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Ein Aufruf des
Europäischen Christlichen Umweltnetzwerks ECEN
“Im Glauben an die Liebe Gottes, des Schöpfers, erkennen wir dankbar das Geschenk
der Schöpfung, den Wert und die Schönheit der Natur. Aber wir sehen mit
Schrecken, dass die Güter der Erde ohne Rücksicht auf ihren Eigenwert, ohne
Beachtung ihrer Begrenztheit und ohne Rücksicht auf das Wohl zukünftiger
Generationen ausgebeutet werden.
Wir wollen uns gemeinsam für nachhaltige Lebensbedingungen für die
gesamte Schöpfung einsetzen. In Verantwortung vor Gott müssen wir gemeinsam
Kriterien dafür geltend machen und weiter entwickeln, was die Menschen zwar
wissenschaftlich und technologisch machen können, aber ethisch nicht machen
dürfen.”
Charta
Oecumenica
Die Vollversammlung des Europäischen Christlichen
Umweltnetzes – einschließlich einer großen Anzahl römisch-katholischer
Teilnehmerinnen und Teilnehmer – richtet diesen Aufruf an die Mitgliedskirchen
der Konferenz der Europäischen Kirchen (KEK) und an den Rat der Katholischen
Bischofskonferenz Europas CCEE und durch diese an die EU-Mitgliedsstaaten sowie
an die übrigen Regierungen Europas und relevante Gremien. Im Sinne der an der Zweiten
Ökumenischen Versammlung 1997 in Graz verabschiedeten Empfehlungen sind wir entschlossen, den Einsatz für
Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung weiterzuführen.
ECEN gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die hier
ausgedrückten Anliegen in der für 2007 geplanten Ökumenischen Europäischen
Versammlung in Sibiu aufgenommen werden. Wir wollen einen weiteren Beitrag zur
Reflexion und Aktion für ein nachhaltigeres Europa leisten.
Wir sind sehr beunruhigt, wie sich die ökologische und
soziale Lage verschlechtert. Trotz allen wissenschaftlichen und politischen
Warnungen wird zu wenig unternommen – und oft zu spät –, um gegen die vielen
kritischen Probleme anzukämpfen: Dazu gehören Klimawandel, Verlust der
biologischen Vielfalt sowie Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung. Als
Christinnen und Christen glauben wir, dass alle unsere Diskussionen und
Handlungen in unserem Glauben an den Gott der Liebe gegründet sein sollen. Denn
aus Liebe hat Gott das Universum und den Menschen erschaffen, als Teil eines
kosmischen Bundes mit der gesamten Schöpfung. Und aus Liebe erhält Gott die
Schöpfung am Leben. Es ist Gottes Liebe, die uns für die Zukunft Hoffnung und
Kraft schenkt, unser Verhalten zu ändern, selbst wenn wir die Folgen
menschlicher Sünden fürchten, die zu Umweltschäden oder Katastrophen führen.
Unsere Beziehung mit Gott ist einer Beziehung mit einer
Gemeinschaft von Personen gleichzusetzen. Gott als Vater und Schöpfer, der die
Welt erschuf, der uns durch die Propheten und die Gebote anwies, unseren
Nächsten wie uns selbst zu lieben. Gott als Sohn und Erlöser,
durch dessen kenotische (d. h. die göttliche Macht abgebende, sich entäußernde)
Inkarnation die Menschheit und die übrige Schöpfung ein neues Leben geschenkt
bekommen, hat diese Liebe in der Form seines Opfers am Kreuz und in der
Auferstehung sichtbar gemacht. Gott als Heiliger Geist stützt Kirche und
Schöpfung gleichermaßen und ruft uns auf, Nächstenliebe, Mitgefühl und
Solidarität gegenüber den Bedürfnissen anderer zu zeigen und die selbstsüchtige
Aneignung der Gaben der Schöpfung zu unterlassen, die für alles menschliche
Leben so notwendig sind.
Die christliche Tradition kennt eine vielfältige
Beschreibung der menschlichen Rolle und Verantwortung gegenüber der Schöpfung.
