weitere infos glaube naturwissenschaft
Was Darwin selbst geschrieben hat –
und was andere daraus gemacht haben
Charles Darwin wird immer wieder
vorgeworfen, er habe den Gedanken der „Selektion“ in die Welt gebracht, den
dann die Nazis auf grausame Weise an der Rampe von Auschwitz umsetzten. Im
brutalen „Kampf ums Dasein“ setze sich seiner Meinung nach das „Recht des
Stärkeren“ durch, und das gelte nicht nur in der Natur, sondern auch (in der
Denkweise des „Sozialdarwinismus“) in der menschlichen Gesellschaft. Darwin sei
auch der Wegbereiter des Rassismus. Und er habe mit seiner Evolutionstheorie
den christlichen Schöpfungsglauben unterminieren und ersetzen wollen und sei damit
zum (ideellen) Totengräber des christlichen Europa geworden.
Stimmt das alles mit Darwins eigenen Aussagen überein?
Ausgewählte Zitate aus zwei seiner wichtigsten Bücher sollen dieses Feindbild
etwas geraderücken.
Natürlich war Darwin auch ein Kind seiner Zeit und des herrschenden
Zeitgeistes. Klar ist auch, dass er in seiner zurückhaltenden Art auf manche
Missverständnisse und Fehl- und Über-Interpretationen seiner Ideen nicht
deutlich genug reagiert hat. Aber er blieb immer ein Naturwissenschaftler und
stand dem Versuch, seine Ideen für weltanschauliche Zwecke zu vereinnahmen oder
damit das Wertgefüge der Gesellschaft zu verändern, distanziert und kritisch
gegenüber.
1.
Ein vorsichtiger Naturwissenschaftler
Darwin war ein aufmerksamer
Beobachter von Naturerscheinungen, er hat als Züchter selbst Experimente
vorgenommen, er hat sich intensiv mit den Erkenntnissen seiner Fachkollegen
auseinandergesetzt – und er hat sich in seinen eigenen Werken differenziert
geäußert und war in seinen Schlussfolgerungen zurückhaltend. „Manche der
vorgebrachten Ansichten sind höchst spekulativer Art und einige werden sich
sicherlich als irrig erweisen; aber ich habe in allen Fällen die Gründe
angeführt, welche mich mehr zu der einen oder der anderen Ansicht
veranlassten. .... unrichtige Ansichten, die einigermaßen von Beweisen
unterstützt werden, können nur wenig schaden, denn jedermann findet ein
heilsames Vergnügen darin, ihre Unrichtigkeit zu erproben. Und ist dies
geschehen, so wird dadurch der Weg zum Irrtume verlegt und oft auch
gleichzeitig ein Weg zur Wahrheit geöffnet“ (B 409). Darwin sah durchaus
selbst „Schwierigkeiten in der Theorie“ (gemeint ist die Evolutionstheorie) und
widmete diesen Problemen mehrere Kapitel (A 179ff).
Nach seiner Ansicht schließt der
Vorgang der „natürlichen Zuchtwahl“ (Darwin selbst verwendet den Begriff
„Evolution“ nicht!) „nicht notwendig einen Fortschritt der Entwicklung ein“ –
es gilt also nicht zwanghaft ein Gesetz der Entwicklung vom Niederen zum
Höheren – sondern zeigt nur den Überlebensvorteil eines konkreten
Individuums in der momentanen Umweltsituation (A 137).
Darwin versucht auch, missdeutbare
Begriffe zu definieren: „Ich habe bis jetzt das Wort „Zufall“ (engl. hier:
chance! JK) gebraucht, wenn von Veränderungen die Rede war, die bei
organischen Wesen ... auftreten. Das Wort „Zufall“ ist natürlich keine richtige
Bezeichnung, aber sie lässt wenigstens unsere Unkenntnis der Ursachen
besonderer Veränderungen durchblicken“ (A 146).
Rückblickend kann man feststellen, dass Darwin selbst gar kein „richtiger“
konsequenter Darwinist war. Er ging davon aus, dass neben dem von ihm
entdeckten Mechanismus der „natürlichen Zuchtwahl“ „der Gebrauch gewisse Teile
(Organe JK) kräftigt und vergrößert, während der Nichtgebrauch sie schwächt;
und es geht ferner daraus hervor, dass solche Modifikationen erblich sind“ (A
148,528) – er glaubte also an die Vererbung erworbener Eigenschaften á la
Lamarck.
