieber seltener, dafür bessere Qualität
Fruitarier sind Veganer, die eine Pflanze beim Verzehr ihrer Früchte nicht verletzen wollen. Sie essen etwa Fallobst, Getreide und Nüsse, aber kein Wurzelgemüse.
Kangatarier
machen in ihrem Vegetarismus nur eine Ausnahme: Kängurufleisch.
Makrobiotiker
ernähren sich auf der Grundlage von Getreide asiatisch ganzheitlich.
Mazdaznanier
essen im Kern vegetarisch. Eier und Milch sind ebenfalls erlaubt, Käse und Rohkost aber nicht.
Omnivore bleiben der menschlichen Natur als "Allesfresser" treu.
Pescetarier sind inkonsequente Vegetarier: Sie verzichten auf Fleisch, essen aber Fisch, Meeresfrüchte, Eier und Milch.
Paleo-Köstler speisen wie in der Altsteinzeit: Wild, Fisch, Eier, Honig. Keine Milch und kein Getreide.
Rohköstler essen nur Obst, Gemüse, Nüsse, Öle, die weder erhitzt noch verarbeitet wurden.
Trennköstler unterteilen Speisen in neutrale, eiweiß- und kohlenhydrathaltige. Letztere dürfen nicht zusammen gegessen werden.
(Die Zeit 24.10.2013 S.37f. - http://www.zeit.de/2013/44/kinder-vegane-ernaehrung )

·         58 Millionen Schweine werden jährlich in Deutschland verarbeitet. Die Fleischindustrie arbeitet derart effizient, dass sie die ganze Welt beliefern kann. Den Preis dafür zahlen viele - am Ende auch die Verbraucher.;
Nach der letzten Auswertung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit spritzen und verfüttern deutsche Tierärzte 1734 Tonnen Antibiotika, geschätzt mehr als doppelt so viel, wie den Bundesbürgern im gleichen Zeitraum verschrieben und verabreicht wurde. Manche Schweine bekommen die Präparate 60 Tage hintereinander ins Futter. Viele Ferkel erhalten bereits direkt nach der Geburt ein Langzeit-Antibiotikum.
Die Bauern haben schlicht Angst, dass ihre Tiere krank werden könnten. Jährlich bis zu 520 Tonnen Antibiotika seien dem "Sicherheitsbedürfnis der Landwirte geschuldet", schätzt Thomas Blaha, Professor an der Tierhochschule Hannover.;
Die Politik weiß seit Jahren um das Problem, hat sich bisher aber dem Widerstand der Bauernlobby gegen strengere Kontrollen gebeugt. Erst NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel von den Grünen kämpft dafür, den Antibiotika-Einsatz deutlich zurückzufahren. Den Ausschlag haben die Ergebnisse einer systematischen Antibiotika-Studie im vergangenen Jahr gegeben - auch wenn die aus der Hühnermast stammt. Über 90 Prozent der Tiere hatten in ihrem kurzen Leben Antibiotika bekommen, zum Teil bis zu acht unterschiedliche Wirkstoffe.;
(Der Spiegel 43-2013 S.64ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-117180355.html )

·         Das Superhuhn
Bei der Eierproduktion werden Millionen Küken getötet. Jetzt hat die Industrie eine Rasse gezüchtet, die diese Praxis überflüssig machen kann - wenn die Verbraucher mitspielen.;
Die neue Zucht des Gallus gallus domesticus, des
Haushuhns, ist eine kleine Sensation in der Agrarwirtschaft. Der Vogel ist das erste sogenannte Zweinutzungshuhn in der Produktpalette des Konzerns, aus dessen Ställen allein in Deutschland 45 Millionen Legehennen im Jahr stammen. Die neue Rasse liefert Eier und Fleisch: Die weiblichen Tiere der Zuchtlinie sollen 250 Eier im Jahr legen, die männlichen nach 70 Tagen Mast ordentliche Broiler abgeben.;
Die Legespezialisten schaffen über 310 Eier im Jahr, 100 mehr als ihre Vorfahren vor 50 Jahren. Dafür setzen sie kaum Fleisch an. Masttiere dagegen werden binnen fünf bis sechs Wochen zwei Kilogramm schwer; dann werden sie geschlachtet, bevor sie überhaupt geschlechtsreif sind.;
Das Zweinutzungshuhn von Lohmann-Chef Preisinger könnte das hässliche Kükengemetzel, das es seit Einführung der Hybriden gibt, beenden. Fleisch und Eier von einer Rasse, das hört sich vernünftig an, fast wie früher. Doch die Tiere sind, trotz aller Bemühungen, nicht sehr effizient. "Die Hennen legen weniger Eier als die Legehybriden. Ihre Brüder brauchen, bis sie schlachtreif sind, 50 Prozent mehr Futter als normale Broiler", räumt Preisinger ein.
Zudem sieht ein Brathähnchen aus dem Supermarkt bislang rund und kompakt aus, das Zweinutzungshuhn ist eher lang und knochig. Wo die Masthybriden Brustfleisch haben, ragt bei der Neuzüchtung nur ein schmales Brustbein hervor. Dafür besitzt das Tier kräftigere Schenkel. "Die Verbraucher müssen so etwas wollen", sagt der Chefzüchter.
Genau das tun sie aber nicht. Die Kunden und damit der Lebensmittelhandel gieren nach hellem Brustfleisch, das hintere Drittel des Tierkörpers ist weitgehend unverkäuflich. Zudem sind die Eier des Zweinutzungshuhns zwei bis drei Cent teurer. Viele Kunden schauen aber gerade beim Eierkauf auf den Preis.
Deshalb lässt sich Lohmanns Wunderhuhn, seit zwei Monaten auf dem Markt, bisher kaum verkaufen. Erst drei Höfe in Österreich haben junge Hennen geordert. Selbst die Ökobauern warten ab. Sie geben ihren Hühnern zwar mehr Auslauf und anderes Futter als konventionelle Landwirte, haben aber dieselben Hochleistungshybriden im Stall. Und darum werden auch bei der Produktion von Bio-Eiern Millionen männliche Küken getötet.
(Der Spiegel 42-2013 S.84ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-116119640.html )

·         Ernten via Satellit
Wie die moderne Landwirtschaft versucht, die Erträge zu steigern und gleichzeitig die Böden zu schonen;
Auf Lenkhilfen für Mähdrescher und Traktoren will er nicht mehr verzichten: Wird sein Acker bestellt, der Boden gepflügt, die Saat eingebracht, entsteht aus den gesammelten Daten ein mathematisches Raster. Alle 27 Meter zieht sich eine drei Meter breite, schnurgerade Fahrspur durch die Landschaft – dieses strenge Raster sorgt dafür, dass Froböse mit seinem schweren Gerät nicht im Lauf einiger Jahre den ganzen Ackerboden verdichtet, sondern nur einzelne Streifen: "Müsste man nicht hin und wieder pflügen, man könnte die Spuren auch asphaltieren.";
Weltweit fahren heute Landwirte mit bisher unerreichter Präzision ihre Felder ab. GPS-gesteuerte autonome Lenksysteme führen gewaltige Traktoren und Mähdrescher über den Acker. "Wissen Sie, wie präzise wir einen solchen Koloss steuern können?", fragt Eberhard Nacke und hebt gleich darauf einen Daumen in die Höhe: "eine Daumenbreite Abweichung, zwei Zentimeter.";
keine reinen Fahrzeug- und Maschinenbauer mehr. Sie haben mit der Entwicklung der Mähdrescher erst kleine, dann immer größer werdende Fabriken auf Räder gestellt und so die Automatisierung der Technik vorangetrieben. Sie haben Satellitensteuerung und Sensorik integriert. Sie haben lernende Systeme gebaut, mit denen ein Mähdrescher nach wenigen Metern Ernte Tempo macht, weil er die Parameter von Erntegut und Boden erkannt hat und nun am Optimum fährt. Und für die Anbaustrategie des nächsten Jahres wird das Pflanzenwachstum vor der Düngung gemessen und mit den Erntedaten verknüpft. Das hat seinen Preis: ein voll ausgestatteter Mähdrescher kostet rund eine halbe Million Euro.;
 sie machen eine Landwirtschaft möglich, die ökonomische und ökologische Ressourcen schont. "Warum soll ich flächendeckend gegen einen Pilz spritzen, der nur in einer bestimmten Ecke des Feldes sitzt?", fragt Eberhard Nacke. "Disteln treten in Nestern auf. Muss ich darum Unkrautvernichtungsmittel über den ganzen Acker verteilen?" Schon heute kann ein Stickstoffsensor vorn am Traktor steuern, wie viel Dünger aus dem hinten angekoppelten Streuer fällt – nur so viel, wie wirklich nötig ist.
Die daumenbreite Präzision der Lenkung sorgt dafür, dass bei der Ernte kein Halm mehr stehen bleibt, auch wenn der Fahrer des zwölf Meter breiten Mähdreschers seine Bahnen nicht mehr um fünfzig Zentimeter überlappen lässt, sondern nur noch um fünf. Das spart Zeit und Diesel – und weil kein Quadratmeter Ackerland doppelt gespritzt wird, auch Chemie.
Gewaltige Pneus verteilen den Druck auf große Flächen. "Wir würden sogar noch breitere Reifen anbieten", sagt er, "aber da stoßen wir an die Grenzen der Straßenverkehrszulassungsordnung." Darum machen Claas und Co. die Reifen einfach länger. Zunächst indem sie ihren Durchmesser vergrößern. Doch der entscheidende Trick ist das Spiel mit dem Luftdruck. Auf der Straße fahren die Maschinen mit mehr als zwei Bar in den Reifen. Auf dem Acker wird die Luft abgelassen bis auf 0,3 bis 0,4 Bar – die Auflagefläche wird breiter und länger. Für Spaziergänger sieht das oft so aus, als habe der dumme Bauer vergessen, den Reifendruck zu kontrollieren. Ein Missverständnis wie so viele.
(Die Zeit 16.1.14 S.32 - http://www.zeit.de/2014/04/landwirtschaft-technisierung-nachhaltigkeit )

·         über ein Drittel des weltweiten Getreides wird bereits als Tierfutter eingesetzt
(taz 14.4.14 S.9)

·         US-Chlorhühnchen ungefährlich
BERLIN | Mit Chlor desinfizierte US-Hühnchen sind laut Experten gesundheitlich ungefährlich und könnten in Sachen Keimfreiheit sogar Vorteile bringen. "Das Chlorhühnchen ist nach unserer Auffassung nicht gesundheitsschädlich für den Verbraucher", sagte Lüppo Ellerbroek vom Bundesinstitut für Risikobewertung dem ARD-"Report Mainz". "Wir bewerten das genauso wie die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA." Gerade deutsches Geflügel sei auch oft keimbelastet. (dpa)
(taz 11.6.14 S.2)