Wir werden Geschöpfe, Hüter, Propheten, Diener, Könige, Mitarbeiter genannt. Wir
anerkennen den Schaden, der in der Vergangenheit durch eine gewisse Vorstellung
von menschlicher Herrschaft und Vormachtstellung angerichtet worden ist. Wir
anerkennen, dass Gott alle Menschen, die nach dem Bild Gottes geschaffen wurden
(1. Mose 1, 26), eine besondere Rolle und Verantwortlichkeit als Priester der
Schöpfung und Partner Gottes, gegeben wurden. Wir glauben, dass alle Menschen
ihre Rolle as Priester der Schöpfung und Partner Gottes potenziell durch ihren
Arbeitseinsatz erfahren können. Indem wir die Ressourcen des Planeten
verarbeiten und zu nutzbaren Gütern und Dienstleistungen umwandeln, beanspruchen
wir Gottes Gaben der Schöpfung und anerkennen unsere Verantwortung bei deren
Umwandlung. Bei diesem Prozess geben wir Gott die Gaben, die wir erhalten
haben, in einer Form zurück, deren Potenzial und Vielfalt wir weiterentwickelt
haben. In diesem Vorgang sind wir Teil der erschaffenen Ordnung und er zwingt
uns, nach strategischen und praktischen Grundsätzen zu entscheiden. Solche Entscheidungen
zu treffen, ist ein Ausdruck unserer gottgegebenen Freiheit. Unsere Bestimmung,
uns um die Natur zu kümmern, diese umzuwandeln und eine lebenswerte Umwelt
aufzubauen, die wir Gott in Danksagung darbringen, richtet sich nach dem
heiligen Abendmahl: Die christliche Gemeinschaft opfert die Gaben von Brot und
Wein – nachdem durch eine menschliche Tätigkeit die Wandlung von Traube und
Korn vollzogen worden ist.
Im Lichte dieser Verheißung und Berufung ist es uns
möglich, die uns zugewiesene Rolle und Verantwortung in einem Geist der
Hoffnung zu leben, selbst angesichts ökologischer Krisen und Katastrophen. Im
Vertrauen auf Gottes immerwährende Liebe können wir den durch die menschliche
Rasse – vor allem in den wohlhabenden Ländern – zugefügten Schaden an der
Schöpfung wahrnehmen und bereuen; und wir können den Mut fassen, neue
Lösungsmöglichkeiten zu finden und diese unverzüglich umzusetzen.
Wir streben eine neue Art der nachhaltigen Gemeinschaft
an (welche die Menschen in allen Weltregionen umfasst und auch die übrige
Schöpfung einbezieht). Wir stehen vor neuen wirtschaftlichen, ökologischen,
sozialen und kulturellen Herausforderungen, die eine Verpflichtung zur globalen
Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit verlangen. Gemeinschaften sind nachhaltig und
gerecht, wenn
Gott ruft uns auf, uns an der stetigen Aufgabe der
Schöpfungsgestaltung zu beteiligen; Jesus fordert von uns, unsere Talente nicht
zu verbergen (Mt. 25, 14-28). In einer Gesellschaft, die zunehmend auf Wissen
und Dienstleistungen aufgebaut ist, müssen alle die Chance kriegen und
ergreifen, zur Entwicklung dieser Gesellschaft beizutragen.
Wir streben ein neues Paradigma an, auf der Basis einer
Neuentdeckung früher christlicher Erkenntnisse. Dieses Paradigma bekräftigt den
theologischen Wert der Wirtschaft als Teil von Gottes “oikonomia” (das
fortgesetzte Management von Gottes Haushalt) und sieht diese Wirtschaft nicht
losgelöst. Diese “oikonomia” jedoch vollständig mit der Wirtschaft
gleichzusetzen ist nicht zufriedenstellend es sei denn, wir sehen die Wirtschaft
als Teil des übergeordneten ökologischen Systems. Dieses System hat seine
eigenen Grenzen des quantitativen Wirtschaftswachstums.
Wir müssen uns klar werden, was wir eigentlich
produzieren wollen, was wie konsumiert werden soll und welche Rohstoffe und
natürliche Ressourcen dabei involviert werden. Bei diesen Fragestellungen
müssen unserer Überzeugung nach die folgenden Nachhaltigkeitsprinzipien eingehalten werden:
Es gibt Werte und Prozesse, die
allein mit Wirtschaftsterminologie und –Methoden nicht verstanden oder
betrieben werden können. Es braucht zum Beispiel Kontrollmechanismen, um
Landschaften und schützenswerte Gebiete zu erhalten. Auch das gehört zu Gottes
“oikonomia”. Wir anerkennen die Bedeutung und Tragweite der nichtstaatlichen Umweltorganisationen
und der Freiwilligen sowie den Beitrag der Christen an dieser äusserst
wichtigen Arbeit. Wir stellen trotzdem fest, dass gewisse Ökosysteme bereits
unwiderruflich geschädigt worden sind oder immer noch zerstört werden. Die
internationale Studie "Millenium Ecosystem Assessment" mit ihrem
integrativen Ansatz in Bezug auf Sozial- und Ökosysteme hat hier einen wegweisenden
Beitrag geleistet.
