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Klima als ein globales öffentliches Gut in den Blick nehmen

Leitende Geistliche aus Großbritannien, Schweden und Deutschland schreiben an Pinto de Sousa und an Barroso

03. Dezember 2007

 

 

In Sorge um die Herausforderungen des weltweiten Klimawechsel haben sich der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, der Erzbischof der Kirche von Schweden, Anders Wejryd, und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, in einem gemeinsamen Brief gewandt an den amtierenden Präsidenten des Europäischen Rates, den portugiesischen Ministerpräsident José Sócrates de Carvalho Pinto de Sousa, und an den Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso. Außerdem haben die Bischöfe den Brief auch an die jeweiligen Regierungschefs, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Premierminister Gordon Brown und Premierminister Fredrik Reinfeldt, sowie an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, gesandt.

Die drei geistlichen Oberhäupter der anglikanischen Kirche, der lutherischen Kirche von Schweden und der EKD fordern in dem Brief zu konkretem Handeln und Entscheidungen auf: "Um ein angemessenes und gerechtes Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 zu sichern, müssen die Regierungen ein neues Verständnis des Begriffs der Gerechtigkeit entwickeln, einen Begriff, der über ihre eigenen nationalen Interessen hinausgeht und Klima als ein globales öffentliches Gut in den Blick nimmt." Ein solches Verständnis des Begriffs der Gerechtigkeit könne das Verhältnis untereinander und das Verhältnis zur Natur zum Wohl der Menschen und der Natur verändern, heißt es weiter in dem Brief. Die beiden Erzbischöfe und der Ratsvorsitzende begrüßen daher die kreativen Anstrengungen, die Klima-Diskussionen in der letzten Zeit auf ein derartiges Verständnis hin zu orientieren: "Jeder Mensch, in unserer und in kommenden Generationen, hat das gleiche Recht, die natürlichen Ressourcen der Erde auf eine nachhaltige Weise zu nutzen."

In ihrem Schreiben machen die geistlichen Oberhäupter der Kirchen darauf aufmerksam, dass der Klimawandel mehr erfordere als sich nur gegen die Umweltzerstörung einzusetzen: "Er erfordert auch, die Armut zu bekämpfen und für die Sicherheit der Menschen zu sorgen." Sie betonen in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich die Umsetzung der Milleniumsentwicklungsziele.

Schon im Sommer hat der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber anlässlich des in Deutschland tagenden G 8-Gipfels appelliert, dass es Zeit sei, neue Schritte im Klimaschutz zu ermöglichen. Diese Pflicht sei nicht auf andere zu delegieren; und die Erfüllung dieser Pflicht dürfe nicht vertagt werden. In seinem Appell "Es ist nicht zu spät für eine Antwort auf den Klimawandel" legte der Bischof ausführlich die theologische Verantwortung der Christen für die Schöpfung dar.

Hannover / Berlin / London / Uppsala, 03. Dezember 2007

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

 

 


Der Brief im Wortlaut:

(Deutsche Übersetzung des im Original englisch geschriebenen Briefes)

"Im Vertrauen auf Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und aus unserem gelebten Bekenntnis zu Christus wenden wir uns als Leitende Geistliche von christlichen Kirchen in Europa an unsere Regierungen und an die Europäische Union. Wir wollen sie in ihren Bemühungen stärken, die Herausforderungen des Klimawandels anzunehmen. Nach der Veröffentlichung des 4. IPCC-Berichts im November 2007 bitten wir sie dringend, ihre Anstrengungen weiter zu verstärken, um die notwendige Rahmenvereinbarung bei der COP-13 in Bali vom 3.-14. Dezember 2007 zu sichern.

Der 4. IPCC-Bericht ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Voraussetzungen für das Leben auf der Erde nicht sicher sind, sondern immer häufiger durch lebensfeindliche und offenkundig nicht umkehrbare Veränderungen des Klimas bedroht werden. Der Bericht mahnt uns, dass wir mit verantwortlich sind, den Lebensraum, den Gott geschaffen hat, auf eine zukunftsfähige und heilsame Weise zu nutzen. Wir müssen Gott Rechenschaft dafür ablegen, ob wir diesen Auftrag erfüllen. Die Schöpfungsgeschichte der Bibel kann nicht als Auftrag verstanden werden, die Erde unbegrenzt auszubeuten. Sie ist vielmehr eine Segensverheißung, der die Menschheit versuchen sollte gerecht zu werden.

