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INFO-Blatt
Mobilfunk auf Kirchtürmen?
© Joachim Krause 2003
Mobilfunk-Sendeanlagen auf
unserem Kirchturm?
Kleine Prüfliste zur Behandlung
des Themas im Kirchenvorstand
(Stand 10/01)
1. Technische und ökonomische Fragen
1.1. Wie funktioniert Mobilfunk?
- hochfrequente Strahlung im
Bereich zwischen Fernseh- und Mikrowellen
- Sendeleistung der
Sendeanlagen ca. 10 Watt in Wohngebieten; max. 50 Watt auf Kirchtürmen;
zum Vergleich: Handy sendet mit 2 Watt
- moderne Netze (D1, D2, E)
senden die Signale gepulst, als einzelne „Energie-Päckchen“ (217 Pulse pro
Sekunde); das ermöglicht die gleichzeitige Benutzung einer Leitung durch
mehrere Teilnehmer
1.2. Ist die Abdeckung in der Fläche nicht schon heute
weithin gewährleistet
- oft benutztes Argument für
Errichtung neuer Sendeanlagen: wünschenswerte Erreichbarkeit in Notfällen
(Polizei, Feuerwehr, medizinische Versorgung, Diakonie...)
- Gegenfrage: gibt es jetzt
und in der Region rund um unseren Kirchturm (es geht konkret nur um die
Versorgung dieses Gebietes) tatsächlich ein „Funkloch“ für derzeitig
betriebene Handys (keine oder mangelhafte Erreichbarkeit), das dringend
geschlossen werden muss ?
Defizite, Versorgungslücken in der Erreichbarkeit sind konkret zu belegen
- Wenn zusätzlich neue
Anlagen errichtet werden (müssen) – ist dann nicht wenigstens die
gemeinsame Nutzung eines Sende-Turms durch mehrere Anbieter möglich?
1.3. Die Betreiberfirmen stehen unter ökonomischem und
zeitlichem Druck
1.3.1. UMTS (Universal Mobile Telecommunication System)
- was kann UMTS neu bieten?
(z.B. Tickets bestellen, Hotelzimmer buchen, Internet-Nachrichten abrufen,
Musik und Filme empfangen, Horoskope, Fernsteuerung von Geräten zu
Hause;
Bewertung: nicht (lebens-)notwendiger Luxus? „Spielereien“?,
- technisch erforderlich für
UMTS: dichteres Netz von Sendemasten (von heute deutschlandweit ca. 35000
um 50000 bis 100000 neue Anlagen zu erweitern)
- Lizenzen wurden teuer
erworben (5 Erwerber haben je 10 Milliarden Euro investiert), müssen jetzt
schnell viel Geld einspielen
1.3.2. Kirchtürme als „Objekt der Begierde“
- hohe Bauwerke als Sender
geeignet, Lage mitten in dichtbesiedelten Gebieten, es muss kein neues
Bauwerk errichtet werden, Stromzuführung ist da, auch Räume zum
Unterbringen der Begleittechnik, das alles legt die Nutzung von
Kirchtürmen aus technisch-ökonomischer Sicht nahe
- Kirchtürme sind bisher
billige Standorte (die 3000 Euro Miete pro Jahr, die manchmal noch geboten
werden, sind ein Schnäppchenpreis!;
Kirchenamt der EKD schlägt mindestens 5000 Euro für jede installierte
Mobilfunkanlage vor)
2. Sendeanlagen auf Kirchtürmen ?
Grundsatzfragen klären:
- Ist die Kirche (der
Kirchturm) ein Sendemast ?
- Wenn jemand uns genauso
viel Geld bietet, dürfte er dann den Kirchturm auch für ähnliche Zwecke
nutzen (z.B. als Werbeträger) ?
- Würden wir die Errichtung von
Sendeanlagen auch befürworten, wenn es keine Mieteinnahmen gäbe?
- Wenn ich selbst (privat
oder dienstlich) ein Handy nutze, dann kann ich konsequenterweise nicht
grundsätzlich gegen die notwendigen Sendeeinrichtungen sein, und ich
müsste sie notfalls auch in meiner unmittelbaren Nachbarschaft
akzeptieren.