Wir teilen diese dualistischen Glaubensansätze nicht, die
Spiritualität vom Erschaffenen trennen. Sondern wir verstehen unser Engagement
in Wirtschaft und Umwelt als Teil einer göttlichen Berufung, mit Gott an der
Transformation der Welt zu arbeiten. Die bezahlte oder unbezahlte Arbeit ist gemäß
unseres Verständnisses im weitesten Sinn das Instrument, mit dem wir an dieser
Berufung teilhaben. Durch die Herstellung von Gütern und die Erbringung von
Dienstleistungen beteiligen sich die Menschen an der stetigen Arbeit von Gott
in der Schöpfung.
Produktion und Konsum gehören beide zum menschlichen
Wohlergehen und können deshalb als Segen Gottes genossen werden. Doch eines der
kritischsten Probleme in der europäischen Gesellschaft ist die Manipulation des
Konsums für die individuelle Habgier und das Eigeninteresse in einem solchen Ausmaß,
dass das vorrangige Allgemeinwohl und besonders die gerechte Beziehung
innerhalb Europa und zwischen Europa und einige Regionen der Welt bedroht sind.
Obwohl Definitionen von ‘genug’ und menschlichen Bedürfnissen kulturell bedingt
sind, ist es dennoch klar, dass es Grenzen unseres Konsums geben muss, die
sowohl von ökologischen Faktoren als auch von sozialer Gerechtigkeit bestimmt
werden.
In unseren Augen gehören nebst den eigentlichen
EU-Mitgliedern auch diejenigen Regionen und Länder, Gemeinschaften und
Organisationen zu Europa, die man geographisch zu Europa zählt. In allen diesen
Ländern stellen die christlichen Kirchen nebst anderen Glaubensrichtungen, mit
nichtstaatlichen Organisationen und anderen Organisationen einen wesentlichen
Teil in allen Bereichen der Gesellschaft dar. Wir halten fest, dass wir
Christen und Christinnen viel zu lernen und beizutragen haben beim Aufbau einer
neuen Vision für ein nachhaltiges Europa und dessen Wirkung auf andere
Weltregionen.
Die Kirchen in Europa begrüßen die bedeutenden Leistungen
der EU bei der Ausarbeitung neuer gesetzlicher Rahmenbedingungen zum Beispiel
für den Schutz der Vogelarten sowie der Flora und Fauna in der
Wasser-Richtlinie für Flussbecken. Ebenfalls anerkennen sie die wichtige Rolle
der EU bei der Umsetzung des Kyoto-Protokolls.
Die umweltrelevanten Themen sind von größter Dringlichkeit.
Das zeigt sich bereits in den Entwicklungsländern. Wenn wir jedoch ein
effizientes Eingreifen hinauszögern, könnte die gesamte Menschheit, einschließlich
der Industrieländer mit einer dramatischen Verschlechterung der Fähigkeit unseres
Planeten konfrontiert werden, uns am Leben zu erhalten.
Sieben Arbeitsgruppen haben die nachfolgenden Reflexionen
und Empfehlungen ausgearbeitet. Sie wurden im Plenum der Versammlung nicht
diskutiert.
Die Kirchen haben sich aus ihrer Schöpfungsverantwortung
heraus in der Zweiten Ökumenischen Versammlung 1997 in Graz dem
Nachhaltigkeitsprozess verpflichtet, die Bewahrung der Schöpfung auf allen
Ebenen des kirchlichen Lebens zu fördern.
Seither begehen Christen an
vielen Orten der Welt den 1. September als Schöpfungstag und Beginn einer Zeit
der Schöpfung bis zum 4. Oktober, dem Tag des Heiligen Franz von Assisi. In
dieser Zeit lassen sich Eintagesveranstaltungen oder eine ganze Reihe von
Veranstaltungen zum Schutz de Schöpfung organisieren. Aus ihrem Glauben heraus
haben Christen und Christinnen Bildungsprogramme ausgearbeitet, die eine gewisse
Hoffnung verbreiten und eine Zukunft ermöglichen sollen, in der es sich in
einem nachhaltigen Lebensstil zu leben lohnt. Dazu gehören die “Gerechtigkeitsbudgets,” “Das
Dreipfeiler-Modell”, das den lokalen Agenda 21-Prozess mit dem konziliaren
Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung verbindet,
und – als ein neu entwickeltes Konzept – den “Globalen Marshall-Plan.” Solche
Programme und Projekte werden in Zusammenarbeit mit Umwelt- und
Entwicklungsorganisationen wie auch mit engagierten Forschern und Politikern
entwickelt. Die Schöpfungszeit als Teil des liturgischen Kirchenjahrs hat sich
als eine wertvolle Gelegenheit erwiesen, solche Projekte und Programme zu initiieren.
