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Zitate aus:
Reinhard Hempelmann (Hg.): Dialog und
Auseinandersetzung mit Atheisten und Humanisten, EZW-Texte 216/2011,
Berlin
(Reinhard
Hempelmann (Hg.): Dialog und Auseinandersetzung mit Atheisten und Humanisten,
EZW-Texte 216/2011, Berlin)
(S.6) Folgende Grundtypen des Atheismus lassen sich unterscheiden:
die Ablehnung Gottes
im Namen der leidenden Kreatur (Akkusarischer Atheismus mit Bezug auf die
Theodizeefrage),
im Namen von Vernunft und Wissenschaft (Szientismus),
im Namen der Natur (Naturalismus),
im Namen des Menschen (Humanismus),
im Namen des Lebens (vitalismus),
im Namen der Mündigkeit (psychologischer Atheismus),
im Namen der Freiheit (Existenzialismus).
Hinzuweisen ist darüber hinaus auf den praktischen Atheismus und die Haltung
der Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Wahrheitsgewissheiten und einen
methodischen Atheismus, der das wissenschaftliche Arbeiten bestimmt.
(S.11) Weder die Existenz Gottes noch seine Nichtexistenz können aus der
Perspektive wissenschaftlicher Welterkenntnis bewiesen werden. Die von
Atheisten beanspruchte Rationalität ist keine überzeugende Beweisführung,
sondern eine Missachtung der Grenzen menschlicher Vernunft. Ähnliches ist
allerdings zu fundamentalistischen Grenzüberschreitungen zu sagen, wenn sie von
der komplexen Struktur der Lebewesen und der Zielgerichtetheit der Natur auf
einen intelligenten Planer schließen und den Glauben gewissermaßen als
Konsequenz wissenschaftlicher Welterkenntnis darstellen.
(S.73) … sogenannter methodischer Atheismus. Als eine Methode des
wissenschaftlichen Arbeitens ist er für die moderne naturwissenschaftliche
Erkenntnis kennzeichnend. Er verdankt sich zum einen der Einsicht, dass exakte
Wissenschaften ihre Aussagen nicht über den Bereich gegenständlicher Erfahrung
hinaus ausweiten können und dürfen. Er verzichtet also auf jegliche Metaphysik.
Zum anderen beruht er auf der theologischen Erkenntnis, dass Gott als die alles
bestimmende Wirklichkeit grundsätzlich kein Gegenstand objektivierender
Erkenntnis sein kann. Im Sinne empirischer Wissenschaft „gibt“ es Gott nicht.
Da moderne Naturwissenschaft sich mit ihrer Methode nach ihrem Erkenntnisobjekt
richtet, rechnet sie weder mit Gott als Erklärungshypothese noch macht sie
theologische bzw. metaphysische Aussagen. Sie praktiziert vielmehr einen
methodisch notwendigen Atheismus. Dieser sagt nichts über die religiöse bzw.
weltanschauliche Prägung dessen aus, der ihn anwendet, noch darüber, ob es eine
Wirklichkeit gibt, die menschlicher Erkenntnis verborgen ist bzw. dieser voraus
ist und sie übersteigt.
(S.106) Herbert Schnädelbach: Der fromme
Atheist …
So ist der fromme Atheist nicht „gegen Gott“; er lehnt nichts ab, leugnet
nichts und bekennt nichts Gegenteiliges, sondern er hat nicht, was der fromme
Theist zu haben beansprucht – den Glauben an Gott. Der ist ihm abhanden
gekommen, und so weiß er, was er nicht hat. Das unterscheidet ihn vom gelebten
Atheismus der meisten Zeitgenossen, in dem die Gottesfrage gar nicht mehr
vorkommt …
Der fromme Atheist gibt zu, dass er ihn (den Glauben als göttliches Geschenk)
nicht hat. Er kann sich nicht dazu entschließen, ihn zu haben, denn er weiß,
dass er ihn dann auch nicht hätte. Ihm fehlt die offenbar alles verändernde
Erfahrung, die die Gläubigen „Offenbarung“ nennen und als unabweisbare Evidenz
von etwas Göttlichem verstehen. Das bedeutet nicht, dass er unempfindlich wäre
für das Religiöse, er ist hier nicht einfach „unmusikalisch“, denn sonst wäre
er nicht fromm. Er kann sich vorstellen, was Glauben wäre, sei es theistisch
oder nicht, aber er kann nicht glauben. Vielleicht würde er sich, wenn sich
etwas ohne sein Zutun gut gefügt hat, gern bedanken, aber bei wem? Oder in
einem anderen Fall beklagen, aber wo ist der Adressat? …
(S.110ff.) Joachim Kahl: Die beiden
Säulen des Atheismus …
Die beiden Säulen des Atheismus lauten:
1. Es gibt keinen Gott, der die Welt erschaffen hat. Die Welt ist keine
Schöpfung, sondern unerschaffen, unerschaffbar, unzerstörbar. Die ewige und
unendliche Welt entwickelt sich unaufhörlich gemäß den ihr innewohnenden
Gesetzmäßigkeiten, in denen sich Notwendiges und Zufälliges verschränken.