2.
Kampf ums Dasein ?
Darwin wusste selbst, dass dieser
Begriff verschieden verstanden werden konnte, und bemühte sich um Klärung: „Es
sei vorausgeschickt, dass ich die Bezeichnung „Kampf ums Dasein“ (struggle for
existence JK) in einem weiten metaphorischen Sinne gebrauche, der die
Abhängigkeit der Wesen voneinander, und was noch wichtiger ist: nicht nur das
Leben des Individuums, sondern auch seine Fähigkeit, Nachkommen zu
hinterlassen, mit einschließt. Mit Recht kann man sagen, dass zwei hundeartige
Raubtiere in Zeiten des Mangels um Nahrung und Dasein miteinander kämpfen; man
kann aber auch sagen, eine Pflanze kämpfe am Rande der Wüste mit der Dürre ums
Dasein, obwohl man das ebenso gut so ausdrücken könnte: sie hängt von der
Feuchtigkeit ab. Von einer Pflanze, die jährlich Tausende von Samenkörnern
erzeugt, von denen aber im Durchschnitt nur eines zur Entwicklung kommt, lässt
sich mit noch viel größerem Rechte sagen, sie kämpfe ums Dasein mit jenen
Pflanzen ihrer oder anderer Art, die bereits den Boden bedecken. Die Mistel ist
vom Apfelbaum und einigen anderen Baumarten abhängig, aber es kann von ihr nur
in gewissem Sinne gesagt werden, sie kämpfe mit diesen Bäumen, denn wenn zu
viele dieser Schmarotzer auf demselben Baume wachsen, verdorrt er und geht ein.
Wenn aber mehrere Mistelsämlinge auf demselben Ast beisammen wachsen, so kann
man schon mit mehr Grund sagen: sie kämpfen miteinander. Da der Samen der
Mistel durch Vögel verbreitet wird, so hängt ihr Dasein von diesen ab, und man
könnte bildlich sagen, die Misteln kämpften mit anderen fruchttragenden
Pflanzen, um die Vögel zu verleiten, lieber ihre Samen zu fressen und zu
verstreuen. In diesen verschiedenen Bedeutungen, die ineinander übergehen,
gebrauche ich der Bequemlichkeit halber die allgemeine Bezeichnung „Kampf ums
Dasein“ (A 76f). „Auf den ersten Blick scheint der Einfluss des Klimas mit dem
Kampf ums Dasein gar nichts zu tun zu haben ... Erreichen wir das arktische
Gebiet, schneebedeckte Berggipfel oder vollkommene Wüsten, so wird der Kampf
ums Dasein fast nur gegen die Elemente geführt“ (A 81f). Darwin weist darauf
hin, dass „z.B. Heuschrecken und grasfressende Säugetieren miteinander ums
Dasein kämpfen“ (A 87f). Und er wundert sich, dass manche Leute staunen, dass
so übermächtige Tiere wie Ur-Elefanten oder Dinosaurier aussterben konnten –
„als ob bloße Körperkraft schon den Sieg ... verbürgte!“ (A 376). Es gilt also
nicht das Motto, dass der Stärkste gewinnt. Darwin vermutet sogar, dass „es für
den Menschen von gewaltigem Vorteil gewesen sein könnte, von irgend einem
verhältnismäßig schwachen (!! JK) Geschöpf abzustammen“, weil er sonst
„vielleicht nicht sozial geworden wäre“, ein Zuviel an Größe und Wildheit
hätten wahrscheinlich „das Erwerben höherer geistiger Qualitäten gehemmt, wie
Sympathie und Liebe für seinen Genossen“ (B 95).