Um das Thema der Nachhaltigkeit weltweit in die Kirchen
einzuführen, braucht es unserer Ansicht nach die Bemühung der Kirchenführer,
die sich dafür einsetzen sollten, im Kirchenkalender einer Schöpfungszeit Raum
zu geben.
Christus und das
Abendmahl
Zuallererst sind wir Geschöpfe und müssen anerkennen,
dass wir gefallen sind. Der dramatische Zustand unserer Umwelt reflektiert die
Sünde der Menschheit und unser Scheitern in der Anbetung und im Respekt gegenüber
dem Schöpfer und gegenüber der ursprünglich guten Schöpfung. In unseren
Glaubensbekenntnissen und Liturgien – besonders in den Abendmahlsliturgien –
werden wir immer wieder daran erinnert, dass Gott der Schöpfer ist, und dass
wir Bestandteil der Schöpfung sind, zusammen mit allen Geschöpfen Gottes und
eng mit ihr verbunden. Die Liturgie ermahnt uns ebenfalls, dass Christus,
obwohl er das Licht der Welt und der Erlöser von allem ist, in die Welt
eintritt, nicht nur als Herr, sondern auch als Diener von allen. Seine
priesterliche Rolle wird in seinem Dienst an der Schöpfung als auch an der
Menschheit deutlich. Christus bringt in seinen Wunderheilungen und seinem
priesterlichen Erlösungswerk die ganze Schöpfung zu Gott zurück; in seinem
auferstandenen Leib wird die ursprüngliche Schöpfungsordnung wiederhergestellt,
und die durch die ganze Schöpfung sichtbaren Folgen der Sünde werden bereits
geheilt. Er ist also Paradigma und Pionier der gegenwärtigen Rolle der
Menschheit in der Schöpfung, die der Schöpfung im Namen des Schöpfers dient,
und die Schöpfung nicht besitzen soll; die Menschheit soll sich, in ihrem Lob
auf den Schöpfer, der Schöpfung anschließen und, vereint mit den Bäumen, in die
Hände klatschen und mit den Hügeln, die das Lob Gottes preisen. Die Früchte der
Schöpfung und der menschlichen Arbeit in Brot und Wein werden im Fest des
Lebens - dem heiligen Abendmahl - sichtbar. Nur durch seine Erlösungsarbeit als
Schöpfer, der zum Geschöpf wird, der die Sünde und Unordnung durch den Kreuzweg
und die Auferstehung überwindet, wissen wir nun, was unsere Rolle als
privilegierte Geschöpfe ist, die gleichzeitig die Last einer großen Verantwortung
zu tragen haben: mehr als alle anderen Lebewesen müssen wir uns für die
Ökologie der Schöpfung einsetzen.
Das Reden von Schöpfung als "Gabe" kann nur im
Verhältnis zu dieser zentralen Rolle von Christus in der Erneuerung der
Schöpfung verstanden werden und im Verhältnis zur Aufnahme der erschaffenen
Elemente in das Abendmahl. Wir wissen nicht, was Gabe ist, außer durch Segnung
und Darbringung von Brot und Wein durch Christus im letzten Abendmahl mit
seinem Jüngern, als Vorgeschmack auf das Reich Gottes, die neue Schöpfung,
welche sein auferstandener Leib ist, in den wir alle im Geschenk des Geistes
aufgenommen sind; es ist der Geist, der in den eucharistischen Anaphora über
den Elementen angerufen wird. Wir bekennen, dass unsere verschiedenen
Glaubensgemeinschaften die ökologische Bedeutung der Eucharistie selbst und die
Elemente von Brot und Wein vernachlässigt haben; wir rufen die Kirchen deshalb
auf, in ihrer Lehre und in der Verkündigung der Liturgie diesen Schwerpunkt
wieder zu setzen – und in der Formulierung der Liturgiegebete sogar
auszusprechen. In der nouvelle liturgie in den letzten dreißig Jahren
erfolgte eine Verlagerung von einer transzendenten zu einer immanenten
Dimension, welche vor allem einen neuen Schwerpunkt auf die menschliche
Kommunion, auf Frieden und Versöhnung innerhalb der Liturgie legte. Aber diese
neue Orientierung auf koinonia muss
revidiert werden, damit sie sich deutlicher auf Gemeinschaft, Friede und
Versöhnung bezieht, mit allen
Lebewesen in der Ökologie, nicht nur unter den Menschen allein.
Natur und
Offenbarung
Während einer gewissen Zeit in der Kirchengeschichte,
zumindest bis zu Thomas von Aquin, war der traditionelle Schwerpunkt der Natur
als Buch Gottes nebst dem Buch der Worte Gottes verloren oder in den Hintergrund
gerückt. Traditionsgemäß verstanden die Theologen die Natur als eine Analogie
oder eine Parabel für das versteckte Wesen Gottes als die Heilige Dreifaltigkeit.