·         "Chlorhuhn ist nur ein Symbol"
TTIP Maritta Strasser vom Netzwerk Campact weist Kritik an der Kampagne gegen die Freihandelsgespräche zurück. Beim Chlorfleisch gehe es um die Art der Landwirtschaft
taz: Frau Strasser, die mit Chlor desinfizierten Hühnchen stehen im Aufruf zu Ihrer Kampagne gegen das geplante Handelsabkommen TTIP von USA und EU gleich an zweiter Stelle. Jetzt sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung, Chlorhühner seien gar keine Gesundheitsgefahr für den Verbraucher. Haben Sie sich geirrt?
Maritta Strasser: Nein. Wir müssen keinen unserer Kampagnentexte ändern. Wir haben nie behauptet, dass Chlorhühnchen der Gesundheit schaden.
Haben Sie das suggeriert?
Wir haben nur gesagt, dass wir dieses Geflügelfleisch nicht auf unserem Teller haben wollen. Das reicht. Natürlich ist der eine oder andere auch der Meinung, dass es gesundheitsschädlich ist. Aber für uns ist das berühmte Chlorhühnchen lediglich ein Symbol.;
Ist das Chlorhühnchen jetzt als Mittel zur Mobilisierung des Protests erledigt?
Dieser Aufreger ist damit nicht tot. Das Chlorhühnchen bleibt perfekt zur Mobilisierung. Jeder denkt sofort mit und hat es auf der Zunge. Ich glaube, dass die Leute weiter die Intuition haben, dass etwas ganz dramatisch nicht in Ordnung ist, wenn man sein Essen mit Chlor desinfizieren muss.
(taz 12.6.14 S.7)

·         Ein durchschnittlicher Hof in Niedersachsen hat 75 Kühe. Westrup managt insgesamt 600 und produziert sechs Millionen Liter Milch im Jahr. Die Kühe des Hofs sind im Lauf der Jahrzehnte immer besser geworden, was die Milchleistung angeht.
Im vergangenen Jahr lag der Durchschnitt pro Kuh in Deutschland bei etwa 7200 Litern. 2010 hat eine US-amerikanische Kuh mit knapp 33 000 Litern einen Weltrekord aufgestellt, das sind ungefähr so viel wie 235 Badewannen. Vor 200 Jahren gab eine Kuh etwa 1000 Liter Milch im Jahr, das wären 7 Wannen. Die Kuh hat eine gewaltige Entwicklung hinter sich.
Ulrich Westrup bekommt pro Kilo Milch etwa 38 Cent von der Molkerei. Bei seiner Betriebsgröße und dem Milchausstoß zählt jeder Cent: Fällt der Preis um einen Cent, verdient Westrup 60 000 Euro weniger. Steigt er um einen, hat er 60 000 Euro mehr. So rechnet Westrup.;
Die Gesundheit der Kühe ist eine weitere Schraube in Westrups Apparat: Haben sie Stress, geben sie weniger Milch und werden nicht trächtig. Eine Kuh könnte 15 bis 20 Jahre alt werden und zehn Kälber bekommen. In Wirklichkeit bekommt eine Milchkuh im Durchschnitt zwei bis drei Kälber, gibt meist zwei Jahre lang Milch, dann ist sie viereinhalb Jahre alt, gibt zu wenig Milch, ist unfruchtbar oder zu häufig krank. Sie wird dann zu Hackfleisch.;
85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels teilen sich die Edeka-, Rewe-, Aldi-, Schwarz(Kaufland und Lidl)-Gruppe. Sie drücken niedrige Preise bei den Molkereien durch. Und diese wiederum - zehn Molkereien beherrschen fast den gesamten Markt - geben den Preisdruck an die Bauern weiter.
Im vergangenen Jahr haben 3300 Milchviehbetriebe aufgegeben. Etwa alle zehn Jahre halbiert sich die Zahl der Bauernhöfe. Überleben kann nur, wer groß wird, noch mehr Milch macht, die Kosten senkt und seinen Kuhstall so reibungslos gestaltet wie Westrup. Es gibt dann keine Kuhherden mehr in freier Natur, keine schwarzbunten Holstein-Friesian-Kühe auf der Weide. Aber es gibt billige Milch.
(Der Spiegel 8-2014 S.55ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-125080792.html )

·         Tod im Bienenstock;
Nahezu 90 Prozent aller Blütenpflanzen weltweit sind auf den Pollentransfer durch Tiere angewiesen. Die wenigsten können sich - wie Erbsen oder Weintrauben - selbst befruchten oder ihre Mikrosporen vom Wind verteilen lassen wie zum Beispiel Weizen.
Beliebte Obst- und Gemüsesorten aber - Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Gurken, Kohl und Tomaten sowie der als Energiepflanze massenweise angebaute Raps - könnten nur schwer Samen und Früchte bilden ohne die fliegenden Helfer.
"Der Staat muss ein stehendes Heer von Bienen haben", schrieb schon 1811 der Botaniker Christian Konrad Sprengel. Heute beziffern Wissenschaftler den ökonomischen Nutzen durch die Bestäuber auf mindestens 150 Milliarden Euro pro Jahr. Ohne die Insekten, da sind sich die Experten einig, würden die Lebensmittelpreise explodieren.
Biologen um Simon Potts von der britischen University of Reading haben den Honigbienenbedarf vor kurzem für 41 europäische Länder erstmals exakt berechnet - mit alarmierendem Ergebnis: In 22 Staaten sind nicht genügend Bienen vorhanden. Weil immer mehr Bauern auf Biosprit setzen, ist der Anteil der Flächen für Raps, Sonnenblumen und Soja seit 2005 um 32 Prozent gestiegen.;
Mittlerweile gibt es Obstanbaugebiete, die gänzlich ohne Bienen auskommen müssen. In einigen Regionen im Südwesten Chinas etwa haben Menschen deren Arbeit übernommen. Mit Pinseln und Hühnerfedern schwärmen sie aus in die Plantagen und verteilen Pollen von Hand, Blüte für Blüte.
Kalifornische Mandelbauern wiederum behelfen sich mit Bestäubertruppen aus anderen US-Bundesstaaten und Australien. Jahr für Jahr müssen dort 90 Millionen Mandelbäume bestäubt werden - zu viele für die einheimischen Insekten.
Dass nicht längst die Landwirtschaft zusammengebrochen ist, liegt daran, dass Apis mellifera zahllose Helfer hat, für die sich die Wissenschaft erst in jüngerer Zeit interessiert: So sind auch viele der weltweit etwa 250 Hummelarten wichtige Pollenverteiler, ebenso weitere Wildbienen, von denen es allein in Deutschland mehr als 550 verschiedene Arten gibt. Dazu kommen Schwebfliegen, Motten, Tagfalter und sogar Vögel.;
Am Beispiel von Hummeln haben Forscher um den Gießener Tierökologen Tim Diekötter untersucht, wie die Hochleistungslandwirtschaft den Artenmix durcheinanderbringt. Raps ist ein Schlaraffenland für die Insekten, doch sein Anbau führt vor allem zu einem Anstieg der Populationen kurzrüsseliger Hummelarten wie der Dunklen Erdhummel. Rapsblüten haben kurze Kelche: ideal für kurze Zungen.
Weil Raps aber nur ein paar Wochen im Jahr blüht, geht den Erdhummeln nach der Blüte rasch die Nahrung aus. In Gebieten mit viel Raps, fand Diekötter heraus, machen die kurzrüsseligen Hummeln ihren Schwesterarten, Wald- oder Mooshummeln etwa, die Versorgung streitig - durch sogenannten Nektarraub. Sie beißen in die Blütenbasis langkelchiger Pflanzen, die eigentlich Arten mit langen Rüsseln vorbehalten sind. Diese wiederum sind aber wichtige Bestäuber ebendieser langkelchigen Pflanzen.
(Der Spiegel 18-2014 S.114ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-126717971.html )

·         Pestizide in der Landwirtschaft;
Aber Bienen, Libellen, Regenwürmer, Schmetterlinge, Fasane und Feldhamster bis hin zu Kleinstlebewesen - alle systematisch "ausgerottet", sagt Sybilla Keitel. Ein dramatisches Artensterben sei dies. Schnell wird die Ruhe in ihrem Garten gespenstisch.

·         Sybilla Keitel führt das Artensterben in ihrem Garten auf den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zurück. Das Grundstück grenzt direkt an Mais- und Getreidefelder. Davon gibt es hier in der Uckermark viele. Jetzt im Frühjahr beginne wieder die Saison, sagt Keitel, in der die Landwirte ihren "Giftcocktail" gegen das Unkraut auf den Feldern versprühten, damit sie anschließend aussäen könnten. Über der Landschaft der Mark Brandenburg wird dann ein paar Tage ein unsichtbarer Pestizidnebel hängen. Keitel bekommt deshalb regelmäßig Kopfschmerzen und Augenbrennen.;
Das Artensterben beobachteten Keitel und Müller einige Jahre lang, dann beschloss das Paar, etwas zu unternehmen. Einem Tümpel im benachbarten Maisfeld entnahmen sie Wasserproben und schickten sie an ein Chemielabor in Berlin-Adlershof. Das Ergebnis: In dem Gewässer, wo früher die Frösche quakten, fanden sich Rückstände von einem Dutzend Pestizide: darunter Metolachlor, Terbuthylazin, Simazin und Glyphosat.;
Derzeit prüft die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa), ob Glyphosat weiter in der Landwirtschaft eingesetzt werden darf. Deutschland als berichterstattender Mitgliedsstaat hat die weitere Zulassung beantragt. Grundlage ist ein positiver Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Über 900 neue Studien seien geprüft und ausgewertet worden, erklärt das BfR. Die Analyse ergebe "keine Hinweise" auf eine krebserzeugende oder erbgutschädigende Wirkung durch Glyphosat bei Versuchstieren. Lobbyismusexperten kritisieren die teils engen Kontakte des BfR zur Industrie.;
Ganz schlimm sei es im vergangenen Jahr beim Raps gewesen, erzählt Ness. Bienen fliegen gerne in die blühenden Rapsfelder, um sich dort Nektar zu holen. Die Tiere sind dann ganz gelb von den Pollen, wenn sie zurückkommen. Doch 2013 muss der örtliche Landwirt eine Menge Unkrautgift im Rapsfeld gespritzt haben. "Es kam nicht eine Biene von dort zurück", sagt Ness.;
Einer der örtlichen Landwirte heißt Stefan Fürstenau und sitzt gerade im Blaumann in seinem Büro. Im Regal stehen ein Traktor und ein Mähdrescher im Spielzeugformat. Auf dem Schreibtisch liegen Unterlagen, darunter die "Preisliste Pflanzenschutzmittel Frühjahr 2014". Fürstenau wirkt nicht erfreut über die wachsenden Zweifel am Pestizideinsatz seines Berufsstands. Aber er scheint auch keinen wirklichen Grund zu sehen, etwas zu ändern. Über 1.000 Hektar Ackerland bewirtschaftet sein Betrieb. Dass man jetzt zur Saison mit den Spritzen losgehe und alles totmache - diese Kritik sei doch "sehr pauschal", sagt er. Als Landwirt habe man viele Auflagen zu erfüllen. Zudem würden die Mittel der Pflanzenschutzhersteller regelmäßig auf ihre Umweltverträglichkeit kontrolliert. Und maßgeblich für die Landwirte sei der Gesetzgeber, sagt Fürstenau. "An irgendetwas müssen wir uns halten." Richtig überzeugt wirkt er nicht.;
Der Bauer sagt, er macht nur das, was auch erlaubt ist und was auf der Packung steht. Das Landesamt für Landwirtschaft beruft sich darauf, dass die Mittel gesetzlich zugelassen sind. Und das Umweltministerium verweist auf die EU-Gesetzgebung. Und dass die wissenschaftlichen Beweise fehlten.
Dabei hat Glyphosat bei Hühner- und Froschembryonen in Studien Missbildungen ausgelöst. Das Mittel schädige auch menschliche Zellen und führe zu deren raschem Absterben, warnt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu).;
Zuletzt forderte deshalb der Bundesrat, den Einsatz von Glyphosat zumindest einzuschränken und die Nutzung des Mittels als Erntebeschleuniger (Sikkation) zu verbieten. Doch auf der Agrarministerkonferenz in Cottbus im April wurde erst einmal alles beim Alten belassen. Kritiker sollten doch "die Kirche im Dorf lassen und der Wissenschaft vertrauen", empfiehlt Brandenburgs Landesbauernverband und betont: "Pflanzenschutzmittel sind wichtig für uns." Dank ihres Einsatzes seien die Erträge in der Landwirtschaft erheblich gestiegen.
(taz 14.5.14 S.4 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2014%2F05%2F14%2Fa0085&cHash=c270f4f59c3cab5c18b57801a5ab786d )

