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Ein kurzer Reisebericht von Joachim Krause

 

Abdruck in den drei mitteldeutschen Kirchenzeitungen „Glaube und Heimat“ (Thüringen), „Die Kirche“ Kirchenprovinz Sachsen Magdeburg, „Der Sonntag“ Sachsen); am 20.11.08:

 

Tansania – Traum und Albtraum

 

Zehn Schulpfarrer und Gemeindepädagogen aus der Pommerschen, der Thüringer und der Sächsischen Landeskirche steigen Anfang Oktober neugierig aus dem Flugzeug, um sich in Tansania ein Bild zu machen über „Klimawandel und globale Gerechtigkeit“. Schon von oben her hatte die afrikanische Steppen-Landschaft leuchtend-violette Farbtupfer gezeigt. Unten lernen wir: „Das sind Jacaranda-Bäume, wenn die blühen, kündigen sie die Regenzeit an.“ …Wenn der Regen nicht ausbleibt, wie vor einigen Jahren. „Wir haben zu Gott gebetet, und es hat trotzdem nicht geregnet“. Der höchste Gipfel Afrikas, der Kilimanjaro, hat in den letzten Jahren einen Großteil seiner Eiskappe verloren, dahingeschmolzen im Klimawandel. Und nun wird auch in der eigentlich immergrünen und fruchtbaren Bergregion das Wasser knapper. Bei Wasser erleben wir eine Zweiklassengesellschaft. Für uns – die reichen Touristen aus Europa – steht immer und überall „Drinking Water“ bereit, also hygienisch einwandfreies Wasser (das man auch zum Zähneputzen verwenden muss), das in Plasteflaschen von der Firma CocaCola abgefüllt und verkauft wird. Die einheimische Bevölkerung muss sich mit dem begnügen, was – immer spärlicher - aus zweifelhaften Quellen sprudelt oder aus dem Dorfbach geschöpft wird, bis zu 15 Kilometer weit herangeschleppt in 20-Liter-Kanistern.

Auch in Tansania fällt es den Menschen offenbar sehr schwer, ihre traditionellen und liebgewordenen Lebensgewohnheiten zu verändern, auch wenn diese erkennbar zerstörerische Folgen für die Natur (vor der eigenen Haustür) und für die Gesellschaft haben. Die stolzen Massai hatten eben immer die Freiheit, ihre Herden quer durchs Land zu treiben. Nun aber hinterlässt das ständige Knabbern der gefräßigen Ziegen immer häufiger eine gras- und laubfreie staubige Steppe, und es gibt in dem Land mit einer ständig wachsenden Bevölkerung zunehmend Konflikte mit sesshaften Stämmen, deren Felder verwüstet werden. In der schütteren Buschlandschaft (vor wenigen Jahren stand hier noch Wald) begegnen wir ständig Frauen, die mit Macheten Holz schlagen und die schweren Bündel dann kilometerweit auf dem Kopf nach Hause tragen. Brennholz ist lebensnotwendig, der einzig verfügbare Energieträger, um damit Essen zu kochen. Das Kochen geschieht – wie es hier schon immer war – indem ein Topf auf drei Steine gestellt wird, zwischen denen die Flammen emporzüngeln. Geschlossene Koch-Herde, die wesentlich energiesparender sind, werden nicht genutzt, selbst wenn es sie –selten genug – gibt. Zusätzlich führt der Rauch der offenen Feuer in den Hütten zu erheblichen gesundheitlichen Belastungen. Eigentlich ist allen klar, dass keine weiteren Bäume mehr gefällt werden dürfen (und „eigentlich“ ist es auch verboten). Aber, so sagt mir ein Mann, der gerade einen Baum klein hackt: „Wenn ich für meinen Sohn auch im nächsten Jahr das Schulgeld bezahlen will, muss ich das Holz hier verkaufen.“

Karibu!- Willkommen.“ Die Menschen, die im Durchschnitt nur einen Dollar am Tag zur Verfügung haben, begegnen uns dennoch zufrieden und gast-freundlich. Viele haben ein Handy am Ohr - und tragen an ihren Füßen Sandalen, die aus alten Autoreifen gemacht sind. Wir probieren interessante Gerichte (Kochbananen, die nach Kartoffeln schmecken, oder Barsch aus dem Viktoriasee mit einem Maismehlklops). Wir werden auch hier jeden Tag satt, aber ich werde ein Bild nicht vergessen: Als wir eine Straßengaststätte verlassen, stürzt eine Frau zu unserem Tisch hin, rafft mit beiden Händen die Reste unserer Mahlzeit zusammen und stopft sie sich in den Mund. Daneben blüht ein wunderschöner Hibiscus.

Immer wieder hören wir in den drei Wochen den beschwörenden und programmatischen Satz: „We need nurserys“ – gemeint ist das in zwei ganz unterschiedlichen Übersetzungsmöglichkeiten: es geht sowohl um Bildungseinrichtungen für Kinder als auch um Baum-Schulen, um dort Setzlinge heranzuziehen, damit wieder Wald wachsen kann, der das Wasser im Boden festhält und die Bodenerosion verhindert.

Wir treffen Mutmacher, die ihre Welt verändern wollen: Der Pfarrer in Nshara sagt: „Wir können nicht warten, bis die Regierung uns hilft, oder dass andere etwas tun – wir selbst müssen beginnen, jetzt!“ Und er pflanzt mit seinen Konfirmanden Bäume. Eine Kirchvorsteher (der in der Sowjetunion Ökonomie studiert hat) lädt Lehrer und Lokal-Politiker ein; wir erleben ein straff organisiertes Seminar, zur Hälfte wird elementare Umweltbildung vermittelt, vor allem aber wird gemeinsam verabredet, wie die nächsten praktischen Schritte aussehen sollen. Ein alter Lehrer führt uns stolz durch die Schule, in der sich in kahlen Räumen 70 Kindern in jeder Klassenstufe drängen, und draußen zeigt er uns einen 200 Jahre alten Baumriesen, den er vorm Fällen bewahren konnte. Und da ist der Tierarzt, der in sein Dorf zurückgekommen ist, Schulspeisung für Straßenkinder organisiert, den Kindern in der Schule beibringt, wie man Tomaten bewässert (die Pumpe wird mit einem Windrad betrieben) und wie man Ziegen auch im Stall halten kann, und er verschenkt Bäume aus seiner Baumschule.

Auf dem Rückflug (bei dem ich ein noch schlechteres Gewissen habe als hinzu): Schwanken zwischen Hilflosigkeit und Helfen-Wollen. Die Menschen dort in Afrika, wo es am dunkelsten ist (abends um sieben Uhr wird es in den Hütten aus Lehm und Stroh schlicht und einfach stockdunkel, Strom ist nicht vorhanden oder unbezahlbar), sie brauchen viel Mut. Und Hoffnung. Und unsere Hilfe. Und eine gute ergiebige Regenzeit.

 

Joachim Krause