Das wird deutlich in den spirituellen Traditionen, die sich um die Wüste und
die Wildnis entwickelten, die im Leben von Christus erkennbar sind, wie in der
Spiritualität der Wüste und in der Schöpfungsspiritualität wie in derjenigen
des Heiligen Franziskus. Das wird auch in der Rolle aller fünf Sinne gezeigt,
wie in einigen Ansätzen zu Spiritualität, so zum Beispiel in der ignatianischen
Tradition. Wir schlagen vor, dass die Betrachtung der Schöpfung mit allen fünf
Sinnen, das sichtbare Wesen der Dinge Gottes durch Begegnungen mit der
natürlichen Welt, in der christlichen Erziehung junger Menschen mehr Raum
erhält. Dazu können Lager und Exkursionen in Wälder oder naturbelassene
Gegenden dienen. Das Entscheidende hier ist, sich mit dem Herzen zu
involvieren. Der moderne Mensch hat seine Herzensverbindung zur Schöpfung
verloren, was bei den noch nicht verstädterten Menschen nicht üblich war.
Deshalb reagieren sie auch nicht so empfindlich auf das Leiden gefangener Tiere
in der modernen Nahrungsmittelindustrie, oder auf das Leiden ihrer Mitmenschen
unter Armut und Ungerechtigkeit, das auf gewisse Folgen der modernen
Wirtschaftsentwicklung zurückzuführen ist. Die seelsorgerliche Theologie
braucht eine neue öko-psychologische Betonung, die von der Güte und vom
Mitgefühl Gottes für die Schöpfung getragen wird, in der die Liebe Christi für
die Leidenden, Armen und Ausgeschlossenen sowie in seinem Mitgefühl die für die
gesamte Schöpfung Ausdruck findet.
Erziehung und Bildung stehen im Mittelpunkt der
menschlichen Bestrebungen, zu einer Lebensgestaltung zu kommen, welche die
Bewahrung der Schöpfung garantiert. Im Zusammenhang – und im Widerstand – einer
individualistischen und konsumorientierten Kultur sind ein grundlegender Wandel
von Herz und Gemüt vonnöten, um die Menschen soweit zu bringen, dass sie auf
Gottes Gabe des Lebens in all ihrer Verschiedenheit und Unabhängigkeit mit Buße,
Anbetung, Fürsorge und Zurückhaltung reagieren.
Hier können die Kirchen mit einem Angebot an
Lernerfahrungen einen Beitrag leisten, welche diese ökologische Bekehrung
inspirieren. Im Idealfall bedeutet dies direkte Naturerfahrungen. Sie verbinden
wissenschaftliche Kenntnisse über ökologische Krisen mit einem Verständnis, das
in unserem Glauben an den Gott der Liebe gegründet ist, der sich in Jesus
Christus offenbart. Am effizientesten sind Kontakte mit einfachen,
beeindruckenden Lebensstilen, die ökologisches Verständnis und Nachhaltigkeit
reflektieren, aber auch Arbeit und Andacht, kreative Gottesdienstordnung, Gebet
und Aktion vereinigen. Beispiele solcher Modelle findet man bei klösterlichen
Gemeinschaften, die nachhaltige Methoden des Ackerbaus, der Nahrungsmittelproduktion
sowie Gottesdienst und Gastfreundlichkeit verbinden, und zwar auf eine Weise,
die uns ermutigt und motiviert. Sie verwandelt Touristen in Pilger und
Konsumenten in bewusste Menschen, die gemäß einer Ethik der Genügsamkeit leben.
Der Platz, der der Öko-Theologie und Öko-Praktiken in den
christlichen Bildungsprogrammen aller Schulstufen eingeräumt wird, muss
gestärkt werden. Das gilt auch für die Ausbildung der Religionslehrerinnen und
–Lehrer.
Die Kirchen müssen auch eine Rolle spielen bei der
Zusammenarbeit mit den nationalen Erziehungs- und Umweltministerien. Hierbei
geht es um die Umsetzung der Strategien der UNECE (United Nations Economic Commission
for Europe) für die Schulung in nachhaltiger Entwicklung (ESD), die im März
2005 für die Europa-Region verabschiedet worden ist. Diese Strategie schließt
auch den nicht-formalen Bildungssektor ein. Die Kirchen könnten einen
gewichtigen Beitrag leisten, indem sie sicherstellen, dass die Grundwerte und
spirituellen Dimensionen der ESD angemessen berücksichtigt werden.