·         160 Millionen Kubikmeter Gülle: In Deutschland verdreckt die Massentierhaltung das Grundwasser.;
Es geht um eine immense Menge der stinkenden Brühe, mehr als 160 Millionen Kubikmeter im Jahr. Würde man sie in Eisenbahnwaggons verladen, der Zug wäre mehr als 45.000 Kilometer lang, länger als der Äquator. …
Nitrat ist eigentlich ungiftig, kann aber im Magensaft zu Nitrit werden. Das wiederum kann bei Säuglingen dafür sorgen, dass weniger Sauerstoff im Blut transportiert wird und die Kleinen dadurch ersticken. Im Körper Erwachsener droht Krebs. Zu diesem Risiko gibt es bisher zwar nur Tierstudien, trotzdem empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung, die Nitratzufuhr "so weit wie möglich" zu reduzieren. …
Die Zentren der Massentierhaltung liegen unter anderem im westlichen Niedersachsen, im nördlichen Nordrhein-Westfalen und im südöstlichen Bayern. Es sind die gleichen Regionen, die sich vor Gülle kaum retten können – und in denen ein Wassernotstand droht.
Um zu verstehen, wie es dazu kommt, muss man die Gesetze und die Chemie kennen. Die Europäer haben sich schon lange Grenzwerte für Nitrat verordnet: Mehr als 50 Milligramm pro Liter dürfen im Trinkwasser nicht enthalten sein. Der gleiche Wert gilt seit mehr als 20 Jahren auch für das Grundwasser. 50 Milligramm der Verbindung von Sauerstoff und Stickstoff entsprechen 11 Milligramm reinem Stickstoff. …
Die deutsche Düngeverordnung von 1996 soll es in Schach halten. Das heute aus zwölf Paragrafen und acht Anlagen bestehende Dekret listet penibel auf, wie viel Kot und Urin ein Mastbulle, ein Ferkel oder ein Schwein jährlich ausscheidet, wie viel Stickstoff im Durchschnitt darin enthalten ist – und was die Bauern damit tun dürfen. Die wenigsten Schnitzelesser ahnen wohl, was alles geschehen muss, bevor das Fleisch auf dem Teller ist.
Die Bauern müssen zum Beispiel die im Boden verfügbaren Nährstoffmengen ermitteln oder nach einem anerkannten Verfahren schätzen, dürfen zwischen dem 1. November und dem 31. Januar nicht düngen und insgesamt sowieso nicht mehr als jährlich 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar in Form von Gülle verteilen.
Doch die Umweltziele würden damit "weitgehend verfehlt", stellten in einer gemeinsamen Stellungnahme drei wissenschaftliche Beratungsgremien der Bundesregierung schon vor einem Jahr fest. Die Vorschriften seien zu lasch, ihre Einhaltung werde nicht streng genug kontrolliert, und die Sanktionen seien zu harmlos, heißt es in der Expertise. …
Außerdem bekommen die hochgezüchteten Tiere heute mehr und mehr Importfutter, vor allem billiges Soja aus Brasilien. In jedem Kilogramm davon stecke fast 30-mal mehr Stickstoff als in heimischem Mais, sagt Friedhelm Taube, Agrarwissenschaftler an der Kieler Universität. Deutschland importiert also mit dem Futter große Mengen Stickstoff. Das meiste davon wird von den Tieren wieder ausgeschieden und bedroht in Form von Gülle das Wasser.
Als wäre das nicht genug, begann vor etwa zehn Jahren der staatlich geförderte Boom der Biogasanlagen, die meisten stehen in den Tierzucht-Regionen. Auf 800.000 Hektar, das sind knapp sieben Prozent der Ackerfläche, wächst inzwischen die subtropische Pflanze, nur um Nachschub für die Biogasanlagen zu erzeugen. Die Gärreste enthalten aber – wie die Abfälle aus den Viehställen – große Mengen Stickstoff. Das Gülleproblem wird auf diese Weise noch größer.
(Die ZEIT 4.9.14 S.24 - http://www.zeit.de/2014/37/massentierhaltung-guelle-grundwasser-bruessel/komplettansicht  )

·         Der Boom von Biokraftstoffen ist ein entscheidender Grund für den Erwerb großer Anbauflächen in Schwellen- und Entwicklungsländern. So zielen rund 23 Prozent, also fast ein Viertel, aller Landkäufe mit Beteiligung internationaler Investoren auf den Anbau von Pflanzen wie Soja, Rohrzucker oder Palmöl ab, aus denen Biokraftstoffe gewonnen werden können. Die Biospritproduktion sei damit einer der treibenden Faktoren im Kampf um Ackerland. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien. …
Bislang sind dort 971 abgeschlossene Deals mit einem Umfang von über 37 Millionen Hektar Land erfasst. Biokraftstoffe, einst als Alternative zu fossilen Energien gefeiert, sind in den vergangenen Jahren massiv in die Kritik geraten, weil ihre Produktion unter anderem dafür sorgt, dass weniger Anbaufläche für Nahrungsmittel zur Verfügung steht.
(Der Spiegel 35-2014 S.62)

·         In Deutschland sterben jährlich tausend Menschen an Bakterien, gegen die kaum ein Antibiotikum hilft. Eine Brutstätte für besonders gefährliche Keime rückt jetzt erst ins Blickfeld: Die Massentierhaltung;
Er schildert, wie er in letzter Zeit bemerkte, dass immer mehr Patienten isoliert werden mussten, weil sie von Keimen befallen waren, die auf Antibiotika nicht mehr reagieren. Und dass Landwirte auf einmal nicht nur Ferkelzüchter und Putenmäster waren, sondern – Risikopatienten. "Wenn ein Landwirt in eine Klinik kommt, muss er im Prinzip sofort in Quarantäne. Landwirte tragen diese Keime." Alle sind es noch nicht, aber nach einer Untersuchung der Uni-Klinik Münster aus dem Jahr 2012 sind in viehreichen Regionen fast 80 Prozent der Landwirte mit solch gefährlichen Keimen besiedelt. …
Vor vier, fünf Jahren ging es nach Meyers Wahrnehmung so richtig los. Und schnell begriff er, dass es unsichtbare Verbindungen gibt zwischen seinen beiden Berufen: dem des Landwirts und dem des Arztes. Und diese Verbindungen heißen Cephalosporine, Fluorchinolone, Colistin oder Carbapeneme. Das sind die Bezeichnungen für Reserveantibiotika, sozusagen die allerletzten Medikamente, mit denen die Menschen sich gegen multiresistente Bakterien in unseren Körpern zur Wehr setzen. Die letzten Medikamente, die diese Erreger töten können. Aber Humanmediziner und Landwirte setzen die identischen Wirkstoffklassen der Antibiotika ein: die einen beim Kranken, die anderen beim Schlachtvieh.
Von Natur aus trägt jedes Lebewesen bei einer Infektion auch einige resistente Krankheitserreger in sich. Sie entstehen zufällig, durch natürliche Mutationen. Werden Antibiotika verabreicht, sind diese resistenten Keime plötzlich gegenüber ihren nicht mutierten Verwandten im Vorteil. Je häufiger Antibiotika verabreicht, je sorgloser sie eingenommen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass resistente Keime sich vermehren und verbreiten können. Dann sind die Medikamente wirkungslos. …
dass es keine exakten Zahlen gibt, die das wahre Ausmaß der Katastrophe dokumentieren. Jedes Jahr sterben laut Gesundheitsministerium 7.500 bis 15.000 Menschen an Infektionen, die durch multiresistente Keime hervorgerufen wurden. Das allein wäre schon eine Schreckensbotschaft, denn das sind fast so viele Opfer wie alle Alkohol- und Drogentoten eines Jahres zusammengenommen. Doch die wahre Zahl dürfte deutlich höher liegen. …
Fast alle Experten sind sich sicher, dass die wahre Zahl der Infektionen deutlich höher liegt als die vom Gesundheitsministerium veröffentlichte. So spricht Professor Walter Popp, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, von "mindestens einer Million Infektionen und mehr als 30.000 bis 40.000 Todesfällen". …
Am weitesten verbreitet ist in Deutschland der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Winzig klein sind diese Bakterien, ein tausendstel Millimeter bloß. Unter dem Mikroskop sehen sie aus wie Trauben, kugelrund und violett, aneinandergeschmiegt liegen sie da, als frören sie. Jeder Dritte trägt sie auf der Haut oder in der Nase, und das ist zunächst nicht schlimm. Doch es kann schlimm werden, vor allem im Hospital, bei Operationen etwa, wenn der Körper des Patienten aufgeschnitten wird, bei einer invasiven Beatmung auf der Intensivstation oder wenn ein Katheter in die Blutgefäße eingeführt werden muss. Findet der Keim eine Öffnung ins Körperinnere, kann er sich dort explosionsartig vermehren. Er führt zu Harnwegsinfektionen, zu schmerzenden, offenen Wunden. Zu Lungenentzündungen und Blutvergiftungen. Bei alten und immunschwachen Menschen nicht selten auch mit tödlichen Folgen. …
Seit einigen Jahren kommt es nun zu einem vermehrten Austausch der beiden Keimvarianten. Sie besuchen einander wie liebe Verwandte. Plötzlich besiedeln multiresistente Menschenkeime die Tiere in den Ställen, und Menschen werden von den Tierkeimen kolonisiert. Besonders betroffen sind jene Personen, die ständigen Kontakt zu Tieren haben: Landwirte und Veterinäre, aber auch ökologisch lebende Naturfreunde, die Eier und Milch direkt auf dem Bauernhof kaufen.
Jeder vierte Mensch, der beruflich mit Schweinen und Hühnern zu tun hat, ist LA-MRSA-positiv – aber nur jede 66. Person ohne Tierkontakt. Auch über die Abluft aus den Ställen und den Kot der Tiere werden die resistenten Bakterien auf Menschen übertragen. Durch den Gülle-Dünger sickern die gefährlichen Keime in die Böden und ins Wasser, über den Salat oder die Kartoffeln kommen sie dann auf die Teller der Verbraucher: Nicht nur Fleischesser sind also gefährdet, auch Vegetarier und Veganer.
Noch sind deutschlandweit nur etwa zwei Prozent aller erfassten Infektionen mit resistenten Keimen definitiv auf die Variante aus dem Stall zurückzuführen. In nutztierreichen Gegenden wie dem Münsterland oder dem südwestlichen Niedersachsen liegt der Anteil aber schon bei zehn Prozent. …
Warum Matthias Sammer mit der ZEIT über seine schreckliche Infektion spricht?
"Es war dieses allerletzte Antibiotikum, was mich gerettet hat. Ich will keine Schlagzeilen produzieren, das ist das Letzte, was ich will. Aber ich rede mit Ihnen, weil ich aufrütteln will. Vielleicht kann man damit anderen Menschen helfen." …
Daraus könne, so Witte, eine "mikrobiologische Apokalypse" entstehen, die zuletzt Keime hervorbringt, gegen die gar kein Medikament mehr hilft. "Wenn das passiert, dann gnade uns Gott."
Eine mittelalterliche Zukunft, in der Menschen an Zahninfektionen und Blasenentzündung sterben. …
Während ökologisch bewirtschaftete Schweinebestände zu 26 Prozent mit MRSA besiedelt sind, wurde laut einer Studie der TH Hannover bei 92 Prozent der konventionell gehaltenen Schweine Tier-MRSA in der Nase gefunden. …
(Die ZEIT 20.11.14 S.21f. - http://www.zeit.de/2014/48/massentierhaltung-bakterien/komplettansicht )

