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Betr.: Mobilfunkanlage auf einem Kirchturm –
            Messungen in der Nachbarschaft

© Joachim Krause 2003


 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte euch / Ihnen Praxiserfahrungen zur Kenntnis geben, die ich bei einer kleinen Exkursion in Sachen Mobilfunk gemacht habe.
Ich war am 24.8.2001 eingeladen, an Messungen zur Auswirkung einer D2-Funksendeanlage auf die Nachbarschaft teilzunehmen.
Die Anlage befindet sich auf einem Kirchturm im ländlichen Raum in Südwest-Sachsen.

1. Angaben zur Sendeanlage:
+  Die Sendeanlagen befinden sich in 26 m Höhe.
+  Es werden zwei Sendeanlagen betrieben.
    Eine davon sendet mit einer festen Frequenz. Sie ist ständig in Betrieb -
    quasi als „Leuchtturm“ für Kontakt-suchende Handys.
    Eine zweite Anlage sendet auf vier ständig wechselnden Frequenzen. Diese ist nur in Betrieb,
    wenn telefoniert wird.
+ Die maximale Leistung je Sendeanlage beträgt 50 Watt, die aber im realen Betrieb selten
    ausgeschöpft werden.

2. Zwei Messreihen wurden am gleichen Tag, aber durch unterschiedliche Messtrupps durchgeführt:
+ Messung a)
    erfasster Frequenz-Bereich: 100 kHz bis 3 GHz (also praktisch das ganze Strahlengemisch in einem
    breiten Frequenzbereich);
    diese Messung erfolgte nachmittags durch das Staatliche Umweltfachamt
+ Messung b)
    Einzelerfassung der Sendeanlagen im Bereich des D2-Netzes (935 MHz bis 960 MHz);
    die in der Tabelle angegebenen Werte unter b) machen eine selektive Angabe nur für die Wirkung
    der Antennen der D2-Anlagen auf dem Kirchturm (angegeben als Gesamtwirkung beider Antennen);
    die Messung b) erfolgte am gleichen Tag wie Messung a) an den gleichen Orten,
    aber einige Stunden später (zwischen 18 und 20 Uhr);
    diese Messungen wurden von Mitarbeitern von Vodafone D2 durchgeführt
+ Bei den Messungen a) und b) wurden unterschiedliche Messgeräte benutzt.

3. Messergebnisse:

In der unten stehenden Tabelle sind die ermittelten Werte der beiden Messreihen zusammengestellt. Die Werte der Leistungsflussdichte zur Messreihe a) wurden von mir aus den Angaben zur elektrischen Feldstärke und zur magnetischen Feldstärke zusätzlich berechnet (Angaben deswegen in Klammern).
Im ersten Teil der Tabelle sind zum Vergleich die Grenzwerte für Deutschland (nach der 26. BImSchV), Italien und die Schweiz bzw. die Vorsorgewerte des Ecolog-Instituts und des nova-Instituts angegeben.

Bemerkungen:

+ Die Messwerte der Reihe a), bei denen ein breiteres Frequenzband erfasst wird, liegen
    – wie zu erwarten – durchweg deutlich höher als die Werte der Messreihe b), bei denen nur der
    Einfluss der beiden D2-Sendeanlagen auf dem Turm erfasst wurde. Zum „allgemeinen Strahlensalat“,
    der aus allen möglichen Quellen stammt, liefert also die Antenne auf dem Turm nur einen Teil-Beitrag.
+ Für alle ermittelten Werte (betr. Messpunkte 1 bis 7 und 7.1) werden nicht nur die Forderungen
    der 26. BImSchV (Grenzwert), sondern auch die wesentlich strengeren Vorgaben der beiden Institute
    (Ecolog und nova) erfüllt.
+ Der geringste Messwert für den Einfluss der D2-Antennen wurde etwa 8 Meter senkrecht unter den
    Antennen im Turm festgestellt (Messung 2 b).
    Damit wäre – etwas überraschend - das Turmzimmer, in dem auch Kinder unterrichtet werden,
    der „sicherste“ Ort, wenn es allein um die Betrachtung der D2-Anlagen auf dem Kirchturm geht.
    Das Ergebnis bestätigt, dass die Abstrahlung der Antennen vorrangig horizontal erfolgt.
+ Wenn man die Messungen 7 b und 7.1. vergleicht, wird noch ein interessanter Aspekt deutlich.
    Der Pfarrer nahm für diese Messung in etwa 1,5 m Abstand vom Messgerät ein normales
    DECT-Haustelefon (Mobilteil) in Betrieb. Durch dieses Gerät wurde der in beiden Messreihen
    bei weitem höchste Messwert verursacht und damit fast der Vorsorgewert des Ecolog-Instituts erreicht.
    Das belegt, dass in der Praxis oft die häuslichen DECT-Telefone eine wesentlich höhere
    Strahlenbelastung hervorrufen als die Mobilfunk-Strahlung von außen.
 