3. Rassismus ?
In seinen Texten verwendet Darwin manchmal sehr grobe Ausdrücke, etwa wenn er von „barbarischen Rassen“ und „niedrigsten Barbaren“ schreibt B 67,137) oder von „rohesten Wilden“ (B 196) im Unterschied zu „zivilisierten Rassen“ (B 67). Aber er entdeckt, dass die Grenzen fließend sind: „Die Feuerländer gehören zu den niedrigsten Barbaren; aber ich war fortwährend davon überrascht, wie sehr die drei an Bord der „Beagle“ befindlichen Eingeborenen, die einige Jahre in England gelebt hatten und ein wenig Englisch sprechen konnten, uns in der Veranlagung und den meisten geistigen Fähigkeiten sehr ähnlich waren“ (B 97). Er weiß über die „Urbewohner Amerikas, die Neger, die Europäer ... wie ähnlich ihre geistige Beschaffenheit der unsrigen ist“ (B 267). An anderer Stelle setzt er „Barbaren“ mit „unerzogenen Leuten“ (in seiner britischen Gesellschaft) gleich (B 139,163), und er stellt (wegen ihrer freizügigen Wandgemälde) die Einwohner des römischen Pompeji mit manchen „wilden Völkern“ gleich (B 178). Darwin weist auf die „große Variabilität aller äußerlichen Unterschiede zwischen den Menschenrassen“ hin und schlussfolgert, „dass diese nicht von großer Wichtigkeit sein können“ (B 296). Er weiß - und beklagt -, dass Rassenunterschiede auch für Verbrechen missbraucht werden: „Die Sklaverei ... ist ein großes Verbrechen; dennoch wurde sie bis vor kurzem selbst von den zivilisierten Völkern nicht dafür gehalten. Dies rührte ganz besonders daher, dass die Sklaven gewöhnlich einer Rasse angehörten, die ganz verschieden war von der ihrer Gebieter“ (B 175).
4. Was in der Natur gilt,
muss und darf nicht für den Menschen gelten
Darwin war überzeugt, dass der Mensch wohl die Geschichte
und die Spielregeln im Naturgeschehen zur Kenntnis nehmen müsse, er vertrat
aber nicht die Ansicht, dass eine Eins-zu-Eins-Übertragung auf den Menschen
erfolgen müsse.
„So wichtig auch der Kampf ums Dasein war und noch ist – soweit der höchste
Teil menschlicher Beschaffenheit in Betracht kommt, gibt es noch andere, viel
wichtigere Agentien. Denn die moralischen Qualitäten sind entweder direkt oder
indirekt viel mehr durch die Wirkungen der Gewohnheit, durch Verstandeskräfte,
Unterweisung, Religion usw. vorgeschritten, als durch die natürliche
Zuchtwahl“ (B 428).
„So wie der Mensch in der Zivilisation vorschreitet und kleine Stämme zu
größeren Gemeinschaften sich vereinen, wird die schlichteste Vernunft jedem
Einzelwesen sagen, dass es seine geselligen Instinkte und Sympathien auf alle
Mitglieder des Volkes ausdehnen müsse, mögen sie ihm auch persönlich unbekannt
sein. Ist dieser Punkt einmal erreicht, so ist es nur noch eine künstliche
Schranke, die verhindert, dass er seine Sympathie auf alle Menschen aller
Völker und Rassen erstrecke. Wenn auch tatsächlich solche Leute von ihm durch
bedeutende Unterschiede im Aussehen oder in der Gewohnheit gesondert sind, so
brauchte es leider, wie uns die Erfahrung lehrt, gar lange Zeit, bis wir sie
als Mitmenschen betrachteten. Sympathie über die Grenzen der Menschheit hinaus,
d.h. Humanität gegenüber den niedrigeren Tieren, dürfte eine der spätesten
moralischen Erwerbungen sein ... Diese Tugend, eine der edelsten, mit denen der
Mensch begabt ist ... wird zarter, umfassender, bis sie sich auf alle fühlenden
Wesen erstreckt“ (B 183). „In dem Maße jedoch, wie der Mensch allmählich an
intellektueller Kraft fortschritt und befähigt wurde, die entfernteren
Konsequenzen seiner Handlungen zu ziehen; wie er genügend Kenntnisse erworben
hatte, um verderbliche Bräuche und Aberglauben zu verwerfen; wie er immer mehr
nicht nur die Wohlfahrt, sondern auch das Glück seiner Mitmenschen beachtete;
wie seine Sympathien zarter und verbreiteter wurden, indem er aus Gewohnheit
heilsamer Erfahrung, Belehrung und Beispiel folgte und sie auf Menschen aller
Rassen, auf Blödsinnige, Krüppel und andere unnütze Glieder der Gesellschaft
ausdehnte, schließlich auch auf die niedrigeren Tiere – in dem Maß wird der
Höhepunkt seiner Moralität gestiegen sein“ (B 186). Bezeichnungen wie
Blödsinnige, Krüppel, unnütze Glieder der Gesellschaft machen uns heute zu
Recht betroffen, waren aber zu Darwins Zeit durchaus allgemein üblich.