·         "Ich mach das furchtbar gern", sagt er. "Aber jetzt fühle ich mich miserabel."
Denn Ende des Jahres ist Schluss. Nennecke hat sein Pachtland verloren. Der Biobauer muss aufgeben.
Die ersten 30 Hektar gingen schon vergangenes Jahr an den Betreiber einer Biogasanlage. Der konnte einen deutlich höheren Preis zahlen, wegen der großzügigen staatlich garantierten Einspeisevergütung für Energiepflanzen. Wo einst die Rote Emma wuchs, steht nun Mais für die Energiewende.
Vor ein paar Monaten verlor Nennecke auch den Rest seines Landes. Seine Verpächterin hat die 30 Hektar an einen Konkurrenten vergeben, der ebenfalls Energiepflanzen anbauen will. "Die hoch subventionierte Agrargasproduktion", schimpft er, "ist die reinste Gelddruckmaschine" - und damit das Todesurteil für nachhaltige Landwirtschaft, für all das also, wofür er 40 Jahre lang gearbeitet hat.
Dem Ökopionier stehen die Tränen in den Augen, wenn er sein ehemaliges Land betrachtet. Der Mais ist abgeerntet, die Pflanzenstummel ragen aus dem braunen Boden, trostlos wie Soldatengräber. Nirgendwo ein grünes Pflänzlein, alles ist totgespritzt auf den Feldern, die der Biobauer in jahrelanger Arbeit entgiftet hatte.
Nun bleiben ihm nur noch der Vorruhestand und die Einnahmen des Reitbetriebs, den seine Frau betreibt.
Auf deutschem Boden ist der Kampf Bio gegen Bio ausgebrochen: Die Förderung nachwachsender Energie macht ausgerechnet Ökobauern wie Nennecke den Garaus. Obwohl der Markt mit der grünen Ware brummt, geben hierzulande rund 600 Biobauern pro Jahr auf. Oder wechseln gar zur konventionellen Landwirtschaft. …
Innerhalb weniger Jahre ist ein System, das einmal als Gegenentwurf zur industriellen Landwirtschaft angetreten war, von einer echten gesellschaftlichen Alternative zu einer alternativen Produktionstechnik geschrumpft. Heute sind große Teile der Branche dem Feindbild ähnlicher als der ursprünglichen Idee vom nachhaltigen Landbau. :::
Ein Mangel an Ackergrund ist besonders für Biobauern existenzgefährdend. Weil sie den Boden schonend bewirtschaften, Fruchtfolgen einhalten und keine Chemie benutzen, brauchen sie mehr Land, um einen ordentlichen Ertrag zu erzielen. Doch das wird knapp: Schon jetzt besetzen Energiepflanzen fast ein Fünftel des gesamten Ackerlands in Deutschland. …
Verlockend wird der Ausstieg zusätzlich durch die steigenden Preise für konventionelle Ware. Die grüne Wirtschaft, die lange Zeit deutlich bessere Margen erwirtschaftete als der industrielle Landbau, lohnt sich nicht mehr. Erstmals seit der Jahrtausendwende verdiente ein Ökolandwirt 2012/13 im Durchschnitt weniger als ein konventioneller Bauer , knapp sechs Prozent. …
Je stärker der Nachfragedruck wurde, umso mehr rückte die Biolandwirtschaft von ihrer Grundidee ab. Wer Bio in Masse produziert, entfernt sich zwangsläufig vom Ideal des kleinbäuerlichen Betriebs mit glücklichen Hühnern, Schweinen und Kühen, deren Mist in Kreislaufwirtschaft die Äcker düngt. Viele Betriebe sind heute spezialisiert, Tierhaltung und Pflanzenanbau entkoppelt.
Der Prototyp des modernen Bio sieht heute aus wie KTG Agrar: eine Aktiengesellschaft europäischen Rechts mit 40 000 Hektar konventionellem sowie biodynamisch bewirtschaftetem Ackerland und einem Firmensitz in feinster Hamburger Citylage. KTG betreibt außerdem Biogasanlagen, eine Tiefkühlkostfirma, mehrere Veredelungsbetriebe für Lebensmittel und Energieholzplantagen. …
Bio als Finanzprodukt: Was als Alternative zur industriellen Landwirtschaft begonnen hatte, ist vielerorts zur Kapitalanlage geworden.
Was auch damit zu tun hat, dass viele konventionell wirtschaftende Bauern den Wachstumsmarkt geentert haben. Weil die Margen bei Bio lange Zeit besser waren, wimmelte es plötzlich von Akteuren, für die Biolandbau nur eine andere Variante war, Geld zu verdienen. Während sich die Ökopioniere noch den strengen, selbst entwickelten Regeln der Anbauverbände Demeter, Bioland, Naturland oder Gäa verschrieben hatten, genügten diesen neuen Biobauern die Minimalvorschriften des seit 2009 gültigen EU-Biosiegels. …
Und immer mehr Höfe betreiben Biolandwirtschaft parallel zur konventionellen. Aus einer Vision ist ein betriebswirtschaftliches Kalkül geworden. …
Bio ist heute ein hart umkämpfter Massenmarkt - mit all seinen Nebenwirkungen. Im Kampf um höhere Marktanteile und niedrige Produktionskosten verraten manche Biobauern sogar das höchste Biogut, das Tierwohl.
Die Zentralstelle für Landwirtschaftsstrafsachen im niedersächsischen Oldenburg führte vergangenes Jahr bundesweit gegen mehr als 330 Landwirte Vorermittlungen durch. Ihnen wird vorgeworfen, in ihren Ställen deutlich mehr Legehennen untergebracht zu haben als erlaubt. …
Die Biotomate, die der umweltbewusste Kunde in den Supermärkten wählt, stammt in den seltensten Fällen vom Hof nebenan. Konkurrenzlos billig wird sie im spanischen Campo de Almeria angebaut - unter riesigen Kunststoffplanen, genau wie herkömmliche Ware. Nirgendwo hat die moderne Agrarwirtschaft einer Landschaft schlimmere Narben zugefügt als im größten überdachten Gemüseanbaugebiet der Welt. Ein Meer aus weißem Plastik überdeckt eine Fläche so groß wie der Gaza-Streifen. …
Der Markt, so sagt er, sei durch Billig-Bio verdorben, die Ware anonym geworden. "Das Problem ist, dass nur noch das Endprodukt betrachtet wird und nicht mehr das, was Bio ursprünglich ausmacht, nämlich der Prozess der Herstellung, mit all seinen positiven Auswirkungen für Mensch, Umwelt und Tier.".
Acht Milliarden Euro pro Jahr gibt der Staat allein dafür aus, die Nitratbelastung des Wassers zu reduzieren . Ursache dafür sind die vielen Tonnen Kunstdünger und Gülle, die ausgebracht werden und ins Grundwasser oder in Flussläufe sickern. In Gegenden mit riesigen Ställen wie im Landkreis Cloppenburg, wo mehr Schweine als Menschen leben, kommen die Wasserwerke kaum mehr gegen die Verschmutzung an. …

Anbauflächen in Deutschland (Millionen Hektar):
Ökoanbaufläche 2000 – 0,6 Mio ha; 2013 1,1
Nachwachsende Rohstoffe: 2000 – 0,7 Mio ha; 2013 2,3
(Der Spiegel 45-2014 S.64ff. -
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-130092994.html )

·         Ein gutes Beispiel dafür ist die sogenannte Bruderhahninitiative engagierter Biopioniere. Bisher war es üblich, alle männlichen Küken auch in der Ökolegehennenzüchtung sofort nach dem Schlüpfen zu töten. Nun ziehen die Betriebe, die bei der Aktion mitmachen, die Hähne bis zur Schlachtreife auf. Die Kosten dafür decken sie mit einem Aufschlag auf die Eier. Das Ergebnis: Vier Cent mehr pro Ei bezahlen die Kunden bereitwillig, um das nutzlose Töten zu beenden. …
Manchmal genügt auch eine pfiffige Idee. Drei Landwirte aus der Nähe von Hamburg, "De Öko Melkburen", vertreiben erfolgreich Jahreszeitenmilch. Der Kunde erfährt, wo sich die Kühe in jeder Jahreszeit aufhalten, was sie fressen und wie sich das geschmacklich auf die Milch auswirkt. 1,49 Euro können die Bauern für einen Liter erzielen.
(Der Spiegel 45-2014 S.70)

·         Ein einziges Gramm Ackerboden enthält bis zu zehn Milliarden Bakterien. "Die meisten dieser Kleinstlebewesen kennen wir noch nicht", sagt Tebbe. In den Böden stecke ein unerschöpfliches Potenzial: "Sie bilden die größte genetische Ressource des Planeten.";

1 Quadratmeter Oberboden bis 20 Zentimeter Tiefe enthält unter anderem:
10 Schnecken
100 bis 200 Asseln
bis zu 300 Regenwürmer
100 bis 300 Tausendfüßler
bis zu 10.000 Insektenlarven
100.000 Springschwänze
bis zu 1.000.000 Hornmilben
10.000.000 Fadenwürmer
1.000.000.000.000 (1 Billiarde) Bakterien;
(Der Spiegel 44-2014 S.130ff.)