Messwerte
 

Grenz- und Vorsorgewerte                                             elektrische Feldstärke(V/m)         Leistungs-Flussdichte(W/m2)


Grenzwert nach 26.BImSchV
I) für Frequenzen im D-Netz 950 MHz                            42                                               4,8
II) für DECT-Telefon Mobilteil     1890 MHz
(siehe Messpunkt 7.1.)                                                    59                                                9,4
Vorsorgewert Italien                                                         6                                                  0,1
Vorsorgewert Schweiz                                                     4                                                  0,04
Vorsorgewert Österreich Salzburg                                                                                        0,001
Vorsorgewert Ecolog-Institut                                            2                                                  0,01
Vorsorgewert nova-Institut                                                                                                   0,045



Messpunkte

1. Raum im Kirchturm unmittelbar unter
der Sendeanlage
a) alle Frequenzen                                                            max. 0,33                                    (max. 0,0003)
b) nur D2-Anlage Kirchturm                                            -

2. Christenlehre-Raum im Turm
ca. 8 Meter unter der Sende-Anlage
a) alle Frequenzen                                                           0,17 – 0,35                                   (max. 0,00032)
b) nur D2-Anlage Kirchturm                                           0,008                                             0,000000180

3. Kirchenschiff
a) alle Frequenzen                                                           0,1 - 0,37                                      (max. 0,00037)
b) nur D2-Anlage Kirchturm                                           0,073                                             0,000014279

4. vor Wohnhaus ca. 100-150 m entfernt
a) alle Frequenzen                                                           max. 0,35                                      (max. 0,00032)
b) nur D2-Anlage Kirchturm                                           0,249                                             0,000163941

5. Wohnhaus ca. 400 m entfernt
a) alle Frequenzen                                                           max. 0,39                                      (max. 0,00039)
b) nur D2-Anlage Kirchturm                                           0,058                                             0,000008906

6. Schule 2. Etage ca. 100 m entfernt
a) alle Frequenzen                                                          0,22 - 0,43                                    (max. 0,00047)
b) nur D2-Anlage Kirchturm                                           0,049                                            0,000006378

7. Pfarrhaus
a) alle Frequenzen (Wohnung 1. Etage)                           max. 0,24                                      (max. 0,00014)
b) nur D2-Anlage Kirchturm (Pfarrhof)                           0,060                                             0,000009654

7.1. PfarrhausDECT-Haus-Telefon mit Mobilteil;
ca. 1 m vom Messgerät entfernt                                      1,884                                             0,009411496

7.2. Handy im Inneren eines PKW
        während eines Gesprächs                                       max. 66


Nachtrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Dr. Denkhaus hat mich darauf hingewiesen, dass vielleicht konkrete Hinweise ganz hilfreich wären, wie man auch an anderen Orten solche Messungen durchführen lassen könnte.

Im konkreten Fall, den ich Ihnen geschildert habe, gab es zwei parallel laufende Anträge:
a) Der Pfarrer der Gemeinde bat den Betreiber der D2-Anlage, wegen aufgetretener Verunsicherung in der Kirchgemeinde Messwerte zur Auswirkung der Anlage auf dem Kirchturm vorzulegen; der Betreiber hatte großes Interesse,  seine Daten offenzulegen;
Kosten sind der Kirchgemeinde dadurch nicht entstanden.
b) Bürger aus der Gemeinde (gleichzeitig auch Mitglieder der Kirchgemeinde) richteten eine Beschwerde an das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, das seinerseits telefonisch das zuständige Staatliche Umweltfachamt Chemnitz beauftragte, in Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes eine Überwachung der Funksendeanlage durchzuführen und dazu Messungen in der Umgebung vorzunehmen;
auch hier sind den Antragstellern offensichtlich keinerlei Kosten entstanden.

Ich denke, dass vergleichbares Vorgehen auch anderenorts möglich wäre (vielleicht vorsichtshalber schon bei der Antragstellung klären, dass für den Antragsteller keine Kosten berechnet werden).
Wer allerdings sowohl amtlich-staatlichen Messstellen misstraut als auch Messergebnissen kritisch gegenübersteht, die im Auftrag des Betreibers ermittelt werden - dem bleibt wohl nur der Weg zu unabhängigen Ingenieurbüros, und die werden sich ihre Arbeit verständlicherweise vergüten lassen.
Da aber staatliche Stellen, Betreiberfirmen und strahlenkritische Büros im Prinzip alle die gleichen physikalischen Messgeräte einsetzen, sollte sich das Misstrauen in Grenzen halten.

Vielleicht noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen:
Es ist zum einen eine Illusion zu glauben, dass durch den Nachweis objektiv niedriger Messwerte automatisch Bedenken ausgeräumt und Ängste abgebaut werden können.
Ein zweites: Wer seine (kritische) Argumentationlinie allein darauf aufbaut, dass er die Herabsetzung der derzeitigen Grenzwerte in Deutschland fordert und etwa die Einhaltung der Vorsorgewerte von Ecolog verlangt - der  hat, wenn diese Forderung im konkreten Fall erfüllt ist (wie in dem von mir mitgeteilten Fall geschehen), auch schon sein "Pulver verschossen" und müsste konsequenterweise seinen Widerstand beenden...
Wem in der Diskussion (zusätzlich) andere Kriterien wichtig sind als die Frage "Strahlung ---> mögliche Gesundheitsschäden", also z.B. ästhetische Gesichtspunkte, die Nutzungsänderung des Kirchturms, theologische und Glaubens-Gesichtspunkte,  das grundsätzliche Vorsorgeprizip (im - hier bestehenden - Zweifelsfall Besuchern und Nachbarn der Kirche kein zusätzliches Risiko zuzumuten), der sollte vielleicht überhaupt auf das zweifelhafte Spielen mit Mess- und Grenzwerten verzichten.
Um sich aber nüchtern zu verdeutlichen, in welchen Relationen sich der Einfluss von Mobilfunkanlagen konkret vor Ort auswirkt - dafür sind Messungen ganz hilfreich.

Mit herzlichen Grüßen !
Joachim Krause

Joachim Krause, Hauptstr. 46, 08393 Schönberg, Tel. 03764-3140;   8.9.01