Wir sind in diesem Jahr vorsichtig optimistisch gewesen, dass die internationale Gemeinschaft erkennen würde, dass der Kampf gegen den Klimawandel nur durch entschiedenes Handeln weltweit gewonnen werden kann. Erkenntnisse, wie sie IPCC vorgelegt hat, lassen uns hoffen, dass bei COP-13 in Bali die Grundlagen für die Verhandlungen zu einem Klimaschutz-Abkommen für die Zeit nach 2012 gesichert werden. Unser Optimismus wird jedoch gedämpft, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Klimaverhandlungen der Vergangenheit die Kennzeichen gebrochener Versprechen und verpasster Gelegenheiten tragen. Wir unterstreichen, dass die Verhandlungen in Bali davon abhängen, dass alle Regierungen die notwendige Schritte unternehmen, um das Vertrauen in der internationalen Gemeinschaft wieder herzustellen, das zwischen den Ländern des Nordens und des Südens derzeit geschwunden ist.

Wenn Sie die Verhandlungen für ein umfassenderes und verpflichtenderes Abkommen über eine der drängendsten und schwierigsten Herausforderungen der Menschheit beginnen, dann halten wir es für wichtig, dass Sie auf den Erfahrungen aus Kyoto aufbauen, insbesondere im Blick auf den internationalen Emissionshandel. Wir glauben jedoch, dass ein neues Abkommen nur erfolgreich sein wird, wenn es von allen teilnehmenden Ländern als angemessen und gerecht wahrgenommen wird. Wir sehen mit Sorge, dass sogar unmittelbar vor den Verhandlungen so viele verschiedene Ansichten darüber bestehen, was ein gerechtes Abkommen sein könnte, wie es Verhandlungsstrategien gibt.

Um ein angemessenes und gerechtes Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 zu sichern, müssen die Regierungen ein neues Verständnis des Begriffs der Gerechtigkeit entwickeln, einen Begriff, der über ihre eigenen nationalen Interessen hinausgeht und Klima als ein globales öffentliches Gut in den Blick nimmt. Ein derartiges Verständnis des Begriffs der Gerechtigkeit kann unser Verhältnis untereinander und unser Verhältnis zur Natur zum Wohl der Menschen und der Natur verändern. Wir begrüßen daher die kreativen Anstrengungen einiger transnationaler Institutionen, die sich bemüht haben, die Klima-Diskussionen in der letzten Zeit auf ein derartiges Verständnis hin zu orientieren. Jeder Mensch, in unserer und in kommenden Generationen, hat das gleiche Recht, die natürlichen Ressourcen der Erde auf eine nachhaltige Weise zu nutzen.

Jedes Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 sollte auf dem Prinzip der "gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit" aufbauen, wie es von der UNFCCC und dem Kyoto-Protokoll vorgesehen wurde. Aufgrund des verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisstandes sollten alle Länder sich gemeinsam dazu verpflichten, die Emissionen weltweit bis zum Jahr 2050 mindestens um 80 Prozent zu senken. Unserer Ansicht nach müssen die entwickelten Länder weiterhin eine Vorreiterrolle bei der Verringerung der Emissionen übernehmen, indem sie ihre eigenen Emissionen insgesamt zwischen 30 Prozent und 40 Prozent bis zum Jahr 2020 reduzieren – das entspricht einem Schnitt von 4 Prozent pro Jahr. Dafür bedarf es wirksamer Zwischenziele und eines genauen Fahrplans bis zum Jahr 2020. Länder mit rasch wachsender Industrialisierung sollten ermutigt werden, sich zu einem Rückgang ihrer Energie-Intensität um 30 Prozent bis 2020 zu verpflichten – das sind ebenfalls 4 Prozent im Jahresdurchschnitt –, und für die Zeit danach sollten auch diese Länder sich zu Emissionssenkungen bereit erklären. Andere Entwicklungsländer sollten sich auf eine Zielsetzung im Bereich der Energie-Intensität verpflichten, je nach der Höhe ihrer Emissionen und ihren Fähigkeiten zur Emissionsminderung.