·         Club of Rome: Nahrungsbedarf auf der Erde wird sich bis 2050 mindestens verdoppeln, Zuwachs der Weltbevölkerung um 2,6 Milliarden, erhöhter Fleischkonsum, steigender Wohlstand
(Bild der Wissenschaft 12-2013 S.11)

·         Computerköche und Investoren nehmen sich unser Essen vor: Gemüse, Fleisch und Eier kommen bald aus dem Labor. Was gruselig klingt, kann den Hunger besiegen. …
Wie viele werden erst hungern, wenn bald neun oder zehn Milliarden Menschen den Planeten bewohnen?

·         Den westlichen Lebensstil zu exportieren ist jedenfalls keine Lösung. Der ruiniert den Planeten schon heute. Zwar ist die Landwirtschaft viel leistungsfähiger geworden – die für die Nahrungserzeugung genutzte Fläche ist in den vergangenen Jahren nur um zwölf Prozent gewachsen, während die weltweite Agrarproduktion um die Hälfte zugelegt hat. Doch Effizienz allein wird nicht ausreichen. Um den Lebensstil aller Bürger der Europäischen Union aufrechtzuerhalten, brauchten wir der Heinrich-Böll-Stiftung zufolge eine landwirtschaftliche Nutzfläche, die eineinhalbmal größer ist als die Fläche aller EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Würden alle Menschen so leben wie die Europäer, kämen wir mit einer Erde nicht aus.

·         Das Ende der Legehenne wäre ein großer Sieg für den Tierschutz, doch den Planeten retten würde es nicht. Denn noch viel belastender für die Umwelt ist die Zucht von Rindern und Schweinen. Um so schnell fett zu werden, wie die Fleischindustrie es ihnen abverlangt, benötigen die Tiere riesige Mengen Weizen, Soja und Mais. Dieses Futter muss irgendwo wachsen. "Alles in allem benötigt die Nutztierhaltung etwa 30 Prozent der gesamten Landoberfläche der Erde", hat die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) herausgefunden. Ein Gebiet von der Größe Asiens dient also heute ausschließlich der Produktion von Steaks, Schnitzeln, Käse und Milch. Die Viehzucht verursacht zudem ein Siebtel aller Treibhausgase. Die Produktion eines Kilos Rindfleisch setzt so viel klimaschädliches Kohlendioxid frei wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. …
Der Wissenschaftler ist überzeugt davon, dass Menschen auf ewig Fleischliebhaber bleiben. Das seien sie immer schon gewesen. Ohne den gewaltigen Energiegehalt von Fleisch hätten unsere Vorfahren niemals so leistungsfähige Gehirne entwickelt, sagt Post. Und doch könne man heute kaum noch guten Gewissens in ein Stück Fleisch beißen: "Es ist schwer zu rechtfertigen, wie wir Tiere auf diesem Planeten behandeln."
Deswegen stellt Mark Post Fleisch her, ohne ein Tier zu töten.
Im weißen Kittel führt der Forscher durch sein Labor. Auf den Tischen stehen Petrischalen, Plastikwannen und Mikroskope, Nährlösung schwappt in Glasbehältern. Es riecht nach Kühlgeräten und abgestandener Luft. Dann öffnet Post einen Gefrierschrank und holt zwei Dutzend Röhrchen mit tiefgefrorenem, hellgelbem Inhalt heraus. Es sind Muskelzellen einer Kuh, die später einmal einen Fleischklops formen sollen.
Mark Post züchtet Rinderhack ohne Rind. Dafür entnimmt der Forscher einer Kuh in einem harmlosen Eingriff ein wenig Nackenmuskulatur; aus dem Gewebe gewinnt er Stammzellen, die sich auf einer Nährlösung bei 37 Grad und feuchter Luft in einem besenschrankgroßen Inkubator milliardenfach vermehren. Binnen Wochen wachsen die Stammzellen zu millimeterdicken und zweieinhalb Zentimeter langen Muskelfasern heran. Die Stränge in den Röhrchen, die Post jetzt auf dem Plastiktablett präsentiert, werden schließlich zusammengepresst: 20.000 Stränge für einen Burger.
Das Ganze dauert bloß drei Monate. Die Bulette wächst im Labor also schneller als an der Kuh, die selbst im Maststall zwei Jahre bis zur Schlachtreife braucht. "Aus einer einzelnen Zelle", sagt Post, "kann man theoretisch 10.000 Kilo Fleisch herstellen."…
"In fünf bis sieben Jahren könnten wir das Kilo für 65 Dollar herstellen", prophezeit Post den bevorstehenden Preisverfall, wenn erst einmal in großen Mengen produziert würde. Noch größere Optimisten rechnen in zehn bis 15 Jahren sogar mit einem supermarkttauglichen Kilopreis von acht Dollar. Und Burger seien erst der Anfang. Post träumt bereits von geklonten Schnitzeln und Steaks: "Theoretisch ist das alles schon möglich."
Was Kunstfleisch geschmacklich noch fehlt, macht seine Umweltbilanz wieder wett: Gegenüber der herkömmlichen Fleischproduktion sind 45 Prozent weniger Energie nötig, 96 Prozent weniger Wasser und 99 Prozent weniger Landfläche, haben Forscher der Universität Oxford herausgefunden. Eine Herde von 35.000 Kühen, denen man hin und wieder ein wenig Muskelgewebe entnimmt, würde ausreichen, um den Fleischbedarf der Weltbevölkerung zu sichern….
Entwicklung der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche pro Person:
2008 2420 m2; 2050 1810 m2;
globale Fleischproduktion Millionen Tonnen:
2005 259 Mt; 2050 455 Mt
(Die Zeit 29.4.15 S.23 - http://www.zeit.de/2015/18/essen-zukunft-lebensmittel-hightech/komplettansicht )

·         Um gentechnikfreies Soja zu bekommen, wollen deutsche Landwirte die Pflanze nun selbst anbauen. Doch das ist schwieriger als gedacht. …
In diesem Jahr wurden nach Schätzungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hierzulande rund 11.000 Hektar angebaut – mehr als doppelt so viel wie noch vor drei Jahren. Eine Nische bleibt es trotzdem: Mais zum Beispiel wächst auf 2,5 Millionen Hektar. Und bisher ist der Sojaanbau auch nur im Süden Deutschlands einigermaßen erfolgreich.
Betriebe in Mitteldeutschland – wie Kamps Hellmesehof, der zwischen Köln und Düsseldorf liegt – haben es da deutlich schwerer. Soja ist anspruchsvoll, als exotische Pflanze aus Nordostchina mag sie Wärme. Bei der Saat sollte der Boden zehn Grad Celsius warm sein. Und damit sich die ersten grünen Pflänzchen etwa zwei Wochen später an die Erdoberfläche trauen, sollte die Bodentemperatur weiter auf mindestens 15 Grad ansteigen. Schon ein Bodenfrost im späten Frühjahr gefährdet die ganze Ernte.
(Die Zeit 17.12.15 S.29)

·         Kein anderer Kontinent ist für seinen Konsum stärker auf fremdes Land angewiesen als Europa. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Bodenatlas, den die Umweltschutzorganisation BUND zusammen mit der Heinrich Böll Stiftung diese Woche veröffentlichen wird. Der "Land-Fußabdruck" der EU, so die ermittelten Daten, betrage pro Jahr gut 640 Millionen Hektar - eineinhalbmal so viel wie die Fläche aller 28 Mitgliedstaaten. Allein für den Fleischkonsum in der EU werden in Lateinamerika Futtermittel auf einer Ackerfläche angebaut, die so groß ist wie England. Jeder EU-Bürger, an der Spitze die Deutschen, nutze im Jahr im Schnitt 1,3 Hektar Land, sechsmal so viel wie ein Einwohner in Bangladesch.
(Der Spiegel 2-2015 S.57)