2. Es gibt keinen Gott, der Tiere und Menschen aus ihrem Leiden erlöst. Die
Welt ist unerlöst und unerlösbar, voller Webfehler und struktureller
Unstimmigkeiten, die aus der Bewusstlosigkeit und Blindheit ihrer
Gesetzmäßigkeiten herrühren.
Die beiden Säulen des Atheismus haben die gleiche Wichtigkeit. Sie vertreten
zwei unterschiedliche Herangehensweisen und liefern jeweils eine metaphysische
und eine empirische Kritik am Gottesglauben. Die empirische Kritik zeigt auf
den unerlösten, elenden Zustand der Welt, auf das herzzerreißende, unschuldige
Leiden von Tier und Mensch. Mit dem Glauben an einen zugleich allgütigen,
allwissenden, allwirksamen und allmächtigen Gott sind derartige Sachverhalte
nur schwer vereinbar. Der Atheismus
findet eine starke Begründung in den alltäglichen Niederungen des Lebens selbst,
in der mit Blut und Tränen getränkten Geschichte des Tier- und Menschenreiches.
Wie kann ein angeblich liebender Gott, bei dem kein Ding unmöglich ist, die
Lebewesen, die er doch geschaffen hat, so unsäglich leiden lassen? Entweder ist
er nicht allmächtig und kann die
Leiden nicht verhindern, oder er ist nicht allgütig und will die Leiden nicht verhindern. …
Aber auch angenommen, es gäbe dermaleinst tatsächlich einen seligen Zustand,
wie ihn das Neue Testament in der Offenbarung des Johannes verheißt, dass Gott
abwischen wird alle Tränen und es keinen Tod und kein Leid und keinen Schmerz
und kein Geschrei mehr geben wird (Apk 21,4): Stünde dann Gott in seiner
Herrlichkeit unangefochten da, und würden alle bisherigen Atheisten reumütig
vor ihm auf die Knie fallen? Kaum, denn jede erträumte Erlösung im Jenseits
käme zu spät. Was zuvor geschehen ist, könnte sie nicht im Geringsten
ungeschehen machen. Die Unumkehrbarkeit der Zeit ist die unüberschreitbare
Grenze jeden Allmachtsglaubens. Kein religiöses Erlösungsversprechen verhindert
Erdbeben-, Kriegs-, Folter-, Mord-, Vergewaltigungs-, Krebs- oder
Verkehrsopfer. Kein religiöses Erlösungsversprechen macht das darin erfahrene
Leid wieder gut. Das liebenswerte Sehnsuchtsbild einer vollendeten
Gerechtigkeit, einer universalen Versöhnung bleibt unerfüllbar, weil selbst bei
einer jenseitigen Kompensation das zuvor Geschehene nie ungeschehen gemacht
werden kann. Wer gefoltert wurde, bleibt gefoltert …
Alles in allem: Wenn Gott überhaupt einen Zustand ohne Schmerz, ohne Leid, ohne
Tod schaffen kann, warum dann erst so spät und nicht von Anfang an? Warum nur
für wenige und nicht für alle? Warum zuvor die eigenen Geschöpfe durch ein Meer
von Blut und Tränen waten lassen? …
Oft genug ist die Wirklichkeit bitter. Im Glauben an Gott ist sie bitter und
absurd. …
Die Ewigkeit der Welt ist nicht beweisbar, aber eine wohlbegründete Hypothese,
nur scheinbar von gleichem erkenntnistheoretischem Rang wie der religiöse
Glaube an einen ewigen Gott … Ein ewiger Gott ist eine willkürliche Setzung,
die ewige Welt dagegen eine wohlbegründete metaphysische Annahme. Denn die Welt
ist fraglos gegeben. Mit sinnlicher Evidenz erweist sie sich als
allgegenwärtig. … Ein Zustand vor und außerhalb der Welt ist undenkbar. Das
Nichts ist undenkbar. Es ist ein leerer, ein gegenstandsloser Gedanke, ein
Ungedanke. Selbst wenn wir versuchen wollten, alles wegzudenken, es bliebe ja
das denkende Subjekt … Das Denken ist nicht wegzudenken. Und da das Denken ohne
Sein nicht denken kann, ist auch die Welt nicht wegzudenken. (Dies ist der
ontologische Sinn des berühmten Satzes von René Descartes: „Ich denke, also bin
ich“) …