Martin Luther:
Ob Kriegsleute in seligem Stande sein können
(1526)
… Zuerst ist eine Unterscheidung vorzunehmen: Es ist zu
unterscheiden zwischen Amt und Person oder zwischen Tat und Täter. Ein Amt oder
eine Tat kann an sich sehr wohl gut und richtig sein, aber doch böse und
falsch, wenn die Person oder der Täter nicht gut oder richtig ist oder nichts
richtig macht. … Und so ist es auch mit dem Stand, dem Amt und Tun eines
Soldaten. Für sich genommen, ist es rechtschaffen und göttlich. Es ist aber
darauf zu achten, dass auch die Person, die dazu gehört, rechtschaffen ist. Und
darüber wird zu reden sein. …
… Ich behandele hier, ob der christliche Glaube, durch den
wir vor Gott für gerecht erklärt werden, neben sich dulden kann, dass ich
Soldat bin, Krieg führe, töte und verletze, raube und brenne, wie man es den
Feinden in den Kriegsereignissen nach Kriegsrecht tut, ob solches Tun Sünde
oder Unrecht sei, weswegen man sich ein Gewissen machen müsste vor Gott, oder
ob ein Christ nichts dergleichen tun darf, sondern allein wohltun und lieben,
keinen töten oder verletzen. Das nenne ich ein Amt oder Tun, welches, obschon
es göttlich und recht ist, dennoch schlecht und unrecht werden kann, wenn die
Person unrecht und böse ist. …
… Denn weil das Schwert von Gott eingesetzt worden ist, um
die Bösen zu bestrafen, die Gerechten zu beschützen und den Frieden zu
bewahren, Römer 13, 4; 1. Petrus 2, 14, ist auch überzeugend genug bewiesen,
dass Kriegführen und Töten von Gott eingesetzt sind
und, was der Lauf des Krieges und das Kriegsrecht mit sich bringen. Was ist ein
Krieg anderes als Strafe für das Unrecht und das Böse? Warum führt man Krieg,
außer dass man Frieden und Gehorsam haben will?
… Was meinst du aber dazu, dass die Welt böse ist und die
Menschen nicht Frieden halten wollen, sondern rauben, stehlen, töten, Weib und
Kind schänden und Besitz und Ehre nehmen? Diesem allgemeinen Unfrieden auf der
ganzen Welt, der keinen Menschen verschont, muss der kleine Unfriede, der Krieg
oder Schwert heißt, wehren. Darum ehrt auch Gott das
Schwert mit so hohen Worten, dass er es seine eigene Ordnung nennt (Römer 13,
1) und nicht will, dass man sage oder denke, die Menschen hatten es erfunden
und eingesetzt. Denn die Hand, die das Schwert führt und tötet, ist dann auch
nicht mehr eines Menschen Hand, sondern Gottes Hand, und nicht der Mensch,
sondern Gott henkt, rädert, enthauptet, tötet und führt den Krieg. Das alles
sind seine Werke und sein Gericht. …
… Zusammengefasst: Man darf beim Soldatsein
nicht darauf sehen, wie man tötet, brennt, schlägt und gefangen nimmt usw. Das
tun die ungeübten, einfältigen Kinderaugen, die dem Arzt nicht weiter zusehen,
als wie er die Hand abnimmt oder das Bein absagt, aber nicht sehen oder
bemerken, dass es um die Rettung des ganzen Körpers geht. Ebenso muss man auch
dem Amt des Soldaten oder des Schwertes mit männlichen Augen zusehen, warum es
so tötet und grausam ist. Dann wird es selber beweisen, dass es ein durch und
durch göttliches Amt ist und für die Welt so nötig und nützlich wie Essen und
Trinken oder sonst ein anderes Tun. …
… Ebenso bekannte auch Christus, als er vor Pilatus stand,
dass Kriegführen kein Unrecht sei, indem er sagte:
„Wäre ich einer der Könige dieser Welt, so würden meine Diener dafür kämpfen,
dass ich den Juden nicht ausgeliefert würde“ (Johannes 18, 36). Hierher gehören
auch all die alten Kriegsgeschichten im Alten Testament z. B. Abraham, Mose,
Josua, die Richter, Samuel, David und alle Könige des Volkes Israel. Sollte
aber der Krieg und das Amt, das ihn führt, an sich unrecht sein oder Gott
missfallen, so müssten wir Abraham, Mose, Josua, David und alle anderen
heiligen Väter, Könige und Fürsten verdammen, die Gott auch darin gedient haben
und wegen dieses Tuns in der Schrift sehr gerühmt werden, wie allen, die in der
Schrift etwas belesen sind, wohl bewusst ist. …
… Deshalb ist auch im
Neuen Testament das Schwert durch das Wort und den Befehl Gottes bestätigt, und
diejenigen, die es recht gebrauchen und im Gehorsam kämpfen, dienen damit Gott
und sind seinem Worte gehorsam (vgl. Römer 13, 4). …
… Denn was ist Krieg
führen anderes, als Verbrecher bestrafen und den Frieden bewahren?