·         Glutenfrei, zuckerfrei, laktosefrei: Das gestörte Verhältnis vieler Verbraucher zum Essen ist auch die Folge einer hysterischen deutschen Ernährungspolitik.
Das änderte sich, als sich die Bewegung der Sache mit dem Chlorhühnchen und dem transatlantischen Handelsabkommen TTIP annahm. Die Aktivisten behaupteten, dass man dem europäischen Verbraucher demnächst chloriertes Geflügel auftischen werde, sollte der Vertrag zwischen der Europäischen Union und den USA in Kraft treten. Was für eine schaurige Vorstellung! Chlorhühnchen: Das klingt nicht nach Essen, sondern nach Sanitärabteilung.
Mit dem Chlorhühnchen wird aus einer komplizierten Wirtschafts- und Umweltdebatte eine einfache Ernährungsfrage: Will man das essen? Nicht nur die Umwelt, die Tiere oder die kleinbäuerliche Landwirtschaft sind gefährdet, sondern die Gesundheit des Verbrauchers. Es werden Urängste geweckt. Bei den Gegnern des Handelsabkommens, allen voran den deutschen Grünen-Politikern im Europaparlament, kamen mehr als eine Million Unterschriften zusammen. Laut einer Forsa-Umfrage für den "Stern" glaubten plötzlich 56 Prozent der Deutschen, dass im Chlorbad desinfiziertes Geflügelfleisch eine Gefahr für die Gesundheit darstelle. "Die Chlorhähnchen sind nur ein Beispiel von vielen für die Angriffe auf unsere Qualitätsstandards", schrieb die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms und setzte das Bild eines Hahnes mit der Überschrift "Kein Bock auf Chlor" auf ihre Facebook-Seite.
Es spricht viel dafür, dass das Chlorhühnchen bei der Demonstration im Berliner Regierungsviertel an diesem Wochenende wieder eine zentrale Rolle spielen wird. Auch bei der ebenfalls geplanten alternativen Ernährungskonferenz, zu der die Grünen in den Bundestag eingeladen haben, steht das Abkommen zum Chlorhühnchen auf dem Themenzettel. Man kann es den Organisatoren nicht verdenken, dass sie sich um Dinge kümmern, die die Herzen vieler Menschen bewegen.
Dabei ist die Geschichte von der Chlorhuhn-Gefahr eine Mär. Die Unterhändler des Handelsabkommens haben längst angekündigt, dass Verbraucherstandards bei der Lebensmittelproduktion nicht aufgeweicht werden sollen. US-Geflügelzüchter, die den europäischen Markt beliefern wollen, müssen sich demnach auch künftig den europäischen Regeln anpassen.
Das Chloren von Hühnchen stellt auch keine Gefahr für die Gesundheit dar. Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA urteilte nach einer Untersuchung vor zehn Jahren, dass im Chlorbad desinfiziertes Geflügel kein Gesundheitsrisiko darstellt. Zum gleichen Ergebnis kam das Bundesinstitut für Risikobewertung. Bei jedem Schwimmbadbesuch nehme man größere Mengen Chlor zu sich, und selbst das sei völlig unschädlich, so die Experten….
Erstaunlicherweise gibt es kaum eine seriöse Studie, die belegen könnte, dass ein moderat erhöhter Body-Mass-Index gefährlich für die Gesundheit ist. Im Gegenteil: Leichtes bis mittleres Übergewicht könnte gesund sein. Für ältere Menschen hält die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin einen BMI von mehr als 25 sogar für "wünschenswert" und rät dazu, sich ab einem Alter von 65 Jahren ein "Murmeltierpolster" zuzulegen. Erst ab einem BMI von 29 steige bei ihnen das Gesundheitsrisiko an….
Es fällt zum Beispiel auf, dass die Zahl der Menschen, die glauben, unter Zöliakie zu leiden, enorm angestiegen ist, seit bekannt wurde, dass Lady Gaga, Miley Cyrus und Victoria Beckham auf Gluten verzichten. Weil außerdem viele Lebensmittelhersteller inzwischen mit dem Verpackungsaufdruck "glutenfrei" werben, hat sich bei vielen Verbrauchern der Irrglaube verbreitet, es müsse sich um etwas Schädliches, womöglich sogar um Giftiges, handeln….
Könnte es sein, dass die Ernährungspolitik erst die gesundheitlichen Probleme erschafft, vor denen sich die Bürger ängstigen? Wie kommt der Ernährungsminister dazu, Millionen Menschen einzureden, sie seien zu dick?
Schmidt weicht der Frage aus. Vor einigen Wochen hat er seinen eigenen BMI ausgerechnet, es war um Weihnachten herum, Schmidt ist eh ein eher gemütlicher Typ. Jedenfalls fiel das Ergebnis seines BMI-Selbsttests ("so um die 29") nicht gut für ihn aus. "Die Adipositas, die ich meine, fängt bei einem BMI von 40 bis 50 an", sagt Schmidt.
Aber warum gibt sein Ministerium dann Warnzettel an alle Menschen mit einem BMI von mehr als 25 heraus? Schmidt zögert. Er muss sich jetzt entscheiden zwischen der Antwort eines Ministers und der eines Betroffenen.
"Ach", sagt er schließlich, "schmeißen Sie den Zettel einfach weg."
(Der Spiegel 4-2015 S.32 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131355082.html )

·         Landwirtschaft
Ach, du dicke Milch! …
Nicht nur in Deutschland wächst der Anteil der nach ökologischen Kriterien genutzten Anbauflächen ständig. Inzwischen setzen 8,2 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe auf Bio. …
Die westliche Welt erlangte einen bis dato unvorstellbaren materiellen Reichtum – auch weil moderne Maschinen, neue Anbaumethoden und chemische Pflanzenschutzmittel die Effizienz der Landwirtschaft dramatisch steigerten: Im Jahr 1900 ernährte ein Bauer in Deutschland statistisch betrachtet 4 Personen, heute versorgt er 145 Menschen. Die Milchleistung einer Kuh hat sich im Schnitt verdreifacht, der Weizenertrag sogar vervierfacht.
Wenn es eine Zahl gibt, die die Dimension des Wandels auf den Punkt bringt, dann diese: Weniger als zwei Minuten muss ein durchschnittlich bezahlter Arbeitnehmer in Deutschland noch arbeiten, um sich einen Liter Milch kaufen zu können. Vom Lohn eines Tages könnte man eine ganze Badewanne mit Milch füllen. Dieser Preisverfall bedeutet für die Verbraucher einen enormen Wohlstandszuwachs. Noch vor hundert Jahren gab ein Deutscher im Durchschnitt die Hälfte seines Einkommens für Nahrungsmittel aus, heute sind es nur noch rund zehn Prozent. …
(Die Zeit 25.5.2016 S.23 http://www.zeit.de/2016/23/milchpreis-subvention-landwirtschaft-globalisierung/komplettansicht )

·         Heute leben über die Hälfte aller Milchkühe und zwei Drittel aller Mastrinder nur noch im Stall, zum Teil sogar angebunden. …
(Die Zeit 29.9.2016 S. 44)

·         Fleisch Deutschland (Mill. Tonnen pro Jahr)
Jahr           Import Herstellung
1991           1820     7190

2014           2500     8690

Jahr           Export  Verbrauch
1991           1310     6750
2014           4290     5580

Verzehr Fleisch in Kilogramm pro Kopf und Jahr

Land          1991     2014
Welt           26        33
USA           89        91
EU             60        63
Argentinien 66        86
Deutschl.    88        85

Verzehr Fleisch Gramm pro Kopf und Tag Deutschland
Männer       103
Frauen        53
(Die Zeit 3.11.2016 S.40)

·         Ein weites Feld
Wie zuvor bei der Mietpreisbremse wollen erste Politiker nun auch den Anstieg der Pachtpreise für Ackerland begrenzen.
Seit zehn Jahren steigen die Preise für Ackerland. Mittlerweile ist landwirtschaftlicher Boden so wertvoll wie noch nie seit der Wiedervereinigung. In Bayern beträgt der Kaufpreis pro Hektar im Schnitt mehr als 47.000 Euro, Nordrhein-Westfalen liegt mit 40.000 Euro auf Platz zwei. Die steigenden Preise legen die Eigentümer auf ihre Pächter um. Und so wie in den vergangenen Jahren die Mieten für Wohnraum gestiegen sind, klettern nun auch die Pachtgebühren für Ackerland. Acht Jahre lang geht das schon so, bei neuen Verträgen hat sich die Pacht seitdem mehr als verdreifacht. …
Schuld ist unter anderem die von Landwirten oft als "Flächenfraß" bezeichnete Verknappung von Ackerland. Durch den Bau neuer Straßen, Gewerbe- und Wohnsiedlungen und den dafür erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen gehen jeden Tag 74 Hektar verloren. In den vergangenen 25 Jahren sind knapp eine Million Hektar landwirtschaftlicher Flächen verschwunden. Die verbleibenden steigen im Wert. …
(Die Zeit 21.12.2016 S.31 )

·         „Total bio, aber tödlich“
Ernährung - Andreas Hensel, 55, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, hält die Sorgen vor zu viel Chemie im Essen für unbegründet. Die Gefahren lauerten an ganz anderer Stelle. …
Hensel: …Ich kann Sie beruhigen: Unser Essen ist sicherer als jemals zuvor.
SPIEGEL: Viele Bürger glauben, das Gegenteil sei der Fall. Seitdem kürzlich in mehreren Biersorten Spuren des Unkrautvernichters Glyphosat gefunden wurden, haben sogar Deutschlands Biertrinker Angst davor, sich zu vergiften.
Hensel: Um eine kritische Menge Glyphosat aufzunehmen, müssten Sie etwa 1000 Liter Bier trinken, und zwar täglich. Ich bezweifle, dass Sie das schaffen. Und falls doch, wäre Glyphosat wirklich Ihr geringstes Problem. …
Hensel: Viele Menschen waren in der Schule leider auch sehr schlecht in Chemie, sonst wüssten sie, dass eigentlich alles auf der Welt, sogar ihr Körper, ausschließlich aus Chemie besteht. Ich komme bei diesem Thema gern auf Dihydrogenmonoxid zu sprechen: einen Stoff, der in der Lebensmittelindustrie häufig als Lösungsmittel verwendet Wird. Meine Zuhörer sind dann immer sehr besorgt. Bis ich ihnen erkläre, dass es sich bei Dihydrogenmonoxid um eine wissenschaftliche Bezeichnung von Wasser handelt. …
Hensel: Die meisten Bürger dürften überrascht sein zu erfahren, welche Stoffe wirklich giftig sind. Estragon zum Beispiel enthält krebserregende Stoffe. Eine tägliche Prise Estragon hat etwa so viel krebserregendes Potenzial wie der Rauch einer täglich konsumierten Zigarette. Oder wie das in einem kleinen Glas Bier enthaltene Ethanol. …
Wollen Sie wissen, was der größere Risikofaktor für die Lebensmittelsicherheit ist?
SPIEGEL: Bitte.
Hensel: Es ist der Mensch,  der das Essen zubereitet. Wenn Sie Ihre Bratkartoffeln in der Pfanne schwarz brutzeln, haben Sie ein Vielfach erhöhtes Krebsrisiko. Oder die mangelnde Küchenhygiene! Jedes Jahr erkranken in Deutschland nachweislich mehr als 70000 Menschen an einer Campylobacter-Infektion wobei die Dunkelziffer noch viel größer ist. Das dafür verantwortliche Bakterium siedelt auf fast jedem Hühnchen. Dem Geflügel macht das nichts, wohl aber dem Menschen. Oft reicht es schon, wenn Sie den rohen Hühnchenschenkel auf den Grill legen und mit derselben Hand die fertige Bratwurst berühren. Es sind übrigens fast immer Menschen unter 25 Jahren, die sich Campylobacter einfangen.
SPIEGEL: Warum das?
Hensel: Weil die jungen Leute nicht wissen, wie man Essen zubereitet. Die wechseln ihre Schneidbretter und Messer nicht.
SPIEGEL: Ärgert Sie das?
Hensel: Mich wundert nur, wie vergleichsweise gelassen die Öffentlichkeit mit diesem Problem umgeht. Man stelle sich vor, 70 000 Menschen würden sich statt an Campylobacter an den Rückständen eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels vergiften: Da müsste dann wohl die Regierung zurücktreten….
Unsere Infektionsmediziner können das genau belegen. Die deutsche Toilette ist vergleichsweise sauber, Kühlschrank und Spüle sind es nicht. Hier liegen die größeren Bakterienherde.
SPIEGEL: Schlimmer als das Klo?
Hensel: Was die Belastung mit coliformen Keimen anbelangt, ja. …
(Spiegel 11/2016 S.50)