Darwin fügt noch „einige Bemerkungen über die Wirkung der natürlichen Zuchtwahl
auf zivilisierte Völker“ an. Er beschreibt zunächst seine Beobachtungen: „Bei
Wilden werden die an Körper oder Geist Schwachen bald entfernt sein, und die
Überlebenden weisen gewöhnlich einen kräftigen Gesundheitszustand auf. Wir
zivilisierten Menschen dagegen tun das Möglichste, um diesen Entfernungsprozess
zu hemmen; wir bauen Asyle für Blödsinnige, Krüppel und Kranke; wir erlassen Armengesetze
und unsere Ärzte wenden ihre ganze Geschicklichkeit an, um das Leben jedes
Menschen so lang wie nur möglich zu erhalten. Es lässt sich mit Grund annehmen,
dass die Impfung Tausenden das Leben erhalten habe, die infolge ihrer schwachen
Konstitution früher den Pocken erlegen wären. Dermaßen können die schwachen
Mitglieder der zivilisierten Gesellschaft ihre Art fortpflanzen. Niemand, der
die Züchtung von Haustieren beobachtet hat, wird zweifeln, dass das erwähnte
Vorgehen für die menschliche Rasse höchst schädlich sein muss ... Aber den
Fall, der den Menschen selbst betrifft, ausgenommen, ist kaum jemand so
unwissend, dass er seine schlechtesten Tiere zur Züchtung verwenden wollte.“
Also weg mit den Schwachen - auch in der menschlichen Gesellschaft!? Darwins
Gedanken gehen überraschend in eine andere Richtung weiter: „Der Beistand, den
wir uns genötigt fühlen, den Hilflosen zu leisten, ist hauptsächlich ein
incendentales Ergebnis des Instinkts der Sympathie, der ursprünglich als ein
Teil der geselligen Instinkte erworben worden war, in der Folge jedoch ...
zarter und verbreiteter wurde. Auch können wir unsre Sympathie nicht hemmen,
selbst dann nicht, wenn starke Vernunftgründe dawider sind, ohne den edelsten
Teil unserer Naturheit zu verletzen ... wollten wir ... die Schwachen und
Hilflosen vernachlässigen, so würden wir nur einen ungewissen Vorteil mit einem
überwältigenden gegenwärtigen Übel erwerben“ (B 199). Der Mensch soll und muss
also anders handeln, als es ihm die Natur (und die Züchtungsforschung)
vormacht.
5. Darwins Kampf gegen das
„Dogma der besonderen Schöpfungsakte“ –
und seine Wertschätzung von Religion
Darwin schrieb 1871: „... so habe
ich doch wenigstens, ich hoffe es, ein gutes Werk verrichtet, indem ich dazu
beigetragen habe, das Dogma der besonderen Schöpfungsakte zu stürzen“ (B 92).
Er sprach sich damit aber weder gegen einen Schöpfer noch gegen den
Schöpfungsgedanken allgemein aus. Er wandte sich lediglich gegen die unter
seinen Zeitgenossen (auch unter Naturwissenschaftlern) weit verbreitete
Vorstellung, dass die Tier- und Pflanzenarten „jedes nach seiner Art“ am Anfang
der Welt (den man nur wenige Tausend Jahre zurückdatierte) getrennt geschaffen
worden seien und seitdem unveränderlich existierten – diese Vorstellung wurde
auch aus dem wörtlichen Verständnis der Bibel begründet. Darwin hatte Befunde
zusammengetragen, die zeigten, dass in der Erdgeschichte Arten ausgestorben
waren (Fossilien), dass neue Arten aufgetaucht waren, dass Lebewesen sich
veränderten und dass bestimmte Beobachtungen nicht zum Ideal einer einmaligen
perfekten Schöpfung passten (z.B. Gänse, die im Hochland leben und nie
schwimmen müssen, aber dennoch Schwimmhäute besitzen), und er meinte, solche
Befunde alle dem Dogma eines einmaligen Schöpfungsaktes mit unveränderlichem
Ergebnis unterzuordnen, „würdigt Gottes Werke zu Lug und Täuschung herab“ (A
174ff,190f).
Darwin war überzeugt, dass „bei
den zivilisierten Rassen die Überzeugung vom Dasein eines allwissenden Gottes
einen mächtigen Einfluss auf den Fortschritt der Sittlichkeit gehabt hat“ (B
418). Wiederholt schreibt er vom „veredelnden Glauben an die Existenz eines
allmächtigen Gottes“ und dass „die höhere Frage, ob ein Schöpfer oder
Weltenlenker existiere; ... von vielen der größten Geister, die je auf Erden
waren, zustimmend beantwortet worden ist“ (B 139,189).