Ohne weit reichende Emissionsminderungsziele der entwickelten Industrieländer wird die internationale Gemeinschaft kaum in der Lage ein, die Marktanreize zu schaffen, die für die Entwicklung und den Transfer von Technologie notwendig sind. Die flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls, etwa der Clean Development Mechanism (CDM), sind bislang an den Entwicklungsländern vorbeigegangen. Anspruchsvolle Emissionsminderungsziele können dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren, weil sie die Entwicklung eines wirksameren Emissionshandelssystems unterstützen. Dies kann wiederum dazu führen, mehr Finanzmittel für effiziente Energietechniken und neue Technologien in die Entwicklungsländer zu lenken. Wenn die Kosten der Treibhausgas-Emissionen in den Marktpreisen für Energie enthalten sind, wird dies zur Verstärkung der Forschung und zur Entwicklung neuer Technologien führen, die den effizienten Umgang in allen Bereichen der globalen Wirtschaft verbessern werden. All dies legt nahe, dass wir neue ökonomische Modelle brauchen, die der natürlichen Umwelt größere Beachtung schenken.

Wenn ein Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 gerecht sein soll, muss es sowohl Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel als auch zur Minderung von Schäden durch den Klimawandel enthalten. Selbst eine beträchtliche Absenkung der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen könnte nicht mehr jene ernsten Folgen des Klimawandels verhindern, unter denen bereits heute viele Menschen in besonders gefährdeten Regionen leiden. Der Klimawandel erfordert mehr als sich nur gegen die Umweltzerstörung einzusetzen; er erfordert auch, die Armut zu bekämpfen und für die Sicherheit der Menschen zu sorgen. Wird nichts gegen den Klimawandel getan, gefährdet dies auch die Verwirklichung der Millennium Development Goals (Milleniumsentwicklungsziele). Wenn Menschen zu Migranten werden, weil ihre Regionen von Überflutung bedroht sind oder unter Wasser- oder Nahrungsmittelmangel leiden, wird dies bereits bestehende Gefährdungen noch verschärfen. Sowohl regional wie auch inter-national wird die Sicherheit der Menschen dann abnehmen.

Auf diesem Hintergrund ist es schwierig zu verstehen, dass Finanzmittel, die dem Adaptation Fund der UNFCCC aus der Zwei-Prozent-Abgabe auf CDM-Projekte zugeflossen sind, nicht genutzt werden. Der Zugang zu bestehenden Fonds muss reformiert werden; neue, zusätzliche Finanzmittel müssen erschlossen werden. Eine ähnliche Abgabe könnte bei den anderen flexiblen Mechanismen nach dem Kyoto-Protokoll erhoben werden. Es wäre auch möglich, eine globale CO2-Steuer zu erheben, wie im Bericht des Jahres 2006 der International Task Force on Global Public Goods empfohlen wurde.

Das Paradoxon des Klimawandels liegt darin, dass jene, die am wenigsten zu dem Problem beigetragen haben, am meisten darunter leiden. Deswegen sollte die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen nicht als Hilfe, sondern als Entschädigung angesehen werden, die zu den Budgets für Entwicklungszusammenarbeit hinzukommen sollte. Entwicklungsländer sollten Zahlungen aus Entwicklungshilfeprogrammen nicht umlenken, um ihre Projekte zur Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Wir möchten unsere anhaltende Enttäuschung darüber zum Ausdruck bringen, dass die Budgets für Entwicklungszusammenarbeit nach wie vor das Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens noch immer nicht erreichen und dass auch der Konsens von Monterrey über die Entwicklungsfinanzierung aus dem Jahre 2002 nicht umgesetzt wurde.

Wir haben wenig Zweifel, dass Sie und die anderen Delegationen in Bali bei den Verhandlungen gewaltigen Herausforderungen gegenüberstehen werden. Es wird einer außerordentlichen Anstrengung bedürfen, eine Rahmenvereinbarung zu sichern, die es er-möglichen kann, den Anstieg der durchschnittlichen Erderwärmung auf 2 Grad Celsius im Vergleich zur mittleren Temperatur vor der Zeit der Industrialisierung zu begrenzen. Eine solche Anstrengung hat es in der globalen Umweltpolitik bislang noch nicht gegeben. Sie erfordert einen radikalen Wandel der Mentalität und des Bewusstseins. Wir glauben aber, dass unsere Gesellschaften die einzigartige Herausforderung erkannt haben, die durch den Klimawandel entstanden sind und dass sie bereit sind, das Ihre dazu beizutragen, um eine Lösung zu finden. Seien Sie gewiss, dass wir Sie und alle Menschen, die an dieser Konferenz teilnehmen, in unsere Gedanken und in unsere Gebete einschließen."

 

Hinweis:

Der Klima-Appell des Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Wolfgang Huber

Die Äußerung der EKD zu den Milleniumsentwicklungszielen