·         Ackerbau
Jahr           Weltbevölkerung           Ackerfläche                  Getreiderente
.                 (Milliarden)                   (Quadratkilometer)        (Millionen Tonnen)
1961           3,1                               12,8                             877
2012           7,1                               14                                2566
(Der Spiegel 24/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Hunger
1920 bis 1970 starben im Schnitt von 100000 Menschen weltweit 529 pro Jahrzehnt durch Hungersnöte, in den 2000ern nur noch 3
(Der Spiegel 47/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Die Befreiung von der Landwirtschaft. Es war ein Städter aus Genf, Jean-Jacques Rousseau, der mit dem „Zurück zur Natur“ anfing. Natürlich hat die Mehrheit seiner Zeitgenossen das nicht mitbekommen, weil sie nicht lesen konnte, gerade vom Gutsherrn rangenommen oder verprügelt wurde und das Budget für kulturkritische Weiterbildung für Rübensuppe draufging. Der Evolutionsbiologe Jared Diamond hat Landwirtschaft als „schlimmsten Fehler in der Geschichte der Menschheit“ bezeichnet. Sie brachte Bevölkerungswachstum bei hoher Sterblichkeit und ersetzte Steinzeitdiät durch einseitige Ernährung. Brandrodungen führten zu Klimawandel, die Nähe zum Vieh bescherte uns Tuberkulose, Pest und Wurmbefall. Dafür die ganze Ackerei? Zum Glück nähert sich die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten der Nachweisgrenze an, und alle Gentleman-Farmer und Hochbeet-Anbeterinnen werden daran nichts ändern. Heute ernährt ein Landmann 140 seiner Mitbürger, und er macht es in der Regel effizient und artgerecht. Landluft macht nur frei, wenn andere die Arbeit machen. Der größte Nahrungsmittelproduzent der EU ist Frankreich, und dort gehören noch rund zweieinhalb Prozent der Beschäftigten dem Agrarsektor an, mehr ist nicht, mehr Land tut nicht not. In Deutschland arbeiten noch 600000 Menschen in der Landwirtschaft.
In Deutschland waren um 1500 73% der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt, 1750 64%, 1900 38%, 2016 1,4%
(Spiegel 21-2017 S.48)

·         So schmeckt die Zukunft
Gesundheit Das moderne Essen machtkrank. Mit ultraverarbeiteten Nahrungsmitteln verführt uns die Industrie, mehr zu verzehren, als uns guttut. …
Industriell verarbeitete Produkte machen bei vielen Menschen Schon 60 Prozent der täglichen Energiezufuhr aus; in reichen Ländern konsumiert ein Bürger im Durchschnitt 500 Kilokalorien mehr, als sein Körper benötigt – pro Tag.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit gibt es mehr fettleibige als untergewichtige Erdenbürger. Und während 800 Millionen Menschen zu wenig zu essen haben, stopfen zwei Milliarden zu viel in sich hinein.
(Spiegel 12-2017 S.97)

·         Kann Ökolandbau die Welt ernähren?
Nein, das ist nicht möglich. Denn angesichts des Hungers in der Welt müssen die Ernteerträge deutlich gesteigert werden
Von Matin Qaim (Matin Qaim, geboren 1969, ist Professor für Agrarökonomie an der Universität Göttingen und Leiter des Lehrstuhls für Welternährungswirtschaft)
Über Jahrtausende hinweg war das zentrale Problem des menschlichen Überlebens, dass nicht ausreichend Nahrung verfügbar war. Noch im frühen 20. Jahrhundert hungerten mehr als siebzig Prozent der Weltbevölkerung. Selbst in Europa gehörte Unterernährung zur Tagesordnung, weil die landwirtschaftlichen Erträge niedrig und die Ernteverluste durch Krankheiten und Schädlinge groß waren. Doch in den vergangenen hundert Jahren wurde der Hunger in Europa weitgehend ausgerottet, und auch anderswo wurde er massiv zurückgedrängt. Heute hungern weltweit nur noch elf Prozent der Menschen, und das, obwohl die Bevölkerung seit Beginn des 20. Jahrhunderts um fast sechs Milliarden angestiegen ist. Hauptgrund für diese enormen Erfolge sind die gesteigerten Erträge durch den Einsatz von Dünger, besseren Sorten, Pflanzenschutz und anderen Agrartechnologien. …
Für eine ausreichende Nahrungsverfügbarkeit wird die globale Agrarproduktion bis 2050 um mindestens sechzig Prozent gesteigert werden müssen. Die durchschnittlichen Erträge im Ökolandbau sind niedriger als in der konventionellen Landwirtschaft – im Schnitt rund 25 Prozent, mit starker Streuung je nach Situation. …
Bisher wird weltweit nur ein Prozent der Agrarfläche ökologisch bewirtschaftet. So ist kaum davon auszugehen, dass die dort erzielten Erträge auch repräsentativ für die anderen 99 Prozent der Fläche sind. …
Es gibt auch ein viel banaleres Argument, warum weltweiter Ökolandbau kombiniert mit vegetarischer Ernährung kein realistisches Szenario ist. Um gute Erträge zu liefern, ist der Ökolandbau auf tierischen Dung angewiesen, weil der Einsatz von Mineraldünger verboten ist. Eine Umstellung der Weltlandwirtschaft auf Ökolandbau würde eine massive Ausdehnung der Tierbestände voraussetzen – unmöglich bei fehlender Fleischnachfrage. …
Der Ökolandbau kann die Welt nicht ernähren und ist deswegen kein globales Modell für nachhaltige Landwirtschaft. Dennoch beinhaltet er viele wichtige Aspekte, die es zu fördern gilt. Vielfältigere Fruchtfolgen, höhere organische Bodensubstanz und reduzierter Einsatz schädlicher Inputs sind zentrale Elemente hin zu einer umweltfreundlicheren Produktion. Aber deswegen muss man Chemie und neue Züchtungsmethoden nicht komplett verteufeln. Was wir brauchen, ist eine Kombination der besten Elemente und Technologien ohne ideologische Scheuklappen.
(Publik Forum 13-2017 S.18)

·         Wachsender Gemüsehunger. Deutsche gelten als Fleisch-Fetischisten, für ihre Brokkoli-Liebe waren sie bisher kaum bekannt. Was ungerecht ist, denn die Deutschen wachsen zu einer Gemüsenation heran: Seit 1960 hat sich der jährliche Pro-Kopf-Konsum beinahe verdoppelt, auf 93,8 Kilogramm. Die Tomate ist mit 26,2 Kilo pro Kopf das Königsgemüse, gefolgt von Möhren und Zwiebeln. Neben wachsendem Gesundheitsbewusstsein hat der neue Gemüsehunger vor allem technische Gründe. Gemüse ist ein hochverderbliches Lebensmittel, und die Möglichkeiten der Lagerung haben sich stark verbessert. Auch war der Konsum früher saisonalen Schwankungen unterlegen Zucchini und Auberginen im Supermarktregal, auch im Dezember. Im globalen Vergleich aber zeigt sich, dass Russen, Marokkaner, auch Chinesen einen noch höheren Gemüseverbrauch haben. Im Tschad dagegen, wo das Nationalgericht aus einem Hirsekloß mit Soße besteht, gibt es am wenigsten Grünes auf dem Speiseplan: Gemüse ist in einigen afrikanischen Ländern Mangelware, schlecht anzubauen, nicht selten importiert und teuer. Da erscheint die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung beinahe luxuriös: 400 Gramm Gemüse am Tag senkten das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Den Deutschen fehlen demnach nur noch und das Angebot übersichtlich. Heute liegen dank Welthandel rund 140 Gramm zum Glück.
(Spiegel 46-2017 S.58)

·         Wer ist Schuld?
Welternährung - Jeder neunte Mensch hungert, in einigen Ländern ist die Not so groß, dass 20 Millionen bald sterben könnten. Dabei gibt es Nahrung im Überfluss. 
Bis 2030 soll es auf der Welt keinen Hunger mehr geben. Null Hunger, „zero hunger“, so Iautet das Ziel, das die Weltgemeinschaft sich selbst gesetzt hat. 2015 verabschiedete die Generalversammlung der Uno eine Agenda, und es gab durchaus Anlass, optimistisch zu sein. Denn die Zahl der Hungernden ist seit 1990 um mehr als 200 Millionen gesunken ein enormer Erfolg. …
800 Millionen Menschen auf der Erde hungern immer noch. …
Der Körper eines verhungernden Menschen beginnt, sich selbst zu verzehren. In den ersten Tagen ohne Nahrung schaltet er auf Energiesparmodus um. Der Organismus baut Glykogen aus Leber und Muskeln ab, um das Gehirn mit Glukose zu versorgen. Dann werden Fettreserven angegriffen. Schließlich Proteine bis hin zu Muskeln und Organen. Der Verhungernde fühlt sich verwirrt und ängstlich, seine Hirnleistung nimmt ab. Viele leiden an Durchfall und Infektionen, fallen ins Koma, bei manchen bleibt das Herz stehen. Vor allem bei Kindern bilden sich Ödeme, der Bauch bläht sich auf. Der Tod tritt nach 20 bis 60 Tagen ein. …
„Seit den 1960er-Jahren produzieren wir mehr als genug Essen“, sagt Graziano da Silva. „Wir könnten zehn Milliarden Menschen und mehr ernähren.“ Warum also schafft es die Weltgemeinschaft nicht, den Hunger zu eliminieren? Graziano da Silva zieht eine Tabelle aus seinem Stapel: die 13 Länder, in denen der Hunger am schlimmsten ist. Die 4 aktuellen Krisenländer sind dabei, außerdem Staaten wie Syrien und Afghanistan. Die Liste zeige die größten Hindernisse auf dem Weg zu „zero hunger“: Klimawandel und Krieg. Oft auch eine Kombination aus beidem. …
70 Prozent ihres Geldes geben die Armen der Welt durchschnittlich für Essen aus. Steigen die Preise für Reis, Weizen oder Mais, wird das für Menschen wie Yfrancia Napoleon schnell lebensbedrohlich. …
In fünf Jahren wird Indien laut Internationalem Währungsfonds Deutschland als viertgrößte Wirtschaftsmacht ablösen. Das Land hat seine Nahrungsmittelproduktion in den vergangenen Jahrzehnten verdoppelt, es exportiert Reis und Rindfleisch. Indien hat eine funktionierende Regierung und eine Wachsende Mittelschicht. Wahr ist allerdings auch: In Indien leben die meisten unterernährten Menschen der Welt, 195 Millionen. Fast 40 Prozent der unter Fünfjährigen sind in ihrer Entwicklung zurückgeblieben, weil sie nicht richtig ernährt werden. …
Dass die Weltbevölkerung wächst, muss nicht zwangsläufig zu mehr Hunger führen. Die Welt produziert genug Nahrung für zehn oder auch zwölf Milliarden Menschen. Doch ein Drittel davon geht verloren, bei Ernte, Transport und Lagerung und auch im Haushaltsmüll. Allein in Deutschland Werden 28 Millionen Tonnen Nahrung vergeudet, jedes Jahr. …
Moderne Technologien wie grüne Gentechnik könnten zwar nützlich sein, um die Nahrungsmittelproduktion an den Klimawandel anzupassen. Langfristig werden wir Pflanzen brauchen, die trotz Dürre oder salziger Böden gedeihen, und ein Weg dahin, wenn auch ein umstrittener, ist die Gentechnik. …
(Spiegel 25-2017 S.86)