Darwin konnte (auch in seinen Fach-Büchern!) staunen und vom Schöpfer reden.
„Der geringste Organismus ist
etwas viel Höheres als der unorganische Staub unter unseren Füßen; und
niemand, der vorurteilsfreien Geistes ist, kann irgend ein lebendes Wesen studieren,
ohne durch dessen wundervolle Struktur und Eigenschaften von staunender
Begeisterung erfüllt zu werden“ (B 248).
Und im letzten Satz seines wichtigsten Buches heißt es: „Es ist wahrlich etwas
Erhabenes um die Auffassung, dass das Leben mit all seinen verschiedenen
Fähigkeiten vom Schöpfer nur wenigen oder gar nur einer einzigen Form
eingehaucht wurde, und dass, während dieser Planet nach dem ehernen
Gravitations-Gesetz seine Kreise zieht, aus einem so schlichten Anfang
unzählige der schönsten und wunderbarsten Formen entwickelt wurden und noch weiter
entwickelt werden“ (A 538; eigene Übersetzung JK).
6.
Distanz zu Ideologen
1866 traf Darwin in London mit Ernst Haeckel zusammen. Darwin war hocherfreut über die Verbreitung, die Haeckel seiner Theorie in Deutschland verschafft hatte. Es wird berichtet, dass er sich allerdings wunderte über die Rigorosität, mit der Haeckel sie vertrat. (GEO 12/1996 S.140ff). Haeckel (miss-)verstand Darwins Erkenntnisse als Fundament für seine materialistisch ausgerichtete Religion des Monismus.
Auch Marx und Engels betrachteten
Darwins Theorie als die naturwissenschaftliche Bestätigung für das von ihnen
postulierte Gesellschaftsmodell der Entwicklung vom Niederen zum Höheren. Die
Zuneigung blieb allerdings einseitig. „Karl Marx selbst übersandte Darwin im
Juni 1873 die zweite Auflage der deutschen Ausgabe des „Kapitals“ mit einer
Widmung, in der er sich als „sincere admirer“ [aufrichtiger Bewunderer JK]
Darwins bezeichnete. Doch Darwin las weder dieses Buch – die Seiten des
Widmungsexemplars wurden nicht aufgeschnitten – noch gab er seine Zustimmung,
als Marx 1880 um die Erlaubnis anfragte, ihm die englische Ausgabe des
‚Kapitals‘ widmen zu dürfen. Dennoch und auch nicht zufällig wählte Friedrich
Engels am Grabe von Marx folgenden Vergleich: „Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung
der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der
Geschichte.“ (Quelle: Mozetic, G.: Die Gesellschaftstheorie des
Austromarxismus. Geistesgeschichtliche Voraussetzungen, Methodologie und
soziologisches Programm. Darmstadt 1987, S. 117 f.; zitiert nach http://www.tu-braunschweig.de/Medien-DB/hispaed/erziehung.pdf
Seite 27).
Auch anderen lag es im Zeitalter des aufstrebenden, „wilden“ Kapitalismus nahe,
Darwins Modell der Naturerklärung zu übernehmen, um damit auch die Entwicklung
der menschlichen Gesellschaft zu erklären und in ihr ein naturgesetzlich
ablaufendes Programm zu entdecken (z.B. Sozialdarwinismus). Da ist Darwin von
vielen als Kronzeuge zitiert, aber eben nicht richtig verstanden worden.
Quellen:
A = Charles Darwin: Die Entstehung der Arten durch
natürliche Zuchtwahl, 1859, Zitate nach der Ausgabe Reclam Leipzig 1980
B = Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und
die Zuchtwahl in geschlechtlicher Beziehung, 1871, Zitate nach der Ausgabe
Reclam Leipzig o.J., 2 Bände
C = weitere Zitate finden sich im Internet unter www.krause-schoenberg.de/SB22_zitate_darwin.htm
Der vorstehende Text wurde abgedruckt in: CVJM Sachsen:
Zeitschrift MA-TIPP, Heft 3/2007, S.20ff.
Autor: Beauftragter der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens für Glaube,
Naturwissenschaft und Umwelt;
Dipl.-Chem. Joachim Krause, Hauptstr. 46, 08393 Schönberg