Der Klimawandel ist ein Kernthema der Nachhaltigkeit und
womöglich das Umweltthema mit den weitreichendsten Konsequenzen für die
Menschheit. Wir sind dabei, das eigentliche physikalische System des Planeten
zu verändern. Falls die Treibhausgase weiterhin ungehindert zunehmen, könnten
laut Wissenschaftlern eine Anzahl von planetaren Gleichgewichten zusammenbrechen.
Tropische Regenwälder und die arktische Tundra könnten von der Aufnahme
schädlicher Gase zur deren Freisetzung übergehen; verschiedene Eiskappen würden
relativ rasch dahinschmelzen. In einer Extremsituation könnte der Golfstrom zu fließen
aufhören (oder umgekehrt fließen). Aufgrund der Bibel und unseren Traditionen
sind wir äusserst besorgt um die immer größer werdenden, von Menschen gemachten
Folgen des Klimawandels für unseren Planeten, seine Bewohner und Ökosysteme;
und wir sorgen uns um die Menschen und Regionen in der Natur, die am meisten
unter diesen Folgen leiden und deshalb am meisten Gerechtigkeit brauchen.
Die Emissionen, die den Klimawandel bewirken, hängen mit
unseren Wirtschafts- und Energiestrukturen und unserem Konsumverhalten
zusammen. Zwar unterstützen wir die EU in ihrer positiven Rolle bei Klimaverhandlungen,
die klimatischen Auswirkungen sind aber so gravierend, dass wir zu einer
radikalen Änderung in der Energiepolitik und in der Infrastruktur aufrufen.
Priorität muss dem Energiesparen sowie einem geringen Ausstoß an Kohlendioxiden
eingeräumt werden – damit müssen wir unserer Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas
ein Ende setzen und neue erneuerbare Technologien fördern. Parallel laufende Maßnahmen
zur Milderung der Umweltschäden wie z. B. Wiederaufforstung können
ebenfalls eine Schlüsselrolle spielen. Zudem braucht es steuerliche Maßnahmen
und Wirtschaftsinstrumente, um das richtige Finanzklima für solche
Veränderungen zu schaffen. Das Auslaufen lassen von Subventionen für fossile
Brennstoffe gehört ebenfalls dazu wie steuerliche Mechanismen zur Reduzierung
der Menge der fossilen Treibstoffe (und hier ganz besonders der
Luftfahrtreibstoffe) und die Förderung erneuerbarer Energietechnologien und
Energiesparmaßnahmen sowie der Besteuerung von Reisen per Auto und Flugzeug.
Als Christinnen und Christen in Europa bekennen wir uns
zur Ungerechtigkeit unserer ökologischen Schuld gegenüber dem Süden. Wir im
Norden tragen die Hauptverantwortung für das Entstehen der Klimaerwärmung,
deren schlimmste Auswirkungen aber im Süden zu spüren sind, bei Gemeinschaften,
die kaum oder keine Mittel haben, sich anzupassen. Die negativen Folgen der
Klimaerwärmung unterlaufen auch die Millenniumsentwicklungsziele. Wir
unterstützen den Kontraktions- und Konvergenzmechanismus, die Treibgasemissionen
des Nordens zu reduzieren, den Ländern im Süden aber gleichzeitig eine Erhöhung
ihrerseits bis zum vereinbarten Pro-Kopf-Verbrauch zuzugestehen.
Bei allen Diskussionen um den Klimawandel hat die Senkung
unseres Energieverbrauchs als Individuen, Kirchen und Gemeinschaften Priorität.
Wir müssen die Energie wieder als etwas Wertvolles und als seltenes Gut
ansehen. Als in Armenien nur eine Stunde am Tag die Stromversorgung
funktionierte, planten die Menschen ganz genau, wofür sie den Strom brauchen
würden und wofür nicht. Noch Jahre später schalteten die Leute instinktiv das
Licht in einem leeren Raum ab.
In unseren Kirchen können wir einen anderen Schwerpunkt
setzen als in der gegenwärtigen EU-Konsumenten- und Wettbewerbspolitik. Wir
können zeigen, dass das Leben in seiner Fülle nicht so viel verbraucht, indem
wir Energiesparmaßnahmen umsetzen. Zudem spielen wir eine wesentliche Rolle bei
der Erziehung und Bewusstseinsförderung unserer Kirchen; dazu können wir unser
einzigartiges weltweites Kontaktnetz einsetzen, einschließlich für progressive
Energieprojekte im Süden. Wir besuchten die Titus-Kirche in Basel, die mit
Sonnenkollektoren die Kirche beheizt. Der durch die Solarstromproduktion erwirtschaftete
Gewinn wird für die Finanzierung von Solarprojekten in ländlichen Spitälern in
Afrika eingesetzt. Durch solche und viele andere Beispiele sollten unsere
Kirchen inspiriert werden, ihrer eigenen Situation angepasste Möglichkeiten von
Energiesparmaßnahmen zu entwickeln.