3. Stellt die von den Anlagen ausgesandte Strahlung eine Gefahr dar?
3.1. Unterscheiden:
- zwischen Sendeanlage
(betrifft jeden ungewollt) und Handy (eigene bewusste Entscheidung)
- zwischen Aufenthalt in der
unmittelbaren Umgebung (im Turm lebende Tiere, Glocken-Läuten,
Reparaturarbeiten am Turm)
oder in größerem Abstand (Wohnbebauung)
3.2. Strahlung ist eindeutig vorhanden und nachweisbar
...
(sonst würde das Handy ja kein Signal bekommen) ... aber die
gesundheitlichen Wirkungen sind umstritten
- Wärme-Wirkung auf den
Körper ist messbar und nachgewiesen;
Mobilfunkstrahlung wirkt ähnlich wie Mikrowellen: Wassermoleküle
schwingen; hochfrequente elektromagnetische Felder heizen Ohr,
Schädelknochen, Gehirngewebe in der Nähe des Handys auf: +1 Zehntel Grad
am Handy
(es gibt dafür amtliche Grenzwerte, werden praktisch immer eingehalten)
- Gibt es andere Effekte und
Wirkungen ?
bisher keine eindeutig nachweisbaren und massiven Schäden berichtet, Diskussion
ist nicht abgeschlossen:
„Studien an Menschen haben bislang den Einfluss hochfrequenter
elektromagnetischer Felder auf den Blutdruck, die Reaktionszeit und die
Schlafphasen nachgewiesen. Eine schädliche Wirkung auf das Immunsystem
konnte ausgeschlossen werden. Und selbst der Verdacht, dass Mobilfunknetze
Krebs verursachen, ist bisher unbegründet.“
(weiter diskutiert z.B. Nervosität, Gedächtnisschwund) / eine Studie der
Weltgesundheitsorganisation zu krebsfördernder Wirkung läuft noch,
Ergebnisse werden erst in drei bis vier Jahren vorliegen / “Wir wissen
nicht sicher, ob etwas passiert, deshalb sollte man im Sinne einer
erweiterten Vorsorge die Exposition so gering wie möglich halten.“ / Mit
dem Auftreten von Wirkungen ist vielleicht erst später, nach Jahren oder
Jahrzehnten zu rechnen.
- Sind gesundheitliche
Beschwerden nur eingebildet oder real ?
Es gibt in der Bevölkerung etwa 0,1 bis 2% „Elektrosensible“ („Menschen,
die gegenüber elektromagnetischen Feldern besonders empfindlich oder
einfach nur skeptisch sind“); als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt;
die Unterscheidung ist letztlich egal: wer Beschwerden verspürt, der macht
die Sende-Anlagen dafür verantwortlich
3.3. Die Frage nach dem wirklichen Risiko bleibt weiter umstritten:
widersprüchliche Signale:
- Warnhinweise über
mögliche Gesundheitsschäden für Jugendliche auf Handys in Großbritannien
vorgeschrieben
- britische Zeitung TIMES:
Mobilfunkunternehmen müssen sich auf Klagen von Gehirntumorpatienten aus
den USA gefasst machen; betroffen ist auch ein Tochterunternehmen von
Vodafone (Eigentümer von Mannesmann D2)
- Gerichtsurteil
Amtsgericht Traunstein/Deutschland: 100 Meter entfernte Mobilfunkantenne
ist kein Mangel , der eine Mietminderung rechtfertigt
- Landgericht Frankfurt/M.
ließ wegen der möglichen gesundheitlichen Gefährdung von Anwohnern eine
Mobilfunkanlage auf einem Kirchturm abschalten (einstweilige Verfügung);
vom Oberlandesgericht Frankfurt/M. wieder aufgehoben; Entscheidung muss
nun im Hauptverfahren erfolgen
- anglikanische Kirche in
England will ihre Kirchtürme gezielt an Mobilfunkbetreiber vermieten;
entsprechender Rundbrief an alle Gemeinden; Jahresmiete von 8300 Euro (zur
Erhaltung der Gebäude verwenden)