·         Unser bedrohtes Gold
Der Weizen ist unser wichtigstes Getreide. Nun ist er in Gefahr – weil Industrie, Züchter und Bauern den Anbau perfektioniert haben. …
In Gefahr ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen der Welt, der Weizen. Vor 10.000 Jahren wurde er in Vorderasien domestiziert. Heute wächst er fast überall, mehr als 730 Millionen Tonnen Weizen werden weltweit pro Jahr geerntet. Die größten Produzenten sind China und Indien vor den USA und Russland. Auch in Deutschland beansprucht das Getreide mehr Fläche als jede andere Feldfrucht. Das eigentliche Weizenwunderland aber war viele Jahre Großbritannien. Britische Landwirte verkündeten ein Vierteljahrhundert lang globale Spitzenernten. Und nun das: Im Juni meldete das britische Agrarministerium, das Land habe in der Saison 2016/17 erstmals mehr Weizen einführen müssen, als es exportieren konnte.
Dramatisch ist vor allem der Zustand des Ackerlandes in Großbritannien: Auf fast 20 Prozent der Flächen kann Weizen nicht mehr ohne Probleme angebaut werden. Grund ist eine andere Graspflanze: der Ackerfuchsschwanz. Er ist im Laufe der Jahre so resistent gegen Herbizide geworden, dass nur noch martialische Maßnahmen gegen ihn wirken. Manche Äcker müssen die Landwirte mehrfach mit dem umstrittenen Totalherbizid Glyphosat behandeln oder ein bis zwei Jahre lang brach liegen lassen, um die Ausbreitung des Ungrases zu stoppen. Waren die Briten früher die Pioniere der pfluglosen Feldbearbeitung, so holen sie heute das schwere Gerät wieder häufiger aus dem Schuppen. Einige Böden sind jedoch schon so sehr mit Fuchsschwanzsamen durchsetzt, dass es egal ist, wie man sie dreht und wendet.
Wie in Großbritannien gibt es auch in der Elb- und Wesermarsch oder auf der Schwäbischen Alb Flächen, auf denen der Getreideanbau eingestellt werden musste. Ursache auch hier: der Ackerfuchsschwanz. In viele Regionen Europas zeigen sich mehr und mehr multiresistente Unkräuter, die nicht nur einem Unkrautvernichtungsmittel widerstehen.
Diese Krise ist zu einem guten Teil hausgemacht. So war man in Großbritannien lange Zeit erfolgreich mit der Züchtung ertragreicher Massensorten, mit neuen Anbaumethoden und ausgefeilten Strategien der Stickstoffdüngung. Doch der Erfolg führte zur Kurzsichtigkeit. Statt wie ihre Vorfahren in Fruchtfolgen zu denken, bauten die britischen Landwirte nun Jahr für Jahr dasselbe an: Winterweizen auf Winterweizen auf Winterweizen. Um ihn zu schützen, setzten sie Jahr für Jahr auf das identische chemische Repertoire, auf Fungizide gegen drohenden Pilzbefall und auf Herbizide gegen konkurrierendes Unkraut auf dem Acker – bis die Konkurrenten nach und nach Immunität gegen die Gifte entwickelten.
Eine ähnliche Entwicklung ist in Deutschland im Gange. Auch hier vernachlässigen Landwirte die Fruchtfolge. Statt wie früher Raps, Weizen und Gerste im Wechsel anzupflanzen, bauen sie oft nur noch einmal Raps und dann in zwei aufeinanderfolgenden Jahren Weizen an – weil das 20 Euro pro Hektar mehr bringt. Diese Strategie funktionierte bislang auch deshalb, weil die chemische Industrie immer neue Wirkstoffe auf den Markt brachte. …
Gegen die Evolution können Landwirte und Pflanzenzüchter nichts ausrichten. Sie haben es aber in der Hand, wie empfindlich ihre Pflanzen reagieren. Dabei stehen sie vor einem Zielkonflikt: Düngen mit Stickstoff steigert den Ertrag – weicht aber die Zellwände der Pflanzen auf und macht sie anfälliger für Pilzerkrankungen. Die kurzen Halme moderner Weizensorten können schwere Ähren tragen. Aber auch sie machen es dem Pilz leichter, sich auszubreiten. Ähnliches gilt für den Anbau: Eine frühe Aussaat des Winterweizens steigert den Ertrag – erhöht aber das Infektionsrisiko.
"An einigen Punkten überschreitet der Modernisierungspfad die Grenzen der Nachhaltigkeit, und er gefährdet die Resilienz der Systeme", bekannte die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft DLG Anfang dieses Jahres. Der Weizenanbau ist eines der Systeme, dessen Fähigkeit, auf Krisen zu reagieren, gerade drastisch schwindet.
Das liegt auch daran, dass der Weizen ein kompliziertes Lebewesen ist. Sein Genom ist fünfmal so groß wie das unsere. Es besteht aus 17 Milliarden Basenpaaren. Genau genommen, ist es auch nicht ein Genom: Der Weizen stammt von drei Wildgräsern ab und besitzt daher drei Genome mit jeweils zwei Chromosomensätzen. Diese Komplexität macht den Züchtern das Leben schwer. Die Kreuzungslotterie bietet unüberschaubar viele Kombinationen.
Weizen deckt 19 Prozent des Kalorienbedarfs der Menschheit …
760 Millionen Tonnen produzierten die Landwirte weltweit im Jahr 2016
Ertrag im Vergleich: Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts 2 t/Hektar; aktuell: 8 t/ha; auf guten Standorten: 14 t/ha; globaler Durchschnitt: 3-4 t/ha
(Die Zeit 20.7.17 S.31ff - http://www.zeit.de/2017/30/weizen-getreide-anbau-schwarzrost/komplettansicht )

·         Böses Erwachen - Weizenschwarzrost – nie gehört? Der Schadpilz galt schon als besiegt. Doch jetzt gibt es eine neue Sorte, die Landwirte in Schrecken versetzt. …
Entdeckt wurde der neue Pilz 1998 in Uganda, offiziell benannt 1999, daher der Name: Ug für Uganda, 99 für das Jahr. Seitdem hat er sich über Tausende von Kilometern verbreitet – im ganzen östlichen Afrika von Südafrika bis Ägypten und weiter in den Nahen Osten über den Jemen bis in den Iran. Das geschah innerhalb weniger Jahre – für einen Pilz ist das rasend schnell. Züchter, Bauern und Wissenschaftler waren alarmiert. Mehr als 80 Prozent aller Weizensorten weltweit waren 2008 anfällig für den Pilz. Inzwischen gibt es einige neue resistente Sorten. Doch wenn Ug99 morgen in einer der großen Kornkammern der Welt landen würde, in Indien oder China etwa, dann wäre das eine Katastrophe.
Auch in Deutschland sind viele Weizensorten anfällig für Ug99. Trotzdem fühlte man sich hier lange sicher. Ug99 galt als wärmeliebend und der deutsche Sommer als zu unwirtlich für den Pilz. Doch dann, 2013, tauchte in Deutschland zum ersten Mal wieder Schwarzrost im Weizen auf. Und zwar am Fuße des Horstbergs, im Zuchtgarten von R.A.G.T. Saaten, einem der führenden Pflanzenzuchtbetriebe in Europa. Dessen beiden Chef-Weizenzüchter Hilmar Cöster und Uta Liesenberg stehen mit der Besuchergruppe im Gestrüpp. Beide sind seit Jahrzehnten im Geschäft, aber Schwarzrost hatten sie bis 2013 noch nie gesehen. "Es war schon relativ spät im Jahr", erzählt Uta Liesenberg. "Wir waren im Feld bei der Qualitätsprüfung und hatten eigentlich ganz andere Krankheiten im Blick. Und dann waren da diese schwarzen Pusteln." – "Die mussten wir erst mal nachschlagen", ergänzt Cöster. Doch es gab keinen Zweifel. "Es war wie im Lehrbuch. Wir hatten Schwarzrost." Innerhalb weniger Wochen gab es ein gutes Dutzend weiterer Meldungen von Schwarzrost-Befall, vor allem aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, aber auch aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg. …
In der oberen Atmosphäre gibt es kaum noch Sauerstoff, die UV-Strahlung der Sonne ist intensiv. Menschen brauchen eine temperierte Druckkammer, um eine solche Reise überleben zu können – die Röhre einer Passagiermaschine. Pilzsporen haben mit Strahlung keine Schwierigkeiten. Sie reisen mit dem Wind und globalen Luftströmen bis an den Rand der Atmosphäre und zurück aufs Feld. Auf diese Art legen sie Hunderte von Kilometern zurück, oft in einem einzigen "Sprung".
Mogens Hovmøller von der Universität Aarhus in Dänemark beobachtet diese Sprünge genau. Er leitet das Globale Rost-Referenzzentrum (GRRC). Hier laufen seit 2008 die weltweiten Daten über Ausbrüche von Rostkrankheiten zusammen. Hovmøllers Schwerpunkt ist der Gelbrost, ein Pilz, der auch in Mitteleuropa verbreitet ist. Er ist weniger aggressiv als der Schwarzrost, allerdings kann auch er Ernteverluste von bis zu 40 Prozent verursachen. Bis vor einigen Jahren trat Gelbrost in Mitteleuropa nur sporadisch auf, aber im Jahr 2011 tauchten zwei neue Rassen auf, "Warrior" und "Kranich". Die Namen verdanken sie den Weizensorten, auf denen sie zuerst entdeckt wurden. Sie haben in kurzer Zeit alle bislang existierenden Gelbroste in Europa verdrängt und sich hier fest eingenistet. Wo sie so plötzlich herkamen, das konnte niemand sagen. Erst im letzten Jahr, nach detaillierten genetischen Analysen, fanden Hovmøller und sein Team die Antwort. Warrior und Kranich kamen aus dem Himalaya.
(Die Zeit 20.7.2017 S.32 - http://www.zeit.de/2017/30/schwarzrost-pilz-weizen-berberitze-ug99/komplettansicht )

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