Unsere Vision zielt auf ein Leben, das den Menschen
Qualität in ihrem eigenen Lebensumfeld bietet, das die unnütze Fortbewegung möglichst
gering hält und so den Schaden verringert, der unser gegenwärtiges Transportsystem
uns, der Umwelt und den ökologischen Prozessen anrichtet. Die ökologischen
Grundlagen erhalten das Leben in Europa und der ganzen Welt. Das heutige
Transportsystem ist auch ein Indikator für ein ungerechtes Europa und eine
ungerechte Welt. Deshalb schlagen wir an die Adresse der Kirchen vor:
-
Die motorisierte Mobilität
vermeiden:
Organisation einer Europa-weiten Auto-Fastenkampagne vor Ostern 2006; Förderung
des Einkaufs von Regionalprodukten, insbesondere Nahrungsmittel vermeiden, die
über lange Transportwege zu uns gelangen; keine Binnenflüge (unter 800
Kilometern) innerhalb europäischer Länder;
-
Nur noch umweltfreundliche und
sozialverträgliche Transportmittel benutzen: Gemeinschaftsautos, Autopools; Förderung des
Gebrauchs von Fahrrädern und öffentlichen Transportmitteln durch geeignete
Anreize und Instrumente, etc.
-
Den Kauf und die Nutzung von
Transportmitteln optimieren: nachhaltiges Fahren (spart bis zu 30 % Benzin); Einsatz der Kaufkraft, um
von der Automobilbranche “bessere” (verkleinerte) Autos zu verlangen; Förderung
von grünem Treibstoff; Koordination von Schwerverkehrstransporten.
-
Eine neue Spiritualität und
Kultur entwickeln, wie man sorgfältig in einem gegebenen Raum und der verfügbaren Zeit lebt
und sich bewegt.
-
Dies
soll initiiert und unterstützt werden von offiziellen Rahmenbedingungen und
Instrumenten. Auch die Planung von kirchlichen Infrastrukturen, von
Gottesdiensten und Veranstaltungen soll nach Grundsätzen eines minimalen Verkehrsaufkommens
erfolgen.
Ökologische Vorsicht, Wirtschaftsvisionen und
Sozialverträglichkeit bestimmen den Erfolg einer nachhaltigen Entwicklung. Die
kirchliche Praxis muss dem Appell der Kirchen für eine nachhaltige, umweltfreundliche
Zukunft Folge leisten. Die Herausforderung kann mit dem Mittel von
Managementsystemen übersetzt und ins Kirchenleben umgesetzt werden.
Ein Umweltmanagement beginnt mit der Bestandesaufnahme
der Situation, aktiviert einen laufenden Verbesserungsprozess und veranlasst
eine interne sowie externe Transparenz. Der Prozess verläuft wie in einem
geschlossenen Managementzyklus. Der Schwerpunkt wird auf
Organisationsentwicklung und Energiesparmaßnahmen gelegt. Der Appell der
Kirchen kann so Schritt für Schritt in die Realität umgesetzt werden, was
wiederum für die Glaubwürdigkeit einer kirchlichen Gemeinschaft oder Organisation
spricht.
Das an dieser ECEN-Vollversammlung vorgelegte Dossier
"Umweltmanagement in europäischen Kirchen” listet die unterschiedlichen
Praktiken der europäischen Kirchen auf. Einige Kirchen arbeiten mit dem Schema
“Environmental Management Audit Scheme” (EMAS) der EU und empfehlen es als ein
hilfreiches Instrument. Wir erneuern den Aufruf, das Ökomanagement als integralen
Bestandteil des geistlichen Amtes der Kirchen zu betrachten. Das Potenzial ist
längst nicht ausgeschöpft.
Die verschiedenen Wege zur Motivation für das Ökomanagement,
z. B. im finanziellen, sozio-kulturellen und ethischen Bereich, müssen
aufmerksam beachtet werden. Das Finanzthema kann bei einigen Leuten der beste
Ausgangspunkt sein, während andere wiederum vom Thema der Gerechtigkeit
angesprochen werden, oder ganz einfach davon begeistert sind, sich persönlich
engagieren zu können. Energiemanagement und Sparmaßnahmen an kirchlichen
Liegenschaften (bis zu 30 Prozent) waren der vielleicht fruchtbarste Zugang zur
Nachhaltigkeit; kirchliche Buchhalter und Wartungspersonal können in diesem
Bereich als Schlüsselpersonen effizient gewonnen werden; ein konkreter,
praktischer Zugang ist wesentlich; ein weiterer möglicher Fokus könnte die
Verwaltung von Wald und Land sein, ein Erbe (eine typisch klösterliche Industrie),
das auch den immanenten Wert der Nachhaltigkeit in der Langfristperspektive der
menschlichen Generationen beinhaltet; auch die Landwirtschaft könnte ein
weiteres Eintrittsfenster zur Umweltverpflichtung darstellen.