3.4. Verantwortung für ungewollt Betroffene:
- Strahlung des Senders wirkt
zwangsweise
- Strahlung, die vom Handy
ausgeht, ist persönlich eingegangenes Risiko
4. Falls die Entscheidung im Kirchenvorstand JA lautet...
dann sollte die Kirchgemeinde
- sich dafür einsetzen, dass
die möglichen Belastungen minimiert werden
- marktwirtschaftlich
auftreten
- sich absichern gegen
mögliche Beschwerden oder Schadenersatzansprüche
4.1. Belastungen minimieren
in Abstimmung mit Kommune, betroffenen Anwohnern und Betreibern dafür Sorge
tragen, dass
- der Standort mit der
geringst möglichen Belastung ausgewählt wird (Abstände)
- möglichst viele
verschiedene Betreiber einen Sendestandort gemeinsam nutzen
4.2. marktübliche Mieten festsetzen:
- mindesten 5000 Euro
Jahresmiete verlangen (z.B. 8000 Euro pro Jahr verlangen wie auf
britischen Kirchtürmen vorgeschlagen (s.3.3.);
weitere Vergünstigungen aushandeln (Baukostenzuschüsse,
Gebührenfreistellung)
4.3. schriftliche Zusicherungen des Anlagenbetreibers /
Mieters verlangen:
(Vorschläge sind im neuen Mustermietvertrag der EKD vom 20.8.01 in den
§7+8
im Wesentlichen enthalten)
- dass durch
Mobilfunkanlagen eine Gesundheitsgefährdung für Personen außerhalb der
Schutzbereiche der Antennen ausgeschlossen ist
(evtl. ergänzen, dass auch keine schädlichen Wirkungen auf im
Kirchengebäude wohnende Tiere bekannt sind)
- sollte es sich nach
künftigen neuen Erkenntnissen, die als gesicherter Stand der Technik
gelten, ergeben, dass durch die installierten Antennen eine
Gesundheitsgefährdung von Personen (mögliche Ergänzung: oder Schädigung
von Tieren) besteht, wird der Mieter alle erforderlichen Schritte
ergreifen, um eine Gefährdung auszuschließen. Gelingt ihm dies nicht, wird
er die Antennen demontieren.
- dass er für alle evtl.
auftretenden Schäden allein aufkommt (Bestehen eines ausreichenden
Versicherungsschutzes)
- dass die Kirchgemeinde
grundsätzlich Zugang zu allen Gebäudeteilen behält
- dass er bei notwendigen
unverzüglich durchzuführenden Reparaturarbeiten (z.B. Sturmschäden am Turm
oder am Blitzableiter) die Anlagen abschaltet
- dass die am Turm
installierten Anlagen von außen nicht sichtbar sind
- Berechnungen eines
unabhängigen Gutachters zur Strahlenbelastung (Standortgutachten);
Messungen über die tatsächliche Strahlenbelastung vor und nach der
Installation der Anlagen auf Kosten des Betreibers durchführen lassen –
Vergleich mit den zugesagten Werten bzw. Grenzwerten
4.4. Öffentlichkeit informieren
- keine Geheimniskrämerei !
- öffentliche
Bekanntmachung, dass ein solches Vorhaben in Planung ist; Bürgern und
Gemeindegliedern Gelegenheit geben zur Information und zu Rückäußerungen
- damit dem späteren Vorwurf
vorbeugen, das Vorhaben wäre nicht bekannt gewesen, die Kirche habe nur
aus Geldgier und ohne Rücksicht auf die Anwohner und Gemeindeglieder...
5. So oder So?
- Ein Kirchenvorstand lehnt
die Errichtung einer Sendeanlage mit folgender Argumentation ab:
- Kirche soll Kirche bleiben, wir wollen uns nicht dem Kommerz
unterwerfen
- die Risiken können von uns nicht eindeutig bewertet werden
- wir haben Verantwortung für andere Menschen und sollten Vorsorge walten
lassen
- Ein anderer
Kirchenvorstand stimmt dem Antrag zu, bekommt 3000 Euro Jahresmiete plus
25000 Euro Baukostenzuschuss zur Turmsanierung.
Joachim Krause, Hauptstr.46, 08393 Schönberg Tel 03764-3140 Email
Krause.Schoenberg@t-online.de (Stand 12.10.01)