Wenn man einen Dieb, Mörder oder Ehebrecher bestraft, so ist das eine Strafe an
einem einzelnen Verbrecher. Wenn man aber einen gerechten Krieg führt, so
bestraft man eine große Menge von Verbrechern auf einmal, die einen so großen
Schaden anrichten, wie groß ihre Zahl ist. Ist nun ein Werk des Schwertes gut
und gerecht, so sind alle gerecht und gut. Es ist doch ein Schwert und nicht
ein Fuchsschwanz, und es heißt: Zorn Gottes, Römer 13, 4. …
… Auf ihren Einwand aber, die Christen hätten keinen Befehl
zu kämpfen … dem Geiste nach sind sie niemandem als Christus allein
unterworfen. Mit Leib und Besitz aber sind sie dennoch der weltlichen Obrigkeit
unterworfen und Gehorsam schuldig. Wenn sie nun von der weltlichen Obrigkeit
zum Kriege aufgerufen werden, sollen und müssen sie kämpfen, aus Gehorsam,
nicht als Christen, sondern als Glieder und als untertänige, gehorsame Leute,
dem Leibe und dem zeitlichen Besitze nach. Wenn sie kämpfen, tun sie es also
nicht für sich noch um ihrer selbst willen, sondern im Dienst und Gehorsam
gegenüber der Obrigkeit, der sie unterstehen, wie der heilige Paulus an Titus
schreibt: „Sie sollen der Obrigkeit gehorsam sein“ (Titus 3, 1). Weiteres
kannst du in der Schrift über die weltliche Obrigkeit lesen. Denn das ist kurz
zusammengefasst dessen Aussage: An sich ist das Amt des Schwertes recht und
eine göttliche, nützliche Ordnung, und Gott will, dass sie nicht verachtet,
sondern gefürchtet und geehrt wird und Gehorsam genießt. Anderenfalls soll es
nicht ungerächt bleiben, wie der heilige Paulus Römer
13, 2 schreibt. Denn er hat eine doppelte Herrschaft unter den Menschen aufgerichtet:
eine geistliche, durch das Wort und ohne Schwert, wodurch die Menschen fromm
und gerecht werden sollen, so dass sie mit dieser Gerechtigkeit das ewige Leben
erlangen. Solche Gerechtigkeit bewirkt er durch das Wort, das er den Predigern
aufgetragen hat. Die andere Herrschaft ist weltlich durch das Schwert, damit
diejenigen, die nicht durch das Wort fromm und gerecht für das ewige Leben
werden wollen, dennoch durch diese weltliche Herrschaft gezwungen werden, fromm
und gerecht zu sein vor der Welt. Und solche Gerechtigkeit bewirkt er durch das
Schwert. …
… Lässt du die Habsucht und andere schlechte Absichten, so
ist der Kriegsdienst keine Sünde. Nimm dafür deinen Sold und was dir gegeben
wird. Deshalb habe ich oben gesagt, dass dieses Werk an sich recht und göttlich
ist. …
… Eine andere Frage: Was wäre, wenn mein Herr unberechtigt
Krieg führte? Die Antwort: Wenn du sicher bist, dass er unrecht hat, so sollst
du Gott mehr fürchten und gehorchen als den Menschen, Apostelgeschichte 5, 29,
und sollst nicht mitkämpfen noch dienen, denn du kannst ja kein gutes Gewissen
vor Gott haben. Ja, sagst du, mein Herr zwingt mich, er nimmt mir mein Lehen,
gibt mir mein Geld, den Lohn und Sold nicht, außerdem würde ich verachtet und
verleumdet als einer, der sich fürchtet, ja, der treulos ist vor der Welt, der
seinen Herrn in der Not verlässt usw. Die Antwort: Das musst du riskieren und
um Gottes willen fahrenlassen, was dir genommen wird. Er kann es dir wohl
hundertfältig wiedergeben, wie er es im Evangelium verheißt: „Wer um
meinetwillen Haus, Hof, Frau und Besitz verlässt, der soll es hundertfältig
wiederbekommen“ (vgl. Markus 10, 29 f.). Solcher Gefahr muss man doch bei allem
anderen Tun ebenfalls gewärtig sein, wo uns die Obrigkeit zwingt, unrecht zu
handeln. …
… Weil ein Soldat von Gott das Geschick zum Kämpfen bekommen
hat, kann er damit wie mit seiner Kunst und seinem Handwerk jedem dienen, der
ihn haben will, und dafür seinen Lohn wie für seine Arbeit annehmen. Denn das
ist auch ein Beruf, der aus dem Gesetz der Liebe quillt: Wenn mich jemand
braucht und ruft, dass ich seinem Willen folgen und dafür annehme, was mir
gebührt oder was mir gegeben wird. Denn so spricht der heilige Paulus 1.
Korinther 9, 7: „Niemand leistet Kriegsdienste für eigenen Sold.“ Damit billigt
er dieses Recht. Solange also ein Fürst den Untertanen eines anderen braucht
und ihn für den Krieg haben möchte, kann jener ihm wohl mit Erlaubnis und
Wissen seines Fürsten dienen und dafür Sold annehmen. …
… Sie sollten sich vielmehr so verhalten: Wenn es zur
Schlacht kommt und die Ermahnung so, wie ich es oben beschrieben habe, erfolgt
ist, soll man sich einfach der Gnade Gottes befehlen und sich in dieser Sache
als Christ verhalten. Denn in dieser vorigen Ermahnung ist allein ein Beispiel
dafür gegeben, wie man sich äußerlich im Kriege mit gutem Gewissen verhalten
soll. Weil aber kein gutes Werk selig macht, soll ein jeder nach solcher
Ermahnung bei sich selber im Herzen oder mit dem Munde sprechen: Himmlischer
Vater, nach deinem göttlichen Willen stehe ich hier in diesem äußerlichen Tun
und im Dienste meines Oberherrn, wie ich es schuldig bin zuerst vor dir und um
deinetwillen diesem Oberherrn. Ich danke deiner Gnade und Barmherzigkeit, dass
du mich in dieses Werk gestellt hast, wo ich sicher bin, dass es keine Sünde
ist, sondern Recht und ein deinem Willen entsprechender Gehorsam. …