Wir schlagen vor, dass die Vorbereitungen zur Dritten
Ökumenischen Versammlung in Sibiu 2007 als Gelegenheit verstanden werden, die
Kirchen zu verpflichten, Umweltmaßnahmen umzusetzen. Im Einzelnen schlagen wir
vor, dass a) die Planungsgruppe sich ernsthaft mit den vielen Mobilitätsfragen auseinander
setzt; b) besondere Aufmerksamkeit der Nutzung bewährter Ressourcen (wie den
Erfahrungen des Deutschen Kirchentags) geschenkt wird; c) Anstrengungen
unternommen werden müssen im Umgang mit verschiedenen Materialien, mit Abfall
und Recycling; d) eine Dokumentation erstellt wird über die Bemühungen des Ökomanagements
für ein größeres Ereignis. Einige der Mitglieder dieser nicht-ständigen Arbeitsgruppen
drückten ihre Bereitschaft aus, dieses Projekt zu unterstützen.
Frische Trinkwasserressourcen nehmen in allen
Weltregionen ab, auch in Europa. Abfall und Wasserverschmutzung, verursacht von
nicht-nachhaltigen Formen von Landwirtschaft, Bergbau, Industrie, Militäroperationen
und Krieg, Tourismus und andere Aktivitäten, welche die Empfindlichkeit des
globalen Wasserzyklus der lokalen Wassersysteme nicht berücksichtigen, bedrohen
die Wasserversorgung selbst in den angeblich wasserreichen Ländern. Abholzung
und die alarmierende Auswirkung der Klimaerwärmung auf das Schmelzen der
polaren Eiskappen und der Gletscher sowie veränderte Verhaltensmuster bei Regenfällen
verschlimmern die Situation weiter.
Für Kirchen und kirchliche Entwicklungsdienste sowie
–gruppen stehen die Wasserprobleme immer mehr im Mittelpunkt ihrer Arbeit. ECEN
fördert die Zusammenarbeit dieser Akteure in einem aufstrebenden Wassernetzwerk,
das vom Ökumenischen Rat der Kirchen moderiert wird. Dieses Netzwerk unterhält
Verbindungen zu Umweltorganisationen, nichtstaatlichen Organisationen und
Wissenschaftlern, die für diese Arbeit über die ECEN-Wassergruppe relevant
sind.
Die ECEN-Wassergruppe hinterfragt die Trendwende zur
Privatisierung von Wasserressourcen und –Dienstleistungen, die vor allem von
westeuropäischen Großunternehmen zusammen mit internationalen Finanzinstitutionen
betrieben wird; sie setzt sich hingegen für eine öffentliche Kontrolle und
Beteiligung der Menschen und Gemeinschaften auf allen Stufen des Wassermanagements
ein. Beispiele von Erhaltungsmaßnahmen von Flussläufen in Indien, kleine
Sanddünen in Afrika wie auch eine nachhaltige Nutzung von Mikrowassersystemen
in privater oder öffentlicher Hand in Europa zeigen, dass es mehrere
Möglichkeiten gibt, sich für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung von
Wasserressourcen einzusetzen. Indem ECEN die Kampagnen für Wasser als ein
Menschenrecht (in internationalen und nationalen Gesetzen verankert) unterstützt,
und prüft, ob die Initiative eines freiwilligen Wassercents zur Unterstützung
von Basisprojekten sinnvoll sei, bekräftigt ECEN die biblische Aussage, dass
Wasser eine Gabe Gottes und die Grundvoraussetzung für alles Leben sei, das
erhalten und geteilt werden muss zum Nutzen aller Geschöpfe und nicht nur der
menschlichen Bedürfnisse.
Das Europäische
Christliche Umweltnetzwerk ECEN, 1998 gegründet, ist ein Netzwerk von auf Ökologie
spezialisierten Kirchenämtern in ganz Europa. Es ist eng mit der Konferenz der
Europäischen Kirchen verbunden. Das Dokument wurde der ECEN-Vollversammlung in
Basel am 8. Mai 2005 vorgelegt. An dessen Ausarbeitung waren
120 Delegierte aus 30 Ländern in Europa, die alle wichtigen christlichen
Konfessionen repräsentierten, beteiligt.
Weitere
Informationen: www.ecen.org
Aus dem Englischen übersetzt von
Helena Nyberg/ Philine Blum/ Christoph Stückelberger